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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Uber das Vorkommen von a,e-Diaminopimelinsäure ' bei verschiedenen L-Phasentypen von Proteus vulgaris und bei den pleuropneumonie-ähnlichen Organismen Von OTTO KANDLER und CLAUS ZEHENDER Aus dem Botanischen Institut der Universität München (Z. Naturforschg. 12 b, 725—728 [1957] ; eingegangen am 12. Juni 1957) Hydrolysate von Proteus vulgaris und 18 L-Phasen-Stämmen sowie von 3 PPLO-Stämmen wurden papierchromatographisch auf ihre Aminosäure-Zusammensetzung untersucht. Bei der Bakterienform und allen 6 untersuchten labilen L-Phasen-Stämmen, die auf penicillinfreien Nährböden wieder in die Bakterienform zurückschlagen, konnte a,£-Diaminopimelinsäure (DAP) regelmäßig in größerer Menge gefunden werden. Demgegenüber war DAP bei allen 10 stabilen L-Phasen-Stämmen und bei den PPLO-Stämmen nicht nachweisbar. Es wird darauf hingewiesen, daß die Parallelität von Stabilisierung der L-Form und Fehlen von DAP auf eine kausale Verknüpfung beider Phänomene schließen läßt. Der gemeinsame Angriffs- punkt aller zur L-Phase führenden Faktoren könnte die Zellwand sein, deren Fehlen die amöboide Gestalt der L-Formen bewirken dürfte. Der für die außerordentlich unregelmäßige, amö- boide Gestalt der L-Phasen wesentliche Faktor dürfte das Fehlen einer normalen Zellwand sein. LEDER- BERG 1 , der neuerdings durch Verwendung hoher Zuckerkonzentrationen auch von Escherichia coli L-Phasen isolieren konnte, sieht im Fehlen einer Zellwand sogar den einzigen Unterschied zwischen Bakterien- und L-Form. Die Wirkung des Penicil- lins bestünde demnach lediglich in der Blockierung eines Fermentsystems, das für die Kondensation der verschiedenen Grundbausteine zur fertigen Zellwand nötig ist. Somit stellen sich die L-Phasen als nackte Protoplasten dar, die sich aber im Gegensatz zu den von WEIBULL 2 nach Lysozym-Einwirkung erhaltenen Protoplasten durch ihre unbegrenzte Vermehrungs- fähigkeit unterscheiden. Für eine derartige Vor- stellung sprechen auch die Befunde von KANDLER und Mitarb. 3 , wonach der Atmungsstoffwechsel beim Ubergang in die L-Phase nicht verändert wird. Auch alle anderen bisher untersuchten physiologischen Leistungen bleiben (KANDLER und KANDLER 4 ) mit Ausnahme der Fähigkeit zur Gelatineverflüssigung gleich. Nach neueren Untersuchungen (vgl. WORK 5 ) ist die Diaminopimelinsäure (DAP) eine charakteristi- sche Komponente des Zellwandmaterials. Sie fehlt nach bisherigen Befunden nur bei grampositiven Coccen (WORK und DEWEY 6 , KANDLER und ZEHEN- 1 J. LEDERBERG, Proc. nat. Acad. Sei. 42, 574 [1956]. 2 C. WEIBULL, J. Bacteriol. 66, 688 [1953]. 3 O. KANDLER , C. ZEHENDER u. J. MÜLLER , Arch. Mikrobiol. 24, 209 [1956]. 4 O. KANDLER u. G. KANDLER, Zbl. Bakteriol. Parasitenkunde, Infektionskrankh. Hyg., I.Abt., Ref. 108, 383 [1955], DER 7 ) und bei Sphaerotilus natans 7 . Es war zu er- warten, daß bei einem Fehlen der Zellwand auch die fast ausschließlich darin vorkommende DAP eine drastische quantitative Veränderung aufweisen würde. Insbesondere erschien es von Interesse, ob sich Unterschiede zwischen stabilen und labilen L- Phasen in Hinsicht auf den Gehalt an DAP ergeben. Da auch die pleuropneumonie-ähnlichen Organis- men (PPLO) eine ganz ähnliche Morphologie wie die L-Phasen aufweisen (KANDLER und KANDLER 8 ) wurden auch diese Organismen in die Untersuchun- gen einbezogen. Material und Methodik Gut bewachsene Agarstücke wurden in 300 ml Nähr- lösung (0,5% Hefeextrakt, Cenovis-München; 0,2% Glu- cose, 0,3% NaCl, 0,8% K2 HP0 4 , 0,7% Pepton, Merck [tryptisch verdaut aus Fleisch], 10% Pferdeserum; PH 7,8) eingeimpft und so lange bei 37° C bebrütet, bis eine starke Trübung eintrat (2 bis 21 d). Bei den instabilen L-Phasen wurden 100 IE/ml Penicillin zu- gesetzt. Die herangewachsenen Kulturen wurden durch Zen- trifugieren bei 15 000 g geerntet, 2-mal in dest. Wasser gewaschen und dann 36 Stdn. in 6-n. HCl hydrolysiert. Nach Abdampfen der HCl wurde das Hydrolysat papierchromatographisch auf die Aminosäuren-Zusam- mensetzung analysiert. Als Lösungsmittel für die 2-di- mensionale Trennung dienten im allgemeinen: 1. 70% 5 E. WORK , Nature [London] 179, 841 [1957]. 6 E . W O R K U. D . L. DEWEY , J. gen. Microbiol. 9 , 3 9 4 [1953]. 7 O. KANDLER u. C. ZEHENDER, Arth. Mikrobiol. 2 4 , 4 1 [1956]. 8 G. KANDLER u. O. KANDLER , Arch. Mikrobiol. 21,178 [1954].

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Uber das Vorkommen von a,e-Diaminopimelinsäure ' bei verschiedenen L-Phasentypen von Proteus vulgaris

und bei den pleuropneumonie-ähnlichen Organismen V o n O T T O K A N D L E R u n d C L A U S Z E H E N D E R

Aus dem Botanischen Institut der Universität München (Z . N a t u r f o r s c h g . 12 b, 7 2 5 — 7 2 8 [1957 ] ; e i n g e g a n g e n am 12. Juni 1957)

Hydrolysate von Proteus vulgaris und 18 L-Phasen-Stämmen sowie von 3 PPLO-Stämmen wurden papierchromatographisch auf ihre Aminosäure-Zusammensetzung untersucht. Bei der Bakterienform und allen 6 untersuchten labilen L-Phasen-Stämmen, die auf penicillinfreien Nährböden wieder in die Bakterienform zurückschlagen, konnte a,£-Diaminopimelinsäure (DAP) regelmäßig in größerer Menge gefunden werden. Demgegenüber war DAP bei allen 10 stabilen L-Phasen-Stämmen und bei den PPLO-Stämmen nicht nachweisbar.

Es wird darauf hingewiesen, daß die Parallelität von Stabilisierung der L-Form und Fehlen von DAP auf eine kausale Verknüpfung beider Phänomene schließen läßt. Der gemeinsame Angriffs-punkt aller zur L-Phase führenden Faktoren könnte die Zellwand sein, deren Fehlen die amöboide Gestalt der L-Formen bewirken dürfte.

Der für die außerordentlich unregelmäßige, amö-boide Gestalt der L-Phasen wesentliche Faktor dürfte das Fehlen einer normalen Zellwand sein. L E D E R -

B E R G 1, der neuerdings durch Verwendung hoher Zuckerkonzentrationen auch von Escherichia coli L-Phasen isolieren konnte, sieht im Fehlen einer Zellwand sogar den einzigen Unterschied zwischen Bakterien- und L-Form. Die Wirkung des Penicil-lins bestünde demnach lediglich in der Blockierung eines Fermentsystems, das für die Kondensation der verschiedenen Grundbausteine zur fertigen Zellwand nötig ist. Somit stellen sich die L-Phasen als nackte Protoplasten dar, die sich aber im Gegensatz zu den von W E I B U L L 2 nach Lysozym-Einwirkung erhaltenen Protoplasten durch ihre unbegrenzte Vermehrungs-fähigkeit unterscheiden. Für eine derartige Vor-stellung sprechen auch die Befunde von K A N D L E R

und Mitarb. 3, wonach der Atmungsstoffwechsel beim Ubergang in die L-Phase nicht verändert wird. Auch alle anderen bisher untersuchten physiologischen Leistungen bleiben ( K A N D L E R und K A N D L E R 4 ) mit Ausnahme der Fähigkeit zur Gelatineverflüssigung gleich.

Nach neueren Untersuchungen (vgl. W O R K 5 ) ist die Diaminopimelinsäure (DAP) eine charakteristi-sche Komponente des Zellwandmaterials. Sie fehlt nach bisherigen Befunden nur bei grampositiven Coccen ( W O R K und D E W E Y 6 , K A N D L E R und Z E H E N -

1 J. LEDERBERG, Proc. nat. Acad. Sei. 42, 574 [1956]. 2 C. WEIBULL, J. Bacteriol. 66, 688 [1953] . 3 O. K A N D L E R , C. ZEHENDER u. J. M Ü L L E R , Arch. Mikrobiol. 24,

209 [1956]. 4 O . K A N D L E R u. G . K A N D L E R , Zbl. Bakteriol. Parasitenkunde,

Infektionskrankh. Hyg., I .Abt . , Ref. 108, 383 [1955],

DER7) und bei Sphaerotilus natans7. Es war zu er-warten, daß bei einem Fehlen der Zellwand auch die fast ausschließlich darin vorkommende DAP eine drastische quantitative Veränderung aufweisen würde. Insbesondere erschien es von Interesse, ob sich Unterschiede zwischen stabilen und labilen L-Phasen in Hinsicht auf den Gehalt an DAP ergeben.

Da auch die pleuropneumonie-ähnlichen Organis-men (PPLO) eine ganz ähnliche Morphologie wie die L-Phasen aufweisen ( K A N D L E R und K A N D L E R 8 )

wurden auch diese Organismen in die Untersuchun-gen einbezogen.

Material und Methodik

Gut bewachsene Agarstücke wurden in 300 ml Nähr-lösung (0,5% Hefeextrakt, Cenovis-München; 0,2% Glu-cose, 0,3% NaCl, 0,8% K2HP04 , 0,7% Pepton, Merck [tryptisch verdaut aus Fleisch], 10% Pferdeserum; PH 7,8) eingeimpft und so lange bei 37° C bebrütet, bis eine starke Trübung eintrat (2 bis 21 d). Bei den instabilen L-Phasen wurden 100 IE/ml Penicillin zu-gesetzt.

Die herangewachsenen Kulturen wurden durch Zen-trifugieren bei 15 000 g geerntet, 2-mal in dest. Wasser gewaschen und dann 36 Stdn. in 6-n. HCl hydrolysiert. Nach Abdampfen der HCl wurde das Hydrolysat papierchromatographisch auf die Aminosäuren-Zusam-mensetzung analysiert. Als Lösungsmittel für die 2-di-mensionale Trennung dienten im allgemeinen: 1. 70%

5 E . W O R K , Nature [London] 1 7 9 , 8 4 1 [ 1 9 5 7 ] . 6 E . W O R K U. D . L. D E W E Y , J. gen. Microbiol. 9 , 3 9 4 [ 1 9 5 3 ] . 7 O . K A N D L E R u. C . ZEHENDER , Arth. Mikrobiol. 2 4 , 4 1 [ 1 9 5 6 ] . 8 G . K A N D L E R u. O. K A N D L E R , Arch. Mikrobiol. 2 1 , 1 7 8 [ 1 9 5 4 ] .

Isopropanol, 20% Wasser, 10% Eisessig. 2. 70% a-Pico-lin, 2% Ammoniak, 28% Wasser. Manchmal wurde auch wassergesättigtes Phenol verwendet. Die Entwicklung der Flecke erfolgte mit alkoholischer Ninhydrin-Lösung. Zur Identifizierung fraglicher Verbindungen, insbeson-dere der DAP wurde Kochromatographie mit authen-tischen Verbindungen ausgeführt.

Ergebnisse

A. P P L O - S t ä m m e

Es wurden 3 Stämme von P P L O verschiedener Herkunft verwendet. 1. „Findlay", isoliert aus Mäu-sen von F I N D L A Y . 2. „Laidlaw a", isoliert aus Lon-doner Abwasser durch E L F O R D und L A I D L A W , 3 . C 1 5 ,

isoliert aus Komposterde durch S E I F F E R T .

Es konnten alle, auch bei Bakterien regelmäßig auftretenden Aminosäuren nachgewiesen werden: As-paraginsäure, Glutaminsäure, Lysin, Arginin, Citrul-lin, Histidin, Glykokoll, Serin, Threonin, Alanin, Prolin, Valin, Phenylalanin, Methionin, Leucin, Tyrosin, Tryptophan. Eine einzige Ausnahme machte DAP, die selbst bei stark überladenen Chromato-grammen, auf denen sich viele der in großen Men-gen vorkommenden Aminosäuren schon nicht mehr ganz trennten, auch nicht in Spuren gefunden wer-den konnte. Auch Glucosamin, das bei Bakterien sehr häufig ist, konnte nie gefunden werden.

B. L - P h a s e n v o n Proteus vulgaris

Wie bereits früher beschrieben9, konnten wir durch Verwendung von Penicillin 3 Typen von L-Phasen isolieren, die wie folgt charakterisiert sind:

A-Stämme: Die Stabilisierung trat schon nach wenigen (2 bis 7) Passagen auf Penicillinagar ein; Kolonien und Einzelorganismen sind relativ klein; Serum ist notwendig.

B-Stämme: Selbst nach einer großen Zahl von Passagen auf Penicillin (über 50) erfolgt auf peni-cillinfreien Nährböden Rüdekehr in die Bakterien-Form. Kolonien und Einzelorganismen relativ groß; Serum ist zum Wachstum nicht nötig, es genügen Glucose + Glutaminsäure.

C-Stämme: Erst nach einer größeren Zahl von Penicillinpassagen (rund 30) erfolgte die Stabilisie-rung, wobei alle anderen Merkmale weiterhin denen der B-Stämme entsprechen.

10 A-, 6 B- und 2 C-Stämme, die alle schon mehr als 50 (maximal 200 Passagen) in der L-Form kul-tiviert worden waren, wurden auf ihren Amino-säuregehalt untersucht. Jeder Stamm wurde minde-

stens 2-mal analysiert und jeweils aus einem Hydro-lysat 2 oder 3 Parallelchromatogramme mit ver-schiedenen Mengen Hydrolysat angefertigt.

Alle B-Stämme wiesen die auch bei der Bakterien-form gefundenen Aminosäuren auf, einschließlich deutlich erfaßbarer Mengen DAP. Die Abb. 1 gibt ein typisches Chromatogramm wieder. Audi Glu-cosamin war regelmäßig auffindbar. Außerdem trat eine unbekannte Substanz auf, deren RrWert im Isopropanol-Gemisch mit DAP identisch, im Picolin aber etwas größer war (Abb. I X ) . In sehr geringen Mengen konnte sie auch bei den Bakterien gefunden werden. Bisher ist die Identifizierung noch nicht gelungen.

Abb. 1. 2-dimensionales Chromatogramm eines Hydrolysats eines B-Stammes. (Links nach rechts: Isopropanol-Gemisch; von oben nach unten: Picolin-Gemisch). 1. DAP, 2. Aspara-ginsäure, 3. Glutaminsäure, 4. Lysin, 5. Arginin und Citrul-lin. 6. Glykokoll, 7. Serin, 8. Threonin, 9. Alanin, 10. Prolin, 11. Valin, 12. Phenylalanin und Methionin, 13. Leucin, 14. Tyrosin und Tryptophan, 15. Glucosamin, 16. Histidin, X

und Y. Unbekannte Substanz.

Bei den stabilen L-Phasen, also den A- und C-Stämmen, konnte in keinem Falle DAP gefunden werden. Auch Glucosamin fehlte fast vollständig. Nur gelegentlich war eine sehr schwache Spur davon auffindbar, wie z. B. in dem in Abb. 2 wiedergege-benen Chromatogramm eines A-Stammes. Die bei den B-Stämmen gefundene unbekannte Substanz X konnte gelegentlich auch bei den stabilen Stämmen gefunden werden. In geringer Menge trat eine wei-tere Verbindung auf, die ebenfalls im Isopropanol-gemisch gleichen, in Picolin aber größeren 7^-Wert besitzt, als DAP (Abb. 2 Y ) .

Da die Wachstumsgeschwindigkeit der einzelnen Stämme recht unterschiedlich war, bestand die Mög-lichkeit, daß der verschiedene Gehalt an Pimelin-säure nur durch das unterschiedliche Alter der je-

weils verwendeten Kulturen bedingt war. Es wur-den daher von je 2 A- und 2 B-Stämmen Kulturen im Alter von 2 bis 180 d analysiert. Gerade bei den sehr alten Kulturen, in denen nur noch ein geringer Bruchteil der Organismen vermehrungsfähig ist, war eine Anreicherung eventueller Wandreste und damit auch von DAP zu erwarten. Bei den A-Stämmen ließ sich aber in keinem Falle DAP nachweisen, während sie bei den B-Stämmen in jedem Entwick-lungszustand vorhanden war.

Abb. 2. 2-dimensionales Chromatogramm eines Hydrolysats eines A-Stammes. Erklärung wie Abb. 1.

Weiterhin wurde untersucht, ob DAP eventuell an die Nährlösung abgegeben wird. Es ließ sich aber bei jungen und bei sehr alten Kulturen trotz vielfacher Konzentration der Nährlösung keine Aus-scheidung von DAP zeigen.

In einigen Fällen wurden die Organismen nach dem Auswaschen mit 50-proz. Alkohol extrahiert. Dabei geht rund 30% des Gesamt-N in Lösung. Nach erneutem Zentrifugieren bei 20 000 g wurde durch Erhöhen der Alkoholkonzentration und Erhitzen das lösliche Protein ausgefällt und wiederum abzentrifu-giert. Ein Teil des Überstehenden wurde zur Prüfung auf lösliche DAP chromatographiert. Das lösliche und unlösliche Eiweiß wurden hydrolysiert und ebenfalls chromatographiert. Im proteinfreien Extrakt konnte keine DAP, im löslichen Protein nur sehr wenig DAP gefunden werden. Mehr als 90% der Gesamt-DAP fand sich im Unlöslichen.

Diskussion

Die nach den bisherigen Versuchen anscheinend strenge Parallelität zwischen Stabilisierung der L-Phasen und dem Fehlen von DAP läßt einen kau-salen Zusammenhang zwischen diesen beiden Phä-

nomenen vermuten. Den eingangs erwähnten Vor-stellungen L E D E R B E R G S 1 entsprechend könnte man folgende Verknüpfung der bisher bekannten Tat-sachen zur Erklärung des L-Phasen Phänomens vor-nehmen :

Die klassische Bakterienform ist an das Vorhan-densein einer relativ kräftigen und wohldefinierten Zellwand gebunden. Die Synthese dieser Wand er-folgt in einer großen Zahl von Einzelschritten, wie sie in Abb. 3 stark vereinfacht und in Gruppen zu-sammengezogen dargestellt sind. Jeder der Pfeile steht an Stelle einer größeren Zahl von Reaktions-schritten. Da die labilen L-Phasen (B-Stämme) noch DAP in einer unlöslichen Form enthalten, anderer-seits eine normale Zellwand aber fehlt, muß man die von L E D E R B E R G als Penicillinwirkung angenom-mene Kondensationshemmung an das Ende der Reaktionskette setzen. Wenn der Organismus unter Penicillin-Einwirkung in der L-Form wächst, können Mutationen eintreten, die an irgend einem Punkt vor diesem Block angreifen, sich aber nun-mehr phänotypisch nicht ausprägen, da die Wand-synthese ohnehin gestört ist. Während in normalen Bakterienkulturen derartige Mutanten einen so gro-ßen Selektionsnachteil hätten, daß sie sich niemals anreichern, sondern sofort aussterben würden, sind sie in den L-Phasen-Kulturen nicht benachteiligt, vielleicht sogar begünstigt, da sie eine sinnlos ge-wordene Reaktionskette verkürzen. Es ist daher möglich, derartige Mutanten anzureichern und zu selektionieren (bei den bisherigen Arbeiten geschah dies wohl unbewußt). Nach Rückimpfung auf peni-cillinfreie Nährböden wird sich die vorher maskierte Mutante als „stabile L-Phase" zu erkennen geben.

Da in den von uns bisher untersuchten Fällen die stabilen Stämme keine DAP besitzen, muß bei ihnen der genetische Block vor der Bildung der DAP aus den Vorläufern des Grundstoffwechsels liegen. Es war daher naheliegend zu versuchen, ob Zugabe von DAP zum Nährboden eine erneute Wandsynthese, und damit Rückkehr in die Bakterienform ermög-licht. Bisher wurden 2 A-Stämme 8 Passagen auf 0,1% DAP kultiviert, ohne daß eine Einleitung der Rückumwandlung beobachtet werden konnte. Dem-nach ist bei diesen Stämmen der DAP-Mangel nicht die alleinige Ursache des Wandverlustes. Auch die Häufigkeit des Auftretens der A-Stämme spricht da-für, daß in diesem Falle nicht eine einfache Mu-tation vorliegt (vgl. K A N D L E R und KANDLER 9 ) . Da-gegen könnte der oben angeführte Mechanismus für

modifikativ bedingte, instabile L-Phase

Genetischer Vorprodukte B l o c k Grundbausteine aus dem " z . B. DAP, Grundstoff Wechsel Glucosamin usw.

stabile L-Phase

Niedermolekulare Einheiten, z. B. Oligopeptide

Hochmolekulare Einheiten

Penicillin Wirkung

Zellwand

Bakterienform

Abb. 3. Schema zur vereinfachten Darstellung der Ursachen der L-Phasen-Entstehung.

die Entstehung der C-Stämme gültig sein, da diese bisher nur gelegentlich aus B-Stämmen abgetrennt werden konnten, was auf einen mutativen Vorgang hinweist. Man wird zweifellos mit dem Auftreten von L-Phasenstämmen mit so viel verschiedenen Merkmalen rechnen müssen, wie verschiedene Mu-tanten des betreffenden Elternbakteriums möglich sind, da die L-Umwandlung am Allelbestand der Genome nichts ändern dürfte. Der wirklich wesent-liche Unterschied zwischen verschiedenen L-Phasen-typen wird darin zu suchen sein, durch welchen der zahlreichen möglichen Blocks in der Synthesekette

der Zellwand der Verlust der normalen Wand tat-sächlich bedingt ist.

Zweifellos bedarf es weiterer umfangreicher Arbeit auf der Basis dieser Arbeitshypothese um ihre Brauchbarkeit zu erweisen. Es erscheint jedoch schon jetzt verlockend, das bisher so verwirrende Phänomen der L-Phasenumwandlung in den heute bereits vertrauten Begriff der „biochemischen Mu-tanten" einzubeziehen.

9 0 . KANDLER U. G . KANDLER, Z . Naturforschg. 11 b. 252 [1956].

Eine neue Mutation in der Ommochrombildungskette bei Ephestia kükniella

V o n A L F R E D K Ü H N

Aus dem Max-Planck-Institut für Biologie, Tübingen (Z . Naturforschg. 12 b, 728—730 [ 1 9 5 7 ] ; e ingegangen am 27. August 1957)

Die neue Mutation greift später als a in die Bildung der Ommochrome ein. Die Mutante br (braun-äugig) entspricht in ihrem Fluoreszenzmuster der Wildform, färbt als Parabiosepartner die Augen eines a-Partners wie die -f-Form aus und verändert gleichzeitig wie diese das o-Fluoreszenzmuster. Das 6r-Auge wird durch einen -f-Partner nicht verdunkelt.

Vor 2 Jahren traten in einer Ephestia-Zudit des Instituts braunäugige Tiere auf. Im Farbton und in der Helligkeit ähneln ihre Augen einem „kaffee-braunäugigen" Stamm, den C A S P A R I (1933 1 ) iso-lierte und P I E P H O (19352 ) genetisch analysierte. Die Augenfarbe dieses Stammes erwies sich als be-dingt durch ein Allel (ak) zu a (rotäugig). In Kreu-zungen zwischen a und ak sind die Heterozygoten in der Augenhelligkeit intermediär; im Farbton domi-

1 E. CASPARI, Roux' Arch. Entwicklungsmechan. Organismen 130, 353 [1933].

niert ak. Aus Kreuzungen mit a+ spalteten entweder a- oder ak-Tiere heraus. In Kreuzungen der neuen Mutante mit a hatte aber die Ft wildfarbige Augen und in F2 entsprach die Spaltung in wildfarbige, rote und braune Augen angenähert 9 ; 4 : 3 (Tab. 1). Die neue Mutation ist also nicht allel zu a; sie soll br heißen. Aus den Zahlenverhältnissen der F2 ließ sich schließen, daß die Homozygoten br/br; a/a rot-äugig sind, also a über br epistatisch ist. Das wird

2 H. PIEPHO, Roux' Arch. Entwicklungsmechan. Organismen 133, 495 [1936].