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CARSTEN REINHOLD SCHULZ TAPED WORLD STREAM PILOT „dizzy …“

Taped World

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street art, open space theory

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CARSTEN REINHOLDSCHULZ TAPEDWORLD STREAM PILOT

„dizzy …“

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Inhalt

3 + 6 Taped World Stream Pilot

14 +18 Interview

20 VitaImpressum und Dank

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Taped World Stream Pilot

die Überschrift bietet auf mehreren Wegen Zugang zu der, als zeitlichzusammenhängende, nicht abgeschlossenen Reihe von Aktionenanzusehenden Projektreihe.Sprachlich gesehen kann „taped world“ mit der (z.B. auf Band)aufgezeichneten Welt assoziiert werden. Ebenso mit einer, im medi-zinisch-kurierenden Sinne gemeinten, bandagierten Welt. Eine ein-fache und mehr materialbezogene Übersetzung zeigt sich in der mitKlebestreifen ausgestatteten umfassenden Umgebung, „stream pilot“dagegen lässt ohne weiteres Assoziationen mit futuristischen ComicHelden zu. Die Entwicklung von Prozessen, die eine reflektierendeKunst zulassen und zu einer beweglichen und neuen Formenspracheführt, ist für Carsten Reinhold Schulz von immenser Bedeutung. Antradierten Künstlerbildern lässt sich seine mit vielen Querverweisen spie-lende Arbeitweise, die an jedem Ort entstehen kann, nicht messen. DieLust am Zulassen der Prozesse, der Wille, den Dingen in ihren vielenFacetten einen notwendigen Handlungsspielraum zu gewähren, iststets mit einem starken Glauben an die sich selbst erneuernden gestal-terischen Kräfte verbunden. Seine hier vorgestellte Form der Kunst istnicht mehr von Orten oder Ateliers abhängig, sie ist ungebunden. Sieist ein Angebot. Die Motivpalette ist angeregt von künstlerischen undsozio-politischen Aspekten. Was passiert mit den Streifen und kleben-den Bändern in der Realität? Welche verbindenden Formen lassensich damit erfahrbar machen? Ursprünglich nur als formale Struk-turierungen eingesetzt, haben sich die Klebebänder mehrfarbig inimmer neuen Kombinationen zu einer klaren Farbsprache entwickelt,die sich in Kombination und Reflektionen von modernen Kunstformen,üblicherweise den Off-Räumen der Illegalität zuzurechnen und zu his-torischen Positionen der Kunstgeschichte formieren. Es entstehen neue,voneinander abhängige Bilder im öffentlichen Raum, die, obwohl alstemporäre Erscheinung angelegt, den Bezugsrahmen von den Anfän-gen der Abstraktion bis zu den heutigsten Formen der Kunst zu koppelnvermögen. Mit großer Selbstverständlichkeit streifen sie den bekanntenHabitus des hehren Kunstwerkes ab, zugunsten fast beliebiger tem-porärer Werksysteme.

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diverse tapes aus „taped world stream pilot“ öffentlicher Raum, 2009

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Was bedeutet das? Isoliert man die von Carsten Reinhold Schulz benutzten farbigen Kom-binationen aus adhesive-tape Material – also Klebe- und Isolierband – aus dem Gesamtkon-text, so erinnern die Bänder schnell z.B. an die Farbfeldmalerei des Albers-Schülers KennethNoland. Die Idee einer horizontalen Bewegung ist ein direkter und gewünschter Bezug.Nolands Ausspruch, das Malerei, ungeachtet des gewählten Bildsystems einer Farbe, denihr eigenen oder benötigten Raum verschaffen müsse, könnte ebenso gut auf die indiesem Katalog gezeigte Kunst verweisen, bliebe aber als Ansatz eine Einbahnstraße.Auch das durch Barnett Newman geprägte „sublime“, in seinen „ZIP“-Arbeiten könntekontrapunktisch herangezogen werden oder die kontemplativ ordnenden Bilder einesMark Rothko. Alles hinkende Vergleiche, handelt es sich doch bei allen gerade aufgeführ-ten Malern um eben solche und um Arbeiten auf traditionellen Bildträgern. Der Geruchvon Rest-Ideologie haftet ihnen durchaus an. Vor allem durch den beinhalteten Wunschdieser Maler nach einer Steuerung des Menschen, ja seiner Auflösung in der Farbe. Essind dies allesamt wichtige, aber verkürzende Zugänge zur vorliegenden Arbeit, es sindPole, schlichte Perspektivpunkte, zwischen denen sich „taped world stream pilot“ bewegt.Seit den 1990er Jahren ist für Carsten Reinhold Schulz die Rolle des Künstlers – als Weg-weiser der sich permanent erneuernden Kunstpositionierung– ein entscheidender Aspektseiner Arbeit. Als Bildträger nutzt er für seine schnell aufgebrachten, farbig strukturierten Kle-bebänder, zumeist die, mit ebenso schnell gemalten Graffitis und Tags versehenenStromkästen, Türen oder öffentlichen Werbetafeln. Die künstlerische Verbindung funktion-iert, das ist augenscheinlich, mit großer Lässigkeit. Das tut sie trotz oder gerade wegen derstark abweichenden Bearbeitungen des überlagerten, zufälligen Bildträgers, der nie einersein sollte. Im absurden Klima einer rechtswidrigen Situation, weisen die beinahe sportlichanmutenden Farbstreifen des Künstlers deutlich auf eine Versöhnung oder zumindest einenDialog von kunsthistorisch relevanten Positionen und den heutigen Strömungen der bilden-den Kunst hin. Ebenso geben sie einen Fingerzeig auf mögliche Rollen eines Künstlersder Gegenwart. Wenn er sich überhaupt noch so nennen möchte.Marcel Duchamps „Die Künstler der Zukunft werden im Untergrund arbeiten ...“ scheintkurz aufzuleuchten und verblasst schließlich vor den sich abzeichnenden kulturellenChancen.

Frederike Fuchs, 2009„Die Kunst ist außer Haus“

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diverse tapes aus „taped world stream pilot“ öffentlicher Raum, 2009

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„taped world selection 1“, 160 x 80 cm, Fotografie und adhesive tape auf Forex, 2009

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diverse tapes aus „taped world stream pilot“ öffentlicher Raum, 2009

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Der Künstler und Kurator Wolfgang Spanier im Gespräch mitCarsten Reinhold Schulz über die Bedingungen seiner Arbeit„taped world stream pilot“ in den Düsseldorfer Ausstel-lungsräumen des Kunstvereins für die Rheinlande und West-falen Anfang 2009.

Ein wichtiger Moment der letzten Zeit?„Im Jahr 2007 habe ich mein Atelier bewusst endgültigaufgegeben, temporäres Arbeiten ist für michjetzt noch wichtiger – es ist ein entscheidender Teil der von mirderzeit akzeptierten künstlerischen Einstellungen geworden. Esscheint, du schließt damit sogenannte tradierte Kunstformenvon vorneherein vom Diskurs aus?Nein, das wäre unglaublich anmaßend und dogmatisch. Aberich muss glaubhaft sein in dem was ich tue, diese Einstellung er-warte ich logischerweise auch von anderen Menschen und Kün-stlern, selbst wenn derzeit alle gezwungen sind, sich inMomenten der Spielerei aufzureiben. Was verbindest du mitdem Kunstbegriff? Welchem? Also, ich sehe künstlerische Ar-beiten immer nur als Teil der gesamten Kultur, ich kann nicht nurin fokussierten malerischen oder bildhauerischen Überlegungenverharren. Das ist in Permanenz gestrig, entsetzlich und lang-weilig. Ich interessiere mich für Angebote. Das ist mein Weg zuden entscheidenden Fragestellungen. Kannst du einen grund-sätzlichen Ansatz beschreiben? Kultur ist eine ernste Sache undich möchte sie so sehr beschützen, wie die Kultur ihrerseitsGesellschaften vor der Barbarei schützen kann. Als jemand der1963 geboren worden ist, habe ich diese Lektion des Dritten Re-iches bei den Eltern und in der Schule ja noch sehr intensiv gel-ernt. Woher kommt bei einer solchen Sicht das spielerischeElement? Eine ernste Einstellung gebiert immer abgrundtiefeKomik, das ist wunderbar grotesk und natürlich eine Form der Ret-tung. Das gefällt mir. Ich glaube, hier sitzt ein Teil meiner Persön-lichkeit, den ich zutiefst akzeptiere. Was stört dich derzeit ammeisten? Derzeit befürchte ich, dass die Unmenschlichkeit undDummheit durch die Hintertür der Gleichgültigkeit und Mit-

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„taped world selection 2“, 160 x 80 cm, Fotografie und adhesive tape auf Forex, 2009

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„taped world selection 3“, 160 x 80 cm, Fotografie und adhesive tape auf Forex, 2009

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telmäßigkeit wieder bei uns Einzug hält. Politisch ist das ja schon offensichtlich. Ich sehe keine wirkliche Haltung derKünstler dazu. Ich sehe noch zu viele Produkte ohne Anbindung und zuwenig Kritik. Oder die Diskussion ist vorhanden,findet aber keinen gesellschaftlichen Niederschlag. Vielleicht im Kleinstgruppendiskurs. Und auch das könnte, meinerMeinung nach, anders werden. Es scheint alles so möglich. Aber wie immer zählt nur die Tat. In welche Richtungschaust du jetzt? Kunst die relevant ist, und das ist nicht neu, hat etwas mit Beweglichkeit zu tun, daher kann die kul-turell gewünschte Kommunikation idealerweise auf die Straße ausgelagert werden. Der Straßenraum wurde ja extrafür Bewegung und Transport erfunden und errichtet. Ich rede hier nicht von der üblichen Kunst im öffentlichen Raum,die ist ja interessanterweise auch auf dem Vormarsch, ich rede auch nicht von den 1970er Jahren und fadenscheinigerAgitprop Kunst, sondern ich spreche von neuen Formen großer Kunst, die die Straßen beseelt, vielleicht temporär wieMusik, vielleicht als bewegliche Basis für die nächsten Künstler. Sogar ein neues Wertesystem könnte sichtbar werden.Was ist damit gemeint? Was ich mir vorstellen kann ist das woran ich arbeite: Kunstwerke als konkrete Dockingsta-tion der nächsten. Eine Arbeits- und Entwicklungsweise wie die eines Virus. Das sieht man doch schon sehr deutlich inder „taped world stream pilot“ Serie. Ich finde, sich immer wieder erneuernde Bilder entwickeln zauberhafte und wun-derschöne Geschichten. Es wird von mir nicht übermalt und zerstört, sondern gemeinsam erzählt. Das ist so etwas wieJazz, denke ich. Eine freie Form der künstlerischen Kommunikation. Bisher sah man nur den Graffiti-Künstler der versuchteden anderen zu verdrängen und zu übersprühen, was sich in einer animalischen Reviertechnik erschöpfen muss. WelcheFolgen hätte die von dir aufgezeigte Kunstauffassung? Eine vollständig neue Bewertung von Bildauffassung und vomWertbegriff der Kunst wäre die logische Konsequenz. Die Isolierung der Künstler würde aufgehoben, die Isolierung derKünste ebenfalls. Eine sich so entwickelnde Kunstform würde zudem interessante Alternativen selbst zu den Museen schaf-fen, die automatisch als Archiv ausgedient hätten. Sie würden einfach implodieren. Denn Kunst bliebe dann immer sicht-bar und öffentlich vorhanden. Vor allem, nachdem man die schwarzen Trümmerreste der nutzlos gewordenen undausgebrannten Autos weggeräumt hätte. In welcher Situation siehst du die Kunstvermittlung?Derzeit sind viele Kunstvermittler bemüht und allzu oft auch durch einseitige Sponsoren gezwungen, die Menschenimmer weiter von der Kunst zu trennen, in dem man sie zu didaktisch orientierten Ausstellungen der Superlative, zu arter-haltenden Großkundgebungen in Museen und Kunsthallen zusammenruft, das ist die übliche Technik einer an denbekannten Vermittlungssystemen geschulten Logik. Es ist natürlich reaktionär. Es ist bloße Machtpolitik. Jeder weiß das.Was haben Künstler noch damit zu tun? Ein Beispiel: ob dieser Text Sinn macht, entscheidet nicht sein offensichtlicherSinn, sondern der, dem er in die Hände fällt. Es gibt eben nur Angebote ...Du hast viele Projekte zur Rolle des Künstlers gemacht, wie sieht deine Sicht darauf heute aus?Künstler könnten endlich ihre Bilder verbinden, neue Arbeitsprozesse finden, das Mosaik zusammensetzen, neue Rollenentwickeln, ihre Situation gesellschaftlich definieren. Aber noch halten sie sich an vorgegebene Strukturen. Aber derEinsatz liegt jetzt auf dem Tisch.Also, mein Unwille gegenüber politischen und sozialen Manipulationen der menschlichen Gemeinschaft, zu der sichauch Künstler mittlerweile zählen sollten, ist für mich ein bewusst eingesetztes Aggregat in einer überwiegend schemen-haften Zeit. Künstler können versuchen ein paar klare Momente beizusteuern.Das wäre schon eine ganze Menge.

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Relevante Daten, Projekte zur Rolle und Funktion des Künstlers, Discografie

Carsten Reinhold Schulz

*1963 Mönchengladbach, Anthroposophisches Kunststudium Free International Uni-versity, F.I.U. Hamburg, bei Günther Lierschof und Wolfgang Genoux, Ausstellungen:„Die Culturwert:Sammlung", Landesmuseum Volk und Wirtschaft (jetzt NRW Forum) inKooperation mit den Goethe-Instituten Brasilia, Sao Paulo, Moskau, New York, Brüs-sel, Oslo. „Junge Kunst in Netzwerken“, Kunsthalle Baden-Baden. „Saccharose“ DerKünstler als Süßwaren-Produzent, Museumsshops in Deutschland. „Die versöhnendeKraft der Saccharose“, „Zuckerlecksteine im öffentliche Raum“ (diverse Städte, inprogress), „Body In The Blue“, Breda, NL, „10 sec Films”Video,„Ichals …2“ Foto-Ar-beiten auf Forex, Kunsthalle Flingern, Düsseldorf. „Der Künstler als Galerist“: Aufbauund künstlerische Leitung der Galerie VIKTOR GRRAY 07--09, Düsseldorf. „TapedWorld Stream Pilot“, Projekte im öffentlichen Raum (div. Städte in progress), Entwick-lung der interstationären Galerie und Kunstgruppe „NEW DECONTEMPORARY“,projects and projections“, Entwicklung des Galerie-Magazins (Print und online) GAL-PORT 2009 Buch/Katalog/Ansprache: „Der Kulturwert." Verlag für Wissenschaft undForschung, Berlin, „Kuratierende Reden/ Katalogtexte zu den Ausstellungen innerhalbdes Galerie- und Ausstellungsprojektes „Viktor Grray“ Düsseldorf CD als Autor/Pro-duzent für den Buchhandel: CD „Papadada" Hörbuch. 54 min., CD „Laabs Kowal-ski" Hörbuch, 50 min., CD „Der Weltkrieg im Freibad", Hörbuch 30 min., CD „Dreialte Artistinnen", Hörbuch nach dem gleichnamigen Theaterstück, CD „Elvis, Jesus, Di-eter Bohlen und Du.", Hörbuch, 62 min., CD „Unterhaltung für Deutschland", bildendeKünstler als Autoren, mit Martin Baltscheit, Klaus Sievers, Arnold Schalks, Carsten Rein-hold Schulz, CD „CULTURWERT:SAMMLUNG" goes radio, 52 min. Das Hörbuchzum gleichnamigen Kunstprojekt, mit Axel Grube u.a. CD/Musik: „Arbeitslosen-lieder", Musik für Texte aus Internetforen für Arbeitslose, „REC - HardCoreHomeRe-cordings", 1990-2000, „Dankeschön, Amerika", Download-Song während desIrak-Krieges für die Homepage der Jungsozialisten Deutschland. „Die Schwarze Hand- kontraproduktive Wahlkampflieder im Bundestagswahlkampf `08. Mit Sebastian Dör-ries.Band / Lesung /Auftritt seit 2007: „DAS ZWEITE FELD" Lesung und Nu-Chansons,mit Walfried Böcker (kb) Carsten Tiemessen (g) u.a.Messeteilnahmen: Medienkun-stmesse und contemporary art ruhr, C.A.R. Zeche-Zollverein, Essen. Tease Art, Kunst-messe, Köln, „Die RFBK“ Neue soziale und politische Formen der Kunst, www.rfbk.de,2010, Das zweite Feld der Kunst „Rolle 29“, „wall objects und memo songs“, 2011neue Bildformen, Düsseldorf.Dieser Katalog wurde anlässlich der Messepräsentation von Carsten ReinholdSchulz mit NEW DECONTEMPORARY projects and projections(www.nudecontemporary.de) im Rahmen der C.A.R., contemporary art ruhr30.10. – 02.11.2009, in den Hallen von Zeche Zollverein und ZollvereinSchool, Essen, NRW erstellt. Ein Dankeschön an Silvia Sonnenschmidt undThomas Volkmann, Agentur 162, Wolfgang Spanier und Brita Münster für„support and understanding“