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(Aus dem Lenox Hill Hospital, friiher Deutsches Hospital.) Transplantation von)Iundschleimhaut bei verschiedenen Erkrankungen der Hornhaut und bei Verbrennungen und Ver~itzungen des Auges. Von Prof. Dr. Rudolf Denig~ New York. Transplantation yon 1V[undschleimhaut ist ffir plastische Zwecke schon seit vielen Jahren in Gebrauch gewesen, als Behandlungsmittel jedoeh erst seit dem Jahre 1911, als ich sie zur Bek/~mpfung des Pannus trachomatosus vorschIug i. I. Transplantation bei Pannus traehomatosus. Nach meinem Dafiirhalten sind es vier Momenta, welche die auBer- ordentlieh giinstige Wirkung eines aufgepfropften Sehleimhautlappens auf die Heilung eines trachomatSsen Panntts erkl~rlich machen: Erstens kann die einfaehe Excision tier an den Pannus anstoBenden traehomatSs erkrankten Bindehaut nut einen vorfibergehenden giin- stigen EinfiuB haben, da das Trachom sehr bald wieder sich in alter Starke festzusetzen pflegt, w/£hrend hingegen das vSllige Ausschalten tier Binde- haut und ihr Ersatz durch einen Mundsehleimhautlappen es mSglieh macht, das Trachom yon dem Pannus fernzuhalten; den Pannus gewisser- mal]en zu isolieren. Das zweite Moment besteht darin, dab nach Aufpfropfen eines Schleim- hautlappens die Ern/ihrung der Hornhaut eine weitaus bessere werden muB. Die Hornhaut bezieht ihre Ern~hrung durch Diffusion des Blutes aus dan Capillaren des Randschlingennetzes. Naturgem~B kann das Er- n/ihrungsmaterial, welches aus einer oft jahrelang trachomatSs ver- seuehten oder bei Veritzungen des Auges ehemisch ver/~nderten Binde- haut stammt, nur ein hSchst minderwertiges sein. Der Ersatz en~arteter Bindehaut dutch frisches, gesundes Gewebe hat gleichfalls die Zufuhr yon frischem, gesundem Ern/~hrungsstoff ffir die Hornhaut zur Folge. Hierzu kommt nun drittens gewissermal]en ein hyper/imisierendes Moment im Sinne einer Bierschen Stauung hinzu, welches dutch die An-

Transplantation von Mundschleimhaut bei verschiedenen Erkrankungen der Hornhaut und bei Verbrennungen und Verätzungen des Auges

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Page 1: Transplantation von Mundschleimhaut bei verschiedenen Erkrankungen der Hornhaut und bei Verbrennungen und Verätzungen des Auges

(Aus dem Lenox Hill Hospital, friiher Deutsches Hospital.)

Transplantation von)Iundschleimhaut bei verschiedenen Erkrankungen der Hornhaut und bei Verbrennungen und

Ver~itzungen des Auges.

Von Prof. Dr. Rudolf Denig~ New York.

Transplantation yon 1V[undschleimhaut ist ffir plastische Zwecke schon seit vielen Jahren in Gebrauch gewesen, als Behandlungsmittel jedoeh erst seit dem Jahre 1911, als ich sie zur Bek/~mpfung des Pannus trachomatosus vorschIug i.

I. Transplantation bei Pannus traehomatosus. Nach meinem Dafiirhalten sind es vier Momenta, welche die auBer-

ordentlieh giinstige Wirkung eines aufgepfropften Sehleimhautlappens auf die Heilung eines trachomatSsen Panntts erkl~rlich machen:

Erstens kann die einfaehe Excision tier an den Pannus anstoBenden traehomatSs erkrankten Bindehaut nut einen vorfibergehenden giin- stigen EinfiuB haben, da das Trachom sehr bald wieder sich in alter Starke festzusetzen pflegt, w/£hrend hingegen das vSllige Ausschalten tier Binde- haut und ihr Ersatz durch einen Mundsehleimhautlappen es mSglieh macht, das Trachom yon dem Pannus fernzuhalten; den Pannus gewisser- mal]en zu isolieren.

Das zweite Moment besteht darin, dab nach Aufpfropfen eines Schleim- hautlappens die Ern/ihrung der Hornhaut eine weitaus bessere werden muB. Die Hornhaut bezieht ihre Ern~hrung durch Diffusion des Blutes aus dan Capillaren des Randschlingennetzes. Naturgem~B kann das Er- n/ihrungsmaterial, welches aus einer oft jahrelang trachomatSs ver- seuehten oder bei Veritzungen des Auges ehemisch ver/~nderten Binde- haut stammt, nur ein hSchst minderwertiges sein. Der Ersatz en~arteter Bindehaut dutch frisches, gesundes Gewebe hat gleichfalls die Zufuhr yon frischem, gesundem Ern/~hrungsstoff ffir die Hornhaut zur Folge.

Hierzu kommt nun drittens gewissermal]en ein hyper/imisierendes Moment im Sinne einer Bierschen Stauung hinzu, welches dutch die An-

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wesenheit des eingepflanzten Lappens, sozusagen dureh Fremdk6rper- wirkung, zustandekommt und eine Steigerung in der Abgabe von Er- nghrungsmateriM an die t tornhaut zur Folge haben diirlte.

Endlieh kommt viertens dem aufgepfropften Lappen eine sehtitzende Wirkung zu, indem er den Druek und das Rviben des oberen Lides auf die erkrankte t Iornhaut vermindert und abschwgcht, gewissermaBen Ms Kissen wirkt.

Nachdem ich mir fiber die Wirkung derartiger Transplantationen klar geworden war, ging ich daran, Mle mir in die Hgnde kommenden Fglle yon traehomat6sem Pannus derartig zu behandeln. Selbstverstgndlieh miissen evtl. bestehende Komplikationen wie Triehiasis oder traeho- matSse Entartung des Tarsus des Oberlides dutch Elektrolyse bzw. dutch die Heissrath-Kuhntsehe Operation beseitigt werden. Manche Pannus- fglle k6nnen ja sieherlich hierdurch MMn sehon der tIeilung entgegen- gefiihrt werden; eine sehr grebe Anzahl yon Hornhauttrachomfgllen hat hingegen allen bisher bekannten I-Ieilungsmitteln hartngckigen Wider- stand geMstet, und es ist nun gerade in solchen Ffi.llen, we meine Methode ihre Triumphe feiert, und we in der weitaus iiberwiegenden Zahl der F~ille eine einmMig vorgenommene Transplantation eine dauernde Heilung erzielt.

Weitere Mitteilungen fiber gnf3erst giinstige l~esultate naeh Transplan- tation wurden yon mir 19122 und 1914~ ver6ffentlieht, wobei ieh be- tonte, dab racine Methode sieh Ms h6ehst segensreieh in soiehen Fgllen erweisen dfirfte, in welehen die Excision des Tarsus versagt, d. h. die giiekbildung des Pannus nieht nach sieh zieht oder abet wegen zu ge- ringer trachomat6ser Beteiligung des Tarsus nieht indiziert erseheint - - ausgeheiltes Traehom des Oberlides und trotzdem Weiterbestehen des Pannus, we das Traehom sich in der SelerMbindehaut hauptsfiehlich oder in der Hornhaut festgesetzt hat, WenngMch das meehanisehe Moment des Reibens des oberen Lides eine gewisse R, olle spielt, so ist doch der Pannus in den meisten Ffi.llen eine direkte kontinuier- liehe t~ortpfla,nzung der Ibraehomat6sen Bindehautvergnderung; dies maeht es verstgndlich, dab eine einfache Excision der Bindehaut oder Kauterisation oder Peridektomie ohne Transplantation keinen Dauer- erfolg bewirken kann.

Die Naehprtifung meiner Methode yon seiten der Kollegen erwartete ieh zungehst aus traehomverseuehten Lgndern wie t~uGland und Polen. Der Krieg und die Nachkriegszeit machten Mlerdings meine darauf- bezfigliehen I-Ioffnungen zunichte. Endlieh im Jahre 1926 ersehienen eine Reihe yon Arbeiten polniseher und russiseher ~rzte, welehe sieh sehr giinstig fiber die Denigsche Operation ausspraehen; ich erw~hne Pilma~n in Russkij oftMm. 5, NTr. 2, S. 184, ferner W. Arlcin in Klionka oezna Jg. 4, Nr. 1, S. 28. ,,Nach der Denigsehen Operation t r i t t rasche

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Besserung ein. Nach der Peridektomie tri t t Granulationsgewebe und nach der Denigsehen Operation das eingepflanzte Schleimhautgewebe an seine Stelle, wodurch der bessere Erfolg der Ietztgenannten Operation bedingt ist."

Ferncr ersehien aus der Pinesschen Klinik in Bialystock, Polen, eine Arbeit yon Kerschmann (ver6ffentlicht in der Klin. Monatsbl. f. Augenhei]kunde 77, S. 400). Ich fiihre aus dieser Arbeit folgen- des an:

,,Dr. Pines hat als erster in Polen seit 1913 die Denigsche Operation angewandt. Leider ist das wertvolle Material der Vorkriegs-, Kriegs- und Revolutionszeit verloren gegangen, und so werde ich reich in dieser meiner Arbeit an das klinische MateriM der letzten 4 Jahre halten miissen (seit NIitte 1921). Ein jeder, der oft mit Trachomerkrankungen zu tun hatte, weiB, dab der Trachomproze$, weleher in Form eines Pannus auf der Hornhaut auftritt, bei rechtzeitig begormener Be- handlung sich verh~ltnism~l~ig leicht bek~mpfen t~13t, sofern der ProzeB gleieh- zeitig aueh auf der Bindehaut der Lider verlauft und umgekehrt; der ProzeB auf der Hornhaut verli~uft sehr sehwer in F~llen, bei denen der Prozel~ der Bindehaut der Lider und der ~bergangsfalte das Narbenstadinm erreieht hat. Es muB ganz besonders untersti~ehen werden, daft diese Art yon Pannus bei narbig veranderter Bindehaut der Lider und der l~bergangsfa]te auch naeh vorfibergehender Heilung mit fast mathematiseher Genauigkeit wiederkehrt, und nicht selten endet der Prozel~ mit einer vollst/~ndigen Vertroeknung der ganzen Bindehaut und Horn- haut. Ich mug jedoeh hinzuffigen, dat~ wit prinzipieli s~mtliehe sehwere F~lle yon Pannus, die einer gew6hnliehen Therapie nieht, sehnell weiehen wollen, einer Operation naeh Denig unterziehen."

Von 185 derartig operierten Fgllen verliefen 184 sehnell und gfinstig, nur einer zog sieh etwas in die L~nge. Kerschmann schliegt seine Arbeit mit folgenden Worten:

,,Wenn wir uns bewuBt werden, wie sehr der Pannus trachomatosus ver- breitet ist (bei 50% niehtbehandelter F~lle), wie sehwer seine Folgen ftir dss Auge sind, so kOnnen wit naeh Beobaehtungen und dem wahrtieh gI~nzenden Resultat der Denigsehen Operation dreist behaupten, dab endlieh ein erfolg- reiehes Abwehrmittel zur Bekgmpfung dieses gef~hrliehen Zustandes gefunden worden ist."

Was mm meine weiteren Erfahrtmgen mit Transplantationen beim traehomatSsen Pannus anbetangt, so waren sie gugerst befriedigenden Charakters, sowohl was frische zur Operation gelangende F~lle als auch die Beobachtung alter, sehon jahrelang operierter betrifft. Ieh habe darauf beziigliche Mitteilungen in einer Antritt.srede, gehalten bei l~ber- nahme der Pr~sidentsehaft der Deutsehen Medizinisehen Gesellschaft zu New York am 7. Januar 1918, niedergelegt; leider konnte wegen des Krieges der Inhal t nicht zum Abdruek in einer Fachzeitschrift gelangen. Ferner habe ieh einen weitercn Artikel im New York Medical Journal 5 verSffentlicht. Ieh berichtete darin fiber 150 Fglle. In dan letzten Jahren sehen wir hier in New York nur noch sehr wenig schwere Trachomfalle, da die Uberwaehung der Auswanderer sehon in den AbfahI~shafen eine

v. Graefes Archly flit Ophthahnologie. Bd. 118. 4~

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derartig strenge ist, dab nur sehr wenig Trachominfizierte durehzu- sehliipfen verm6gen.

Ich verwende nunmehr nut noch aussehlieglieh Mundsehleimhaut, und zwar schneide ich den Lappen ziemlieh dick, so dag ieh sicher bin, dal3 er nicht im Laufe der Jahre resorbiert wird ; dies gilt natfirlich blot fiir den trachomat6sen Pannus, withrend die Lappen f/Jr die welter nnten im Abschnitt I I und I I I zu besprechenden Affektionen m6gtiehst diinn geschnitten werden sollen, so dab sic evil. der Reso~otion anheimfallen. In einer t~eihe yon alten, vollst~ndig geheilten F/~llen babe ich naeh Jah- ren Teile yon Lappen, welche in die Lidspaltenzone ragten und kosme- tisch etwas st6rten, wieder abgetragen. In einer kleinen Anzahl yon Fgllen hatte ich im Anfange Haut transplantiert; sic hyper/~misiert offen- bar noch kr~ftiger als Mundsehleimhaut, atleill bei glteren Leuten hat die Epidermis die Tendenz zur Desquamation. Ieh habe spgter die Haut- lappen ~deder entfemt und dureh Munsdchleimhaut ersetzt.

IL Transplantation bei verschiedenen anderen Erkrankungen der Hornhaut.

Das hyper~misierende Moment, welches offenbar eine grol3e Roile bei der Transplantation spiett, bewog reich schon 19122, Propfungen auch bei einer Reihe yon andern, nichttrachomatSsen Hornha.ntprozessen a,n- Zuwenden, und zwar bei der Sclerolceratitis tuberculosa, bei hartndcl~'igem, skro/ulgsem Pannus, bei herpetischen und dystrophischen Erkrankungen und 8olchen torpiden Charakters, deren ~tiologie oft v611ig in Dunkel ge- htillt ist. 19144 babe ich ausfiihrlicher dariiber berichtet*.

Die drei F/ille yon Seterokeratitis des Jahres 1914 wurden dureh Trans- plantation schneller Heilung entgegengefiihrt. Seitdem habe ich mit ahnlichem Erfo!ge sieben weitere operiert. Alle diese Fitlle boten tdinisch das charakteristische Bild der Xeratitis, welches wit berechtigt sind als tuberkulSs anzusprechen**. Die Entziindung geht yore Randschlingen- netz aus und schiebt sich in zungenfSrmigen Infiltraten in die Hornhaut vor. Einer der datums mitgeteilten F~Llle, Barbara tI., bei der die Tuber- ku]inprobe negativ gewesen, entwickelte ein Jahr sparer Lungentuber- kulose, w~hrend das transplantierte Auge frei yon Rezidiv blieb. Die ~ndere seltenere Form der sog. solit~ren Keratitis habe ich nichf zu tra ns- plantieren Gelegenheit gehabt; es ist fraglich, ob sic sich so g/instig be- einflussen l~[~t wie die erstere Form, obwohl ich gegebenenfalls sicher einen Versuch machen wtirde.

Das iibliche Vorgehen bei der tuberkulSsen Keratitis besteht in der spezifisehen Behandtung und in tier Anwendung ~on RSntgenstrahlen. Wenn wir bedenken, dab eine Immunisiernng gegen den Tb. bisher noch

* Ebenda Tr~nspl. hei Pgeryginm, S. 498. ** Derfig 1895. Arch. f. AtJgenheikunde. 31, 359.

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nicht gelungen ist und Beaucamp in seiner kfirzlich erschienenen Arbeit in der Zeitsehrift ffir Augenheilkunde trotz der nicht ungiinstigen Er- folge mit den Partialantigenen yon Deyeke zugestehen mull, dab yon 50 mitgetei]ten Fallen yon Augentuberkulose 10 l~i~lle yon Keratitis am indifferentesten reagierten, wohl wegen der mangelhaften Ernahrungs- verhaltnisse der t tornhaut , so muff der Er/olg der yon mir ausge/i~hrten Transplantationen die Anwendung dieser Operation geradezu zur Pjlieht machen. Die RSnigenbehandlung ste]lt wohl ein wertvolles ttilfsmittel dar, allein da sie sieh wie die spezifisehe Behandhmg auf eine langere Zeit- periode erstreekt, um wirksam zu sein, geht die Aufhellnng der Hornhau~ nur sehr langsam vor sich, und die mehr oder weniger diehte Narben- bildung zieht eine wesentliche Beeintr~ehtigung der Sehkraft naeh sich; die Entzfindung mag ja schlieBlich zur Heilung kommen, abet die Seh- kraft bleibt dauernd gesoh~digt.

Erw~hnen mSohte ieh noeh, dab nach einem Referat in den Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde unlKngst ein polnischer Augenarzt einen Fall yon Ache rosacea Keratitis mit ,,vorzfigliehem Erfolge" durch die Denigsche Operation zur Iteilung braehte.

Was die fibrigen, obengenannten Erkr~nkungen der t Iornhaut be- trifft, bei denen ich transplantierte, so ist zu beriehten, dab bei ihnen Heilung oder bedeutende Besserung erzielt wurde; ieh mul~ daher auch bei ihnen Transplantation als eine wertvolle Bereicherung der uns zu Ge- bote stehenden Behandlungsmittel betrachten.

III. Transplantation bei Verbrennungen und Veri~tzungen.

Sollte eine noch so geringgradige Betefligung der Hornhau~ vorliegen, so muff so/ort eine Transplantation vo~genommen werden. Dasselbe gilt aueh fiir den Fall, we die Hornhaut nicht beseh~digt ist, dagegen die Bindehaut eine sehwere L~sion aufweist.

W~hrend ich 1912, als ieh zum erstenmal Transplantation bei Ver- ~tzungen vorschhg 2, noeh nieht den radikalen Standpunkt der sofor- tigen Operation bei allen Hornhautl~sionen einnahm, bestehe ich jetzt unbedingt darauf, denn er ist der leistungs/tihigste, schnellste und ~ den Patienten und die Versicherungsgesel]sehaften billigste ~Teg, der zm" Hei- lung fiihrt.

AIs Beleg fiir die Notwendigkeit sofortiger Operation selbst bei an- scheinend ganz geringfiigiger Mitbeteiligung der t tornhaut ffihre ich als warnendes Beispiel einen bereits 1914 yon mir verSffent]ichten Fall noch einmal an:

,,Ein weiterer Fall yon Ammoniakverle~zung betr~f den ca. 50j/~hrigen Pat. A. Joseph. Bei einer Ammoniakexplosion in einem Eishause wurde das linke Auge verletzt. Ieh sah Pat. zum erstenmal 6 Wochen nach dem Unfall. Der Befund ergab eine ganz geringe Injektion des Auges und das Vorhandensein einer sehr

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73~ 1%. Denig: Transplantation yon }[undsehleimhaut

feinen Hornhauttr/ibung auf der Grenze zwisehen unterem-innerem und unterem- &ul]erem Quadranten, im ganzen so geringf/igige Ver&nderungen, dab ieh reich nieht zu einem Eingriff entsehlieBen konnte. Nun war mir aber die tiiekisehe l~atur der Ammoniakverletzungen bekannt (Denig, Uber Ammoniakverletzungen des Auges. Zeitschr. f. Augenheilk. I1, 308. 1904), und ieh maehte dem Pat. den Vorschlag, sieh zur Beobaehtung auf 1 Woehe in die Augenab~eilung auf- nehmen zu lasseu. Dies gesehah, das Auge blieb jedoch v611ig rung, der ProzeB war offenbax im v6tligen Ausheilen, und Pat. ~-arde naeh 8 Tagen wieder ent- lassen. Um so mehr war ieh/iberraseht, als naeh ca. 14= Tagen die Injektion ~4eder ztmahm, die Hornhauttrfibung dichter wurde nnd ein maeeriertes, sehwammiges, nekrotisehes Aussehen darbot; gteiehzeitig begann die benaehbarte Bindeha, ut sieh fiber die Hornl~ut hiniiberzuziehen. Ich fiihrte ]etzt nnverziiglieh eh~e Transplantation aus, welehe, e~as/iber tier Horizont~len beginnend, beide unteren Hornh~utquadranten umfal3te. Aueh in diesem ~alle zeigte sieh beim Unter- minieren, d~l~ die Bindehaut mit dem episeleralen Gewebe bzw. Scler~ dieht verwa~hsen war - - /iberrasehende Tiefenwirkung bei einer klinisch anseheinend anfanglieh g~nz teieh~ aussehenden Verletzung. Naeh der Operation k~m es zu einer ers~aunliehen Aufhelhmg der Hornhaut, ale plStzlieh 17 Tage sparer ein weiterer akuter entz/indlieher l~aehsehub auftrat, weleher die frohe Hoffnung auf Reparation zuniehte zu maehen drohte. Und doch kam es nieht zum Zerfall des Hornhautgewebes, vielmehr hellte sich im Laute yon 9 Monaten die Horn- haut betr&ehtlich auf usw."

I ch m6chte hinzufiigen, dal~ ich Pat ienten erst unl&ngst wiederge- sehen habe: Das Auge ist n icht zugrunde gegangen, sondern sieht noeh 1/4 der norm~len; allerdings, ha t te ieh reich zu sofortiger Operatio n ent- sehlossen, bin ich iiberzeugt, er h&tte kaum eine Einbul~e seiner Sehkraf t erlitten. Ieh babe leider noeh einige Male &hnliehes Lehrgeld zahlen mtissen.

Zum Beleg der Leistungsf&higkeit dienen die ebenda sehon erw&hnten zwei Golfballver]etzungen; in beiden Fallen war die Zusammensetzung der &tzenden Fliissigkeit genau die gIeiehe. I eh sah meinen Pat ienten erst am 6. Tag nach der Verletzung; die Sehkraf t war auf Fingerz&hten in 21/2 m gesunken. Tro tzdem stellte eine am gleiehen Tage vorgenommene ringf6rmige Transplanta t ion binnen 2 ~/~ Woehen die volle Sehkra, f t wie- der her. Der andere, niehttr~nsplantierte Fail hingegen verier seine Seh- kraf t info]ge sehwerer Hornhautseh~digung.

Znm Belege der Sehnelligkeit mSgen zwei F&lle aus meiner jiingsten Praxis bier PIatz finden, welehe synchron verliefen und ungefahr den gleiehen geringen Hornhau tdefek t infolge einer Katkverbrennung auf- wiesen:

J .K. , ein polikliniseher Patient, zeigte einen etwa 4 mm langen und 2 mm breiten Substanzverlust der Hornhaut infolge einer 2 Tage vorher erlittenen Kalkverletznng. Die Reizerscheinungen waren maBig, und ieh hatte den begran- deten Eindruck, d~l~ der Fall mit der /iblichen konservativen Behandlung ab- ]aufen w/irde. Trotzdem tr~nspl~ntierte ich an der dem Defekt gegen/iberliegenden Limbusstelle einen Lappen, mit dem Result~t, daJ3 Pat. naeh 14 T~gen vollstandig geheilt wieder arbeitsfahig w~r. Die Operation h~tte ieh ~m i0. I. 1927 ~usgeffihrt, ~m 17. wurde P~t. entlassen; eine Naehbehandlung ist absolut unnStig.

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bei versehiedenen Erkrankungen der I-Iornhaut. 735

F.R., ein Privatpa~ient, hatte am 14. XII. 1926 eine ganz /~hnliehe Kalk- verletzung erli~ten wie J .K. ; er verweigerte die Operation und ist infolgedessen heut~e, den 3. II., noeh nieht v61Iig hergestellt oder erwerbsfihig.

Endlieh muB ieh nooh den sehlimmsten l~all yon Kalkverletzung, den ich gesehen habe, kurz erwihnen; er wurde yon mir ausfiihrtich im Amerie. journ, of ophth. 1920 G verSffentlieht.

Es handelte sieh um einen 50j~hrigen iKann, welchen ich 5 S~unden naeh stattgefundener Kalkverletzung transpt~ntierte. Die Bindehaut des Augapfels war bis in die ~J-bergangsfalte des oberen und unteren Lides zerst6rt. Es wurden 2 mgehtige Lappen transplantiert, writhe ringf6rmig den Limbus umgriffen und ira horizontalen Durehmesser zusammenstieSen, Wie immer war naeh 5 T~gen gtatte Anheilung der Lappen erfolgt; es wurde ein ideales Resultat erzielt, die Hornhaut blieb ldar, wenn aueh infolge vieler feiner Nebulae ein irregularer Ast, igmatismus bes~and; ich habe Pat. erst unlingst wieder untersuch$ und i]4 der normalen festgesteilt.

Ich habe diese Krankengesehiehten willkfirlich aus meinem Kranken- material gew/~hl% um sie als Musterbeispiele fiir versehiedene Spielarten yon Verbrennung anzufiihren; ich k6nnte sie beliebig vermehren. Inter- essant ist in dieser Hinsieht eine Statistik, welehe Wagenmann fiber die in den gahren 1893--1903 in Jena beobachteten Kalkverletzungen an- stellen lieS: Bei 111 polildinisehen F/~llen war die Hornhaut 41real deut- lich mitbetefligt durch Triibung und Epitheldefekt,, bei 25 klinisehen F~llen 22mal -= 88% meist schwer betroffen (A. Wagenmann, Die Ver- letczungen des Auges. 3. Aufl., S. 1698).

Wit Augen~irzte miissen unsere konservativen Ansichten beziiglich der Behandlung der Verbrennungen und Veriitzungen des Auges griindlieh iindern : Die einzlg richtige Behandlung ist und bleibt 8o]ortige Transplan- tation, entsprechend den zu Eingang dieses Abschnitte8 111 au/gestellten Indikationen.

Technik der Transplantation. Die Bindehaut mi t subconjunctivalem Gewebe wird entlang der Aus-

dehnung der Hornhauterkrankung und etwas dariiber hinaus, evil. ring- fSrmig, har t vom t tornhautrande abgelSst und in einer Breite yon 6--8 m m excidiert, t t ierauf wird mit einem Skalpell mi t schabenden Bewegungen der Limbus gesiubert und die Scleralf]iehe sorgfg, ltig blol~gelegt; beim traehomatSsen Pannus en~halt namlich das episelerale Gewebe, wie Kerschrnann riehtig sagt, den gr6Bten Tell der hartn~ckig zur Hornhaut strebenden Gefgl]e. Ebenso wh'd der Pannus etwas leicht abgesehabt.

Der Lidhalter wird nun entfernt und das Auge mit einem feuehten Wattebausch bedeekt mud znr En tnahme der l~[undsehleimhaut, ge- sehritten. Ungefghr 2 em vom innern I~undwinkel, weleher veto Assi- stenten an der oberen und unteren Lippe, leicht naeh auBen gedreht, ge- halten wird, faBt man etwas nach oben veto Mund~dnkel die gngsthe-

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736 R. Denig: Transplantation yon lVfundsehleimhaut

tiseh gemaehte SchMmhaut des Mundes mit einer ehirurgisehen Pinzette, schneider mit der Sehere ein und unterminiert naeh Bedaff, nach hinten und oben Mcht vorstoBend; zwei Langssehnitte mittels Sehere entlang dem oberen und unteren %Vundrand und ein Verbindungsschnitt sehaffen den Lappen raseh zutage. Wahrend nun der Assistent die Wunde mit Catgut vern~ht, left man den Lappen auf den Riieken des linken Mittel. fingers und befreit ihn mit feiner gerader Irisschere unter wiederholtem Anfeuohten mit physiologiseher KoehsalzlSsung yon Fett und ,verdiinnt" ihn je naeh dem Zweek, dem er dienen sell. In der Zwischenzeit hat der Assistent das Vernghen der Wunde beendet und den Lidh~lter wieder eingelegt, worauf der Operateur den Lappen mittelst Pinzette direkt veto krummgemaehten und ganz nahe der Hornhaut gehaltenen Finger auf die Hornhaut und yon da auf den Defekt bef6rdert, we er bei par- tieller Transplantation gew6hnlich mit etwa 5 N~hten befestigt wird. Der Lappen mu~ glatt anliegen und daft keine Falten werfen; die Nahte sol]en nieht zu nahe am Rande durchgefiihrt werden, da sie sonst Gefahr laufen, durehzusehneiden~chirurgischeKnoten. Ist derLappen fixiert, wird Patient angewiesen, naeh oben und innen zu sehen, d. h. in der yon den Augen unter dem Verbande angenommenen ]%iehtung nnd nunmehr wird der Hornhautrand des Lappens mit einer scharfen gebogenen Sehere zugesehnitten, und zwar so, da~ derselbe den Limbus bedeekt, aber nieht oder nur ganz wenig fiber ihn hinausragen selL Gerade vor letzterem sell insbesondere bei Vergtzungen gewarnt werden, da der Lappen sioh leieht fliigelf6rmig zu den Hornhauterosionen hiniiberziehen und in das Pupillargebiet hin~iberkrieehen kanm I~Iierauf wird ein dopt~lseitiger Verband angelegt und Patient darauf aufmerksam gemaeht, dab er voile 5 Tage beide Augen gesehlossen halten mug. Aueh beim tggliehen Ver- bandwechsel darf Patient die Augen nicht 6ffnen, da durch die Lidbe. wegung ~uch des niehtoperierten Auges eine Versehiebung des Lappens eintreten und dadurch der Erfolg der Operation in Frage gestellt werden kann. Ieh babe anf~nglieh bei Veratzungen Atropin z~4sehen den ge- schlossenen Lidern nahe der Carunkel tgglieh appliziert, habe es aber als vSllig unnStig aufgegeben.

Nach 5 Tagen ist der Lappen fest angewaehsen; das operierte Auge wird nun erstmal~g inspiziert und vieIleicht noch einmal auf 24 Stunden ein Monokulus angelegt. Der Entlassung des Patienten am 7. Tage steht niehts im Wege; die N~hte werden etwa nach 10--14 Tagen entfernt. Stgrungen des I-Ieilverlaufs habe ieh nur ganz im Anfang zu beobaehten Gelegenheit gehabt, und zwar einmal eine Infektion des L~ppens. Dies zwang reich, eine erneute Transplantation einige Wochen sparer vorzu- nehmen. Ferner sah ieh in 2 F~llen eine Abstot3ung der Lappen dutch Blutungen zwisehen diesem und der Selera. Seitdem ieh bei dem Prg- parieren des Lappens darauf aehte, dab keine Capillaren zurttekbleiben,

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bei verschiedenen Erkrankungen der Hornhaut. 737

habe ich diese Kompl ika t ion nicht mehr erlebt. Durchschneiden der F~den babe ich auch das eine oder andere Mal gesehen. Noch soll n icht vergessen werden, zu bemerken, dal] in F~llen yon t rachomatSsem Pan- nus, bei denen beide Augen eine Transplan£ation erheischen, die Operation gleichzeitig, d. h. in einer Si tzung vorgenommen werden soil, da der post- operat ive 5t~gige Binokulus eine unnStige Reizung des nichtoperierten oder vielmehr vielleicht schon ffiiher t, ransplant ier ten Auges hervorruft .

Literaturverzeichnis. 1 Denig, Zeitschr. L Augenheitk. ~5, 277. 1911. - - 2 Mfinch. meal. Wochen-

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