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VI. Ueber den Einfluss des Sehlafes auf die Harnabsonderung. Von Prof. Dr. H. Quineke in Bern. Als ich die Wirkung kohlensiiurehaltiger Getriinke auf die Harnsecretion beim Menschen untersuehte~ war es mir in mehreren Versuchsreihen aufikllend, dass die betreffenden Individuen in den n~ichsten 3 Stunden naeh dem Trinken tin ffr(isseres Vohtmen Harn ausschieden, als sie FlUssigkeit genossen batten. Es war dies beson- ders darum auffallend, well die Versuche in den ersten Morffenstunden angestellt wurden, wo die letzte Fltlssigkeitsaufnahme 9--10 Stunden vorher stattgefunden hatte und man deshalb eher eine Verarmung des KSrpers an Wasser hiitte voraussetzen sollen. Um der Ursaehe dieses auffalligen Verhattens n~iher zu treten, wurde nun bei ithnlich gleichm~tssiger Lebensweise, wie sie in den frtiheren Versuchen be- obachtet worden war, die tiigliche Harnsecretion genau controlirt. Wenn miiglieh~ wurde die Blase aueh withrend des Tages zu be- stimmten Stunden entleert (gew(ihnlich um 10 Uhr Vormittags, 1 Uhr, 4 Ubr und S Uhr Naehmittags); des Morgens beim Erwachen wurde dann wieder (urn 5 oder 6 Uhr) Ham gelassen und nun entweder nach 3 Stunden oder dreimal je nach Ablauf einer Stunde die Blase entleert, wiihrend die Versuchsperson im Bett blieb und kein Ge- triink zu sich nahm. Das Frtihsttiek wurde erst 3 Stunden naeh dem Erwachen gereieht. Nimmt man an, dass die Harnseeretion wesentlich yon der ein- gefilhrten Getr~tnkmenge abh~ingt, so sollte man erwarten~ dass in den Stunden naeh 8 oder 9 Uhr Abends unter dem Einfiuss der um 7 Uhr genossenen Suppe der Urin noch ziemlich reiehlich und diinn abgesondert werde~ dass dagegen im Laufe der Nacht das

Ueber den Einfluss des Schlafes auf die Harnabsonderung

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Page 1: Ueber den Einfluss des Schlafes auf die Harnabsonderung

VI.

Ueber den Einfluss des Sehlafes auf die Harnabsonderung. Von

P r o f . D r . H . Q u i n e k e in Bern.

Als ich die Wirkung kohlensiiurehaltiger Getriinke auf die Harnsecretion beim Menschen untersuehte~ war es mir in mehreren Versuchsreihen aufikllend, dass die betreffenden Individuen in d e n

n~ichsten 3 Stunden naeh dem Trinken tin ffr(isseres Vohtmen Harn ausschieden, als sie FlUssigkeit genossen batten. Es war dies beson- ders darum auffallend, well die Versuche in den ersten Morffenstunden angestellt wurden, wo die letzte Fltlssigkeitsaufnahme 9--10 Stunden vorher stattgefunden hatte und man deshalb eher eine Verarmung des KSrpers an Wasser hiitte voraussetzen sollen. Um der Ursaehe dieses auffalligen Verhattens n~iher zu treten, wurde nun bei ithnlich gleichm~tssiger Lebensweise, wie sie in den frtiheren Versuchen be- obachtet worden war, die tiigliche Harnsecretion genau controlirt. Wenn miiglieh~ wurde die Blase aueh withrend des Tages zu be- stimmten Stunden entleert (gew(ihnlich um 10 Uhr Vormittags, 1 Uhr, 4 Ubr und S Uhr Naehmittags); des Morgens beim Erwachen wurde dann wieder (urn 5 oder 6 Uhr) Ham gelassen und nun entweder nach 3 Stunden oder dreimal je nach Ablauf einer Stunde die Blase entleert, wiihrend die Versuchsperson im Bett blieb und kein Ge- triink zu sich nahm. Das Frtihsttiek wurde erst 3 Stunden naeh dem Erwachen gereieht.

Nimmt man an, dass die Harnseeretion wesentlich yon der ein- gefilhrten Getr~tnkmenge abh~ingt, so sollte man erwarten~ dass in den Stunden naeh 8 oder 9 Uhr Abends unter dem Einfiuss der um 7 Uhr genossenen Suppe der Urin noch ziemlich reiehlich und diinn abgesondert werde~ dass dagegen im Laufe der Nacht das

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116 YI. H. QcI~C~:E

Secret immer spi~rlicher und coneentrirter werde 1) und auch in den Morgenstunden so bleibe, bis das Frtihstilck genossen ist. Wurde die Blase w~hrend der ~hcht nicht entleert, so ist der beim Er- wachen gelasscne Urin ein Gemisch des reicl~licheren dUnneren Se- crets der frllheren und des concentrirteren Secrets der sp~iteren Nachtstunden~ man sollte also erwarten, dass das specifische Ge- wicht dieses Urins kleiner sein werde als das specifische Gewicht des in den ersten Morgenstunden im niichterncn Zustande abffeson- derten. Die Beobaehtang abet lehl:t das Gegcntheil: fast immer ist der Urin der ersten 2--3 Morgenstunden auffallend reichlieh, speci- fisch leichter and yon heUerer Farbe als der beim Erwachen ent- leerte, ja er erinnert oft geradezu an den nach Krampfzust~inden abgesonderten, die Urina spastica. Anfiin$lich eine T~uschung seitens der Versuehspersonen vermuthend, habe ich dann die Beobaehtung mchr als 100 mal an 12 verschiedenen Individuen, geleffenflich auch an mir selbst gemacht.'

Die nachfolgende Tabelle (s. S. 117) enthiilt eine solehe Beob- achtungsreihe. Die Abnahme des specifischen Gewichts in den Morgenstunden i.st dutch den Druck markirt.

Um tiber das Maass der Secretion ein Urtheil zu gewinnen, mUssten wieder Mittelzahlen aus mehreren Tagen genommen werden und zwar berechnete ich aus diesen:

1. Das Stundenmittel eines ganzen Tages, d. h. die 24stUndige Menge dutch 24 d i v i d i r t - Qd.

2. Das Stundenmittel der Nacht, d. h. die yon Abends 8 oder 9 bis Morgcns 5 oder 6 secernirte Menge durch die Zahl der Stunden dividirt - - Qn.

3. Das Stundenmittel der ersten Morgenstunden, d. h. die in den ersten 2 odor 3 Stunden im ntlehternen Zustande abgeSonderten Mengen, dnrch 2 rcsp. 3 dividirt ~ Qm.

In dem socben angcftihrten F~tlle ergaben sich dann als Mittel- zahlen ftlr

24 Stunden 9 •achtstunden die 3 Morgenstundea yon 5--8 Uhr. 1922 C.-Ctm. 725 C.-Ctm. 411 C.-Ctm.

and als Stundenmittel: Qd Qa Qm S0 80 137.

Dass die Stundenmittel des ganzen Tages und der ~acht in diesem Falle die gleiehen-sind, ist Zufall; frappant aber ist das U e b e r - w i e g e n des S tundenmi t t e l s d e r M o r g e n s t u n d e n ; die Harn-

1) Belege daftlr s. u.a. bei E d l e f s e n , Pfltiger's Archly 1870. Bd. III. S. 585.

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A r r l ~ i v t f a r e x p e r i m e n t , P a t t x o I o g l e u . P h a r m a k o l o g l e . V I I . B d .

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118

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S e c r e t i o n is t, wie schon die Abnahme des speeifischen Gewiehts wahrscheinlich macht, zu d i e s e r Z e i t e i n e r e i e h l i c h e r e a l s in de r l~aeh t , wiihrend man yon vornherein eher das Gegentheil erwarten sollte.

Zu einem ~ihnliehen Resultate filhrte der folgende Versueh (s. S. 11s).

Um die Einzelzahlen nicht zu sehr zu hi~ufen ftihre ich yon den spiiteren Beobaehtungsreihen nut die berechneten Mittelzahlen an und stelle sie mit den ersten tabellarisch zusammen. In jedem Falle ist die Zahl der Versuchstage, aus denen das Mittel gewonnen wurde~ angefUhrt.

Zahl dot _ )Ionat des Versuchs-

u Versuchs. tage.

hiittel

einer Stundelei~or Nach~ yon 2-1 . I shmde Stunaen. ~ n

Qd. ~ "

1. Kis t l e r , w., 17 J. , M u s k e l - r a t r o p h i e . " . . . . 1 Jan .

2. S c h n e e b e r g e r , w. , 28 J. , P h t h i s i s levis . . . . . . Mai

3. B e r n h a r d t , w . , 16 J . , R e - conval , v. Spondy l i t i s . . Mai

4. K u n z , w., 17 J.. C h l o r o s e . J a n .

5. Z a h n d , w.. 24 J.. Ulc. c r u r i s Jan. u. Febr.

6. S t e i n m a n n . w., 45 J., Obs t i - pa t i o . . . . . . . . Mi i rz

G u g g e r . w . . 22 J . , C a r d i - a lg ie . . . . . . . . F e b r .

8. G i r a rd in . w., i0 J., S t o m a - tiffs levis . . . . . . . J u l i

9, B r u n n i , w . . 34 J . , S tenos . m i t r . . . . . . . . 'Dec. u. Jan

8

11

17

5

l0

7

7

2 (§ 5)

13 l-t- 4)

80

63

54

78

72

83

101

60

58

einer~ior- genstunde

Qm.

In allen Fallen ist das Mittel einer Morgenstunde Qm griisser als das aUgemeine Stundenmittel Qd~ in den meisten Fiillen ist es auch grSsser als das Mittel der Nachtstunden Qn, doch zeigt letz- teres tiberhaupt ziemlich grosse Verschiedenheiten ; zum Theil h~ng'en diese davon ab, dass die Versuchspersonen (zwar in jeder Versuehs- reihe gleiehm~issig lebten, abet) je naeh individuellem Bedtirfniss verschieden viel Nahrung und Fliissigkeit aufhahmen und demnach ausschieden, wie aus den Zahlen unter Qd hervorgeht~ zum Theil davon, dass einzelne yon ihnen zur Abendmahlzeit mehr einzunehmen pflegten als andere und damit natlirlich auch der ~qachturin reich- licher wurde.

Eine directe Verffleichung des Tagesurins mit dem ~Nachturin 9*

80 137

41 66

42 77

161

55 93

- - 122

85 93

77 63 (44)

37 96 (39)

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120 VI. H. Qci~czz

ist deshalb nicht n](iglich, weil die FlUssigkcitsaufnahme und das Allgcmeinverhalten der Versuehspersonen in beiden Perioden durch Itingere Zeit nicht gleich angeordnet werden konnte, dagegen ist die Steigcrung der Harnsccretion in den erstcn Stunden naeh dcm Erwaehen ganz evident.

Reeht Ubersichtlieh tritt diese Thatsaehc in dem untenstehcnden Holzschnitt hervor, auf welchcm aus den Versuchen 2, 3, 4, 9, die verschiedenen Stundenmittel in proportionalen Feldern versehiedcner Sehattirung dargestellt sind.

C.-C( " Vers; 2. Vers. 3. Vers. 4. Vors. 9.

150

100

50

63 41 66 54 42 77 I8 16l 58 37 96 (39~

/ 24 Stunden .... U

'Mittlere st~ndliche Harnmenge yon dot Nacht . . . . . [ ]

don 3 Morgenstunden [ ]

Wie sollen wir diese morgendliehe Steigezung nun erkl~trcn? Am nRchsten liegt es anzunchmen, class wRhrend des Sehlafcs ein Absinkcn der Harnsecretion stattgeihndcn habc und mit dem Er- wachcn, gleichsam als Reaction, cine Steigerung statthabe; - - die Tcmperatur und manche andcre Function des Kt}rpers bietcn ja ge- ntlgende Aaalogien derartigcr periodiseher Schwankungen.

Bei einigem Versuehspersonen hatte ich Gclegenheit dieser Frage nach dcm Einfluss des Sehlafes ctwas nither zu trcten, in No. 8 und 9 der Tabellc, die deshalb noch ausflihrlichcr folgen (s. S. 121).

Man sieht, die Abnahme des specifisehen GewichtS des Morgenurins trifft im Falle 8 nut zweimal (am III. und V. Tag) ein, wo das Kind yore ersten Erweeken ab waeh geblieben war, w~thrend es an allen anderen Tagen zwar zum Urinlassen aufgeweekt~ dann aber ftir einen mehr oder weniger grossen Theil der Versuehszeit wieder eingesehlafen war. Das Mittel der Urinmenge fllr eine Morgenstunde der Tage des

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Waehens II, IV, VI~ VII) nut 44.~) �9

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(llI und V) ist 63~ das gleiche ftir die Tage des 8chlafes (I,

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1) Das Stundenmittel des Nachturins ist hier deshalb ziemlich gross, weil die Abendmahlzeit des Kindes ziemlich reichlich (Suppe ~nd Milch) war. Dass der ~ersuch an einigen Tagen schon um 4 statt um 5 begonnen, ist nicht yon Belang, es h~tte dies eher die Urinmenge der Schlaftage vermehren kSnnen; auch ftir das Stundenmittel des ganzen Tages gleicht der Fehler sich aus.

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122 VI. Et. QCINc~E

Versueh 9. B r t l n n i , w., 34 J.~ leidet an einer ziemlich gut com- pensirten Mitralstenose, klagt fiber aniimisohe Beschwerden, ab und zu Herzklopfen~ liegt wiihrend der ganzen Versuehszeit (20. Dec. his 9. Jan.) im Bett~ hat abgemessene Di~tt (etwa 1800 C.-Ctm. Flfissigkeit) zu regel- massigen Stunden, bleibt bis 3 (resp. 2) Stunden nach dem ersten Harn- lassen des Morgens nfichtern.

Stundenmittel aus 24 Stunden. der Nacht. den Morgenstunden. Qd. Qn. Qm. 58 37 96

WMlrend die Zahl Qd aus den gesammten (17) Versachstagen be- reehnet ist~ sind ffir die Berechnung von Qn nur die (13) :Nachte benutzt, in welehen Patientin ungestSrt gesehlafen hatte, ffir Bereehnung von Qm nur die (10) Tage, w o sic in den Morgenstunden wach geblieben war.

Etwas versehieden verhielt sic sich an den folgenden Tagen:

27. D e c e m b e r 2 8 . D e c e m b e r 5 Uhr frtih (405) 1017 Pat. schliefv. 5 Uhr frfih (185) 1030 Pat. schliefv. 7 ,, 75 1022 5--61~2 Uhr. 7 65 1025 5--61/,2 Uhr. 9 ,, 105 1020 Friihstt~ckum 9 , 120 1021 Friihst0.ck um

9 Uhr. 9 Uhr.

30. D e c e m b e r 31. D e c e m b e r 4 Uhr ([101 1027 Pat. wacht voa 41/2 frith 70t 1023 Pat. schllef yon 6'/2 ,, 105 1 0 1 8 4--5, schliefv. 61/2 ,, 85 1 0 1 7 41/'2--61/2 Uhr.

5--6i/2 Uhr.

Wir haben also am 27. December in 2 Stunden 75 C.-Ctm. d. i. pro Stunde 38

,, 28 . , . , 2 ,~ 65 , ,, , ,, 33

,, 30 . ,, , 21/2 , I 0 5 , , , , 4 2

, 3 1 . , , 2 , 8 5 , , ,, , 4 3

also wurde in einer Morgenstunde~ wenn Patientin wieder

156 - - ~ 3 9

4 einsehlief

durchschnittlich 39 C.-Ctm. Urin seeernirt, wenn sic wach blieb (s. o.) dagegen 96 C.-Ctm.

Dabei war der Sehlaf an den betreffenden Stunden gar nicht einmal immer voUstiindig und vermuthlieh aueh nicht sehr fest, die mehrmals auch in diesen Stunden beobachtete Abnahme des specifischen Gewiehts sprieht daffir, w Am 27. und 28. werden die yon 5 - - 7 seeernirten Mengen erheblich yon den naehher (von 7 - -9 ) im Waehen abgesonderten iibertroffen.

Ffir die 5Iachtstunden suehte ich in iihnlieher Weise Parallelbeob- achtungen zwisehen Wachen und Sehlafen anzustellen~ indem ich Pa- tientin veranlasste (dutch Lesen u. dgl.) an einigen Abenden liinger waeh zu bleibon. ~Aus lei'eht begreittiehen Granden konnte~l die als ,,Naeht" ge- reehneten Perioden, d. i. die Intervalle zwischen abendlichem und morgend- liehem Entleeren der Blase nicht alle Tage genau gleieh gemaeht werden.)

Patientin sonderte nun ab in der bTacht des

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30. D e c e m b e r in 61/~ Std. (davon waeh 11/2 Std.) 430 31. , , 8 , ,~ , , lJ/2 , ) 400

1. J a n u a r , 8 , ( , , 3 , ) 360 7. ,, , 6 , ( , , 2 ,, ) 500

also in 281h , (C. ,, 8 , ) 1690 C.-Ctm. d. i. pro Stunde im Mittel 59,2 -'Ctm., wiihrend sic theilweise waehte, wogegen bei ruhigem Schlaf (s, o.) das Stundenmittel nur 37~3 betrug.

Aus beiden Versuehen ergibt sich deutlich wie die sonst in den Morgenstunden beobachtete Steigerung der Urinsecretion (griissere l~Iengen, geringeres specifisches Gewicht) ausbleibt, wenn die Pa~ tienten in dieser Zeit sehlafen. Versueh 9 zeigt zugleich wie sehr (ein nur thcilweises) Wachen die Menge des ganzen Nachturins steigert. 1)

Halt man dies mit den fibrigen Ergebnissen zus.ammen, so darf man wohl daraus den Sehluss zichen, dass ausser anderen k(irper- lichen Functionen auch d i e t t a r n s e c r e t i o n w ~ h r e n d d e s S c h l a f e s e i n e V e r m i n d e r u n g er f i ihr t , ~)

Mit dem Erwaehen finder dann eine Steigerung der Absonde- rung statt, die erheblich fiber das Mittel des ganzen Tages hinaus- geht nnd die wegen Gleichbleiben aller sonstigen Verhi~ltnisse, eben nur als Folge des Wachseins angesehen werden kann. Wie sigh aus mehreren Beobachtungsreihen ergab, war es ohne Einfluss auf die Menge ob der Urin nach Ablauf yon 3 Stunden oder ob er stiindlich gelassen wurde; bei letztcrem Verfahren konnte man iifter beobachten, dass die Absonderung durchaus nicht gleichm~issig statt- h~tte, sondern, wie ~uch sonst am Tage, scheinbar nnregelm~ssige Schwankungen machte , so dass das speeifische Gewieht anfi~nglich riel, um dann vortibergehend zu steigen und nun weitcr zu fallen (vgl. z. B. Versuch 1, Tag IV).

Ferner kommen in jeder Beobachtungsreihe einzelne Tage vor (z. B. Yersudh 2, Tag V und VI), an welchen trotz gleiehartiger Yer- suchsbedingungen die Urinmenge dus Stundenmittel der Nacht nicht tibersteigt und das specifische Gewicht keine Verminderung zeigt (selbstverstandlich sind diese Tage bei der Bereehnung der Mittel-

1) Zu dem gleictmn Schlusse ftihrte @1 an einer anderenPerson angestellter Ver~such, nut dass bier wegen allerhand St6rungen das Resultat nicht so exact in Z~hlen darstellbar ist. Wie es scheint, ist schon die Festigkeit des Schlafes yon Einfluss, so dass bei leiserem Schlafe mehr Harn abgesoudert w i rd - -Uebr i - gens wird man bei Selbstbeobachtung, nur durch Sch~tzung, das Gesagte leicht best~tigen k6nnen.

2) Es ist dies get,de das Gegentheil der Beh~uptang Yon D u r h a m , class die Nieren im Schlafe sehr th~itig seien. Schmidt's Jahrb. 1861. Bd. 110. S. 15.

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zahlen mitgez~hlt). Derartige einzelne Ausnahmen diirfen nicht tibar- raSchen, warm man bedenkt, yon wie.verschiedenen uns noch unbe- kannten Momenten die Harnabsonderung beeinflusst wird.

]~ehmen die Versuehspersonen unmittelbar naeh dem Erwaehen Getr~nk auf, so wird sich der Getriinkurin zu der physioloffischen Harnfluth binzuaddiren und daraus der Harniibersehuss erkl~ren, der in dan Beobaehtungsreihen der vorigen Abhandlung zum Vorschein kam.

Verdunkelt wird die Erseheinung der morg'endliehen Harnfluth~ wie es sehelnt, wenn die Versuebsperson beim Erwaehen das Bert verl~isst und sich im Zimmer umherbewegt.

Yers~r 10. Dinke imann~ w., 36 J. air. Lupus erythematodes~ hat abgemessene Digit (etwa 2100 C.-Ctm. Fltlssigkeit) zu regelm~ssigen Stunden; bleibt Morgens his zu Beendigung des Versuchs nttchtcrn.

An 7 Tage~, we Patientin w~hrend der morgendlichen Versuehs- stnnden im Bert liegen blieb, betrug das Stundenmittel dieser Zeit Qm

138 C.-Ctm.; an 6 anderen sonst ganz gleichen Tagen, we sie beim Erwachen oder bald nachher aufstand~ nur 45 C.-Ctm.

Durch das Aut~tehen sebeinen also Bedingungen eingeftihrt zu werden, welehe die Harnsecretion in entgegengesetzter Weise beein- flussen wie das Erwaehen (darauf mag auch die .durehschnittlieh geringere Urinsecretion in Versuch I der vorigen Abhandlung be- ruhen). Ob ver~nderte K~rperstellung, ob .Muskelth~itigkeit, ob Aen- del~ng der Perspiration hier eine Rolle spielen, habe ieh nicht ver/blgt, t)

Suehen wir nun naeh einer Erkl~rung fUr diese eigenthtimlieho periodisehe Sehwankung der Harnabsondernng, so bieten sieh, so viel ich sehe, drei Mt~glichkeiten dar:

I. K~nnte die Resorption der aufgenommenen FlUssigkeit aus dem Intestinaltraetus w~hrencl des Sehlafes sistiren und mit dem Erwaehen yon neuem beginnen. Diese Ursaehe ist deshalb nieht wahrseheinlieh, well die eigenthUmliehe Sehwankung aueh beob- aehtet wird, wenn 3 - - 4 Stunden vor dam Einsehlafen die letzte Fltlssigkeit genossen wurde; aueh wtlrde sieh daraus wohl die Stei- gerung am ~Iorgen, nicht aber die so erhebliehe Verminderung der Secretion w~hrend der Naeht erkl~iren.

2. Es w~re rat~glieh, dass w~hrend des Sehlafes in alien oder in einzelnen Organen des K~rpers eine Wasserretention start h~,tte

1~ Dass die Harnabsonderung allerdings yon der K0rperstellung beeinflnsst wird, geht aus der Arbeit yon Wendt (Arch. d. Heilkunde. 1S76) hervor, die ich erst nach Absendung des Manuscriptes kennen lernte.

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-- sei es, dass die durch den Schlaf ver~nderte Function der Or- gane dies bedingt, sei es, dass etwa tier Lymphstrom sp~rlieher fliesst - - u n d (lass mit dem Erwaehen das aufgespeicherte Wasser in den Kreislauf zurtickkehrt und durch den Ham abgeschieden wird.

3. Endlieh k~nnte im Sehlaf die hTierenseeretion selbst vermin- dert sein, in Folge yon verminderter Energie seeretorischer Nerven, in Folge yon Verengerung der lqierengefKsse oder in Folge Verrin- gerung des allgemeinen Blutdrueks. Die Abnahme der Puls- und Respirationsfrequenz, das Sinken der K~rpertemperatur, die Verlaug- samung der Yerdauung, endlieh die Yerminderung der Geistes- und Sinnesth~tigkeit wahrend des Sehlafes wUrden mit dieser Erscheinung in Parallele zu bringen sein.

Die morgendliehe Harnfluth w~ire dann auf Erweiterung der Iqierengefasse oder starkere Th~itigkdit der secretorischen Nerven zu beziehen, welehe die ausgeruhte DrUse nun um so leiehter er- regen k~nnten, vielleicht unter Mitwirkting eines yon den nun wieder thltigen Sinnesnerven ausgehenden Reflexes.

lch wage es nicht zu entscheiden~ welche dieser beiden letzten Hypothesen die gr~ssere Wahrseheinlichkeit fur sich hat, ob die Wasserretention der Gewebe oder die direete Verringerung der Se- cretion; unsere Kenntnisse der Veranderung der einzelnen K~rper- funetionen im Schlafe sind daftir noeh zu unvollkommen ; aber gerade deswegen ist diese bisher unbekannte Aenderung tier Harnsecretion nieht ohne Interesse.