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VII. Aus dem I. anatomischen Institut in Wien. Ucber atypische Gewebsformationen im hiiutigen Labyrinth. VO~ Dr. G° Alexauder~ Assistent der Universi~so~renkIhlik in Wien. (Mit Tar. III.) Die im Folgenden zu sehildernden Befunde belreffen eigen- thiimliehe bisher nur theilweise bekannte Bildungen im Vesti- bularabschnitt des hiiutigen Labyrinthes. Bet genauer Durehsieht meines Serienmateriales dureh Labyrinthe embryonaler und er- waehsener S~uger fielen mir nicht selten yon der Norm ab- weiehende und in ihrem Aufbau yon ihrer Umgebung wesent- lieh verschiedene Epithelregionen auf, welehe zweifellos als normale Bildun~en gedeutet werdeu miissen. Sp£ter habe ieh aueh Labyrinthserien vom Mensehen ver- sehiedenen Alters auf das Vorkommen soleher atypiseher For- mationen geprlift. Dabei ergab sich~ dass manehe dieser Bildung'en nieht allzuselten vorkommen, und dass manehe Ob- jeete an derartigen abweiehenden Gewebsstellen reieher sind als andere. Wenn ich meine Befunde topographiseh ordn% so ergiebt sieh Folgendes: I. Befunde an den epithelialen W~tnden. Die rein epitheliale (ira Geg'ensatz zur neuroepitheliale~) Wand des hautigen Labyrinths besteht bekannttieh aus einem platten bis eubisehen Epithel, unter welehem sieh in meist ein- faeher Zelltag'e ein bind%zewebiges, perilymphatisehes Stratum ausbreitet, welches ieh als sulfepitheliale, perilymphatisehe

Ueber atypische Gewebsformationen im häutigen Labyrinth

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VII. Aus dem I. anatomischen Institut in Wien.

Ucber atypische Gewebsformationen im hiiutigen Labyrinth. VO~

Dr. G° Alexauder~ Assistent der Universi~so~renkIhlik in Wien.

(Mit Tar. III.)

Die im Folgenden zu sehildernden Befunde belreffen eigen- thiimliehe bisher nur theilweise bekannte Bildungen im Vesti- bularabschnitt des hiiutigen Labyrinthes. Bet genauer Durehsieht meines Serienmateriales dureh Labyrinthe embryonaler und er- waehsener S~uger fielen mir nicht selten yon der Norm ab- weiehende und in ihrem Aufbau yon ihrer Umgebung wesent- lieh verschiedene Epithelregionen auf, welehe zweifellos als normale Bildun~en gedeutet werdeu miissen.

Sp£ter habe ieh aueh Labyrinthserien vom Mensehen ver- sehiedenen Alters auf das Vorkommen soleher atypiseher For- mationen geprlift. Dabei ergab sich~ dass manehe dieser Bildung'en nieht allzuselten vorkommen, und dass manehe Ob- jeete an derartigen abweiehenden Gewebsstellen reieher sind als andere.

Wenn ich meine Befunde topographiseh ordn% so ergiebt sieh Folgendes:

I. B e f u n d e an den e p i t h e l i a l e n W~tnden. Die rein epitheliale (ira Geg'ensatz zur neuroepitheliale~)

Wand des hautigen Labyrinths besteht bekannttieh aus einem platten bis eubisehen Epithel, unter welehem sieh in meist ein- faeher Zelltag'e ein bind%zewebiges, perilymphatisehes Stratum ausbreitet, welches ieh als sulfepitheliale, perilymphatisehe

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Sehieht bezeiehnet habe. L) An manehen Stellen sehiebt sich zwisehen beide eine homogene, stru~turlose, eosim'othe Zone ein.

In diesem Absehnitt finder sieh manehmal dadureh ein vom GewShnlichen abweiehendes Verhalten, dass u m s e h ri e b e n e E p i t h e l s t e l l e n k n S t c h e n f S r m i g (ira Liingssehnitt spindel- fSrmig) v e r d i e k t , agg'lomerirt erseheinen. Die Verdiekung land sieh nur ein einziges Mal durch die Epithelzelten selbst in Form eines mehrsehiehtigen Epithelhtigels erzeugt, sonst gehSrte die verdiekte Stelle stets dem perilymphatisghen Gewebe an. Es ergiebt sich dana im Schnitt eta obtong'er ZeUhaufen, der nach dem endolymphatisehen Raum hin yon Epithel, nach dam peri- lymphatisehen yon der subepithelialen Zone des perilymphatischea Gewebes begrenzt erscheint.

Die Fl,~tehenausdehnung dieser KnStehen betr~gt im Dureh- messer 20--40 g, ihre HShe 15--20 ~.

Im D u c t u s e n d o l y m p h a t i e u s finden sieh besonders an Embryonen umsehriebene, in den endolymphatisehen Raum vor- ragende Epithelzellhaufen, die dadnreh zu Stande kommen, dass daselbst die Epithelzellen in mehrfaeherSchiehte tibereinander ge- lagert sin& Gewinnen diese Zonen, was nieht selten der Fall ist, gTSssere Ausdehnung~ so entstehen hierdureh in das Lumen des Duetus endolymphatieus vorspringende Falten (B o e t t e her) der membran5sen Wand, die dadureh eharakterisirt sind~ dass sie nur aus Epithel bestehen, die Bindeg'ewebssehieht der mem- branSsen Wand dagegen an der Faltung nieht theilnimmt und gestreekt darnnter hinwegzieht. An Meersehweinembyronea yon 20 mm SS-Liinge an habe ieh diese Falten and Vorspr[inge s t e t s naehweisen kSnnem

Einen besonders interessanten, hierher gehSrigen Befund ver- danke ieh Herin Doe. H. J o s e p h : An der Serie eines 80 mm l a n g e n M e e r s c h w e i n e m b r y o erg.iebt sieh ein im Epithel selbst gelegener eysterl~hnlicher, rShrenfSrmiger Hohlraum (Tat. III., Fig. 1) yon ungefithr 30 # L~nge und lo ~t Liehtungs- weite. Er ist in der Ampullenwand des hinteren Bog'engan~es gelegen, allseits geschlossen und erstreekt sieh~ im Epithel selbst entspringend, naeh aussen bis in die intermediiire peritymphafisehe Zone. Seine Wand besteht aus ether einfachen Lage eubiseher Epithelzellen~ die in ihrer Gestalt mit den Epithelzellen der Ampullenwand voltstiindig" iibereinstimmen.

1) Ueber Labyrinthpigment nebst Bemerkungen tiber den Bau des peri- lymphatischen Gewebes..Archly f. mikrosk. Anatomie. 1901.

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In der Nahe seines basaten, blinden Endes liegt ein a]lseits isolirter kugeliger Zel!haufcn , de s sen Wand, ein geringes, een- trales Ltrmen umfassend~ gleiehfalls aus eubisehen Epithelzellen aufgebaut ist (Tar. III, Fig. lv e, e). Ein besonderer Inhalt kommt nach der vorliegenden F~trbung (Eisenhfimatoxylin) den beiden R~tumlichkeiten nieht zu.

2. B e f u n d e an d e n N e r v e n e n d s t e l l e n (Maeula utrieuli, saeeuli, Cristae ampullares).

Einen zumal beim Mensehen nieht sehr seltenen Befund stellen N e u r o e p i t h e l l t i e k e n dar: Im Neuroepithel ist dann ohneAenderung der EpithelhShe ein vaeuolenahnlieher, rundlieher Hohlraum siehtbar, der die ganze ttShe des Neuroepithels dureh- setzend einen Durehmesser yon 30--50/~ zeigt.

Das betreffende Gebiet erseheint bei H/imatoxylin-Eosin- F/~rbung zumeist hell, nieht tingirt; die Sttltzzellen tier unmittel- baren Umgebung lassen die gew~hnliehe oder eine leiterfSrmige Anordnung erkennen. Manehmal finder sieh tier Hohlranm yon einem linearen Saum beg'renzt, der den Zellleibern der an- grenzenden Sttitzzellen angehSrt; in manehen Fallen besitzt er endlieh einen sehwaeh eosinrothen Inhalt.

]st die Epithelltieke klein, so zeigt sieh in der betreffenden Region keine StSrnng oder Veranderung in der Anordnung der Haarzellen, der ttaarfortsatze, der Otolithenmembran oder der Otolithen, eine Thatsaehe, welehe den Sehlnss zul/isst, dass die Zwisehensehiebung yon Epithelltieken den regelmassigen Ban des Neuroepithels nieht nothwendig stSren muss; as erseheinen dann nut die Stiitzzellen dureh die Epithellaeken verdrangt. Sind die letzteren jedoeh gross, so fehlen tiber ihnen die Haar- fortsatze, und die Haarzellen erseheinen dutch die Etablirung des Hohlraumes seitlieh verdrangt oder sind zn Grunde gegangen.

Seltener seheint im Neuroepithel das Auftreten yon E p i t h e 1- z e l l e n zu sein, die einen h o h l e n , n a e h d e r B a s i s d e s N e u r o e p i t h e l s g e r i e h t e t e n F o r t s a t z formirend naeh Art der Embryonalanlage eines D r a s e n a 1 v e o 1 u s angeordnet sind.

Ieh verftige tiber zwei hierher gehSrig'e Befunde: So land ieh an einem Meersehweinembryo yon 38,5grim

Lange einen hohlen Epithetzapfen (Ta£ III, Fig. 2), der das iNeuro- epitheI naeh seiner ganzeu Dieke durehsetzt und an der Basis desselben sogar ein wenig in das perilymphatisehe Gewebe vor- ragt. Er zeigt 30 ~t Fl~ehendurehmesser, besteht aus einer ein- faehen Lage eylindriseher Zellen und besitzt einen eentralen

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Hohlraum. Eine Communication dieses le~zteren mit dem endo- lymphatischen Raum des Sacculus konnte ieh nicht mit Sicher- heir nachweisen. Der Zapfen grenzt sich yore Neuroepithel seiner Umgebung scharf ab. Das Protoplasma seiner Zellen ist auffallend hell gef~rbt, desgleiehen erscheinen die kugeligen Kerne daselbst nieht so stark tinffirt~ wie die Kerne der Um- gebung. Der centrale Hohlraum des Fortsatzes 1KSSt keinen f~rbbaren Inhalt erkennen.

Die Neuroepithelzellen (Stlitzzellen), welche an die Wand des Epithelzapfens grenzen, erscheinen nach dem Schnittbild dutch den Zapfen seiflich verdr~tngt und comprimirt, die Kerne stehen daselbst dicht und dis Zellen zeigen ein Geftige, das man als leiterfSrmige Anordnung der Epithelzellen bezeichnet.

Die HaarfortsKtze des ganzen Gebietes sind in Gestalt und Lage nieht verKndert.

Einen /~hnlichen Befund ergiebt ein 57 mm l a n g e r Meer- s e h w e i n e m b r y o . Hier land sieh im Neuroepithel des Saeeulus eine Epithelkugel (Tar. III~ Fig. 3) mit eentralem Hohlraum. Ihr Durehmesser betrKgt 3/4 der NeuroepithelhShe. Nach dem Lumen des Saeeulus hin isf das Ktigelchen yon Neuroepithelzellen Uberlagert und reieht nach abw~trts bis an den Basalrand des Sinnesepithels. Die Wand des Ktlgelchens wird (wie im obigen Fall) yon Cylinderzellen gebildeL die heiles Protoplasma und kugeli~e Kerne besitzen und schw~cher gefKrbt erseheinen als die Stiltzzellen der Umgebung. Der eentrale, allseits geschlossene Hohlraum der Epithelkugel ist yon einem homogenen, blauroth (H~malaun-Eosin) gef~rbten Inhalt erfiillt.

Bei Durchsicht der einsehI~gigen Literatur scheinen mir die oben besehriebenen Bildungen mit den zuerst yon Rt~dinger in den membranSsen Bogeng~tngen ~tterer Personen gefundenen HSckern verwandt zu sein. Diese HScker springen zumeist haibkugelig in das Bog'enganglumen vor und bestehen in einer circumscripten Vermehrung der subepithelialen~ homogenen Zone. In jtingster Zeit babe ieh an einer Labyrinthserie eines 65j~hrigen Mannes neben den Ri id inger ' schen HSckern m~tchtig'e, halb- kugelige Vorra~ungen in der Wand des Duetus endolymphatieus getroffen~ die gleiehfalls eine proliferirte~ perilymphatische Zwischenschicht erkennen tassen.

Ein grunds~tzlicher Unterschied zwisehen den oben mi~ge- theilten Befunden und den Rt~dinffer'schen HSckern ist aber dadurch gegeben~ dass sich die letzteren nut am Menschen und

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nur an ~lteren Individuen finden~ w~hrend die ersteren an ver- sehiedenen S~ugern und aueh an S~ugerembryonen nachweisbar sind. Ueber die Genese dieser eiffenthtimlichen Bildung'en ver- maff das mikroskopisehe Pr~parat kaum einen Aufsehluss zu geben. Was besonders die alveo]aren Epitheleinsenkungen in- mitten des Neuroepithels anlangt: mSehte ieh an einen Befund Seha f f e r ' s 1) an den Vasa efferentia des menschlichen Hodens erinnern. Allerdings handelt es sieh bei S e h a f f e r nieht um Neuroepithel~ sondern um Dr~isenepithel, immerhin ist abet die Aehnliehkeit beider Befunde eine so grosse, dass ieh die 2~rbeit Sehaf fe r ' s nieht unerw~hnt lassen m~ehte. S e h a f f e r fand im eylindrisehen Flimmerepithel der Vasa efferentia,beeren- oder kurz- sehlauchfSrmige~ allseitig begrenztel~aum e, die bei gtinstiger Schnitt- riehtnng- im Fl~ehensebnittt an das Bild der Diekdarmdrtisen erin- nern". Die Fig. 3 seiner Abhandlung zeifft fast vollst~ndige Ueber- einstimmung mit den Verhaltnissen meiner Fig. 2~ wenn man davon absieht~ dass bei S e h a f ie r in der Umgebung des Driisehens Neben- hodenepith@ in meinen Fallen dagegen Sinnesepithel vorhanden ist. S e h a f f e r konnte anch das Vorhandensein der in das Lumen des Vas efferens fahrenden Grtibehenmtindung tiberall constatiren, w~hrend mir das Analoge bei meinen Beobaehtungen am GehSror~an nieht gelunffen ist. Zieht man in Betraeht~ dass die Sehnittdicke meiner Serien 20 tt~ der Durehmesser der Bl~sehen 30--50 # betr~t~ so ist es mSglieh, dass eine vor- handene kleine MtindungsSffnung'~ in die Mitte der Scbnittdieke fallend, ihre mikroskopisehe Erweisbarkeit eingebtisst hat.

Ieh mSehte endlieh noehmals darauf hinweisen~ dass sieh die besehriebenen abweiehenden Bitdungen yon erwaehsenen Thieren abgesehen~ auch an Embryonen gefunden haben. Dies erscheint mir aus dem Grunde wiehtig, weil hierdurch ihre intraembryonale Entstehunff gesichert ist: und well sie danaeh als Ergebniss eines atypisehen Waehsthumsvorganges nicht abet als pathologisehe Bildungen angesehen werden mtissen.

F i ~ u r e n - und Z e i e h e n e r k l ~ r u n g a u f T a f e l III. Fig. 1. Meerschweinembryo yon 80 mm SS-L~nge. ap. ~ MembrauSse

Wand tier hinteren Ampulle. f ~ Epithelfortsatz. e ~ Wand, c = Lumen des Epithelkfrperchens. 0~Kn6cherneAmpullenwand, Eisenh~matoxylin.Vergr. 400.

Fig. 2. Meerschweinembryo yon 38,5 mm SS-LSnge. Ms ~ Neuro- epithel der Macula sacculL per ~ perilymphatisches Gewebe (subepithelialeZone). e ~ W a n d , c ~ Lumen des EpithelkSrperchens. H~malaun-Eosin. Vergr. 400.

Fig. 3. Meersehweinembryo yon 57 mm SS-L~nge. Bezeichnuugen wie in Fig. 2. Hhmalaun-Eosin. Vergr. 350.

1) S c h a f f e r , Ueber Drt~sen im Epithel der Vasa efferentia testis beim Menschen, Anatom. Anzeiger. Bd. VII, 1892.

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Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. LV. TafeI III.

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Alexander , Druck yon August Pries in Leipzig.

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