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Dr. Michael Paridon, [email protected]
Methodische Wege zur
Entwicklung von Judotechniken
I. Ausführungen zur Theorie
Didaktik befaßt sich mit der Ziel- und Inhaltsanalyse des Unter-
richts, also hauptsächlich mit den Fragen, was und warum un-
terrichtet wird. Dazu gehört auch, wer, wann, mit wem, wo, und
womit gelernt werden soll.
Methodik beschäftigt sich damit, die in der didaktischen Analyse
getroffenen Entscheidungen im Unterricht umzusetzen und zu
vermitteln. Innerhalb der Beziehung Lehrer - Schüler - Stoff ist
es Aufgabe der Methodik, Wege zum Lernziel zu weisen. Die
Methodik befaßt sich also hauptsächlich mit dem Wie der Ver-
mittlung des Lerninhaltes.
Im Rahmen der Prüfungsaufgabe werden didaktische Überle-
gungen in der Darlegung weitgehend ausgeklammert.
Die Judo-Methodik befaßt sich als Spezialfall der allgemeinen
Methodenlehre mit der Vermittlung von Judotechniken. Wir un-
terscheiden grundsätzlich zwei methodische Konzepte:
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
A) Induktives Konzept
Die induktive oder normsuchende Verfahrensweise hebt auf die
Selbständigkeit und Selbsttätigkeit der Schüler in Hinblick auf
den Lernweg ab. Lehr- und Lernweg sind grundsätzlich offen
gehalten. Eine Bewegungsaufgabe im Sinne einer Problemstel-
lung wird bearbeitet, dabei werden Bewegungserfahrungen und
Bewegungserlebnisse gesammelt und so das Bewegungsreper-
toire erweitert. Denk- und Handlungsimpulse werden durch den
Lehrer und die Mitschüler gegeben. Die gefundenen Lösungs-
möglichkeiten werden vorgestellt, besprochen, erprobt und ggf.
ergänzt. Hierbei handelt es sich um ein offenes Konzept, das
auf eine schülerzentrierte Vorgehensweise mit entdeckendem
Lernen abhebt.
B) Deduktives Konzept
Die deduktive oder normgeleitete Vorgehensweise führt auf
möglichst direktem Weg zu einer motorischen Fertigkeit. Durch
eine möglichst genaue Bewegungsvorschrift (Bewegungsan-
weisung, -demonstration, -hilfen) wird der Schüler ohne Umwe-
ge zum Lernziel geführt. Hierbei handelt es sich um ein ge-
schlossenes Konzept, das auf eine lehrerzentrierte Vorgehens-
weise mit reproduzierendem Lernen abhebt. Varianten dedukti-
ver Methoden sind die Ganzheitsmethode, die Ganz-, Teil,-
Ganz-Methode, die Teillernmethode (elementhaft-synthetische
Methode) und das Lehren nach Funktionsphasen. Es sollen
noch kurz die Ganzheitsmethode, die Teillernmethode und die
die Ganz-, Teil,- Ganz-Methode erläutert werden.
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
Ganzheitsmethode
Die sportlichen Tätigkeiten und Fertigkeiten werden als Ganz-
heit vermittelt. Es handelt sich um Bewegungen, die vom Schü-
ler in der Ganzheit, wenn auch in der Grobform, beherrscht
werden können. Dabei sind Hilfsmöglichkeiten durch Verein-
fachungen und Reduzierung in der Bewegung (z.B. Tempo,
Verlangsamung, Krafteinsatz und Intensität) gegeben, so daß
eine Bewegung als Ganzes geübt werden kann.
Teillernmethode
Die Teillernmethode gliedert einen Bewegungsablauf in ein-
zelne Teilbewegungen auf, die isoliert geübt werden. Über die
Verknüpfung der Teilbewegungen wird die Ganzheit erreicht.
Dabei kann es beim Zusammenfügen der Bewegung zu
Schwierigkeiten kommen. Das liegt zum einen an neurophysio-
logischen Gegebenheiten, zum anderen daran, daß eine Ge-
samtbewegung eigene Dynamik besitzt, die die Summe der
Teilbewegungen überschreitet. Die Teillernmethode wird
zweckmäßig dort angewandt, wo die Bewegungsstruktur zu
komplex ist, um sie selbst unter erleichterten Bedingungen als
Gesamtbewegung ausführen zu können. Sie eignet sich auch
für Bewegungsstrukturen, die sich gut untergliedern lassen.
Ganz-Teil-Ganz-Methode
Die Ganz-Teil-Ganz-Methode ist ein Kompromiß zwischen den
beiden erstgenannten Methoden. Um ein Bewegungsgefühl zu
entwickeln, wird zunächst mit allen Unzulänglichkeiten die Ge-
samtbewegung erprobt. Anschließend werden einzelne Teilbe-
wegungen isoliert geübt und möglichst schnell in die Gesamtbe-
wegung integriert.
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
Die Abfolgeprinzipien
- vom Leichten zum Schweren
- vom Bekannten zum Unbekannten
- vom Einfachen zum Komplexen
- von Einfach- zu Mehrfachanforderungen
- von der Hauptfunktion zur Nebenfunktion
werden im Unterricht beachtet.
Vor dem Unterricht werden für alle Techniken noch folgende
Überlegungen angestellt:
- Welche Voraussetzungen benötigt Uke und wie kann ich sie
ggf. schaffen?
- Welche ähnlichen Techniken kennt Uke bereits?
- Benötigt Uke spezielle koordinative / konditionelle Voraus-
setzungen?
- Mit welchen Übungen kann ich auf die neuen Anforderungen
vorbereiten?
-- z.B. bei Wurftechniken:
-- Wie fällt Uke?
-- Beherrscht Uke diese Falltechnik bereits?
-- Bei welchem Wurf fällt Uke ähnlich?
-- Welche spezielle Fallübung gibt es hierzu?
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
- Welche Voraussetzungen benötigt Tori und wie kann ich sie
ggf. schaffen?
- Welche ähnlichen Techniken kennt Tori bereits?
- Benötigt Tori spezielle koordinative / konditionelle Voraus-
setzungen?
- Mit welchen Übungen kann ich auf die neuen Anforderungen
vorbereiten?
- Wie schaffe ich günstige Lernbedingungen?
- Welche Kumi kata ist günstig?
- Welche Ausgangsstellung oder Bewegungsrichtung bietet
sich an?
- Wie kann Uke helfen?
- Kann zunächst eine vereinfachte Bewegungsform angebo-
ten werden?
Bei der Technikdemonstration wird zweckmäßig wie folgt vorge-
gangen:
- zunächst Demonstration mit realer Geschwindigkeit
- Demonstration aus unterschiedlichen Blickwinkeln
- Zerlegen der Technik in wichtige Funktionsphasen
- Teilbewegungen akzentuiert demonstrieren
- verlangsamte Demonstration und Hervorhebung wichtiger
Details mit Schlüsselbegriffen
- erneute Demonstration mit realer Geschwindigkeit
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Nach einer ersten Übungsphase wird in Abhängigkeit von der
Entwicklung der Technik die Gruppe zusammengerufen und die
Technik erneut demonstriert werden. Dabei wird auf wichtige
Punkte, bei denen bereits Fehler aufgefallen sind, besonders
eingegangen. Während der folgenden Übungsphase werden
Fehler individuell korrigiert.
Zur Fehlerkorrektur:
- Fehler werden möglichst frühzeitig verbessert.
- Die Fehlerkorrektur wird individuell auf den Schüler abgestellt.
- Grobe Fehler werden zuerst korrigiert.
- Zunächst wird immer nur ein Fehler verbessert.
- Es wird versucht, die Fehlerwahrnehmung des Schülers
aufzubauen.
- Kontrollmechanismen werden durch Partnerhilfe angestrebt.
- Den Schülern wird ausreichend Zeit zum Üben gelassen.
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II. Methodik
Ich stelle die Teillernmethode am Beispiel des O Soto Gari und
die Ganzheitsmethode am Beispiel des Harai Goshi dar.
A. Teillernmethode am Beispiel des O Soto Gari
Zielgruppe
Eine Gruppe von 14 -16jährigen Jugendlichen, Graduierung 6.
Kyu, Beginn der Vorbereitung auf den 5. Kyu
Zielübung
O Soto Gari zeichnet sich als Technik auf einem Bein dadurch
aus, daß
- nur für eine kurze Phase das Gewicht von Uke auf einem Bein
kontrolliert werden muß,
- die Technik sich gut in die klassischen Phasen Kuzushi,
Tsukuri und Kake untergliedern läßt,
- sich exemplarisch die Bedeutung des korrekten Gleichge-
wichtsbruchs für einen erfolgreichen Wurf zeigen und
erfahren läßt.
Die Technik soll zunächst aus dem Stand gezeigt und gelernt
werden, da hierbei
- die zu erwartenden Probleme beim Gleichgewichtsbruch und
- beim Gleichgewichthalten von Tori besser kontrolliert werden
können,
- die einzelnen Wurfphasen, insbesondere die Bedeutung des
korrekten Gleichgewichtsbruchs für einen erfolgreichen Wurf,
gut herausgearbeitet und erfahren werden können.
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
Die weitergehende Forderung für den 5. Kyu, Bewegung bei
der Wurfausführung auszunutzen, soll später gelehrt werden.
An Vorkenntnissen werden die in der Prüfungsordnung bis zum
6. Kyu vorgesehenen Falltechniken und die Wurfprinzipien, na-
mentlich das Prinzip des Sichelns, vorausgesetzt.
Darstellung der Technik
Beim O Soto Gari sichelt Tori ein stark belastetes Bein von Uke
von außen mit seinem gleichseitigen Bein. Uke verliert damit
die hauptsächliche Stütze seines Gleichgewichts und stürzt.
Beim Gleichgewichtsbruch sind Zug und Druck von Tori zu-
nächst darauf ausgerichtet, ein Bein von Uke stark zu belasten
(Zug und Druck zur Seite). Das belastete Bein wird dadurch zur
hauptsächlichen Stütze von Ukes Gleichgewicht. Außerdem
wird Ukes Gleichgewicht nach hinten gebrochen (Druck nach
hinten). Dieser zweite, weniger starke Gleichgewichtsbruch
nach hinten ist notwendig, um Uke in eine Hohlkreuzposition zu
bringen.
Bei unzureichendem Gleichgewichtsbruch kann Uke Toris Ein-
gang abblocken. Wird Ukes Gleichgewicht zu stark nach hinten
gebrochen, reagiert Uke durch Korrekturschritte und erlangt
eine stabile Position zurück.
Ob das Gleichgewicht von Uke ausreichend stark und in die
korrekte Richtung gebrochen wurde, läßt sich zum einen durch
die Hohlkreuzposition von Uke und zum anderen durch die Ge-
wichtsverteilung am belasteten Fuß kontrollieren. Die Belastung
muß auf der Fußaußenkante (Gleichgewichtsbruch zur Seite)
und der Ferse (Gleichgewichtsbruch nach hinten) liegen. Wenn
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Ukes ganzer Fuß gleichmäßig aufsteht, ist das Gleichgewicht
nicht richtig gebrochen.
Während der Sichelbewegung werden Zug und Druck so umge-
lenkt, daß Uke in die Lücke fällt, das durch das Wegsicheln der
Stütze ensteht. Geschieht dieses Umlenken zu früh, hat Uke
die Möglichkeit, durch Ausgleichsschritte eine stabile Position
zurückzuerlangen. Durch Körperkontakt werden Toris Kraft und
Bewegungsmoment auf Ukes Oberkörper übertragen.
Ukes belastetes Bein wird mit einer kraftvollen Bewegung unter
Einsatz des gesamten Körpers weggerissen (Überwindung der
Haftreibung). Das sichelnde Bein ist dabei im Knie gebeugt und
in Bogenspannung fixiert. Toris gleichseitige Hüfte ist ebenfalls
gebeugt. Uke fällt nah an Tori zu Boden.
Hauptsächliche Punkte
- Brechen des Gleichgewichts in zwei Richtungen
- Wegreißen eines stark belasteten Beins
- sichelndes Bein ist im Knie gebeugt und in Bogenspannung
fixiert
- gebeugte Hüfte auf der Seite des sichelnden Beines
- kraftvolle Bewegung unter Einsatz des gesamten Körpers
- Körperkontakt
- Uke fällt nah an Tori zu Boden
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Typische Fehler
- Gleichgewichtsbruch in die falsche Richtung
- Hohlkreuzposition von Uke wird nicht hergestellt
- Zug und Druck werden in die falsche Richtung gelenkt, so daß
Uke wieder stabilisiert wird
- sichelndes Bein nicht fixiert
- mangelnder Körperkontakt
Vorübungen
a) Gleichgewichtsschulung
- Achten mit einem Bein schreiben
- Hüpfen auf einem Bein
- - mit Störung durch Partner
- Hahnenkampf
- - mit geschlossenen Augen
- Balancieren über eine Bank
- Laufen mit Gewichtsbelastung und plötzlichem Richtungs-
wechsel
- Übungen mit dem Wackelbrett oder dem Petsy-Ball
b) Beinposition / Bogenspannung
- Bein schwingen
- - mit Übergang in die Judorolle
- Hüpfen mit Partner und eingehängtem Bein
c) allgemeine Körperkraft und Falltechnik werden vorausgesetzt
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1. Teilbewegung des O Soto Gari: Kuzushi
- Uke steht schulterbreit parallel
- Tori steht vor Uke, Standardgriff, linke Hand an Ukes rechtem
Ärmel, rechte Hand an Ukes Revers. Uke greift in gleicher Art.
Hilfen zur Kumi kata:
Hinweis auf korrekte Handhaltung, Daumenposition, Handge-
lenk fixieren.
-Tori setzt das linke Bein nach vorne, nach links neben Uke,
etwa gleichauf mit Uke (Hilfe: an den Mattengrenzen orientie-
ren) und läßt Platz genug, um später mit seinem rechten Bein
an Uke vorbeizukommen.
- Tori bricht Ukes Gleichgewicht zunächst möglichst exakt nach
rechts (Yoko Migi), indem er den linken Arm nach außen zieht
und vor seinen Körper führt. Die rechte Hand wird mit dem Un-
terarm vor Ukes Brust gelegt und schiebt ebenfalls nach links.
Uke wird aufgerichtet, so daß Tori Uke in eine Hohlkreuzposi-
tion bringt (Gleichgewichtsbruch nach hinten).
Hilfen zu Kuzushi:
- Richtung des Kopfes von Tori beeinflußt Gesamtbewegung
- Stellreflexe ausnutzen
- Tori darf nicht ins Hohlkreuz
- Uke soll ins Hohlkreuz
- Gewichtsverteilung auf Ukes belastetem Fuß feststellen
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Auswirkungen der Fehler:
- Gleichgewicht zu weit nach vorne gebrochen → Übergang zu
Hüfttechnik nach vorne
- Gleichgewicht zu weit nach hinten gebrochen → Verteidigung
von Uke durch Zurücksetzen des nicht angegriffenen Beines
und anschließendes Aussteigen mit dem angegriffenen Bein
möglich
- Tori steht im Hohlkreuz → kein Körperkontakt, Uke kann leicht
abwehren
2. Teilbewegung des O Soto Gari: Tsukuri
- Tori schwingt sein rechtes Bein an Uke vorbei
- Aufbauen einer Bogenspannung unter Aufrechterhalten des
Gleichgewichtsbruches und Wahren von Toris Gleichgewicht
- Körperkontakt Schulter / Schulter herstellen
Hilfen zu Tsukuri:
- Richtung des Kopfes von Tori beeinflußt Gesamtbewegung
- Stellreflexe ausnutzen
- Tori darf nicht ins Hohlkreuz
- Uke soll im Hohlkreuz bleiben
- Körperkontakt wahrnehmen
- Bogenspannung aufbauen
- nicht übertrieben Schwung holen
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Auswirkungen der Fehler:
- Tori steht im Hohlkreuz → kein Körperkontakt möglich,
Uke kann leicht abwehren
- Gleichgewichtsbruch nicht beibehalten → Uke kann aus-
steigen
- ohne Körperkontakt keine ausreichende Kraftübertragung
möglich
3. Teilbewegung des O Soto Gari: Kake
- Tori sichelt Ukes belastetes Bein weg, indem er sein gebeug-
tes und unter Spannung gehaltenes Bein von außen hinten
gegen Ukes Bein schwingt. Kontakt wird mit Kniekehle -
Kniekehle oder Oberschenkel - Oberschenkel hergestellt.
- Tori drückt Uke mit Kontakt Schulter / Schulter nach hinten
unten
- Drehpunkt ist Toris linke Hüfte
- Gleichzeitiger Zug von Toris linker Hand und Druck von Toris
rechter Hand.
- Toris linke Hand wird in Richtung auf Toris linke Hüfte geführt
- Toris rechter Arm drückt nach vorne / unten
- Bewegung von Toris Oberkörper und Kopf nach vorne / unten
mit Drehung von Uke weg.
- Bogenspannung wird bis zum Ende gehalten
- Sicherung und Kontrolle von Uke durch Griff am Arm
- Tori kommt zum sicheren Stand durch Absetzen des rechten
Fußes nach vorn.
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Hilfen zu Kake:
- Richtung des Kopfes von Tori beeinflußt Gesamtbewegung
- Stellreflexe ausnutzen
- Tori darf nicht ins Hohlkreuz
- Uke soll im Hohlkreuz bleiben
- Körperkontakt wahrnehmen
- nicht übertrieben Schwung holen
- auf Bogenspannung achten
- korrekte Trefferposition für die Beine
- rasante Bewegung
Auswirkungen der Fehler:
- Tori steht im Hohlkreuz → kein Körperkontakt möglich,
Uke kann leicht abwehren
- Gleichgewichtsbruch nicht beibehalten → Uke kann aus-
steigen
- übertriebenes Schwungholen stört das eigene Gleichgewicht
- ohne Bogenspannung keine ausreichende Kraftübertragung
- keine ausreichende Wirkung bzw. Verletzungsgefahr durch
falsche Trefferposition
- Gleichgewichtsverlust durch unkontrollierte Bewegung
- keine Wirkung bei zu langsamer Bewegung (Haftreibung,
Massenträgheit und Ausweichbewegung von Uke)
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Synthese
Zunächst wird Kuzushi geübt, bis der Gleichgewichtsbruch eini-
germaßen sicher klappt und die Ausgangsposition für die fol-
genden Schritte hergestellt werden kann.
Dann wird Tsukuri hinzugenommen. Hierbei ist das Ziel zu-
nächst, daß Tori den Gleichgewichtsbruch aufrecht erhält und
das eigene Gleichgewicht halten kann. Weiter wird Wert auf
das Aufbauen einer Bogenspannung gelegt.
Als dritter Schritt wird aus der hergestellten Position O Soto Ga-
ri ausgeführt.
So werden erst Kuzushi und Tsukuri, dann Kuzushi, Tsukuri
und Kake zusammengeführt. Damit ist die Grobform der Tech-
nik erlernt.
Als nächster Schritt kann die Technik dann aus einer anderen
statischen oder dynamischen Ausgangssituation gelehrt und
gelernt werden. Darauf soll jetzt nur kursorisch eingegangen
werden. Möglich ist als Ausgangssituation für die Rechtstechnik
die Position: Ukes rechter Fuß steht vorne oder wird nach vorne
gebracht, z.B. aus Toris Rückwärtsbewegung. Möglich ist der
Wurfansatz auch aus Toris Vorwärtsbewegung, ebenfalls wenn
Ukes rechter Fuß vorne steht. Solche Stellungen können z.B.
am Mattenrand herbeigeführt werden. Die Überlegungen zur
Technikvermittlung sind die gleichen wie oben.
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Als Übungsformen sind geeignet:
- Uchi Komi: wiederholter Wurfansatz ohne Wurfausführung,
Kuzushi und Tsukuri ohne Kake, geeignet, um die Bewegung
einzuschleifen. Die ständige Wiederholung der Wurfeingangs-
bewegung soll die Bewegungsstruktur festigen und die
Geschwindigkeit steigern.
- Nage Komi: wiederholte Wurfausführung aus einer kontrollier-
ten Ausgangssituation. Die Ausgangssituationen können und
sollen wechseln.
- Butsukari Geiko: Uke leistet erhöhten Widerstand, so daß Tori
seine Aktionen verstärken muß. Hier wird auch die Übungs-
form Dreier-Uchi-Komi eingereiht.
- Tandoku Renshu: Üben mit einem imaginären Partner. Dabei
kann der Bewegungsablauf unabhängig von Einflüssen eines
Partners verbessert werden.
- Yaku Soku Geiko: Tori und Uke bewegen sich frei über die
Matte, Tori wirft O Soto Gari. Je nach Kenntnisstand wird die
Übungsform abgewandelt. Uke kann versuchen auszusteigen
oder zu kontern, ohne dabei Tori letztlich an der erfolgreichen
Wurfausführung zu hindern.
- Reihenwerfen: Tori steht im Mittelpunkt eines Kreises, den
verschiedene Partner bilden. Auf Zuruf läuft er auf einen der
Partner zu und wirft. Bei dieser Übung geht es darum, Partner
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unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Gewichtes und
aus unterschiedlichen Ausgangssituationen zu werfen.
- Bahnenwerfen:Tori wirft aus der Vorwärts- oder Rückwärtsbe-
wegung eine Mattenlänge immer wieder.
- Randori: Die Technik kann unter Vermeidung unnötiger Här-
ten in bestehende Handlungskomplexe eingebaut werden.
Das Randori dient auch der direkten persönlichen Erfolgskon-
trolle durch den Schüler. Es können spezielle Vorgaben be-
züglich Kumi kata oder Auslage gemacht werden.
- Kakari Geiko: Tori kämpft nacheinander gegen verschiedene
Partner und soll dabei hauptsächlich O Soto Gari ansetzen,
wohingegen seine Partner ohne Vorgaben handeln dürfen.
Bei allen genannten Übungsformen wird der Lehrer die Schüler
begleiten und, je nach Anlaß, loben, kommentieren und ggf.
Fehler korrigieren.
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B. Ganzheitsmethode am Beispiel des Harai Goshi
Zielgruppe
Eine Gruppe von 14 -16jährigen Jugendlichen, Graduierung 6.
Kyu, Beginn der Vorbereitung auf den 5. Kyu
Zielübung
Harai Goshi zeichnet sich als Hüfttechnik auf einem Bein da-
durch aus,
- daß nur für eine kurze Phase das Gewicht von Uke auf einem
Bein kontrolliert werden muß
- sich die Technik gut als Weiterentwicklung anderer Hüftwürfe
darstellen läßt
- sich exemplarisch die Bedeutung des korrekten Gleichge-
wichtsbruchs und des Körperkontakts für einen erfolgreichen
Wurf zeigen und erfahren lassen
Die Technik soll zunächst aus dem Stand gezeigt und gelernt
werden, da hierbei
- die zu erwartenden Probleme beim Gleichgewichtsbruch und
- beim Gleichgewichthalten von Tori besser kontrolliert werden
können
- die einzelnen Wurfphasen, insbesondere die Bedeutung des
korrekten Körperkontaktes für einen erfolgreichen Wurf gut
herausgearbeitet und erfahren werden können.
Die weitergehende Forderung für den 5. Kyu, Bewegung bei
der Wurfausführung auszunutzen, soll später gelehrt werden.
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An Vorkenntnissen werden die in der Prüfungsordnung bis zum
6. Kyu vorgesehenen Falltechniken und die Wurfprinzipien, na-
mentlich der O Goshi, vorausgesetzt.
Darstellung der Technik
Tori dreht ein, steht zwischen Ukes Beinen und nimmt dabei mit
aufrechtem Oberkörper Kontakt zu Ukes Oberkörper auf. Er
führt mit dem Abbeugen des Oberkörpers und dem Strecken
des Standbeines eine rotierende Hüftbewegung durch und hebt
Uke damit aus. Uke wird durch Rotation des Oberkörpers um
die Körperlängsachse und Fegen von Toris Bein gegen Ukes
gleichseitiges Bein nach vorne geworfen.
Uke wird durch Zug und Druck zunächst gestreckt, um engen
Körperkontakt zu ermöglichen und beim Abbeugen von Toris
Oberkörper ein Ausheben bewirken zu können. Weiter wird da-
durch verhindert, daß Uke sich in der Hüfte nach vorne beugt
und so verteidigt. Ukes Gleichgewicht wird nach vorne gebro-
chen, so daß Uke den Wurfeingang nicht durch Blockieren mit
der Hüfte verhindern kann und Tori beim Wurfeingang nicht
nach hinten gekippt werden kann. Die Belastung muß nach
dem Gleichgewichtsbruch auf Ukes Fußballen liegen.
Tori stellt dann mit gebeugten Beinen und aufrechtem Oberkör-
per engen Kontakt zu Uke her, bevor Uke durch Abbeugen des
Oberkörpers und Strecken von Toris Standbein ausgehoben
wird. Die Belastung liegt dann auch bei Tori auf den Fußballen.
Zug und Druck von Tori sind zuerst schräg nach vorne oben ge-
richtet. Nach der Kontaktaufnahme wird Uke durch Zug und
Druck an Toris Oberkörper fixiert und in einer Rotationsbewe-
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gung abgeworfen, indem Ukes Bein von Toris gleichseitigem
Bein nach hinten gefegt wird.
Hauptsächliche Punkte
- Uke wird zunächst gestreckt
- Brechen des Gleichgewichts nach vorne
- bei Tori und Uke sind die Fußballen belastet
- Kombination von zwei Rotationsbewegungen
(Oberkörperbeugung und -verdrehung)
- gebeugte Beine beim Eingang
- aufrechter Oberkörper beim Eingang
- Fixierung von Uke an Tori durch Armeinsatz
Typische Fehler
- ungenügendes Brechen des Gleichgewichts,
- Uke wird nicht gestreckt
- Wurfeingang mit gebeugtem Oberkörper
- ungenügende Beugung der Beine beim Eingang
- Belastung liegt nicht auf den Fußballen
- mangelnder Körperkontakt
- mangelnde Fixierung von Uke an Tori
Vorübungen
a) Gleichgewichtsschulung
- Achten mit einem Bein schreiben
- Hüpfen auf einem Bein
- - mit Störung durch Partner
- Hahnenkampf
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- - mit geschlossenen Augen
- Balancieren über eine Bank
- Laufen mit Gewichtsbelastung und plötzlichem Richtungs-
wechsel
- Übungen mit dem Wackelbrett oder dem Petsy-Ball
b) Beinposition / Bogenspannung
- Bein schwingen
- - mit Übergang in die Judorolle
- Hüpfen mit Partner und eingehängtem Bein
c) Gleichgewichtsbruch / Eingangsbewegung
- Basis Uchi Komi
- laufen mit Übersetzen
d) allgemeine Körperkraft und Falltechnik werden vorausgesetzt
Wurftechnik Harai Goshi
- Uke steht schulterbreit parallel
- Tori steht vor Uke, Standardgriff, linke Hand an Ukes rechtem
Ärmel, rechte Hand hoch an Ukes Revers. Uke greift in glei-
cher Art.
Hilfen zur Kumi kata:
Hinweis auf korrekte Handhaltung, Daumenposition, Handge-
lenk locker. Rechte Hand hoch im Revers, kann bis in den
Nacken hochrutschen.
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- Tori setzt das linke Bein schräg zurück, fast hinter sein eige-
nes rechtes Bein, und dreht dabei seinen Körper, mit der Hüf-
te mehr als mit den Schultern etwa eine Vierteldrehung nach
links. Der linke Fuß steht auf dem Fußballen. Zug mit der lin-
ken Hand nach vorne oben, mit der rechten Hand nach vorne
oben und Druck nach links. Uke kommt rechts etwas vor.
Ukes Körper soll gestreckt werden.
- Unter Beibehaltung des Zuges setzt Tori den rechten Fuß et-
wa einen Viertelkreis nach links, so daß der rechte Fuß etwas
hinter der Höhe des linken Fußes zu stehen kommt. Die Beine
sind überkreuzt.
- Tori stellt den Kontakt zur Vorderseite von Ukes Körper her,
indem er sich weiter dreht und den linken Fuß weit zurück zwi-
schen Ukes Beine setzt. Die Belastung beider Füße ist auf
den Fußballen, die Knie sind leicht gebeugt. Es besteht jetzt
ein enger Kontakt zu Ukes Oberkörper bis zur Hüfte.
Hilfen zum Wurfeingang:
- an den Mattengrenzen orientieren
- Abstand zu Uke ausprobieren in Abhängigkeit von den Grö-
ßenverhältnissen der Partner.
- Tori zieht Uke nach vorne oben und nicht sich an Uke heran.
- Richtung des Kopfes von Tori beeinflußt Gesamtbewegung
- Stellreflexe ausnutzen
- Tori darf nicht ins Hohlkreuz
- Oberkörper nicht zur Seite oder nach vorne abknicken
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- Körperkontakt herstellen
- nicht zu weit eindrehen (kein O Goshi)
Auswirkungen der Fehler:
- Abknicken des Oberkörpers zur Seite: Uke kann Tori auswei-
chen
- Abknicken des Oberkörpers nach vorne: Uke kann Tori leicht
blocken
- kein ausreichender Gleichgewichtsbruch: Uke kann leicht kon-
tern
- Tori fegt nun mit dem unter Spannung gehaltenen rechten
Bein nach hinten (evtl. holt er vorher noch aus) und streckt
gleichzeitig das linke Bein, dreht Hüfte und Oberkörper nach
links und beugt sich nach vorne. Toris linke Hand ändert die
Zugrichtung in eine Kreisbewegung nach links vorne unten in
Richtung auf Toris linke Hüfte. Toris rechte Hand drückt in die
selbe Richtung.
- Uke wird durch Ausheben und Rotation von Toris Oberkörper
um die Körperlängsachse und Fegen mit dem Bein geworfen.
- Sicherung und Kontrolle von Uke durch Griff am Arm.
- Tori kommt zum sicheren Stand durch Absetzen des rechten
Fußes nach vorn.
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
Hilfen zur Wurfausführung:
- Position nicht zu weit vor Uke, sonst Übergang zum O Goshi /
Tsuri Komi Goshi, Beinfegen ist dann nicht erforderlich
(technisches Prinzip)
- Uke muß aufgerichtet bleiben. Wenn Uke in der Hüfte ab-
beugt, ist der Wurf kaum möglich
- Fegen: im wesentlichen nach hinten,
nicht zur Seite → ohne Effekt
- nicht erst aufladen und dann fegen → O Goshi
- durchfegen, Bewegung wird erst gestoppt, wenn Uke fällt
- fegendes Bein unter Spannung halten
- Tori darf nicht ins Hohlkreuz
- Stellreflexe ausnutzen
- Körperkontakt aufrecht erhalten
Auswirkungen der Fehler:
- Tori steht im Hohlkreuz → Uke kann leicht abwehren
- Gleichgewichtsbruch nicht beibehalten → Uke kann aus-
steigen
- übertriebenes Schwungholen stört das eigene Gleichgewicht
- Gleichgewichtsverlust durch unkontrollierte Bewegung
- keine Wirkung bei zu langsamer Bewegung, da labile Situation
Ausweichbewegung von Uke provoziert
- Fegebewegung nur bei angespanntem Bein effektiv, sonst
keine Kraftübertragung möglich
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Um die Verletzungsgefahr klein zu halten, wird das zunächst
mehrmals langsam als Wurfansatz geübt. Wenn Gleichge-
wichtsbruch und Halten des eigenen Gleichgewichtes einiger-
maßen klappen, kann geworfen werden. Damit ist die Grobform
der Technik erarbeitet. Sie muß nun durch zahlreiche Wieder-
holungen gesichert werden.
Als nächster Schritt kann die Technik dann aus einer anderen
statischen oder dynamischen Ausgangssituation gelehrt und
gelernt werden. Darauf soll jetzt nur kursorisch eingegangen
werden. Hier sind sowohl Toris Vorwärtsbewegung als auch To-
ris Rückwärts- und Kreisbewegung möglich. Geeignete Positi-
onen lassen sich aus wettkampfnahen Situationen herstellen.
Die Überlegungen zur Technikvermittlung sind die gleichen wie
oben.
Als Übungsformen sind geeignet:
- Uchi Komi: wiederholter Wurfansatz ohne Wurfausführung,
Kuzushi und Tsukuri ohne Kake, geeignet, um die Bewegung
einzuschleifen. Die ständige Wiederholung der Wurfeingangs-
bewegung soll die Bewegungsstruktur festigen und die
Geschwindigkeit steigern.
- Nage Komi: wiederholte Wurfausführung aus einer kontrollier-
ten Ausgangssituation. Die Ausgangssituationen können und
sollen wechseln.
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Dr. Michael Paridon, [email protected]
- Butsukari Geiko: Uke leistet erhöhten Widerstand, so daß Tori
seine Aktionen verstärken muß. Hier wird auch die Übungs-
form Dreier-Uchi-Komi eingereiht.
- Tandoku Renshu: Üben mit einem imaginären Partner. Dabei
kann der Bewegungsablauf unabhängig von Einflüssen eines
Partners verbessert werden.
- Yaku Soku Geiko: Tori und Uke bewegen sich frei über die
Matte, Tori wirft Harai Goshi. Je nach Kenntnisstand wird die
Übungsform abgewandelt. Uke kann versuchen auszusteigen
oder zu kontern, ohne dabei Tori letztlich an der erfolgreichen
Wurfausführung zu hindern.
- Reihenwerfen: Tori steht im Mittelpunkt eines Kreises, den
verschiedene Partner bilden. Auf Zuruf läuft er auf einen der
Partner zu und wirft. Bei dieser Übung geht es darum, Partner
unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Gewichtes und
aus unterschiedlichen Ausgangssituationen zu werfen.
- Bahnenwerfen:Tori wirft aus der Vorwärts-, Rückwärts- oder
Kreisbewegung eine Mattenlänge immer wieder
- Randori: Die Technik kann unter Vermeidung unnötiger Här-
ten in bestehende Handlungskomplexe eingebaut werden.
Das Randori dient auch der direkten persönlichen Erfolgskon-
trolle durch den Schüler. Es können spezielle Vorgaben be-
züglich Kumi kata oder Auslage gemacht werden.
- 28-
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- Kakari Geiko: Tori kämpft nacheinander gegen verschiedene
Partner und soll dabei hauptsächlich Harai Goshi ansetzen,
wohingegen seine Partner ohne Vorgaben handeln dürfen.
Bei allen genannten Übungsformen wird der Lehrer die Schüler
begleiten und, je nach Anlaß, loben, kommentieren und ggf.
Fehler korrigieren.