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42 Antonius: Nechtrag zu ,,Symbolhandlungen und Verwandtes bei Saugetieren" marazebrafohlen konnte icb beobachten, da13 es seine Mutter bereits irn Alter von einigen Tagen mit diesern Gesicht begrugfe. Am 4. Lebenstag gelang die hier veroffentlichte hufuahme (Abb. 8). Am selben Tage konnte R. W EISSENBACH auch schon das gegenseitige Beknabbern, mit der Mutter- stute geubt, irn Bilde festhalten (Abb. 9). Beide Handlungen sind offenbar allen Einhufern ,.angeboren". Die beiden Eselaufnahrnen (Abb. 10, 11) zeigen ebenfalls das ,,Begru13ungsgesicht", das bei Esel- und Zebrastute, im Gegensatz ziir Pferdestute, dann Zuni ,,Rosqigkeitsgesicht" wird. (dns tler Land~virtscliaftliclien Versiiclisstatioii Rostock) Cher den Qesc1ini;wkssinn iles Hiihns. TI. hcr angeborcne Fonrivorlieben bci Hiiliiicrii Yon CARLHEINRICH EKGEI,JIdKZIT nilit 6 Abbildnngen Eingegangen am 8. November 1941 1nh:ilt: Einleitunu und Methode (42). - I. Verhalten bei Darbietung verschiedener, nicht verzehrbarer gornerarten. Vorliebe fur bestimmte Kornerfornien. 1. Versuche mit auf- geklebten naturIichen Kornern (44) 2. Versuche mit Kornbildern (46). Vorliebe f u r bestirnmte Korngroflen. 1. Versuche rnit verschiedenen Erbsengrooen (50). 2. Versuche rnit verschiedenen WeizengroWen (51). - 11. Verhalten bei Darbietung verschiedener, verzehrbarer Getreidearten. 1. Versuche rnit 4 naturlichen Getreidearten (54). 2. Ver- suche mit Weizen und Roggen (56). - Besprechuog der Ergebnisse (57). - Zusammen- fassung (58). - Schrlfttum (69). Einleituiig und Dlethocie Wie die bisherigen Versuche uber die Auswahl fester Putterstoffe { EX~ELMANN 1940, 1941, 1) durch Huhner lebrten, hangt die ungleiche Beliebheit der verschiedenen Getreidearten nicht von Geschmackseindrucken, sondern von der F o r m und der G r o l j e der einzelnen Kornerarten ab. Wiihrend so bei Verwendung verzehrbarer Korner den taktilen und optiscben Sinneseindriicken besondere Hedeatung zukommt. wiesen die Ergebnisse bei nur optischer Darbietung (I-iiirner auf einer Signalscheibe festgeleimt und auf die Futterdeckel gemalt, Esc;~r,~ra~s 1641, 2) darauf hin, daW die Vor- liebe fur bestimmte Getreidearten (z. B. fur Weizenform in: Vergleich mit Erbsenform) auch bei ausgeschalteter taktiler Wahrnehmung erhalten bleibt. Zur Blarung der noch offen gelassenen Prage, ob bei den Hiihnern das Weizenbild deshalb beliebter ist als das Erbsenbild, weil sie sich an die bessere Verzehrbarkeit des Weizenkornes e r i n n e r t e n, oder ob die Vor- liebe fur Weizenform a u g e b ore n ist, babe ich mit Kuken gearbeitet, die bis eiim Beginn der Versuche keine Gelegenheit hatten, K o rn er o d e r k or n iih n 1 i c h e Bu t t e r s t of f e k e nn en z u l e r n en. bls Versuchstiere dienten 6 schwarze Zwergkoschinkuken, Nachkommen der in den bisherigeu Versuchen (EXGELMAKN, Uber den Geschmacksinn 1-V) benutzten Tiere. Sie wurden von einer Zwergkoschinhenne arbriitet und sofort nach dem Schlupfen (am 24.6.1941) fortgenommen und ohne Glucke aufgezogen. Sie bekamen an den drei erstert Lebenstagen fein gewiegtes, hartgekochtes Ei mit gehackten Brennesseln vermischt, von da au Roggen-

Über den Geschmackssinn des Huhns. VI. Über angeborene Formvorlieben bei Hühnern

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Page 1: Über den Geschmackssinn des Huhns. VI. Über angeborene Formvorlieben bei Hühnern

42 Antonius: Necht rag z u ,,Symbolhandlungen und Verwandtes bei Saugetieren"

marazebrafohlen konnte icb beobachten, da13 es seine Mutter bereits irn Alter von einigen Tagen mit diesern Gesicht begrugfe. Am 4. Lebenstag gelang die hier veroffentlichte hufuahme (Abb. 8). Am selben Tage konnte R. W EISSENBACH auch schon das gegenseitige Beknabbern, mit der Mutter- stute geubt, irn Bilde festhalten (Abb. 9). Beide Handlungen sind offenbar allen Einhufern ,.angeboren". Die beiden Eselaufnahrnen (Abb. 10, 11) zeigen ebenfalls das ,,Begru13ungsgesicht", das bei Esel- und Zebrastute, im Gegensatz ziir Pferdestute, dann Zuni ,,Rosqigkeitsgesicht" wird.

(dns tler Land~virtscliaftliclien Versiiclisstatioii Rostock)

Cher den Qesc1ini;wkssinn iles Hiihns. TI. h c r angeborcne Fonrivorlieben bci Hiiliiicrii

Yon

CARLHEINRICH EKGEI,JIdKZIT nilit 6 Abbildnngen

Eingegangen am 8. November 1941

1nh:ilt: Einleitunu und Methode (42). - I. Verhalten bei Darbietung verschiedener, nicht verzehrbarer gornerarten. Vorliebe fur bestimmte Kornerfornien. 1. Versuche mit auf- geklebten naturIichen Kornern (44) 2. Versuche mit Kornbildern (46). Vorliebe fur bestirnmte Korngroflen. 1. Versuche rnit verschiedenen Erbsengrooen (50). 2. Versuche rnit verschiedenen WeizengroWen (51). - 11. Verhalten bei Darbietung verschiedener, verzehrbarer Getreidearten. 1. Versuche rnit 4 naturlichen Getreidearten (54). 2. Ver- suche mit Weizen und Roggen (56). - Besprechuog der Ergebnisse (57). - Zusammen- fassung (58). - Schrlfttum (69).

Einleituiig und Dlethocie Wie die bisherigen Versuche uber die Auswahl fester Putterstoffe

{ EX~ELMANN 1940, 1941, 1) durch Huhner lebrten, hangt die ungleiche Beliebheit der verschiedenen Getreidearten nicht von Geschmackseindrucken, sondern von der F o r m und der G r o l j e der einzelnen Kornerarten ab. Wiihrend so bei Verwendung verzehrbarer Korner den taktilen und optiscben Sinneseindriicken besondere Hedeatung zukommt. wiesen die Ergebnisse bei nur optischer Darbietung (I-iiirner auf einer Signalscheibe festgeleimt und auf die Futterdeckel gemalt, Esc;~r ,~ra~s 1641, 2) darauf hin, daW die Vor- liebe fur bestimmte Getreidearten (z. B. fur Weizenform in: Vergleich mit Erbsenform) auch bei ausgeschalteter taktiler Wahrnehmung erhalten bleibt. Zur Blarung der noch offen gelassenen Prage, ob bei den Hiihnern das Weizenbild deshalb beliebter ist als das Erbsenbild, weil sie sich an die bessere Verzehrbarkeit des Weizenkornes e r i n n e r t e n , oder ob die Vor- liebe fur Weizenform a u g e b o r e n ist, babe ich mit Kuken gearbeitet, die b i s e i i m B e g i n n d e r V e r s u c h e k e i n e G e l e g e n h e i t h a t t e n , K o r n e r o d e r k o r n i ih n 1 i c h e B u t t e r s t o f f e k e n n e n z u l e r n en.

bls V e r s u c h s t i e r e dienten 6 schwarze Zwergkoschinkuken, Nachkommen der in den bisherigeu Versuchen (EXGELMAKN, Uber den Geschmacksinn 1-V) benutzten Tiere. Sie wurden von einer Zwergkoschinhenne arbriitet und sofort nach dem Schlupfen (am 24.6.1941) fortgenommen und ohne Glucke aufgezogen. Sie bekamen an den drei erstert Lebenstagen fein gewiegtes, hartgekochtes Ei mit gehackten Brennesseln vermischt, von da au Roggen-

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und Hafermehl. bls Getrank diente Magermiich, die von der 4. his 5. M'oche durch Leitungs- wasser ersetzt wurde. Vom 60. Tage an wurde nur noch in einigen Fallen Magermilch ge- reicht. Als hufenthalt diente in den ersten Tagen eine groBe Kiste, deren Boden mit sterilem Quarzsand bedeckt war. Sie wurde tagsiiber im Freien aufgestellt. Spater bekamen die Kiiken ein kleines Holzhaus von etwa qtn Grundflache, das in einem allseitig von engem Maschendraht urnslumten Auslauf (2 qm) stand, in dem noch nie Hiihner gehalien worden waren.

Die Tiere entwickelten sich zuerst gut, obwohl bei jedem Hiihnchen fdst taglich der Kot die Kloake verklehte und kunstlich entfernt werden muate. 6ie wuchsen samtlich schneller als ihre unter der Glucke gelassenen Geschwister, die anscheinend weniger gleichmaBig ge- warmt wurden. Im Alter von 30 Tagen [d. h. am zweiten Versuchstag, s. u.) erkrankten plotzlich zwei der Versuehstiere, indem sie matt herumsallen. Tags darauf waren sie tot. An den sofort untersuchten Tieren konnte makroskopisch keine krankhafte Veranderung nach- gewiesen werden. Da zu befiirchten war, dall den Riiken wegen der bisherigen sterilen Aufzucht die naturliche Darnifiora fehlen kolinte, wurde g o t von alten Hiihnern iLi den Auslauf gebracht. Nach wenigen Tagen erkrankte aber ein weiteres Tier, das ebenfalls nach et,wa 12 Stunden starb. Um weitere Verluste zu vermeiden, erhielten die Riiken wieder Magermilch geboten und auBer dem Mehl durch ein l -mm-Sieb gegangenes Haferschiot sowie spater geriebene Xohreu. Die Tiere entwickelten sich daraufhin gut, und es traten keine weiteren Verluste auf. Von der 9. Woche hekamen sie zusatzlich einmal am Tage gekochte geschalte Kartoffeln. Als die Kiiken 28 Tage alt waren, begannen die Versuche.

Die Weizen- und Erbsenform bot ich den Kuken in folgenden Ab- wandlungen :

1. Naturliche, auf einer weinen Pappucterlage festgeleimte Weizen- und Koggenkorner sowie kleine und grofie Erbsen (Abb. 1).

2. Kornbilder, in natiirlicher WeizenkorngroBe auf kleine Pappscheiben gemalt, die als Deckel von mit Putter (Haferschrot) gefullten Petrischalen dienten (Abb. 2).

3. Kunstlich nachgebildete Erbsen- und Weizenkorner aus fein gesiebtem Haferschrot verschiedener GroBe (vgl. EKUELLWN 1940, S. 541 und 1941, 1, S. 204), die ebenfalls auf je einer - braunen - Pappunterlage festgeleirut waren (Abb. 4 rind 5).

4. Auf je einer weifien Pappunterlage gemalte Erbsen sowie Erbsen- und Weizenkorner verschiedener GriiUe (Abb. 6).

5. Natiirliche, verzehrbare Roggen- und Weizenkomer sowie grofie und kleine Erbsen.

Die Darstellung weicbt der bessereo Verstandlichkeit zuliebe von der zeit- lichen Aufeinanderfolge der einzelnen Versuchsreihen ab. In Wirklichkeit war sie so: Darbietung 1. verschiedener, auf weiBer Pappe gemalter Erbsen- groRen (vgl. oben Rr. 4 rom 28. 6. bis 30. 7. 1941); 2. naturlicher festgeleimter Getreidearten (vgl. Xr. 1 vom 30. 7 . bis 10. 8. 1941); 3. von Kornbildern auf Schalendeckel (rgl. Nr. 2 vom 20. 8. bis 29. 8. 1941); 4. von Weizen- und Erbsenbildern verschiedener GroBe auf dernselben Pappkarton (vgl. Sr . 4 vom 3. bis 5. 9. 1941); 5 . vcrschiedener kunstlich hergestellter, aafgeleimter Erbsengrofien (vgl. Nr. 3 voni 10. 9. bis 17 . 9. 1941); 6 . von 4 verxehrbaren Getreidearten (vgl. Kr. 5 vom 17. 9. bis 22. 9.1941); 7. von naturlichem, verzehrbaren Weizen und Roggen (vgl. Nr. 5 vorn 24. 9. bis 28. 9. 1941); S. verschiedener, kiinstlich hergestellter, festgeleimter WeizenkorngroBeri (vgl. Nr. 3 vorn 9. 10. bis 14. 10.1541).

Da wiederum die n a t i i r l i c h e B e w e r t u n g d e r K o r n e r f o r m e n d u r c h d a s H u h n Gegenstand der Untersuchung war, so verzichtete ich bewul3t auf jede Dressur.

Die Methode und die Auswertung der Versuche entsprach im iibrigen der bisherigen (EXGELMAXS 1940, S. 526-528, 1941, S. 205, 1941, 2, S. 334), d.h. in den Versuchen mit zwei nebeneinander gebotenen Schalen wurde jede getrennt bewertet. Bei den Gefafiversuchen galt es als ,, Annahme", wenn die Kuken einen Pappdeckei abschlugen und den Schrotballen verzehrten;

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44 Engelmann

ebenso auch, wenn sie nur gegen den Deckel pickten, ohne da13 dieser ab- tiel. Uuter ,,Ablehnung" ist demnach vollige Nichtbeachtung eines Schalchens verstanden. Wenn die Kiiken von links oder rechts an die GefaBe heian- traten Lind nicht das ihnen nachst gelegene, sondern das entferntere zuerst aufsuchten, so spreche ich von ,,BevorzugungU des letzteren. Als ,,Sander- fallell sind die bezeichnet, in decen die Tiere aus der Nitte des Raumes kamen, also von beiden Schalen gleichen Abstand hatten: hier galt das zuerst aufgesuchte Schalchen als bevorzugt. Da die Bevorzugung wiederum niir dann bewertet wurde, wenn die Tiere beide Futterschalen annabmen. so ist sie stets in Prozenten der Annahme ausgedruckt. I n den ubrigen Versuchen mit festgeleimten oder gernalten Kornern galt es dementsprechend als An- nahme, wenn die Kuken gegen ein Korn pickten, als ob sie es verzehren wollten. Xichtbeachtung wurde wiederum als Ablehnung bezeichnet bzw. gar nicht gewertet.

I. Verhaiten bei Darbieturig nieht verzehrbarer Hiirnerarten Vorliebe fiir bestimmte Kijrnerformen

1. V e r s u c h e mi t au fgek leb ten na tu r l i chen Korne rn (Ahb. 1). Wie in den fruheren Versuchen (ESGELNASS 1940) wurden folgende

Getreidesorten be- nutzt: Carsteus V

Win terweizen, Petkuser Winter- roggen, Gelbe Erb- sen (Durchmesser 6 mm) und Vic-

toriaerbseii (Durchmesser

9 mrn). Die der weil3en 22,5 x 16,8 cm groBen Pappunterlage zii- gekehrte Seite der Korner flachte ich ab, um die Korner mit breiter Flache aufleinien zu kon- nen. Den Tieren gelang es nie, eins der Korner abzu- picken.

Die Jlonatskuken, die wie gesagt (vgl. Aufzuchtbedingungen 8. 2 ) in ihrem Leben zuvor noch niemals Korner gesehen oder genossen hatten, be- achteten am ersten Versuchstage die Koruer nicht, sie waren sichtlich erschrocken und schienen sich vor der ungewohnten Erscheinung zu furchten.

Am darauffolgenden Tape naherten sich die handzahmen Kuken uubefangen der Kornerrnusterkarte und versuchten , die Korner abzupicken. Dabei b e g a n n e i n T i e r b e i R o g g e n , d i e 2 u b r i g e n b e i W e i z e n . I m Verlauf der weiteren Versuche pickten sie bald zuerst gegen die Weizen-, bald gegen die Koggenkorner. In der HIlfte der Falle (50,6 % 1 5 O/,,) gingen die Tiere, wenn sie einige Male vergeblich versucht hatten, eine Kornersorte aufzunehrnen, sofort in den Versuchsrauni zuruck, ohne die ubrigrn zu be-

Abb. 1

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Uber den Geschmackssinn des Huhns. VI. 45

Rognen . . . . . . . JVeizen . . . . . . . Kleine Erbsen . . . . GrolSa Erbsen . . . .

achten. I n 4 t,90/o t 5,1 O j i O der Fiille suchten sie eine zweite Kornersorte auf und nur in 7,5O/, & 2,i O l i o auch noch eine dritte Each irn ganzen 93 Versuchen waren die Kuken nicht mehr zu bewegen, gegrn die aufgeleimten Eiir ner zii picken : sie hatten d a m gelernt, daB jene nicht verzehrbar waren.

D i e e i n z e l n e n G e t r e i d e a r t e n w a r e n v o n A n f a n g a n , wie sieh aus Tabelle 1 ergibt, u n g l e i c h b e l i e b t !

5174 I 4 J I 90,5 + 2,5 7 7 3 19.7 , 2 4 71

71,4 28.6 ' 24 1 ' t 39,l +4,1 J - 83,3 16,7 I - 6

138 51,8 40.8 572 * Y,5 2,5 4,4 _+ 1,7 1

T a b e 11 e 1. Prozentuale Haufipkrit der Annahme sowir Reihenfolge der Annahme der vier auf einer l'appunterlage festpeleimtrn Futterarten

-~ ~-~ ____ Rtihiwfolpv ilcr Aiiiialiiiic

~ l z j ~ l n yo Annnhmc Kiirriorart

z u ~ ' r n g des Roggens 'Or dem Weizen' xorn - Erbse. . . Hier betragt die Wahrscheinlichkeit Weizen - kleine Erbse der Aussage nur etwa 96O/,. Doch Weizen - groBe Erbse auch hier gewinnen wir CJewiBheit Roggen - klelne Erbse helm Vergleich der Reihenfolge, in RokXen - groGe Erbse Roggen - Weizen . .

I 81.0 i- 3,5 23.1 3.39 3 4 3 f 4.5 46," 47,1 12.3

4,6 1 7,4

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46 Engclmann

a n g e b o r e n e Fahigkeit handeln kann, da die Tiere bis dahin nur mehl- artige Futterstoffe bekommen hatten. Ebenso wichtig wie der Un terschied in der Annahmevon Weizen und R o g g e n i s t d i e e i n d e u t i g e A b l e h n u n g o d e r M i B a c h t u n g d e r r u n d e n E r b s e n g e g e n u b e r d e n b e i d e n l a n g l i c h e n G e t r e i d e a r t e n . Diese laBt sich, auBer in der geringen Aufnahmefahigkeit iiberhaupt, auch daran erkennen, daB die Hiihner, wenn sie mehr als zwei Futterarten aufsuchten, stets nur zum Roggen oder Weizen gingen, nie aber zu den Erbsen. Auch die Vorliebe fur die langlichen Kornersorten ist den Kuken mithin eigen ohne jede taktile Erfahrung, d. 11. auch sie niuB a n g e b o r e n sein.

Yersuche mit Kornbildern 2. Den Kuken wurden zwei Petrischalen von 4,4 cm lichter Weite und

0,9 crn Hohe i m Abstand von 5 cm nebeneinander geboten. U m jedes Um- fallen unci Rutschen der kleinen Schalen zu verhindern, waren sie in ein Holzbrett eingelassen, das 22,5 cm lang, 5,7 cm breit und 1 cm hoch war. Der Schalenrand ragte 4 mm uber das Holzbrett hervor, so dal3 die Kiiken die Pappdeckel, die stets auf den GefaBen lagen, leicht abschlagen konnten. Auf dem einen Deckel war ein Weizenkorn in naturlicher GroBe mit gelbroter Tinte aufgemalt, auf dem anderen ebenso eine Erbse (Abb. 2). B e i d e S c h a l e n e n t h i e l t e n s t e t s d a s g l e i c h e P u t t e r , namlich einen ungeformten Ballen angefeuchteten, fein (Siebdurchmesser 1 mm) gesiebten Haferschrotes. Um zx verhiiten, daB sich die Huhner nach der Holzmaserung richteten, war die Holzunterlage mit schwarzem Papier bespannt, nur unter den Schalen befand sich, urn die Sichtbarkeit zu erhohen, weiBe Pappe. Die Deckel wurden bis auf wenige Ausnahmen nach jedem Versuch gewechselt, die Schalen in unregelmaBigen Zeitabstanden miteinander ausgetauscht. Wie in den rorangegangenen Versuchen mit erwachsenen Hiihnern setzte ich den Kuken die Schalen zunachst mit schief aufgelegtem Deckel vor, so dad sie den Inhait, namlich den Schrotballen, teilweise sehen konnten. Beim Ver- zehren des Futterbrockens fie1 der Deckel auf die Erde. Die Huhner pickten dann nach den Kornbildern, wobei sie Bewegungen ausfuhrten, die denen beim Trinken glichen: sie naherten den Schnabel bebutsam dem Kornbild,

Abb. 2

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Uber den Geschmnckssinn iles H u h . VI. 47

Annabme . . . . . . Bevorzuguog . . . . . Sonderfalle . . . . . .

als ob es sich urn einen Flussigkeitsspiegel handelte. Auch als die Deckel vollig abschliefiend auf den Schalchen lagen, lernten e3 die Kuken sehr schnell, sie entweder mit dem Schnabel abzuschlagen - wobei sie anfangs gegen das Bild selbst pickten, wahrend sie spater gegen den Rand der Pappscheibe schlugen - oder mit den Puflen herabzukratzen (Scharrbewegung).

T a b e 11 e 2. Prozenfuale Eaufigkeit der ,,Amahme" und ,,Bevorzugung" zweier neben- einaoder gebotener. durch Erbsen- bzw. Weizenbild aui dein Deckel voneinander unter-

schiedener Schalchen

YS73 k0 .6 ' 94.7 & 1,l 1 3,6 I;% 2 8 8 ' 428 33+0 , '3 ' 1,9+0,7 1 l r 4 + 1.1 1,27 1 405

ZY:9 F - 2,2 1 23,5 3 2, l 1 6 , 4 t 3,O 2,lO 1 192

Wie in der entsprechenden Versuchsreihe der vorangegangenen Ver- offentlichung ( E s ~ ~ r , n r a x ~ 1941, 2 , . S. 335) nahmen die Kuken die Schale mit dem Weizenbild auf dem Deckel hiiufiger an als jene mit dem Erbsenbild. Die Zahlenwerte, welche die Ann a h m e haufigkeit wiedergeben, sind nahezu die gleichen, obwohl danials mit erwachsenen, mit allen Getreidearten ver- trauten Huhnern gearbeitet wurde (Diff. = 2,ti %), jetzt jedoch mit Kuken, die kornerfrei ernahrt wurden und die drei Getreidearten Weizen, Roggen und Erbsen nur aus dem Versuch mit der Kornermusterkarte (vgl. S. 3)

kannten (Diff. = 3,6; ~ ~ = 2,9, also hark an der dreifachen Fehlergrenze,

womit das Ergebnis als praktisch gesichert anzusehen ist). Zieht man die B e v o r z u g u n g s r e a k t i o n e n und die S o n d e r f a l l e

zum Vergleich heran, dann lassen auch sie die groflere Vorliebe fur die Weizenform erkennen. Auch hier entsprechen die einzelnen Zahlenwerte weitgehend den friiber gefundenen (vgl. Tab. 2 und ENGELBASS 1941, 2, Tab. 1, S. 336). WIhrend nur wenige echte Bevorzagungsreaktionen vorkamen, ist die Zahl der ,,Sonderfalle" heachtlich grol3: 89 % aller Bevorzugungs- reaktionen gehoren zu den Sonderfallen. Bei erwachsenen Huhnern waren es in1 Hochstfall 75 % (ENGELUNX 1941, 1, S. 20ti).

Bei dem Verhalten des Sonderfalles - das Kuken komrnt aus der Mitte des Raumes und hat es zu beiden Bildern gleich weit - war es zunachst nicht zu entscheiden, ob es sich hierbei nicht doch um eine echte, allerdings abgewandelte l,Bevorzugungsreaktion'b handelt oder vielleicht urn rein zufallipe Wahlen. X u r wenn die Tiere dm eine von zwei nebeneinander gebotenen Signalen wesentlich haufiger zuerst aufsuchten (d. h. wiihlten) als das andere, unabhangig dayon ob es links oder rechts stand, kann mit Sicherheit von B e v o r z u g u n g gesprochen werden. Denn wie wir aus den vorangegangenen Versuchen wissen (EXGELBANK 1941, 2, S. 338), lassen sich die Huhner in ihrer Wall1 nicht nur von dem gegenwartigen Sinneseindruck der Merkmale beeinflussen - wie es bei den ,,echten" Bevorzugungen der Fall ist -, sondern daruber hinaus von der Neigung, den O r t oder das Kornbi ld wiederzuwahlen, bei dem sie im Versuch zuvor mit der Futter- aufnahme begonnen hattcn. Dabei erwies sich die Ortstreue wirksamer als die Formvorliebe. Diese Bereitschaft, eine einmal ausgefiihrte Handlring zii wiederholen oder ,,erinnerungsgebunden" zu handeln, fand sich immer nur in diesen Fallen, in denen sich die Versuchstiere von beiden Gefafien pleich weit entfernt der Versuchsanurdnung naherten. Ini allgenieinen nahmen

Diff. IUDtfl

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den friiheren Versuchen ist die Weizenbild . 48,7 f 4 6 58 Erbsenbild . 51,3 +4,6 61

. . (1

Annahmehaufigkeit von Weizen- Differenz . 2,6 I 6,s und Erbsenbild bei Ortstreue Diff. gleich, bei Formvorliebe wird &iff.

64,4 & 5,6 ' 47 35,6+ 5,6 1 26 28,8 & 7,9 1

516 I I

I

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Uber den Geschmackssinn des Buhns. VI. 49

des Weizenbildes. Ob das Schalchen mit dem Weizenbild links oder rechts steht, ist zwar aichtig, aber nicht allein entscheidend: Das Huhn, das im Versnch zuvor bei dem Veizenbild- T a b e , l e 3. Ungleiche HBufigkeit der Ao- deckel an entgegengesetzter Stelle nahme des linken bzw. rechten GefaBes mit (rechts oder links) mit der Putter- Weizen- oder Erbsenbild auf den Deckel bei aufnahme begann, sucht ihn auch Formvorliebe

61,7 -f 7,6 69,2 & 9,0 genden Versuch an erster Stolle auf, !:$, 38,3 + 7,ti 30,8 + 9,0 wenn er rechts IJnter glei- Differenz 23,4 3 10,3 38,4 5 12,8 chen bedingungen wird der rechts Diff.

haufig aufgesucht. Die Wahl der Huhner geht also unter den als ,,Sonderfall der

Bevorzugnngsreaktion" bezeichneten Bedingungen - Huhner nahern sich geradlinig, stets im gleichen dbstand von beiden nebeneinander stehenden GefaBen der Versuchsanordnung - auf drei AntrieGe (Impulse) zuriick:

1. Allein auf die Vorliebe fur die eine der beiden Kornerformen, aus- gelost durch ihren blofien Anblick wahrend des Herantretens an die Ver- suchsanordnung (starke Formvorliebe).

2. Auf dieselbe Vorliebe fur das eine der beiden Kornbilder, aber nicht allein der bloBe Anblick genugt jetzt zur Auslssung der Bevorzugungs- reaktion, sondern das beliebtere Kornbild mnB noch in anderer Beziehung ,,wertgetont' sein, z. B. dadurch, daB die Schale mit der betreffenden Kijrner- form auf dem Deckel im Versuch zuvor znerst anfgesucht wurde, wenn auch nur deshalb, weil sie dort den Hiihnern naher lag. Die Erinnerung an die Erstaufnahme in Verbindung mit der gegenwartigen optischen Wahrnehmung im Augenblick des Herantretens an die GefaBe ermoglicht es erst dem Huhn, im Sinne seiner Formvorliebe zu handeln (schwache Formvorliebe).

3. Auf eine Vorliebe fur einen Ort. Das kann entweder eine Vor- liebe fur eine Raumseite sein (Linksstrebigkeit) oder fur einen bereits bedeutungsvollen oder ,,wertgetonten" Futterplatz (so gut links wie rechts). Das ist hier wiederum der Fall, wenn das Huhn im Versuch zuvor an dieser Stelle mit der Putteraufnahme begam (Ortstreue). Bei Ortstreue ist die Aufmerksamkeit fur Formunterschiede nnterdruckt bzw. ausgeschaltet.

Wenn sich somit fur die Gesamtheit der Versuche xeigen lieB, da13 das Verhalten der Huhner sowohl von Formvorliebe - wobei das Weizenbild dem Erbsenbild uberlegen ist - als von einer Linksstrebigkeit gesteuert wird, so laat sich irn Einzelfall doch niemals angeben, welche von ihnen gerade wirksam wurde.

Die sich aim dem Vernleich der Annahmefahigkeit wie der Bevorzugung

dann wieder hanfig im darauffo]- Schdo steht \Tcizcnbild Erhsenbild

stehende Erbsennapf etwas weniger mDiff. 2 3 3,o

wie der Sonderfalle ergegende Vorliebe fur Weizenform fand in einer zufalligen Beobachtung eine sehr schone Bestatjgnng: Beim Wegtragen der Schalchen in ihrer Holzunterlage fielen eines Tages die beiden Deckel auf die Erde, und zwar beide mit der Bildseite nach oben. Nach einiger Zeit hatten die Euken gemeinsam das Weizen- bild sauberlich herausgepickt, das Erbsenbild dagegen vdlig unbe- achtet liegen gelassen (Abb. 3).

Zoitschr. f . Tierpsychologic Ild. 6 Heft 1

Ahh. 3

4

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50 Engclmann

\;Vie sehr sie sich dabei mit den1 Weizenbilddeckel abgeniuht hatten, laBt sich sehr schon an den1 verschmutzten Zustand erkennen, in dem sie i h n - ganz im Gegensatz znm Erbsenbiiddeckel - zuruckliefien.

Vorliebe fiir bestimmte Korrigr6Ben 1. V e r s u c h e m i t v e r s c h i e d e n e n E r b s e n g r o B e n (Abb. 4). Die

verschieden proCen, kunstlich nachgebildeten Erbsen arm fein gesiebtem Haferschrot wurdeu in zwei Reihen, je vier der gleichen GroQe zu eiuer Gruppe vereinigt, auf einer braunen Pappunterlage (22,8 x 17,O cm) fest- geleimt. Ibre Durchmesser, ihr CrroRenverhaltnis zum naturlichen Weizenkorn = 1 und die Bezeichnung ihrer GroISenklasse ist a m Abb. 4 ersichtlich. Die Kuken pickten, wohl in Erinnerung an die Versuche mit naturlichen Kornern auf der Musterkarte (vgl. S. 4), sofort prufend gegen die kunstlichen Erbsen. Dabei machten sie deutliche Uuterschiede zwischen den einselnen GroBen. Weitaus am haufigsten versuchten sie die GroBenklassen 11 bis 1 V zu ver- zehren, namlich zu 52,l o/o _+ 6,1 o/o. Die ubrigen KorngroBen in derselben Eleihe (der unteren auf dem Pappbrett. I, V und VI) nahmen sie zienilich iibereinstimmend an, und zwar zn 7,7 o/o (I und V) und 2,5 (VI). Am wenigsten beliebt waren mithin die Erbsen mit 7 m m Durchmesser. Die in der zweiten Reihe aufpeklebten Etbsengruppen wurden nieinals aufgesucht. Die Tiere verhielten sich so, als ob jene gar nicht vorhanden waren. (Die Unterlage wurde stets so geboten, daB die kleineren Grofien vom Tier aus gesehen in der ersten Reihe lagen.)

I v v v I TI1 rill IX Grkl. 1 1 2 4 G 8 11 I ,

I I[ 111 ' I 6 #I4 2 2,5

7,7 "/, r2,1 & 6.1 "lo (,( ,'" 2.5 94 - - - 1 2 5 7 8 10 14 mm -1

0: In

r c " '

Ahh. 4. liiinstlicho hnlhicrto. i u f Iniilner Pappe aiifgcleirntc Erbscn ans fcingrsiebtcni Haferschrot. Cirkl. : Ikzcichining dcr OriiWcnklasse, n : GriiEcurcrhiiltnis (linear) aririi natiirlichen \Vcizciikorn = 1,

mni : Uurchmesser in Jlillinietosn, yo : Pruscnt dcr Anriahnic dorch die Junghiihacs

Hinsichtlich der Reihenfolge der Annahme bestanden folgende Be- ziehungen: die GroBenklassen 11-17 wurden zu 47 o/o an erster Stelle auf- gesucht, in 40,6 o/o an zweiter und in 12,4°/0 an dritter. Dabei machte sich bei den Versuchstieren die Neigung bemerkbar, mit zunehmender Born- grol3e immer weniper Kornersorten nacheinander aufzusuchen. Wahrend sie z. B. die Kornerklassen I I und 111 noch zu 34,4 O l 0 an zweiter Stelle anpickten ond zu 9,4 o/o an dritter, so suchten sie die ebenfalls noch beliebte GroBenklasse I V n u r mehr in 6,2O,lO an zweiter nnd gar nur in 3,l O/o an dritter Stelle, d. h. also ganz selten, wenn sie vorher schon an einer oder zwei anderen Kornergruppen vergeblich pepickt batten. Die bereits unbeliebte GroBenklasse V beachteten sie nicht mehr, wenn sie sich vorher schon um zwei andere Korngruppen bemuht hatten, und die GroBe V I nicht einmal mehr dann, wenn sie vorher nur eine andere Erbsengruppe versucht hatten.

Page 10: Über den Geschmackssinn des Huhns. VI. Über angeborene Formvorlieben bei Hühnern

Uber den Geschmackssinn des Huhns. VI. 51

Nach in1 ganzen 39 Versuchen lieBen die Kuken die Erbsenmusterka.rte un- beachtet liegen.

Nine Selbstdressur der Kuken auf die in den Deckelversuchen benutzte Kornbildprofle schaltet aus dem Grunde aus, daB der Durchmesser des Bildes 5 mm betrug, jener der GroBenklasse 11--IV dagegeu 2,5-4 mm. Bei diesen Versuchen beachteten die Kulien nur die eine, ibnen zugemandte Reibe der aufgeklebten Korner (GroQenklassen I-IV. Abb. 4), die andere (Klasse VII-IX) par nicht, eine Tatsache, die erkennen laBt, wie sehr das Verhalten der Kuken obendrein von anderen Einflussen als den GroBen- unterschieden abhangig war. Auch die Beobachtung, daB sich nach den ersten heftigen Pickschlagen gegen die Gruppen der GroBe 11-IV (vgl. Abb. 4) kleine Schrotkrumel ablosten, die die l'iere sofort gierip fraBen, ist beachtenswert. Denn wenn auch diese Korngruppen deshalb im weiteren Verlauf der Versuche von den Kuken aufgesucht sein konnten, weil sie sich eingangs als, wenn aucb n u r teilweise, verzehrbar erwiesen hatten, so scheint es doch meit wahrscheinlicher zu sein, daB die Kuken eine von aller Erfahrnng unabhaogige Vorliebe fur diese GroBen besagen und deshalb besonders heftig gegen sie pickten. Dafur spricbt noch weiterhin die Beob- achtang, daB sicb von den antleren Gruppen keine Schrotkriimel losten, obwohl gegen sie aucb gepickt wurde und sje in genau der gleicben Weise angefertigt und aufgeklebt wareu. Es ist dabei im Hinblick auf das Ver- halten aufgeleimten Roggen- und Weizenkornern gegenuber (Iloggenrorliebe, S. 45) sehr bemerkenswert, dab diese bevorzugten GroBen u n t e r jener einer natiirlichen kleinen Erbse lagen. Auch hier rnogen sich die Kuken auf Grund ihres angeborenen AugenmaBes fur leicht verzehrbare GroBen - das waren diese auf jeden Fall - entschieden haben. Eine klare Trennung der beiden hlerkmale ,,Verzehrbarkeit" und ,,angeborene GroSen- vorliebe" 15Bt sich freilich nicht vornehmen, und somit konnen diese Ver- suche noch keine eindeutige Antwort auf die Frage geben, ob es nun eine angeborene Vorliebe fur bestimmte KorngroBen gibt oder nicht.

2. V e r s u c h e m i t v e r s c h i e d e n e u W e i z e n g r o B e n ( A b b . 5). Die Weizenkorner waren in der gleichen Weise hergestellt wie die kiinstlichen Erbsen. Sie waren im Gegensatz zu den Erbsen nur in einer Reihe nebeneinander aufg-e- klebt, da sich die Huh- ner in den Fkbsenver- suchen um die zweite Reihe aufgeleimter Kor- ner nicht gekummert hatten. Dementspre- chend waren nur mehr ie zwei gleich groDe

I1 111 1 v T VI VI I VIII IX Grkl

3 4 5 i 8 12 16 25 mm1,. 2 3 4 5 6 9 12 13 mm Br.

' I , "2 1 2 4 6 8 11

Ahh. 5 . Kiinstliclic, halbicrtc, auf br;mncr I'appc anfpolcimtc lYi,izt.llhiirller iius fvingcsicbtem Hafcrichrot. naruntcr Ilezc~irhnnop der CirijOwklassen. der relativen Griiae (n;itiirlirher \Vcizen = l), der L 3 ge und Drcite i n Millimctcrn

kiinstliche- Weizenkorner zu einer Gruppe verejnigt. Ihre (3roBenklassen stimmten - mit Ausnahme der Erbsenklasse I, fur die es kein Gegenstuck gab - im Gewicht niit den entsprechenden Erbsenklassen iiberein (also Weizen I1 = Erbsen I1 usw.). Die Pappunterlagen entsprachen sich vollig.

lm Gegensatz zu den Versuchen niit verschieden grol3en Erbsen, die zeitlich kurz auf die Schalchenversuche folgten , konnte die Weizenmuster- lrarte den Kuken erst dana vorgelegt werden, als sie bereits naturliche, ver- zehrbare Korner kennen gelernt hatten (vgl. S. 43). Vorher schenkten sic

4*

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52 Engelmann

den aufgeleimten Kornern, wohl in Erinnerung an die Erbsenversuchsreihe, keine Beachtung.

Die Kuken suchten in der Mehrzahl der Falle e i n e Korngruppe auf. Dann zogen sie sich in den Versuchsraum zuruck. Diese Anderung der Verhaltensweise mochte auf einem Lernvorgang beruhen: auf Grund der bisherigen Versuche mit aufgeklebten Kornern waren die Hiihner wohl bereits nach kurzer Prufung imstande, zu entscheiden, ob die angebotenen Korner verzehrbar waren oder nicht. Durch die Fortnahme der Pappkarte nach jedem Versuch stellte ihre erneute Darbietung einen genugend wirk- samen Reiz dar, urn die Kuken zu weiterem Picken und Frellversuchen zu veranlassen. Nach insgesamt 47 Versuchen schenkten die Hiihner der Muster- karte keinerlei Beachtung mehr. Im Gegensatz zu den Erbsenversuchen suchten sie im Verlauf d i e m Versuchsreihe a 11 e GroBenklassen auf, wenn auch einzelne nur in ganz seltenen Fallen.

T a b e 1 1 e 4. Annahme verschiedea groler kiiostlicher Weizen- und Erbsenkorner, die auf einer Pappunterlage festgeleiint waren. Reihenfolge der Annahme unberiicksichtigt. Gro 13 e

bezogen auf naturlicbeo Weizen = 1 ~~ ~. . . ~

Relative KorngrXe I 'I l I 11s 1 'I2 ~ 1 1 2 1 4 I 6 1 8 I 10

Weizenkorner . . . 2.2 17,O 38,s 10,6 4,2 4.2 8,5 Erbsenkomer . . . 11 <7 30.8 1 30,8 1 20,5 1 7,7 1 2,5 j ?! 1 - - Grolenklasse. . . . .I 1 I I1 1 III IF' 1 V 1 VI 1 VII 1 VIlI I IX

Am haufigsten gingen die Kiiken zu der Weizenkorngruppe von norrnaler GroWe (1 n) und den beiden ihr benachbarten n und 2 n, Tab. 4). Es wurden nicht melir die GroBenklassen vorzugsweise aufgesucht und angepickt, die im Gewicht der bevorzugten ErbsengroBe 11-IV entsprachen , sondern jene (111-V), die der natiirlichen WeizenkorngroBe am nachsten kamen

Unter den iibrigen Gruppen steht das letzte und zugleich groBte, am Bande der Pappunterlage festgeleimte Kornerpaar (IX) an erster Stelle. Wegen der geringen Anzahl uberhaupt durchgefiihrter Versuche sind die einzelnen Zahlenwerte jedoch nicht statistisch gesichert.

Es ist nun sehr erstaunlich, daB sich die Tiere bei der Auswahl plotzlich nicht mehr nach dem ,,AugenmaB fur leicht verzehrbare Grollen" (vgl. S. 45 und 51) zu richten scheinen. Das trifft aber nur bedingt zu. Entscheidend fur das abweichende Verhalten der Kiiken in dieser Versuchsreihe jm Ver- gleich mit den Erbsenversuchen ist, daB sie zur Zeit dieser Weizenversuche bereits naturliche, verzehrbare Korner kennen gelernt hatten (vgl. S. 43 und 51), zur Zeit der Erbsenversuche dagegen noch nicht; ihre Nahrung bestand ja bis dahin aus trockenem und feuchtem (GefaBversuche S. 46) Hafermehl. Wahrend also damals die Auswahl der Erbsen - vermutlich - auf Grund des optischen Reizes erfolgte, wobei sich die angeborene Flhigkeit des ,,Augen- mal3es fur leicht verzehrbare GroBen" am klarsten zeigen muSte, konnten die Huhner jetzt auf Grund ihrer Erfahrungen beim Verzehr der natiirlichen Getreidearten (vgl. S. 54) wahlen. Und das taten sie auch, weil sie die Korn- groSen am haufigsten aufzunehmen versuchten, die der naturlichen Weizen- korngrolle am ahnlichsten waren. Es ist - wenn man in dem Abbrockeln der ErbsengroBen I1 und 111 (vgl. Abb. 4 und S. 51) eine Folge der (auf Grund der angeborenen GroBenvorliebe) besonders heftigen Yickschlage sieht und nicht (auf Grund der damit verbundenen Futtertonung dieser ErbsengroBen) die Ursache der Bevorzugung - mithin die angeborene Fahigkeit (namlich das AugenmaB) durch Erfahrung verandert und e r s e t z t worden. Das heifit

n, 1 n, 2 n).

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Uber den Geschmackssinn des Huhns. 1'1. 5 3

Differeoz. .

m Diff.

Dtff. . . . __

38,6 4 5,3 3 1,9 6,O 29,5 6,l I

I 5,s 1 4,8 7.2

Surnme 39,6 & 5 2 i 7.9 +.2,9 1 10,3 & 3 2 l;d +_ 1,2 40,8 & 5,2

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54 Engelmann

waren nicht immer die den Tieren nachst gelegenen, weil die Kuken in vielen Fallen nicht von links oder rechts, sondern aus der Raummitte an die Pappe herantraten. Die bevorzugte Annahme mag darauf zuriickgehen, darj diese Bildgruppen durch ihre Lage am Kartenraud (Fehlen einer be- nachbarten Korngruppe an der einen Seite) auffalliger mirkten als die ubrigen (vgl. auch S. 53). Es ist aber auch nicht aasgeschlossen, da13 sich hier neben der angeborenen Vorliebe fiir die dem naturlichen Weizen- bzw. Roggenkorn ahnlichste GroBenklasse die besondere Anziehungskraft des optisch auffalligaten, weil groBten Kornbildes bernerkbar machte, so wie sie sich bisher in der Vorliebe fur den groBeren von zwei gleichzeitig gebotenen Futterhaufen und fur die groBere von zwei nebeneinander angehotenen Kornersorteo zu erkennen gegeben hatte. Fur diese Deutung spricht sehr der Urnstand, da13 zur Zeit dieser Versuche die Kuken uber keinerlei taktile Erfahrung mit naturlichen Kornern verfugten (vgl. S. 43). Auch die relativ haufige Annahrne der groBeren kunstlichen Weizenkorngruppe (vgl. S. 52) gehort hierher.

11. Verhalten bei Darbietung verschiedener verzehrbarer Gletreide- arten

1. Versnehe mit 4 natlirliehen Getreidearten Auf einer Pappunterlage 23 x17 cm wurden den Tieren je 10 frei-

liegende, also nicht aufgeklebte Weizen-, Roggen- und kleine Erbsenkdrner sowie 5 Viktoriaerbsen geboten. Die eineelnen Korngruppen lagen an den vier Ecken der Unterlage. ihre Stellung zueinander wechselte unregelmaBig nach dem 5.--10. Versuch. Nach den ersten 20 Versuchen achtete ich darauf, daB die Weizen- uud Roggenkorner stets nebeneiuander lagen.

Die Qetreidesorten waren wieder die gleichen, die schon zu den Ver- suchen mit festgeleimten nnturlichen Kornern gedient hatten.

Die Kuken suchten in d e n j e w e i l s 1 0 e r s t e n P e r s u c h e n vo r - z u g s w e i s e d e n R o g g e n a n e r s t e r S t e l l e auf. An zweiter Stelle wahlten sie den Weizen. Nach diesen ersten 10 Proben anderte sich das Verhalten vollig; nunmehr nahmen die Eiicken d e n W e i z e n a n e r s t e r , d e n I t o g g e n a n z w e i t e r S t e l l e auf . Nach einer gewissen Zeit ver- zehrten sio gegen Ende der taglichen Versuche sogar nur noch den Weizen. Die Annahmehaufigkeit der beiden Erbsensorten spielte daneben uberhaupt keine Rolle. Die kleinen Erbsen nahmen sie wahrend der ganzen Dauer der Versuche zweimal an zweiter und einmal an dritter Stelle! Die grol3en Erbsen wurden im ganzen dreimal aufgesucht, jedoch nie verzehrt. Schon nach wenigen Versuchen (10-20) achteten die Hiihner allein auf die Lage der Weizen- und Roggenkorner, die Erbsen vernachlassigten sie fortan ganz und gar.

So lassen sich von da ab die Versuche auswerten, als ob nur zwei nebeneinander gebotene Getreidearten gereicht worden waren, d. h. nach An- nahmehaufigkeit der heiden Eornerarten, Bevorzugungsreaktionen, Sonderfallen.

T a b e 1 I e 5. dnnahme von Weizen und Roggen sowie Haufigkeit der Bovorzuguogs-

(2 Erbsensorten nie mehr angenommen) reaktionen uud der Sonderfalle in den Versuuhen rnit 4 verrchiedenen Getreidearten.

I Diff. Roggen 1 Diffcrenz

I I I I i Weizen I %

I Annnhme . . . . . 96,2 & 1,7 1 73,4 & 3.9 1 22,s + 4,2 5,4 Bevorzugung . . . . 17,l t_ 3.4 1 1,6 & 1,l 15.5 3 3,6

35.7 & 4,3 [ Sonderfalle . . . . 5,7 3- 2,1 i 30,O 4-8

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Uber den Geschmackssinn des Huhns. VI. 5 5

Bus all diesem Verhalten geht eindeutig die weit groBere Beliebtheit des Veizens hervor. Die Unterschiede sind in jedem einzelnen Pall statistisch gesichert (Tab. 5).

D a s be i n u r o p t i s c h e r D a r b i e t u n g v o n W e i z e n u n d R o g g e n h e o b a c h t e t e V e r h a l t e n , n a m l i c h d i e e t w a s g r 6 S e r e V o r l i e b e f u r R o g g e n (S. 45), s c h l i i g t i n s e i n G e g e n t e i l u r n , n a m l i c h e i n - d e u t i g e V o r l i e b e fiir d e n W e i z e n , s o b a l d d i e V e r s u c h s t i e r e d i e b e t r e f f e n d e n K o r n e r v e r z e h r e n k o n n e n , d. h. sobald zu dem optischen der taktile Reiz tritt. DaB dem Geschmack keine Bedeutung zu- kommt, wurde fruher an kunstlich aus Itoggen- und Weizenschrot her- gestellten roggen- und meizenformigen Kornern bewiesen , vgl. ENGELMAEN 1940, S. 540.

Dieser Ersatz des zunachst, d. h. bei nur optischer Darbietung, be- liebteren Roggens durch Weizen, sobald beide Getreidearten verzehrbar, d. h. auch taktil bewertbar waren, ahnelt sehr der Ablosung der urspriinglichen, d. h. bei nur optischer Darbietung wirksam gewordenen Vorliehe fur be- stimmte ErbsengroBen durch jene fur ahsolut groflere WeizenkorngroSen, nachdem die Kuken natiirlichen Weizen gefressen nnd somit auch taktil kennen gelernt hatten (vgl. S. 52). I n beiden Pallen wurde eine allein auf einem optischen Reiz beruhende Vorliebe fur eine Kornerart bzw. -groBe, deren Eignung zum leichten Verzehr somit nur g e s c h a t z t worden sein konnte, aufgegeben zugunsten einer anderen Kornerart bzw. -groSe, sobald die betreftenden Korner auf ihre Verzehrbarkeit hin wirklich , d. h. taktil, g e p r ii f t worden waren.

DaB in dem Falle des Austauschs von Weizen und Roggen tatsachlich allein Formenunterschiede eine Rolle gespielt haben, geht aus den fruheren Versuchen mit kunstlichen roggen- und weizenformigen Kornern aus Roggen- und Weizenschrot klar hervor (EESGELMAEN 1940, S. 5 10). Die Vermutung, daB im einzelnen die groflere Dicke (Kornhohel der Weizenkorner dabei ron besonderer Bedeutung gewesen ist, wird durch die friiheren Versuche mit groBen Erbsen und Weizenkornern neben kleinen Erbsen sowie mit kleinem Mais auf der einen Seite und kleiuen Erbsm bzw. kleinem 'Xeizen auf der anderen Seite ( E s G E L m N P ; 1941, 1. S. 214) sehr wahrscheinlich, wed sich in diesen Fallen die erwachsenen Huhner ebenfalls fur die Kornerart mit jeweils g r o B e r e r K o I' n h o h e en tschieden hatten. Es 1st durchaus moglich, daB neben diesem verniutlich entscheidenden Merkmal auch andere von groBer Bedeutmg waren, etwa die stumpfe Form des Weizens im Oegensatz zu der spitzen des Roggens oder die grooere Behaarung der Weizenkorner (,,Weizenbart"). Wie grol3 die Zahl derartiger, fur die taktile Beurteilung wichtiger Eigenschaften gerade be1 den naturlichen Kornern ist, das konnte bereits aufgezeigt werdeu (ESGELUAEX 1941, 1, S. 217).

Wie sehr im Falle des Wechselns der Vorliebe von der GroBenklasse I1 bis 111 (Erbsen) zur GroBenklasse I V (Weizen) die Erinnerung an den natiir- lichen verzehrbaren Weizen das Verhalten bestimmte, ergibt sich ohne weiteres aus der bevorzugten Wahl der dem natiirlichen Weizen ahnlichsten GroBenklasse ( IV = 1 n). Die von den Groflenunterschieden unabhangige bevorzugte Aanahme der dem Rande nachsten Kornb i lde r (vgl. Y. 53) zeigt, dafl auch in bezug auf GroBenunterschiede dasselbe gilt wie fur Formunter- schiede; ihre Wirkung wird urn so geringer, je merkrnalsarmer die zur Wahl gestellten Objekte sind bzw. je undeutlicher bei nur s i n em unterscheidenden Merkmal der Herkmalsgegensatz ist (vgl. EXGELMAEN 1941, 1, S. 215); in ent- sprechendem MaBe nimmt der EinfluB anderer, zunachst nebensachlicher Eigenschafteu zu (Lage am Rande!).

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56 Enpelmann

~~~ ~

Annabme . . . . . . . Bevorzugung . . . . . . Sonderfalle . . . . . . .

Wahrend sich aus den Versuchsergebnissen einwandfrei ableiten lafit, da13 das Schema fiir gestreckte Kornerform im Oegensatz zur runden an- geboren ist, IaBt sich derselbe Nachweis fiir die Vorliebe fur bestimmte KorngroBen noch nicht erbringen. Venn auch die als ,AugenmaB fiir leicht verzehrbare OroBen" bezeichnete Fahigkeit denselben GesetzmaBig- keiten unterworfen zu sein scheint wie das angeborene Schema fur gestreckte Kiirnerform, so ist noch nicht einmal entschieden, ob es sich hierbei urn das Erfassen absoluter oder relativer GroBen handelt. Diese Frage laBt sich aber leicht beantworten, wenn man ebenfalls kornerfrei ernahrten Kuken verschiedenen Alters ungleiche Komgro13en erstmalig optisch bietet: bei relativer Beurteilung miissen mit zunehmendem Korperwachstum (Schlund- groBe) die als ,, best verzehrbarU bevorzugten Korner immer hoheren OroBen- klassen angehoren. (Das sol1 anschliel3end untersncht werden.)

Das gleiche Ergebnis, namlich die groBere Vorliebe fur Weizen. zeitigte die letzte Versuchsreihe, in der nur Weiaen- und Roggenkomer (ohne Erbsen) geboten wurden. Diese Versuche folgten auch zeitlich unmittelbar anf die voraufgegangenen (vgl. S. 43).

100 n9.4 3.3 40,6 3.3 12,3 (100 50,4 + 4,3)

13,l 3.0 0,O- 13,l 4- 3,O 4.4 33,3 & 4,l 1,5 i 1,1 31,8 4,2 7 ,G

2. Versnche niit Weizen uiid Roggen

Ich bot zwei Haufen von je etwa 10 Kornern im Abstand von etwa 10 cm, den einen von Weizen, den anderen r o n Roggen. Die Kuken nahnien den Weizen zu looo/, an, den Roggen zu 54,3O/,,. Sie verhielten sich damit genau so diesen beiden Rornerarten gegenuber, wie es ihre Eltern in den fruheren Versuchen getan hatten (vgl. Tab. 6, eingeklammerte Zahlen).

Die offensichtliche Vorliebe fur den Weizel; geht weiterhin aus der Zahl der echten Bevorzugungsreaktionen wie der Sonderfalle hervor: der Roggen wurde nie zuerst aufgesucht, wenn er fur die Kiiken der entferntere (schwerer erreichbare) Kornerhaufen war, der Weizen dagegen unter den gleicben Bedingungeu in 17 Fallen bevorzugt. I n 45 Versuchen kamen die Kiiken aus der Mitte (Sonderfall). Nur zweirnal wahlten sie hierbei den Roggen zuerst. Die Vorliebe fur den Weizen ist so deutlich, daB die Unter- schiede in der Annahmehaufigkeit und der Zahl der Bevorzugungsreaktionen stets einwandfrei statisdsch gesichert sind.

T a b e 11 e 6. Prozentuale EBufigkeit der ,.hnnahme" und .,Bevo~.zuguiig~' von neben- ehander gebotenem Weizen und Roggen __ ~- __ ~~ -~

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Uber den Geschmackssirin des Huhns. 1'1. 57

gelegenen Weizen auF. I n der Versuchsreihe mit Weizen und Roggen, die fiir die Kuken iibersichtlicher war , spielte die Linksstrebigkeit keine Rolle mehr: in 5,401, der echten Bevorzugungsreaktionen kamen die Tiere von rechts und wahlten den links liegenden Weizen, in 7,60 l0 kamen sie von links und suchten zuerst die rechts angebotenen Weizenkorner auf. Seiten- stetigkeit sowie jede Art von Ortstreue sind stets Anzeichen fur mangelhafte Beachtung derjenigen Merkmale, auf deren Unterscheidulig aie Versuchs- anstellung abzielt.

Besprechung der Ergebnisse Aus den Versuchen mit aufgeklebten naturlichen Kornern (vgl. S. 44)

und mit Kornbildern auf dem Schalendeckel (vgl. S. 46) geht unrniBverstand- lich hervor, da13 den Kiiken die Vorliebe fur Ianglich-ovale Kornerformen i m Gegensatz zu runden a n g e b o r e n ist.

Damit ist zugleich die alteingewurzelte Anschauung widerlegt, nach welcher Kiiken die Eignung eiues Gegenstandes als Nahwng allein durch ,,Probieren" ermitteln (KATz). Vielmehr besteht em ,,angeborenes Schema" (K. LORENZ), das, wie wohl die meisten ihrer Art, nur gewissermaoen in rohen U mrissen gegeben ist, in Einzelheiten jedoch durch spatere, erworbene Erfahrung ausgefullt und verengert werden kann. Die Existenz des an- geborenen Schemas folgt aus dem Verhalten der Huhner (in den Versuchen mit aufgeklebten naturlichen Kornern) den beiden Ianglich- ovalen Korner- arten Weizen und Roggen gegenuber, vor allem aus der etwas hiiufigeren Annahme des Roggens bei nur optischer Darbietunp (S. 45), die im Gegen- satz zu allen bisherigen Versuchen mit verzehrbaren Kornern steht. Die Einzelzuge erhalt das Kornerschema erst auf Grund von Tastsinneseindrucken, wobei die Eignung z;m leichten Verzehr den Mafistab fiir die Beurteilung und Auswahl unter den in Betracht kommenden, einander ahnlichen Cietreide- arten abgibt. Besitzt das Huhn noch keine Erfahrung in der Aufnahme fester, kornartiger Futterstoffe, so trifft es, wie sich aus der Bevorzugung von Roggen vor Weizen schliel3en lafit (S. 45), unter den in Betracht kommenden Getreidearten eine Auswahl anscheinend auf Grund eines (an- geborenen oder erworbenen?) AugenmaBes fur best verzehrbare KorngioBe. I)a die Beliebtheit der verschiedenen, dem angeborenen Schema im grol3en und ganzen entsprechenden Getreidearten (Weizen und Roggen) letztlich von t a k t i l e n Erfahrungen abhangt - das beweisen die Versuche mit vier verschiedenen Getreidearten -, so mussen die dem Kornerschema auf- gepragten Einzelzuge auswechselbar sein. Kennt z. B. ein Huhn noch keinen Weizen und nimmt unter den ihm bekannten Getreidearten wie in unseren Versuchen den Roggen am liebsten an (S. 45), dessen Merkmale dann also zur Auskleidung des Schemas dienen, d a m verliert der Roggen in dem Augenblick diesen ersten Platz in der Rangordnung, in dem das Huhn den frei verzehrbaren Weizen kennen lernt. Dns ist, so selbstverstandlich es erscheint, deshalb erwlhnenswert, weil fiir die anderen, bisher hekannten angeborenen Schemata dasselbe gilt. So sagt S e i t z (S. T9), die ein an- geborenes Schema zusammensetzenden Merkmale gehorchten dem Summen- satz, derart daB sie sich in ihrer Wirkung nur quantitativ, nicht aber qualitativ unterscheiden, weshalb sie sich auch weitgehend vertreten konnten. Das entspricht i m Grunde den hier dargestellten Beziehungen.

Die Undeutlichkeit des angeborenen Schemas berechtigt zu der Prage. ob es sich ursprunglich uberhaupt auf ein Rornbild bezogen haben kann. Das ware insofern iiberraschend, als der Kornerverzehr nicht zu der natur-

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58 Engelmann

lichen Nahrung der w i ld l e b e n d e n Huhner gehort. So ist es wohl denk- bar, daR ein ganzlich anderer Futterstoff Vorbild dieses Nahrungsschemas sein mschte. In Frage kame hier, zumal wenn man die grol3e Redeutung der Ameisen als Nahrungsmittel bei den in Asien lebenden Stammarten unseres Haushuhns beriicksichtigt, die Ameisenpuppe. Doch ist solches Spekulieren auch insofern miiRig, als wir iiber etwaige Veranderlichkeit an- geborener Schematen wahrend des Domestikationsvorganges noch schlechter- dings nichts wissen.

Im Versuch stehen der Verwirklichung der angeborenen Vorliebe fur lngl ich- ovale im Gegensatz zu runden Kornersorten mehrere Hemmnisse entgegen, die ihr Wirksam werden aufschieben oder ganz verhindern konnen. Als derartige Widerstande wirken sich zwei Verhaltensweisen aus, die zwar bei den Hiihnern besonders deutlich in Erscheinung treten, dariiber hinaus aber wohl allgemeine AuBerungen tierischer Psyche sind: 1. Eine Scheu vor allem Unbekannten. Diese hielt die Huhner - die ja handzahm waren! - zu Beginn der Versuche ab, sich s o f o r t der Kornermusterkarte zu nahern und ihre Wahl jm Sinne der angeborenen Formvorliebe zu treffen (vgl. S. 44). 2. Eine Neigung, den optisch auffalligeren Gegenstand zu bevorzugen. Sie machte sich bei den hier geschilderten Versuchen am eindringlichsten bei der Darbietung von verschiedenen Erbsen- und Weizenbildern bemerkbar (S. 53), als die Huhner vornehmlich die durct ihre randstandige Lage auf- falligen Kornbildgruppen nufsuchten. Auch die relativ haufige Annahme der groQten, ebeiifalls am Ende einer Reihe gelegenen kunstlichen Weizen- korner in den Versuchen mit verschieden grol3en Weizenkornern (S. 52) gehort hierher. I n den fruheren Versuchen beruhte auf dieser Neigung die erste Phase des Grundverhaltens, namlich die anfangliche Bevorzugung der groReren Kornersorte gegeniiber der kleineren (ENGELMAX" 1941, 1, S. 206). 3. Eine gewisse Ortstreue, die sich entweder als Linksstrebigkeit auRerte (vgl. S. 48) oder als Ortsgebundenheit im engeren Sinne, wenn die aus der Mitte des Raumes kornmenden Tiere in dgr Mehrzahl der Falle den Futterplatz - links oder rechts - zuerst aufsuchten, an dem sie schon im Versuch zuvor mit der Futteraufnahme begonnen hatten.

Zusammenfassung An Zwerghuhnkuken, die vollig kornerfrei aufgeeogen worden waren,

suchte ich fesbustellen, ob ihre Eahrungsauswahl allein auf erworbener Erfahrung heruht, wie man wohl oft annahm, oder ob ein angeborenes Schema, etwa ,,der" optimalen Kornerart, nachweisbar ist.

Bei Darbietung naturlicher festgeleimter Getreide- und Erbsenarten verachteten die Huhner die Erbsen vollig und bevorzugten weitaus die Korner. Roggen war urn ein Geringes beliebter als Weizen {umgekehrt wie beim erwachsenen Huhn, das, durch Verzehren, mit den Kornerarten ver- traut war).

Wurden genialte Korn bitder auf Deckeln iiber gleich bekoderten Schalchen geboten, so zogen die Kiiken auch diesmal die Weizenform der Erbsenform vor. In gewissen Fallen traten zum optischen Reiz der Bild- form als die Wahl mitbestimmende Faktoren Ortsbindungen hinzu, wie Linksstrebigkeit und Erinnerung an den Ort der Erstwahl im voran- gegangenen Versuch.

Von kiinstlichen aufgeleimten Kornern in einer GroQenserie bevor- zugten die Kuken, solange sie noch keine Korner zu fressen bekommen hatten (Erbsenversuch), diejenigen GroBenklassen, die fur sie besonders leicht

Page 18: Über den Geschmackssinn des Huhns. VI. Über angeborene Formvorlieben bei Hühnern

Cber den Geschmnckssinn cles Huhns. VI. 59

verzehrbar erscheinen mochten. Hatten sie jedoch bereits vorher Korner gefressen (Weizenversuche), so wahlten sie die GroGenklasse, die der Grol3e der be!iebtesten verzehrten Getreideart entsprach.

Bei Darbietunp verschiedener GrijRen aufgemalter Weizen- und Erbsen- bi!der erwies sich der con den Bildern ausgehende optische Reiz als zu schwach, um das Verhalten der Huhner zu bestimmen. Die Kuken bevor- zugten die am Rande der Unterlage befindlichen Gruppen.

Als die Kuken zum ersten Male lose, verzehrbare Kiijrner sahen, gingen sie zunachst vorzugsweise zum Roggen. Nach wenigen Versuchen schlux ihre Wahl zum Weizen um, den sie zuletzt ausschlieBlich annahmen. Die Erbsen lehnten sie vollig ab.

Vor zwei Haufen von Weizen und Roggen verhielten sich die Kiiken wie die Ermachsenen: sie bevorzugten den Weizen.

Angeboren ist demnach, soweit bisher festgestellt, allein die Vorliebe fur Iangliche Form. Vorwiegend taktile Erfahrungen, nach MaGgabe der Eignung zu leichtem Verzehr, kleiden dies anfangs recht leere Schema mit offenbar zahlreichen bis ins einzelne festgelegten Nerkmalen aus.

Schrifttnm ENGELMANK, C.. 1. Uber den Geschrnackssinn des Huhns. IV. Der EinfluB von Eorn-

grofie und Komerform auf die Beliebtheit einiger Getreidearten bei Zwerghuhnern. Zeitschr. fur Tierpsychol. Ud 4, Heft 2, 1941 (hier iibriges Schrifttuni). - 2. V. Die Beliebtheit einzelner Kornerformen bei nur optischer Darbietung. Ebenda Bd. 4, Heft 3, 1911. - HERTZ, M., Wahrnehmunaspsychologische Untersuchuogen am Eichelhaber. I, 11, 111. Zeitschr. vergl. Physiol. 7, 1928. - KOEHLER, 0.. u. ZAGARGS, A,, Geitrage zum Brutverhalten des Halsband- Tegenpfeifers (Churudrius hiaticulu L./. beitr. Fortpfl. der Vogel 1937, 13. - KOEHLXR, O., Vom Erlernen unbenannter Anzablen bei Vogelu. Die h'aturwissenschaften 1941, 5. - 'KATZ, U., Beitrage zuni Appetitproblem. Forsch. und Fortschr. 31, 7. Jahrp., 1931. - LORENZ, K., Der Kumpan in der Umwelt des Vogels. Journ. Ornith. Bd. 83, Heft 213, 1935. - Smz, A., Die Paarbildung be1 einigen Cichliden. Zeitschr. f. Tierpsychol. Bd. 4, Heft 1: 1940.

Wcitcre VerglciclisversncIie iriit Wolf mid Hiind Ton

REREHARD GRZIMEK

Nit 7 Abbildungen

Bingegangen am 25, Junuar 1.942

Die fiir die Starnmesgeschichte des Rlenschen so wichtige Frage, ob Domestikation die psychische Leistung verbessert oder nich t, lafit sich ohne das Experiment schwer beantworten. Wenn man das Zusammenarbeiten von Mensch und Hund und die Abrichtbarkeit des Hundes dem scheuen und gedruckten Wesen besonders ron getangenen Wolfen gegeniiberstellt, dann mochte man sie bejahen. Aber wer weil3, ob das Haustierwerden des Hundes nicht nur eine Spezialisierung seiner Geistesleistungen bedeutet, ob die Abstumpfung seiner Sinne nicht in] Gesamtergebnis doch seine psychischen Krafte verringert hat? Uber das Wildleben von Wolfen wissen wir jedoch uberhaupt nichts Xaheres. Wenn man sie wie Haustiere hielt, haben zudem Wolfe meistens sehr hundliche Eigenschaften gezeigt (vgl. die in dieser Ztschr. Bd. 4, S. 325 angefuhrten Veroffentlichungen). Ich selbst habe alle Wolfe, die