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Uobor dieAbflusswego dot intraooularen Flfissigkeit, Von Dr. Leopold Weiss, Docent der Aagenheilkundean tier Universit~t Heidelberg. Hierzu Tafel VII. ~[n einer kleinen Arbeit, die ich im Sommer 1877 in den Verhandlungen des Naturhistor.-Medicin. Vereins zu Heidelberg publicirte*), babe ich kurz einige Beob- aehtungen mitgetheilt, wetche sich auf die Fliissigkeits- strSmung im Auge beziehen. Es wurden diese Beob- aehtungen an Kaninchenaugen gemacht, in deren Glas- kiirper Ferrocyankalium injicirt worden war. Die seit- dem fortgesetzten Untersuchungen haben mir in Bezug auf die Fragen, yon denen ich bei meinen Versuchen ursprtinglich ausging, noch kein vollsti~ndig befriedigendes Resultat ergeben, doch machte ich in deren Verlauf eine Reihe weiterer nieht unwichtiger, die Fltissigkeitsstrii- mung im Auge betreffenden, Beobachtungen, welche im Folgenden kurz mitgetheilt werden sollen. Schon vor etwa einem Jahre liess ich die beigegebene Zeichnung yon Herrn Veith in Heidelberg fertigen. ZugehSrige Praparate hatte ieh mehrfach Gelegenheit, Anderen zu *) L. Weiss, Zur FlfissigkeitsstrSmung im Auge. Verhand- lungen des Naturhist.-Medic. Vereins zu Heidelberg. Bd. II., Heft 1. 16"

Ueber die Abflusswege der intraocularen Flüssigkeit

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Uobor dieAbflusswego dot intraooularen Flfissigkeit, Von

Dr. Leopold Weiss, Docent der Aagenheilkunde an tier Universit~t Heidelberg.

Hierzu Tafel VII.

~[n einer kleinen Arbeit, die ich im Sommer 1877 in den Verhandlungen des Naturhistor.-Medicin. Vereins zu Heidelberg publicirte*), babe ich kurz einige Beob- aehtungen mitgetheilt, wetche sich auf die Fliissigkeits- strSmung im Auge beziehen. Es wurden diese Beob- aehtungen an Kaninchenaugen gemacht, in deren Glas- kiirper Ferrocyankalium injicirt worden war. Die seit- dem fortgesetzten Untersuchungen haben mir in Bezug auf die Fragen, yon denen ich bei meinen Versuchen ursprtinglich ausging, noch kein vollsti~ndig befriedigendes Resultat ergeben, doch machte ich in deren Verlauf eine Reihe weiterer nieht unwichtiger, die Fltissigkeitsstrii- mung im Auge betreffenden, Beobachtungen, welche im Folgenden kurz mitgetheilt werden sollen. Schon vor etwa einem Jahre liess ich die beigegebene Zeichnung yon Herrn Vei th in Heidelberg fertigen. ZugehSrige Praparate hatte ieh mehrfach Gelegenheit, Anderen zu

*) L. Weiss, Zur FlfissigkeitsstrSmung im Auge. Verhand- lungen des Naturhist.-Medic. Vereins zu Heidelberg. Bd. II., Heft 1.

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zeigen, so auch Herrn ProL v. R e c k l i n g h a u s e n in Strassburg, in dessen Institut ich im vorigen Sommer eine Zeit lang arbeitete, woselbst ich auch noch darauf beziigliche Pr~iparate zuriickgelassen babe.

Mit der VerSffentlichung der gemachten Beobach- tungen zSgerte ich aber immer, well ich dieselben durch ver~nderte Versuche controliren und durch weiter fort- gesetzte Untersuchungen vervollst~ndigen wollte. Aeussere Verh~ltnisse hatten diese Untersuchungen fiir lfingere Zeit bis jetzt unterbrochen. Wenn daher auch jetzt noch diese beabsichtigte Vervollstandigung der schon vor l~ngerer Zeit gemachten Beobachtungea aussteht, so wi]l ich doch nicht langer mit der kurzen Mittheilung eines Theils derselben warten, naehdem ,fiber die Er° nahrung des Auges und die Abtiusswege der intraoeu- laren Flfissigkeiten" dieser Tage in dem Archiv fiir Augen- und Ohrenheilkunde eine grSssere hrbeit yon Herrn Dr. M. Knies ersehienen ist.

Wie aus dem nachstehend Mitgetheilten ersichtlich ist, so haben reich racine Untersuchungen zu manchen ahnlichen Beobachtungen geffihrt, wie sie Knies mit- theilt. Eine besondere Mittheilnng meiner Beobachtun- gen scheint mir abet schon um deswillen berechtigt, well ich zu meinen Beobachtungen mehrfach auf anderem Wege gekommen bin.

Bezfiglich der Versuchsanordnung sei bemerkt, dass, wie bei meinen friiheren so auch bei den meisten meiner sp~teren Versucbe, die Injectionsmasse mittelst der yon mir bei frfiherer Gelegenheit beschriebenen Schrauben- spritze in den Glask~rper des lebenden Thieres gebracht wurde. Als Injectionsmittel benfitzte ich ffir gewShnlich eine verdiinnte LSsung yon Ferrocyankalium. Nachdem das Auge, je nach dem Zweck des Versuches, ver- schieden lange Zei~ nach tier Injection enacleirt worden war, wurde es in anges~uerte weingeistige Eisenchlorir-

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15sung gebracht, in welcher durch Blaufiirbung die Isjec- fionsmasse an der Stetle, an der sic sich gerade befand, fixirt wurde. Um die mit Blutlaugensalz erhaltenen Resultate zu controliren, suchte ich spiiter in anderer Weise die Abflusswege zu ffillen, indem ich u. h. fein- kSrnige Masses wie Tusche etc. injicirte. Als Versuchs- thiere dienten Kaninchen, nut in einiges wenigen F~tllen kleine Hunde.

Auf die Befunde, welche sich auf das Verhalten der Injectionsfliissigkeit im hinteren Abschnitt des Auges beziehes, will ich hier nicht eingehen.

In Betreff der Abfiusswege im vorderen Abschnitt mSgen mir einige kurze Bemerkuugen gestattet sein.

"Was die in den letztes Jahren vielbesprochene Stelle der Corneascleralgrenze in Bezug auf ihre Bedeu- tung fiir die FtiissigkeitsstrSmung im Auge betrifft, so haben mir zahlreiche ¥ersuche und Priiparate die grosse Wichtigkeit dieser Stelle als Austrittsstelle intraocularer Flfissigkeit dargethan. Es haben mir dieselben an dieser Stelle einen vierfaehen Abfluss gezeigt*):

1) Dutch den zuerst yon Knies-(Virchow's Archly, Bd. 65, S. 401) beschriebenen und dann yon mir weiter nach rfickwiirts bis anf die hussenfiiiche der Selera ver- folgten Weg (Weiss , 1. c. S. 2), der vor dem Ligament pectinat, seinen Anfang nimmt und innerhalb der Sclera nach rtickwiirts verliiuft;

2) liings der an dieser Stelle die Bulbuswandung durchsetzenden Gefiisse (Weiss , 1. c. S. 2);

3) l~ngs der starken Bindegewebsztige, welehe hier in der Richtung yon innen nach aussen ziehend gesehen werden, und

*) Die Art und Weise der Versuchsanordnang bringt es mit sich, dass sich andere wichtige Abflusswege: wie z. B. der Abiluss gegen die Venen bin (Leber) nicht nachweisen lassen.

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4) aus der vorderen Kammer in die Cornea und aus dieser gegen die Hornhautgrenze nach vorn gerichtet in das subconjunctivale Gewebe*).

Zum Zweck der Darstellung dieses letzteren Abfluss- weges ist die beigegebene Zeichnung gefertigt worden.

Das Pr~parat, nach dem dieselbe entworfen wurde, stammt yon einem albinotisehen Kaninchen, das ieh im Sommer 1876 iridectomirte. Einige Zeit, nachdem die Iridectomiewunde geheilt war, entwickelte sieh unter dem Bild einer parenchymatSsen Keratitis eine diffuse Hornhauttrfibung auf diesem huge, die spi~ter dann wieder zuriickging. Etwa 1 Jahr nach der Irideetomie wurde in der gewShnlichen Weise Ferrocyankalium in den GlaskSrper injicirt, einige Stunden darauf das huge enucleirt und in weingeistige EisenchloridlSsung ge- bracht. Die Cornea zeigte sich in diesem Fall ungemein schSn blau gef~trbt. Da, wo die Farbung eine intensive war, war aueh die Hornhautgrundsubstanz gefiirbt, sonst nnr das Saftkaualsystem der Cornea, die sog. Hornhaut- kiirperchen. Es zeigte sich nun in diesem Fall, wie dies an der Zeiehnung zu sehen ist, dass einzelne Lagen der Cornea sehr viel starker gef~rbt waren, so dass man schon mit freiem Auge an Schnittpr~paraten drei starker blaue Schichten erkennen kann, eine dunkelst- gefarbte niichst der Innenflaehe, eine zweite etwa in der Mitte der ttornhautdicke, die gegen den Hornhautrand umbiegt und in das subconjunctivale Gewebe geht, und eine dritte mattblaue Schiehte niichst unter dem vor- deren Epithel. Unter dem Mikroskop sieht man auch

*) Auch Knies fund, dass Flilssigkeit aus der vorderen Augen- kammer in d~e Cornea und aus dieser in das subconjunctivale Bindegewebe gelangt, doch machte er diesen Beiund nur, wenn er in die vordere Kammer injicirt hatte~ w~hrend in dem gleich nhher mitzutheilenden Fall, auf welchen sich die Zeichnung bezieht, die Injection in den Gla~kSrper geschah.

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zwischen den tiefst gelegenen Epithelzellen feine blaue Streifchen. ( L e b e r - K n i c s , Arch. f. h. u. 0., Bd. III., S. 344 und 357). Das Pri~para~ entspricht einer Stelle gegenfiber dem Colobom. Der Schnitt ist ein wenig schr~ig.

Ueber das weitere Schicksal der aus dem Augeinncrn in die genannten Abflusswege gelangten Flfissigkeit haben mir meine Priiparate zwar noch keinen vollsti~ndig be- friedigenden, abet doch schon manchen wichtigen Aui: schluss gegeben.

Ad 1. Was den zuerst yon Knies beschriebenen Abfiussweg betrifft, der vor dem Ligam. pect. beginnt, so gab Knies in seiner ersten Mittheilung an, dass er sich allmalig in der Sclera verliere. Mir gelang dann sp~tter der Nachweis (Verhandl. des Naturhist.- Med. Vereins 1877), dass dieser Abfiussweg sich weir nach rtickw~rts gegen den Sehnerven zu innerbalb der Sclera verfolgen l~iss~, uud dass er in einiger Entfernung yore Sehnerveneintritt umbiegt und auf die Aussen- fii~che der Sclera ftihrt. Kn i e s schliesst sich in seiner neuesten Arbeit dem an, nur sagt er, dcr Weg durch- setze schr~tg die Sclera, w~thrend ich nach dcm Befund meiner Praparate eine rechtwinktige Umbiegung be- schricben habe. Beides kommt demnach vor, was das hiiufigere ist, bleibt weiteren Untersnchungen zu ent- scheiden vorbehalten. K n i e s macht auch noch Angaben fiber das weitere Verhalten der auf die hussenfiiiche der Sclera (in den Tenon'schen Raum) gelangten Fliissigkeit. Er konnte die Blaufitrbung in das Orbitalgewebe inner- halb des Muskeltrichters hinein verfolgen. Seine hn- gaben beziehen sich auf das ¥erhalten bei Hunden und Katzen. Wahrend es Kn ies , wie er sagt (A. f. A. u. O., Bd. III., S. 364), nicht gelang, beim Kaninchen Ab- fiusswege in der Orbita nachzuweisen, gelang mir dieser Nachweis. Ich konnte bei diesem Thier die Blauflirbung

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welt in das lockere Gewebe verfolgen, das iunerhalb des Muskeltrichters liegt.

Den tibetans merkwiirdigen Zusammenhang des auf die hussenfliiche der Sclera gelangten blauen Streifs mit dem Sehnerven babe auch ich beobachtet, und zwar am Kaninchenange. Wahrend Kn ie s den Zusammenhang mit dem Zwischenscheidenraum besehreibt, einen Zu- sammenhang mit dora Sehnerven selbst abet nicht land, konnte ieh in einem Fall die Blaufiirbung yon der Aussen- fi~iche der Sclera bis zur Sehnervenscheide, dutch diese und den Zwisehenscheidenraum hindurch ungemein deut- tich in den Sehnervenkopf hinein verfolgen. Der ganze Sehnervenkol)f erschien auf der Schnittflaehe blau ge- farbt, am st~trksten abet an einer Stelle querfiber durch den Sehnerven, die am Menschenauge der Lamina cri- brosa entsprechen wtirde. Dieser st~rkst gefarbte, qaer- fiber don Opticus durchsetzende, bandfSrmige blaue Streif setzte sich nach riiekwarts ziemlich scharf gegen den nur wenig gefi~rbten iibrigen Sehnerven ab. Es hat dieser eben mitgetheilte Befund in mancher Beziehung eine hehnlichkeit mit dem yon den tibrigen ,abweichenden Befund', den K n ies bei einer Katze machte, bei welcher or den blauen Streif nach riickwarts -- immer inne r - halb der Sclera verlaufend - - bis in den Sehnerven- kopf, diesen qnertiber durchsetzend, vertbtgen konnte (l. ¢. S. 362 und 363).

Der letzt beschriebene Befund war mir so iiber- raschend und schien mir so auffallend, dass ich mit der Mittheilung, die ich jetzt mit allem Vorbehalt mache, ursprfinglich warten wollte, his es mir gelungen ware, den gleichen Befund, den ich bei Injection eines d i f fun- d i r e n d e n Stoffs bekommen, auch in anderer Weise zu erhalten.

Ad 2. Dass langs der die Bulbuswandung durch- setzenden Gef~sse Blaufarbung gesehen wird, habe ich

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bereits an anderer Stelle mitgetheilt (L c. S. 2). Besonders an den Gef~issen ira hinteren Bulbusabschnitt, welche in das lockere Orbitalgewebe um den Sehnerven herum treten, sieht man oft deutlieh und auf weitere Strecken Blaufiirbung l~tngs deren Wandung. (Knies, I. e. S. 362).

Ad 3. Ueber die Durchliissigkeit der Sclera fiir intraoculare Fliissigkeit gab mir ein sehr einfacher Ver such Aufschluss. Macht man n~imlich beim lebenden Thier unter massig hohem Druck eine Injection in den Perichorioidalraum, so sieht man schon bald darauf auf der vorher blosgelegten Sclera keine TrSpfchen auftreten.

Ad 4. Uebcr den weiteren Weg, den die in das subconjnnctivale Gewebe gelangte Fliissigkeit nimmt, gab mir ein missgliickter Injectionsversuch hufschluss. Neben der oben uad aussen durch die Sclera in den GlaskSrper eingeffihrten Cantlle war, durch einen Fehler beim Ver- such, yon der Tusehe, welche ausschliesslich in den Glas- kSrper gebracht werden sollte, allmalig ein wenig unter die Conjunetiva gelangt. Schon nach verh~ltnissm~ssig kurzer Zeit zeigte sich an dem oberen Lid des albino- tischen Kaninchens eine schwiirztiche Tinction, die nach und nach an Sattigung zunahm. Sehnitte, welehe durch Lid und Bulbus gefiihrt waren, liessen deutlich dis Wege erkennen, innerhalb welcher die Tusche weiter transportirt worden war, es war das Saftkanalsystem des Binde- gewebes. Vielfach sah man die BindchautkSrperehen ganz mit feinen Pigmentkiirnchen erffillt, an einzelnen bestimm- ten Stellen land eine dich~e Anhiiufnng des Pigments start.

Die objeetiven Befunde, welche Knies mittheilt, stimmen vielfach mi~ meinen Befunden iiberein. Den Betrachtungen und Deutungen, welche Kn ies an die ge- machten Befunde kntipft, die sich doch immerhin nur auf einseitige Versuche stfitzen, - - einseitig insofern, als sich manche wichtige Abflusswege durch dieselben gar nicht nachweisen lassen - - , kann ich aber in vielen

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Punkten nicht beistimmen. Unsere Kenntnisse fiber die

Vorg~inge der Fliissigkeitsstriimung und Ern~hrung im

h u g e scheinen mir ffir solche weitgehende Betrachtungen,

wie sie K n i e s macht , doch noch viel zu unvollst/indig

zu sein.

H e i d e l b e r g , im Januar 1879.

E r k l a r u n g d e r A b b i l d u n g .

Schnitt durch den vorderen Abschnitt eines Kaninchenauges, in dessen GlaskSrper zu Lebzeiten einige Stunden vor der Enu- cleation Ferrocyankalium injicirt worden war, and das nach der Enucleation in weingeistige EisenchloridlSsung gebracht wurde.

C.: Cornea. In derselben in drei Schichten st~vkere F~bung. Der blaue Streif in tier Mitte der Hornhautdicke biegt gegen den Hol~hautrand bin nach aussen um und geht in das subconjuncti- vale Gewebe. Die feinen kleinen blauen Streifen zwischen den tiefst gelegenen Epithelien der Hornhaut sind in der bei schwacher VergrSsserung gezeichneten Abbildung nieht zu sehen. Die drei st~rkst blauen Schichten treten in der Zeichnung nicht ganz hervor.

Conj.: Conjunctiva.

I.: Iris.

I. Scl,: Der vor dem Ligam. pectinat, beginnende~ yon Knies zuerst beschriebene, intrascterale Abi]ussweg.

In der Zeichnung ist Sclera~ Iris und Corp. cit. zu btau ge- hasten.

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