9
Zeitsehrift ffir Untersuehung der Lebensmittel i | Heft 5. November 1938. 76. Band. i n|, . ~ber die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff. Yon Dr. Adolf Wenuseh. (Eingegangen am 19. Februar 1938.) Alle Erkenntnisse fiber den Tabak werden dadureh erheblich erschwert und ver- zfgert, dal3 zwisehen dem Tabak als Gewiichs und dem zum industriellen Rohstoff aus- gebildeten Tabak mehr oder weniger groBe Unterschiede bestehen. Gepflfickte und ge- trocknete Tabakbl~itter geben noch keinen rauehbaren Rohstoff; erst ein geheim- nisvoller Vorgang, durch welchen der Tabak in den industriell verwertbaren Rohstoff verwandel$ wird, macht ihn genul~reif. Dieser Vorgang kann aber so tiefgehende Ver- ~inderungen hervorrufen, dal3 manche Riickschliisse yore genuflreifen Tabak auf die Pflanze nicht mehr zul~issig sind. Bei einiger Aufmerksamkeit stSBt man im Schrifttum immer wieder auf Unstimmigkeiten, die in einfaeher Weise so zu erkl~ren sind, dab ein- real vom Tabak als Pflanze, dann aber von dem zum Rohstoff ausgebildeten Tabak die Rede ist. Ganz besonders verworren sind die Verh~ltnisse dadureh, dal~ die versehiedenen Tabaksorten einheitlieh bearbeitet worden sind, w~hrend in Wirklichkeit zwischen den genui3reifen Tabaken der sauren und der alkalisehen Gruppe 1 derart schwerwiegende Untersehiede bestehen, da$ jede einheitliehe Betrachtungsweise yon vornherein zum Mil3erfolg verurteilt ist. Behandelt man dagegen jede der beiden Gruppen -- die saure und die alkalische -- getrennt fiir sich, so 15sen sich, wie sp~iter gezeigt werden kann, die Widersprfiche in einfachster Weise auf. Dabei stellt sich heraus, dal3 manehe ffir die saure Gruppe gtiltige Erkenntnis bei der alkalischen Gruppe nicht zutrifft und umge- kehrt. Da die genaue Kenntnis tier wesentliehen Merkmale der sauren und alkalisehen G~ruppe ffir das Verst~indnis tier folgenden Ausffihrungen unerI~il~lich ist, sei es gestattet, diese Merkmale, soweit sie sich nach meinen Untersuehungen bisher feststellen lieflen, nochmals zusammenzufassen: Merkmale Saute Oruppe Alkalische Gruppe alkaliseh 1. Reaktion des Hauptstromrauehes ...... 2. Reaktion des beim Destillieren des Tabakes mit destflliertem Wasser erhaltmnen Destillates . . 3. Der w~sserige Auszug des Tabakes sehw/~rzt ammoniakalisehe SilbemitratlSsung (Polyphenole sind vorhanden) .............. 4. Zucker ist vorhanden ............ 5. Salpeters~ure ist vorhanden ......... z A. Wenuseh, diese Z. 70, 506--510 (1935): Lebensmlttr Bd. 76. sauer sauer bis neutral i a la nein alkalisch nein nein ja 28

Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

Zeitsehrift ffir

Untersuehung der Lebensmittel i |

Heft 5. N o v e m b e r 1938. 76. Band. i n | , .

~ber die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff. Y o n

Dr. Adolf Wenuseh .

(Eingegangen am 19. Februar 1938.)

Alle Erkenntnisse fiber den Tabak werden dadureh erheblich erschwert und ver- zfgert, dal3 zwisehen dem Tabak als Gewiichs und dem zum industriellen Rohstoff aus- gebildeten Tabak mehr oder weniger groBe Unterschiede bestehen. Gepflfickte und ge- trocknete Tabakbl~itter geben noch keinen rauehbaren Rohstoff; erst ein geheim- nisvoller Vorgang, durch welchen der Tabak in den industriell verwertbaren Rohstoff verwandel$ wird, macht ihn genul~reif. Dieser Vorgang kann aber so tiefgehende Ver- ~inderungen hervorrufen, dal3 manche Riickschliisse yore genuflreifen Tabak auf die Pflanze nicht mehr zul~issig sind. Bei einiger Aufmerksamkeit stSBt man im Schrifttum immer wieder auf Unstimmigkeiten, die in einfaeher Weise so zu erkl~ren sind, dab ein- real vom Tabak als Pflanze, dann aber von dem zum Rohstoff ausgebildeten Tabak die Rede ist. Ganz besonders verworren sind die Verh~ltnisse dadureh, dal~ die versehiedenen Tabaksorten einheitlieh bearbeitet worden sind, w~hrend in Wirklichkeit zwischen den genui3reifen Tabaken der sauren und der alkalisehen Gruppe 1 derart schwerwiegende Untersehiede bestehen, da$ jede einheitliehe Betrachtungsweise yon vornherein zum Mil3erfolg verurteilt ist. Behandelt man dagegen jede der beiden Gruppen - - die saure und die alkalische - - getrennt fiir sich, so 15sen sich, wie sp~iter gezeigt werden kann, die Widersprfiche in einfachster Weise auf. Dabei stellt sich heraus, dal3 manehe ffir die saure Gruppe gtiltige Erkenntnis bei der alkalischen Gruppe nicht zutrifft und umge- kehrt.

Da die genaue Kenntnis tier wesentliehen Merkmale der sauren und alkalisehen G~ruppe ffir das Verst~indnis tier folgenden Ausffihrungen unerI~il~lich ist, sei es gestattet, diese Merkmale, soweit sie sich nach meinen Untersuehungen bisher feststellen lieflen, nochmals zusammenzufassen:

M e r k m a l e S a u t e O r u p p e A l k a l i s c h e G r u p p e

alkaliseh 1. Reaktion des Hauptstromrauehes . . . . . . 2. Reaktion des beim Destillieren des Tabakes mit

destflliertem Wasser erhaltmnen Destillates . . 3. Der w~sserige Auszug des Tabakes sehw/~rzt

ammoniakalisehe SilbemitratlSsung (Polyphenole sind vorhanden) . . . . . . . . . . . . . .

4. Zucker ist vorhanden . . . . . . . . . . . . 5. Salpeters~ure ist vorhanden . . . . . . . . .

z A. Wenuseh, diese Z. 70, 506--510 (1935): Lebensmlttr Bd. 76.

sauer

sauer bis neutral

i a

la nein

alkalisch

nein nein

ja

28

Page 2: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

[Zeit~chr. f. Untersuchung 434 A. W e n u s c h : i der Lebensmittel.

Die wichtige Frage, ob die ZugehSrigkeit eines Tabaks zur sauren oder alkalischen Gruppe bereits (lurch die botanische ZugehSrigkeit der Tabakpflanze bestimmt wird, habe ich in dieser Zeitschriit sehon vorbehandeR 1. Die dort ausgesprochenen Vermu- tungen konnten versuchsm~fig best~tigt und noch durch weitere Erkenntnisse ge- stiitzt werden. Ausdrficklieh sei auch an dieser Stelle neuerlich wieder darauf hinge- wiesen, dal~ mir ffir die Versuche zwar Tabalrpflanzen versehiedener Sorten zur Verfti- gung standen, diese abet in einem sonnenarmen Hof in Wien gewachsen waren, weshalb die Ergebnisse vorerst nur flit diese Pflanzen Gtiltigkeit haben. Zusammenfassend l~ft sieh Iolgendes fest~tellen: Tabakpflanzen, die aus Samen gezogen wurden, die in ihren Heimatl~ndern typisehe Vertreter der sauren Gruppe (z. B. Argos, Haskova, Brussa) bzw. der alkalisehen Gruppe (z. B. Havanna, Brasil) liefern, verhalten sich als Pflanzen hinsieht- lich jener Merkmale, welche die Gruppenunterschiede ausmachen, weitgehend i~hnlieh.

Dadurch ergeben sich gegeniiber den Handelstabaken folgende Unterschiede:

1. I)er Hauptstromraueh yon getrockneten Bl~ttern von Brasfl- und Havannatabak- pflanzen reagiert sauer. (Aus diesem Grunde tritt selbstverstiialdlich auch kein ~icotinschub auf.)

2. Beim DestiUieren mit destilliertem Wasser geben die Blatter yon Brasfl- und Havanna- tabakpflanzen keine fliichtigen Basen an das Destillat ab.

3. Der Prel3saft frischer Blittter yon Brasil und Havannatabakpflanzen schw~rzt ammo- niakalische SilbernitratlSsung in der K~lte.

4. Die frischen Bli~tter yon Brasil und Havannatabakpflanzen enthalten reichliche Mengen yon Zucker. Ob die BlOtter beim Trocknen diesen Zucker behalten oder verlieren, h~ngt - - ebenso wie bei den Bl~ttern yon Argos-, Haskovo- und Brussatabakpflanzen - - nur ~om Ausmal~ der Vitalit~t der BlOtter im Zeitpunkte des Pfliiekens ab. Vitale BlOtter verlieren beim Trocknen immer ihren Zucker, gleichgiiltig ob sie yon Tabakpflanzen stammen, die in ihrem Heimatland typische Vertreter der sauren oder der alkalisehen Gruppe liefern ~.

5. Die BlOtter yon bhihenden Brasil- und Havannatabakpflanzen enthalten - - ebenso wie die BlOtter yon biihenden Argos-, Haskovo- und Brussatabakpflanzen - - keine .oder nur geringe Mengen yon Salpeters~ure.

Die wesentlichen Merkmale, welche den Unterschied zwischen den Handelstabaken der sauren und alkalischen Gruppe ausmachen, sind demnach bei den frisehen Tabak- bl~ittern nicht vorhanden. Dieser Unterschied muff sich also erst nach der Ernte heraus- bilden. Im folgenden sei es mir gesattet, die Ursachen aufzuzeigen, welche die ZugehSrig- keit der ausgebildeten Tabake zur sauren oder alkalischen Gruppe bestimmen. Fiir alle weiteren ~berlegungen ist die Feststellung ausschtaggebend, daI3 die frischen Tabak- blotter, gleichgiiltig, ob sie yon Pflanzen stammen, die in ihrem Heimatland schlieflich gebrauchsfertige Tabake der sauren oder alkalischen Gruppe liefern, in i h r e n w e s e n t - l i c h e n E i g e n s c h a f t e n s i c h v e r h a l t e n wie T a b a k e de r s a u r e n G r u p p e : Sie geben einen sauren Hauptstromrauch, beim Destillieren mit destilliertem Wasser sauer reagierende Destillate, enthalten Polyphenole und Zucker, abet gewShnlich keine (oder bei jtingeren Pflanzen nur wenig) Salpeters~iure. Die Tatsachen, dat~ einerseits alle vitalen Tabakbl~itter beim Trocknen unter gewShnlichen Verh~ltnissen praktisch allen Zucker verlieren und andererseits die gebrauchsfertigen Tabake der sauren Gruppe Zucker enthalten, berechtigen zu dem Schluf, dal~ nut BlOtter, die bei der Ernte schon wenig vital waren, Tabake der sauren Gruppe liefern kSnnen a.

1 DieseZ. 76,41--44(1938). ~ A . W e n u s c h u . R. Sch6 t l er , dieseZ. 76,151--156(1938). a Auf die MSglichkeit, dutch kiinstliches Trocknen oder Aufschlitzen der Rippen die Vitalit~t

vital geernteter BlOtter zu vernichten und dadurch den Zucker zu erhalten, wird erst sparer eingegangen werden.

Page 3: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

76. Band. ] Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohsf~ff. 435 November 1938.]

Auf Grund dieser Erkenntnisse sind wir bereits in der Lage, den ersten wesentlichen Grundsatz fiber die Ausbfldung yon Tabaken der sauren Gruppe aufzustellen:

T a b a k b l / ~ t t e r , we lche im Z u s t a n d v e r m i n d e r t e r V i t a l i t / i t g e e r n t e t w e r d e n , ge be n nach dem T r 0 e k n e n e inen T a b a k , w e l ch e r schon die w e s e n t l i c h e n E i g e n s c h a f t e n der g e b r a u c h s f e r t i g e n T a b a k e der s a u r e n G r u p p e l~at.

Es sind keine tiefgreifenden J~nderungen mehr erforderlich, um solche Tabake ge- nuBf/ihig zu machen.

Ganz anders verhalten sich Tabakbl/~tter, welche im vitalen Zustand geerntet werden. Solche B1/itter verlieren beim Trocknen unter gew5hnlichen Verh~iltnissen ihren gesamten Zucker. Sie khnnen daher niemals mehr typische Tabake der sauren Gruppe geben. Sie sind aber nach dem Trocknen keine Tabake der alkalisehen Gruppe, da sie noeh einen sauer reagierenden Hauptstromrauch liefern und, mit destilliertem Wasser destilliert, kein alkalisehes Destillat geben. Sie enthalten aul~erdem gew5hnlich keine Salpeter- s~iure und unterscheiclen sieh auch dadureh yon den Tabaken der alkalisehen Gruppe.

Die sehr beachtenswerte Tatsache, dab Tabakbl/itter, die yon Pflanzen stammen, welche typisehe Vertreter der alkalisehen Gruppe liefern, h/iufig keine Salpetersi~ure enthalten, w/ihrend ein erheblicher Salpetergehal$ ein wesentliehes Merkmal yon ausge- bildeten Tabaken der alkalisehen Gruppe ist, ffihrt uns zu folgenden l~berlegungen: Den Pflanzen fehlt bekanntlieh die F/~higkeit, andere Stiekstoffverbindungen in Sal- peters/iure zu verwandeln. Tabakpflanzen, welche in salpeters/iureffeien N/ihrbfden gezogen werden, enthalten auch dann keine Spur yon Nitraten, wenn ihnen beliebig grol]e Mengen anderer Stiekstoffverbindungen zur Verfiignng stehen. Diese seit langem bekannte Tatsaehe 1, die ieh wegen der Wichtigkeit fiir die folgenden l~berlegungen bei den versehiedensten Tabaksorten iiberpriift babe, grit, wie nicht anders zu erwarten war, ohne iede Einschr/inkung aueh fiir den Tabak. Wenn nun dem Tabak aus eigenem die F/ihigkeit fehlt, andere Stiekstoffverbindungen in Salpeters~ure umzuwandeln, und ein salpeterfreier Tabak - - ohne yon aul~en Salp.eters~ure aufzunehmen - - auf einmal Salpeters/~ure enth/~lt, dann muB ein Vorgang stattgefunden haben, der auller dem Wir- kungsbereich des Tabaks, also auch auSer enzymatischen Wirkungen liegt. Nitrifikatio- nen werden abet bekanntlieh dutch Bakterien hervorgerufen, so dal~ wir sehon aus die- sem Grunde gezwungen sind, bakterielle Vorg/~nge in das Auge zu fassen 3.

Die Ausbildung des Tabaks zum industriellen Rohstoff wird ganz allgemein , ,Fer- m e n t a t i o n " genannt. Allgemein angewendet ist dieser Ausdruck irrefiihrend und daft daher grunds/~tzlich nur auf jenen Vorgang angewendet werden, der Tabake der alkali- sehen Gruppe hervorbringt. Ich mhchte die Vorg/~nge, dureh welehe die getroekneten Tabakbl/itter zum industriellen Rohstoff ausgebildet werden, wegen der auBerordent- lichen Versehiedenartigkei~ iiberhaupt nicht mit einem einzigen Ausdruek, der immer wieder zu Irrtiimern fiihren muG, bezeichnen.

1 N~heres siehe u.a. in F. Czapek, Biochemie der Pflanzen. Jena: G. Fischer. 2 Als diese Abhandlung bereits als Bfirstenabzug vorlag, hatte ich die M~glichkeit, mit

dem in der Praxis der Tabakausbildung besonders erfahrenen Herrn Dr. O. W6ber yon der Reiehsanstalt fiir Tabakforschung in Forchheim fiber das in Rede stehende Thema zu sprechen. lqach seinen Erfahrungen komm t bakteriellen Vorg/~ngen nur sekund~re Bedeutung zu. Ffir die starke Erw/~rmung und weitgehende Veranderung der Blattsubstanz sind die im vital ge- ernteten Blatt reichlich vorhandenen hochaktiven Fermente sowie die noch reichlich vorhandenen organischen Substanzen zureichender Grund.

28*

Page 4: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

IZeitschr. f. Untersuchung 436 A. W e n u s e h : [ der Lebensmittel.

I c h s c h l a g e d a h e r v o r , d e n V o r g a n g , d e r d i e g e t r o e k n e t e n T a b a k - b l ~ i t t e r z u m T a b a k d e r s a u r e n G r u p p e m a c h t , a l s , , R e i f u n g " zu b e z e i c h n e n , und n u r flit den g r u n d v e r s c h i e d e n e n V o r g a n g , w e l e h e r g e t r o c k n e t e T a b a k - b l o t t e r i n T a b a k e d e r a l k a l i s e h e n G r u p p e v e r w a n d e l t , d e n A u s d r u c k , , F e r m e n t a t i o n " zu v e r w e n d e n .

Nut dadurch, dad die beiden grundversehiedenen u dutch verschiedene Aus- driieke gekennzeiehnet werden, l ~ t sieh in Hinkunf t das Durcheinander widerspreehen- der Meinungen ersparen, das heute beiin Durehbl~ittern des Schrif t tums so unl iebsam auff~llt. Es is t hier nicht der Platz , auf den Wirrwarr sieh widerspreehender und bek~imp- fender Meinungen einzugehen. Ich verweise nur auf die yon der , ,Fermenta t ion" handeln- den Absehnit te in K i s s l i n g s Handbueh der Tabakkunde und in L a f a r s Teehniseher Mykologie 1. Wohin aber sehlie~hch einseitige Betraehtungen fiihren k6nnen, beweist die T~tigkeit yon S m i r n o w auf diesem Gebiet. Das Ergebnis faBt H. B r i i c k n e r ~ zu- s t immend wie folgt zusammen:

,,Die Periode der Fermentation hebt sich aus diesem ganzen Gesehehen als eine bestimmt markierte Phase nach auBen hin dadurch ab, dab der Tabak ffir diesen Zweek in Ballen gepaekt oder zu grSl~eren Haufen gestapelt wird. In den meisten F~llen ffihrt diese Zusammenballung des Materials wegen mangelnder Abstrahlung der Reaktionsw~rme zu Temperatursteigerungen fiber die Temperatur der umgebenden Luft hinaus. Die orientalisehen Tabake machen dabei insofern eine Ausnahme, als die Periode der Fermentation wegen der hohen Reaktionsf~higkeit des dortigen Materials yon einer gewShnlichen Lagerungsperiode in keiner Weise unterschieden wird. Im Innern der Tabakballen naehgewiesene Temperatursteigerung fiber die Temperatur der umgebenden Luft gilt dort als ,,krankhaft" und gibt Veranlassung, derartige Tabakballen zu 6ffnen, abzukfihlen und zu troeknen.

Die Tabaldermentation, iiberhaupt die technische Entwicklung des Tabaks, verl~uft zu allen Phasen der Verarbeitung ohne Mitwirkung yon Bakterien oder deren fermentartigen Aus~ scheidungen und wird einzig und allein auf Grund der in der Pflanze auch ira supravitalen Zu- stand und sp~ter weiterlebenden Eigenenzyme bewirkt. Daft dabei einfache ehemische Um- setzungen, wie wir sie auch sonst im Reagensglas beobachten, stattfinden, ist selbstverst~ndlich.

D e r Streit, der lange Zeit um die Theorie der Fermentation in der Literatur tobte, ist heute wohl endgfiltig zugunsten der Theorie der Tahakfermentation als Wirkung yon Eigen- enzymen der Pflanze entsehieden. Wenn aueh dieser Streit bis in die jfingste Zeit hinein yon einigen Autoren ohne stiehhaltiges Beweismaterial yon Bueh zu Bueh weitergeschleppt worden ist, so kaIm sieh doch heute niemand der Einsieht verschlieBen, dab die frfihere Auffassung yon der Mitwirkung yon Mikroorganismen bei der Tabakfermentation in keinem einzigen Fall bewiesen ist, und dab die VorsteUung yon der Wirkung der Eigenenzyme des Tabaks bei Troek- hung und Fermentation yon niemand dutch beweiskr~ftige Einwendungen ersehfittert werden konnte.

Dureh seine im Jahre 1927 ersehienene Arbeit fiber die Kenntnis der Tabakfermentation hat neuerdings S m i r n o w so zahlreiche und sieher fundierte Beweise ffir die Eigenenzymtheorie der Fermentation erbraeht, da~ keine Zweifet mehr bestehen kSnnen. Als sieherster Beweis in den Smirnowsehen Arbeiten kann die yon ihm durehgefiihrte Autolyse des Tabaks bei Gegen- wart yon Antisepticis (Chloroform und Toluol) angesehen werden, bei welcher die Entwicklung yon Mikroorganismen auf den g~renden Tabaken mit Sieherheit ausgeschlossen wurde. Als weiterer unumst6131icher Beweis kann die Tatsache angesehen werden, da~ die Fermentation in Mazedonien in lose aneinandergereihten Ballen bei einem Wassergehalt yon etwa 19--20% und bei einer relativen Feuchtigkeit yon etwa 70---50% ohne W~rmesteigerung durehgeffihrt wird. Bakt~rienentwicklung unter derartigen Bedingungen ist bisher noch yon niemandem nachgewiesen worden. Fiir das Wachstum yon Schimmelpilzen bedarf es einer relativen Feuchtig- keit yon mindestens 85 % (Smi rn o w, Zur Kenntnis der Tabakfermentation). Die Entwicklung

1 F. L a f a r , Handbueh der Technischen Mykologie 1, 122. 2 Die Bioehemie des Tabaks. Paul Parey 1936. S. 24--25.

Page 5: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

76. Band. ] November 1938.J Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff. 437

yon Bak~erien verlangt unter den praktischen Bedingungen, wie die Fermentation in Maze- donien vor sich geht, zum mindesten eine ebenso hohe relative Feuchtigkeit."

Schon nach dem bi~her Ausgeffihrten bemerkt man das Abwegige dieser Ansichten, welche ganz allgemein yore Tabak handeln und die Fermentation in Haufen und unter W~rmeentwicktung mit einbeziehen.

Wie wenig Feuehtigkeit iibrigens Bakterien zum Waehstum benStigen, l~13t sich daraus ersehen, dab auf altem, ausgetroeknetem Agar leicht noch eine gute Entwiclr- lung von Kolonien auftreten kann 1. Im ~ibrigen muB noch berficksichtigt werden, dal] die im Tabak enthaltene Feuehtigkeit durchaus nicht gleichm~13ig im ganzen Blatt ver- teilt ist. Verschiedene chemische Bestandteile des Tabakblattes enthalten fiberhaupt keine Feuehtigkeit, z. B. Harze, hShere Kohlenwasserstoffe, w~hrend z. B. die Cellulose viel weniger aufnehmen wird als manehe Salze. Wenn also ein Tabakblatt z. B. 15% Wasser enth~It, so enthalten die Harze und Kohlenwasserstoffe fiberhaupt nichts davon, w~ih- rend die Cellulose verh~ltnism~l]ig wenig enth~lt. Es ist daher leieht mSglich, dab be- sonders hygroskopisehe KSrper des Tabakblattes prozentual ein Vielfaches yon dem im ganzen Tabakblatt vorhandenen Wasser enthalten und damit einen giinstigen N~hr- boden ffir Bakterien abgeben. Die gleiche ~berlegung gilt auch ffir den im nicht vital geernteten Tabalr nach dem Trocknen enthaltenen Zucker und hat in diesem Fall be- sondere Bedeutung. Wenn ein troekenes Tabakblatt z. B. 10% Zucker enth~lt, so besagt das natfirlieh nieht, dab sich dieser Zueker g}eichm~Big fiber das ganze Blatt verteilt. Die Harze und hSheren Kohlenwasserstoffe sind zuekerfrei, die Cellulose wird ebenfalls keinen Zueker enthalten. Infolgedessen wird der Zucker an den Stellen, wo er im Blatt einge- lagert ist, bei 15% Feuchtigkeit schon recht konzentriert vorliegen, wenn das ganze Blatt 10% davon enth~ilt. Es ist aber bekannt, dab ZuekerlSsungen, wenn sie eine ge- wisse Konzentration erreicht haben, nicht nur selbst nicht mehr verg~ren, sondern auch konservierend auf andere KSrper einwirken. Wir miissen daher erwarten, daft zuclrer- haltige Tabakbls bei nicht zu hohen Feuehtigkeitswerten weniger oder gar nicht ffir Bal~erien anf~llig sind. Wenn diese ~berlegung zutrifft, dann dfifften sieh zucker- reiehe Tabakbl~tter im Gegensatz zu zuekerfreien auch dann nicht in einen Tabak der alkalisehen Gruppe iiberfiihren lassen, wenn die Bl~itter mit einem in der K~lte herge- stellten w~sserigen Auszug eines typisehen Tabaks der alkalischen Gruppe besprfiht werden. Die fiir solche Vergleichsversuehe erforderliehen zuekerhaltigen und zucker- ffeien Tabakbl~itter der gleiehen Sorte lassen sieh dureh einen kleinen Kunstgriff erhalten.

Werden Tabakpflanzen - - etwa vor der Blfite - - nahe vor der Wurzel abgeschnitten und mit dem unteren Teil des Stengels in eine Knoppsche N~hrlSsung gestellt, bleiben sie wochen- lange frisch und wachsen sogar weiter. Werden solehe Pflanzen in einem liehten, aber yon direkter Sonne geschfitzten Raum gehalten, dann sind alle BlOtter naeh dem Trocknen praktiseh zuckerfrei. Enth~lt die N~hrl0sung einen Zusatz yon Fructose (etwa 50 g auf 1 1 N~hrl0sung), dann enthalten die BlOtter yon Tabakpflanzen, die l~ngere Zeit in einer solehen N~hrl0sung gestanden waren, nach dem Trocknen erhebliche Mengen yon Zucker. Auf diese einfache Weise gelingt es, fiir Vergleichsversuehe BlOtter der gleichen Tabaksorte zu erhalten, yon denen der aus der gewShnlichen N~hrl~sung stammende Tell praktiseh zuckeffrei ist, w~hrend die aus der mit Fructose versetzten N~hrlSsung stammenden Blatter bis zu einer gewissen Grenze je nach der Dauer des Verweilens der Pflanzen in der Nahrl0sung beliebige Mengen yon Zueker ent- halten. Es ist aufs erste iiberraschend, dab alle BlOtter beim Trocknen ihren Zucker erhalten, wahrscheinlich bewirkt die Erh0hung der Konzentration der LSsung dutch die Fructose eine tIerabsetzung der Vitalit~t.

1 F. Lafar , Handbuch der Teohnischen Mykologie 1, 122.

Page 6: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

[Zeitsehr. f. Untersuehung ~:38 A. Wenusch : [ der Lebensmittel.

Zar ~berprfifuag der Vermutung, daft Tabakbli~tter, welche naeh dem Trocknen zuckerreich geblieben sind, sich dutch die fibliche Behandlung aicht in Tabake der alka- lisehen Gruppe fiberffihren tassea, babe ich in der oben geschilderten Weise Bli~tter tier Nieotiana macrcophylla zubereitet, welche praktisch keinen Zucker (Gesamtreduktion 0,5%) enthielten und aadere, welche zuckerreich (Gesamtreduktion 20%) warea.

Die zuckerfreiea uad zuckerhaltigea Bli~tter wurdea nun unter soast gleichea Be- dinguagen (gleiche Feuchtigkeit, gleiche Wiirme) in der fiblichea Weise gelagert, fiber-

d i e s wurdea noch Versuche angesetzt, flit welche die zuckerfreien und zuckerhaltigen Bliitter mit gleichen Meagen eines in der K/~lte hergestelltea, dekantierten Auszuges yon 5 Teilen tIavaaaatabak in 100 Teilen Wasser bespriiht und dana aueh unter gleichen Be- dinguagen gelagert warden. Bei den yon Zeit zu Zeit vorgeaommeaen Besichtigungen dieser verschiedenen Probea koante - - mit fortschreitender Zeit immer deutlicher werdend - - eia recht verschiedenes Verhaltea der zuckerfreien und zuckerhaltigen Btiitter beobachtet werden. Wiihrend die zuckerfreien Bliitter sich immer tiefer braun fiirbtea, iiaderte sich die Farbe der zuckerhaltigen Bliitter nut weaig. Der Geruch der zuckerfreiea Bli~tter wurde immer iihnlicher dem typischea Geruch yon Tabaken der alkalischen Gruppe, wi~hrend die zuckerhaltigea Bli~tter einea siil~lichea Gerueh aa- nahmen. Nicht eiamal bei einer Versuchsreife, bei welcher die Feuchtigkeit so hoch ge- halten wurde, dal~ Schimmelbildung auftrat, zeigten die zuckerhaltigen Bli~tter die Ver~aderungen der zuckerfreien Bli~tter. "Nach monatelaager Beobachtung wurdea von den verschiedeaen Blattbfindeln Proben genommen uad auf ihre GruppenzugehSrig- keit geprfift. Die Ergebnisse siad aus der folgenden Tabelle zu ersehea:

Reaktion Beschaffenheit des beim Art der Probe Farbe Geruch des Haupt- Destillierenmtt destillier-

strom- tern Wasser erhaitenen

Ohne Zucker vor der Behandlung

Mit Zucker vor der Behandlung

Ohne Zucker

Mit Zueker

Ohne Zueker mit Havan- naauszug be- sprengt

Mit Zueker m.Havanna- auszug be- sprengt

r

braunlich- griin

br~unlich- griin

braun

br~unlieh- grfin

braun

br~unlieh- grtin

typisch naeh Ta- baken der alka- lisehen Gruppe

stilMich

typisch naeh Ta- baken der alka-

Gruppe

siifllieh

ranches

s a n e r

saner

alkalisch

saner

alkaliseh

saner

Destillates nacbweisSalpeter's~ure

nicht alkaliseh ) nieotinfrei I

nicht alkaliseh l nicot!nfrei

alkalisch nicotin- haltig

nieht alkalisch nicotinfrei

alkaliseh nicotin- haltig

�9 nieht alkalisch nicotinfrei

negativ

negativ

positiv

negativ

positiv

negativ

Wie aus der obigea Zusammenstellung hervorgeht, habea sich die zuckerfreien BlOtter zu typischen Tabaken der alkalischen Gruppe entwickelt, w/ihrend die zucker- haltigen die Eigenschaften yon Tabaken der saaren Gruppe beibehalten haben. Diese Feststellungea geben uns die MSgliehkeit, den zweiten wesentliehea Grundsatz fiber die Ausbilduag you Tabaken der saarea Gruppe aufzustellen:

Page 7: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

76. Band. ] Ausbildung der Tabake zum industrieUen Rohstoff. 439 November 1938.J

G e t r o c k n e t e T a b a k b l g t t e r , welche a u s r e i c h e n d e Mengen von Z u e k e r e n t h a l t e n , b e w a h r e n auch u n t e r B e d i n g u n g e n , u n t e r d en en s ich die z u c k e r f r e i e n (oder z u e k e r a r m e n ) B1/ i t te r in T a b a k e der a l k a l i s e h e n G r u p p e v e r w a n d e l n , die E i g e n s c h a f t e n der s a u r e n Gruppe .

Aber auch der einzige wesentliehe Grundsatz fiber die Ausbildung von Tabaken der alkalischen Grul0pe l/il]t sich aus den bisherigen Beobachtungen und l~berlegungen bereits ableiten: G e t r o c k n e t e T a b a k b l / i t t e r , we lehe k e i n e n (oder wenig) Z u e k e r e n t h a l t e n , e r l e i d e n bei g e n f i g e n d e r F e u c h t i g k e i t und W/irme eine t i e f g e h e n d e )~nderung und n e h m e n a l lm/ ih l i eh die E i g e n s e h a f t e n von T a b a k e n der a l k a l i s c h e n G r u p p e an.

Die Beobaehtung, dab die Vitalit~it der gepflfickten Tabakbl~tter yon Einflul] auf die pH-Zahl der trockenen Bliitter ist, indem die pH-Zahl eines Blattes nach dem Trock- nen im allgemeinen um so h6her ist, je vitaler das Blatt im Zeitpunkte des Pflfickens war 1, scheint yon Bedeutung zu sein, da die dem Neutralpunkt angengherten Tabak- blotter ffir Bakterien einen besseren N~hrboden abgeben als die sti~rker sauren.

Dureh die vorstehenden Ausffihrungen ist das heiBumstrittene Gebiet der Aus- bildung der Tabake zum industriellen Rohstoffe einer streng wissenschaftlichen Be- arbeitung zug~inglich gemacht worden und manche bisher r~tselhafte Beobachtungen linden elne einfache Erkl~rung. Ohne in dieser Abhandlung auf botanische Einzelheiten einzugehen, l~l~t sich ganz allgemein feststellen, dal] ausgesprochene Vertreter der sauren Gruppe nur solche Tabaksorten geben k6nnen, welche reichliche Mengen yon Zucker entwickeln und in der in F r a g e k o m m e n d e n Gegend e inen so r a s c h e n V e g e t a t i o n s a b l a u f h a b e n , dab al le ffir die E r n t e in B e t r a c h t k o m m e n d e n B1/ i t ter noch am S t a m m ihre Vi ta l i t /~t ve r l i e r en . Dutch diese Notwendigkeit sind dem Anbau yon Zigarettentabaken natfirliche Grenzen gesetzt. So lange die Kardi- nalforderung, dab alle zur Ernte bestimmten B1/itter noch am Stamm ihre Vitaliti~t verlieren (natfirlich nieht infolge zu tiefer hTaehttemperaturen), lassen sich Tabake der sauren Gruppe gewinnenL Es versteht sieh von selbst, dail die Gfite der Zigaretten- tabake darfiber hinaus auch vom Klima beeinflul]t wird, da dieses yon Einflul] auf die Bildung yon Harzk6rpern und anderen Aromastoffen ist.

An dieser Stelle ist der ttinweis angebracht, dal] auch vital geerntete B1/itter - - sofern ihre Vitalit/it gleich nach der Ernte vernichtet wlrd - - ihren Zucker behalten und Vertreter der sauren Gruppe liefern k6nnen. In frfiheren Arbeiten konnte gezeigt wet- den, daft verschiedene MaBnahmen die Vitalit/it von Tabakbl/~ttern verniehten k6nnen a, wodurch der Zucker erhalten bleibt 4, so dab an dieser Stelle der Hinweis genfigt. In grSl]tem MaBstabe wird vonde r M6glichkeit, dureh kfinstliehe Vernichtung der Vitali- t/it den Zucker des Tabakblattes zu erhalten (allerdings in v611iger Ahnungslosigkeit fiber die inneren Zusammenh/inge) in Amerika Gebrauch gemaeht. Mehr als die H/ilfte aller in den Vereinigten Staaten geernteten Tabake wird r6hrengetroeknet (flue cured). Anfangs wenig beachtet, hat die Nachfrage nach r6hrengetrockneten Tabaken besonders mit der Steigerung des Zigarettenkonsums bedeutend zugenommen.

Die R6hrentroeknung wird derart durehgefiihrt, daI] man die Blgtter in gut gelfifteten

1 A. wenusch u. E. Molinari, diese Z. 76, 240--241 (1938). 2 Friihzeitiges Aus- setzen der Pflanzen mad Auswahl yon Sorten mit raschem Vegetationsablauf sind in kfihleren Gegenden wesentliehe Voraussetzungen. a A. Wenusch, diese Z. 76, 241--245 (1938).

A. Wenuseh u. Dr. Sch611er, diese Z. 76, 245---246 (1938).

Page 8: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

4 4 0 A. W e n u s e h : [zei~schr. f. Untersuchtmg [ der I,ebensmittel.

Trockenkammern etwa 24 Stunden auf 50 ~ und dann weitere 10--18 Stunden auI 55 bis 60 ~ erhitzt. Nach dieser Zeit sind die Bl~itter vollkommen trocken 1. Nach unseren friihe- ren Ausftihrungen ist es vollkommen klar, dal~ dutch diese forcierte Trocknung bei hSherer Temperatur eine radikale Vernichtung der Vitaht~t - - und damit die Erhaltung des Zuckers - - erreieht wird. Tats~chlich enthalten z. B. die hetlen Virginy (Virginia bright), wetche zu den rShrengetrockneten Tabaken gehSren, reichhche Mengen yon Zucker und sind typisehe Vertreter der sauren Gruppe. Obwohl - - g e e i g n e t e k l i m a t i s c h e Verh~i l tn i sse v o r a u s g e s e t z t , j ede T a b a k s o r t e sowohl T a b a k e der sauren ' als aueh der a l k a l i s c h e n G r u p p e l i e f e r n k a n n , w e r d e n ft ir Z i g a r e t t e n t a b a k e (saure Gruppe) im a l l g e m e i n e n j ene S o r t e n in F r a g e k o m m e n , we lche b e im T r o c k n e n m S g l i c h s t he l le F a r b e n a n n e h m e n , auch am F e l d e s c h o n l e i c h t die V i t a l i t ~ t v e r l i e r e n und sehr r e i ch an A r o m a s t o f f e n s in& Da der Haupt- stromrauch yon Zigaretten schwach sauer ist, treten fiir die wesentlichen Geruehs- und Geschmaeksempfindungen andere KSrperklassen in den Vordergrund als beim Hauptstromrauch yon Zigarren, welcher alkahsch reagiert und viel ~rmer an einhiillen- den Stoffen (Mucilaginosa) ist 2. Da die Zigarettentabake ihre wesentlichen Eigenschaften w~hrend der,,R ei f u n g" unver~ndert beibehalten, l~il~t sich am getrockneten Tabak nichts mehr verbessern, w~hrend der tier einschneidende Vorgang der ,,Fermentation" bei der Ausbildung yon Tabaken der alkahschen Gruppe noch manche Korrekturen erwarten l~l~t.

Nach diesen Ausfiihrungen ist es viel schwieriger, einen guten Zigarettentabak zu erhalten als einen guten Zigarrentabak, weshalb auch unter den zahlreichen zur Ver- fiigung stehenden Sorten nut wenige allen Anforderungen entsprechen. An Pflanzen, welche Tabake der alkalischen Gruppe liefern sollen, sind die Anforderungen nicht so streng. Man kann daher viel unbedenkhcher nach Soften suchen, welche eine gro~e Blattausbeute liefern.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wi~re noch festzustellen, dal] es Handelstabake gibt, welche nicht als typische Vertreter der sauren und schon gar nicht der alkalischen Gruppe anzusehen sind. Ein Tabak zum Beispiel, welcher zwar beim Trocknen allen Zucker verloren, abet keine ,,Fermentation" durchgemacht hat, gibt noch einen sauren Hauptstromrauch. Im allgemeinen hat der Rauch solcher Tabake einen unangenehmen, fremdartigen Geruch, der dutch keinen Reifungsprozel~ behoben werden kann. Unter den Refusen von Orienttabaken sind gelegentlich solche Tabake anzutreffen. Ih re Ent- stehung ist offenbar so zu erkl~ren, daft es sieh um zu vital gecrntete BlOtter handelt, welche beim Trocknen ihren Zucker verloren haben. Als vital geerntete Bls ent- halten sie aber auch noch zahlreiche organische KSrper, welche beim Verglimmen einen unangenehmen Geruch ergeben. Diese K(irper sind durch die ,,Reifung" nicht abzu- bauen. Daher behalten solche Tabake auch nach langer Lagerung den unangenehmen Ge- ruch. ZerstSrbar sind diese KSrper durch die ,,Fermentation", welche die BlOtter in Tabake der alkalisehen Gruppe umwandelt. Solche vital geerntete BlOtter von Orient-

tabaken wtirden abet zweifellos bei einer richtig geleiteten RShrentrocknung und an- schhel~enden ,,Reifung" noch recht brauchbare Tabake der sauren Gruppc liefern, Ganz allgemein seheinen BlOtter, welche nach dem Trocknen zuckerfrei geworden und griinlich geblieben sind, dutch eine ,,Reifung" keine guten Tabake mehr zu geben.

Manche AbkSmmlinge der Nicotiana macrophylla, welche auch in unserem Klima ganz gut gedeihen und grofle Bl~itter hefern, welche, ohne viel Zucker zu enthalten,

1 l~ev. internat. Tabacs 1987, Nr 123, 315. 2 A. W e n u s c h , diese Z. 74, 186--188 (1937).

Page 9: Über die Ausbildung der Tabake zum industriellen Rohstoff

76. Band. ] Ausbi ldung der Tabake zum industr iel len Rohstoff. 441 I~ovember 1938.]

einen sauer reagierenden und geruchlich ziemlich neutralen Rauch liefern, werden in Mitteleuropa nieht selten gepflanzt. Es handelt sich dabei um Tabaksorten, welche auch in unserem Klima beim Trocknen die griine Farbe des Blattes verlieren und gelbbraun und braungelb werden. Solche Tabake sind zwar keine typischen Vertreter tier sauren Gruppe, well sie keinen oder nut sehr wenig Zucker enthalten, sind aber als Zumisch- material ffir Zigaretten noch ganz gut geeignet, weil sie einerseits noch einen sauren Hauptstromrauch geben, und andererseits die Kfrper, welche beim Verglimmen un- angenehm riechen, nicht oder hSchstens in geringer Menge enthalten.

Abschliel~end mSehte ich nochmals ausdrficklich darauf hinweisen, dal3 die den vorstehenden Ausfiihrungen zugrunde liegenden Versuehe mit Tabaken ausgefiihrt wurden, welche ferne ihrer Heimat, unter ungiinstigen Verhaltnissen gewaehsen waren. Die aus diesen Versuchen abgeleiteten Schliisse haben daher vorerst nut fiir diese Ta, bake Giiltigkeit. Ich hoffe aber, daft wenigstens die wesentlichen Erkenntnisse aueh an den in ihrer jeweiligen Heimat gewachsenen Tabaken ihre Bestatigung finden.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. D i e wesentlichen Merkmale, welche den Unterschied zwisehen den Handels- tabaken der sauren und der alkalischen Gruppe ausmachen, sind bei den frischen Tabak- blattern nicht vorhanden.

2. Die Vorgange, dutch w~ehe getrocknete Tabakblatter zum industriellen Roh- stoff ausgebildet werden, sind ganz verschieden, je nachdem ein Tabak der sauren oder der alkalischen Gruppe entsteht. Es ist daher zweckma~ig, die Ausbildung der Tabake der sauren Gruppe als ,,Reifung" und nur die der alkalischen Gruppe als ,,Fermen- tation" zu bezeichnen.

3, Tabakblatter, welehe beim Pfliicken noeh vital sind, verlieren beim gewShnliehen Troeknen allen Zucker und kSnnen daher keine typischen Tabake der sauren Gruppe mehr geben.

4. Tabakblatter, welche im Zustand verminderter Vitalitat geerntet werden, behalten ihren Zucker und geben nach dem Troeknen einen Tabak, weleher schon die wesentlichen Eigensehaften der sauren Gruppe hat. Die konservierenden Eigensehaften des in den Blattem enthaltenen Zuekers sowie ihre saure Reaktion verhindern die Ent- wieklung yon Bakterien, so dal3 die an sieh nicht wesentlichen Veranderungen, dutch welehe die getroekneten Tabakblatter zum gebrauchsfertigen Tabak der sauren Gruppe iibergefiihrt werden, ausschlie$1ich enzymatischer Natur sind (Reifung).

5. Tabakblatter, welche keinen oder Wenig Zucker, dagegen aber noeh hoehaktive Fermente und reiehliche Mengen abbaufahiger organ~scher Substanz enthalten, erleiden bei geniigender Feuehtigkeit und Warme unter der Einwirkung yon Bakterien eine tiefgehende Veranderung und nehmen allmahlich die Eigensehaften yon Tabaken der alkalischen Gruppe an (Fermentation).

6. Tabakblatter, welche wenig Zueker enthalten, kSnnen auch ohne Fermentation einen rauehbaren Tabak liefern, wenn sie von Sorten stammen, welehe beim Trocknen die grfine Farbe verlieren.

7. Vital geerntete Blatter k~nnen - - wenn sie durch kiinstliche Mittel ihrer Vitali- tat beraubt werden (z. B. RShrentrocknung)- ihren Zueker erhalten und typische Yer- treter der sauren Gruppe liefern. Angenehm rauehbare Tabake geben aber nur solche Soften, deren Blatter bei der kiinstlichen Troeknung die griine Farbe verlieren.