9
XXIV. Uber die Bedeutung der Bitterstoffe fiir die Verdauung. Von Prof. Dr. Bomssow (Odessa). (Mit 1 Kurve.) Die Bitterstoffe stehen in der praktischen Medizin seit langer Zeit in dem Rufe, den Appetit anzuregen und die Verdauung za befSrdern. Die Anwendung dieser Stoffe am Krankenbette reieht ia die ur~iltesten Zeiten zurtlck. Ganz besonders warea dieselbea yon jeher in der Volksmedizin gebr~uehlieh, wie sie es aueh heut- zutage noeh sind. W~illrige und weingeistige AuszIlge der Amara fUhrea sogar ira Volke den Namen ,Appetittropfen ~, woraus der Zweck ihrer Anwendung deutlieh zu Tage tritt. In der Pharmakologie versteht man unter Bitterstoffen gewShnlieh Stoffe, welehe neben bitterem Gesehmaek eine relativ sehwache allg'emeine physiologisehe Wirkung auf den Organismus besitzen; deshalb werden weder das Stryehnin, noeh das Chinin u. drgl. zu den Bitterstoffen gereohnet. Es sei jedoch bemerkt~ dal~ es aueh unter den zu den Bittermitteln z~ihlenden Stoffen mehrere gibt, welehe in grSl~eren Quantit~iten nicht mehr vSllig indifferente Stoffe sind; so z. B. das Absinthin, das Cetrarin u. a. m. Bereits aus der Definition der in die Gruppe der Bitterstoffe zu z~hlenden Stoffe wird einem klar~ dab der Wirkung derselben, falls es eine solche gibt, vor allem ihr bitterer Gesehmaek zu grnnde liegen mul~. Dall die Wirkung der Bitterstoffe auf deren bitteren Gesehmaek zurtiekzufiihren ist~ ist bereits daraus zu ersehen, dal~ sie, obwohl im allgemeinen relativ indifferent, dennoeh in der praktisehen Medizin in der Regel nur in kleinen Dosen gebr~iuehlich sind. So heil~t es aueh bei Nothnagel und Rol~baehl)~ dai~ man dig Bitterstoffe in nieht allzu grol~eu Gaben verabreichen daft, 1) Nothnagel and goBbach, Handbuch der Pharmakologie.

Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

X X I V .

Uber die Bedeutung der Bitterstoffe fiir die Verdauung. Von

Prof. Dr. Bomssow (Odessa).

(Mit 1 Kurve.)

Die Bitterstoffe stehen in der praktischen Medizin seit langer Zeit in dem Rufe, den Appetit anzuregen und die Verdauung za befSrdern. Die Anwendung dieser Stoffe am Krankenbette reieht ia die ur~iltesten Zeiten zurtlck. Ganz besonders warea dieselbea yon jeher in der Volksmedizin gebr~uehlieh, wie sie es aueh heut- zutage noeh sind. W~illrige und weingeistige AuszIlge der Amara fUhrea sogar ira Volke den Namen ,Appetittropfen ~, woraus der Zweck ihrer Anwendung deutlieh zu Tage tritt.

In der Pharmakologie versteht man unter Bitterstoffen gewShnlieh Stoffe, welehe neben bitterem Gesehmaek eine relativ sehwache allg'emeine physiologisehe Wirkung auf den Organismus besitzen; deshalb werden weder das Stryehnin, noeh das Chinin u. drgl. zu den Bitterstoffen gereohnet. Es sei jedoch bemerkt~ dal~ es aueh unter den zu den Bittermitteln z~ihlenden Stoffen mehrere gibt, welehe in grSl~eren Quantit~iten nicht mehr vSllig indifferente Stoffe sind; so z. B. das Absinthin, das Cetrarin u. a. m.

Bereits aus der Definition der in die Gruppe der Bitterstoffe zu z~hlenden Stoffe wird einem klar~ dab der Wirkung derselben, falls es eine solche gibt, vor allem ihr bitterer Gesehmaek zu grnnde liegen mul~. Dall die Wirkung der Bitterstoffe auf deren bitteren Gesehmaek zurtiekzufiihren ist~ ist bereits daraus zu ersehen, dal~

s ie , obwohl im allgemeinen relativ indifferent, dennoeh in der praktisehen Medizin in der Regel nur in kleinen Dosen gebr~iuehlich sind. So heil~t es aueh bei N o t h n a g e l und Rol~baehl)~ dai~ man dig Bitterstoffe in nieht allzu grol~eu Gaben verabreichen daft,

1) N o t h n a g e l and g o B b a c h , Handbuch der Pharmakologie.

Page 2: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

364 XXIV. Bomssow

wenn man gfinstige Erfolge erzielen will; denn sonst erhitlt man eine umgekehrte Wirkung.

Wenn man aueh den in Rede stehenden Stoffen sowohl in Handbiiebern der Pharmakologie als in speziellen Abbandlungen stets die Benennung ,,Bitterstoffe" (d. b. auf des Oesehmaeksorgan wirkende Stoffe) beilegte, so wiederholte es sieh indes immer, so oft man ihre Wirkung auf den Org'anismus zu ergrt|nden suehte, dag man eben diese Seite ihrer Wirkung g~tnzlieh aus dem Auge verlor. Ja, noeh mehr! Man versuehte ihre gfinstige Wirkung am Krankenbette, ung'eaehtet ihrer all~emein anerkannten relativen Indifferenz, eben yon ibrer allgemeinen Wirkung auf delt Organis- mus ausffeheud zu erkl~h'en. Dafi dem wirktieh so ist, mit anderen Worten - - daf~ man bet Untersuehunff der Bitterstoffe ihren bitteren Gesehmaek und ihre relative Indifferenz (wenigstens ill den thera- peutiseh fibliehen Gaben) immer auger aeht lieg, wird aus der vor- liegenden kurzen Ubersieht der Literatur des Geg'enstandes klar werden.

Dureh die Behauptung T r a u b e s ang'eregt, dal~ die giinstig'e Wirkung tier Amara auf eine yon denselben bewirkte Steigerung des Blutdruekes and dadureh bedingte vermehrte Sekretion yon VerdauungssKften zurfiekzufiihreu set, ersehienen vor allem experi- mentelle Untersuehungen abel. den Einfiuf~ der Bitterstoffe auf das Verhalten des BlutffefKBsystems. So land K5hler~), indem er den Einflu$ des Cetrarins und Columbins auf die Bluteirkulafion unter- suebte, des bet Einftihrung dieser Stoffe in das Blut~ naeh vorher- gehender geringer Senkung, eine allmithliehe Steigerung des Blut- druekes beobaehtet wird. S. P o p o w ~) (ira Vereine mit Frau K u s s a k o w und Frau M i n k i n ) fend weiterhin, dag eine geringe Steigerung des Blutdruekes naeh Einspritzung ins Blut mancher Bitterstoffe zwar beobaehtet wird, dal~ sie aber ganz unbedeutend und vortibergehend ist. Heutzutage~ w e man weig, dal~ die Ver- dauungss~tfte ein Tittigkeitsprodukt der Zellen darstellenl hat die Ansieht T r a u b e s keinen Boden mebr.

Hing'egen verdienen mebr Aufmerksamkeit Untersuehungen, welehe fiber den Einflu[~ der Bitterstoffe auf die Tittigkeit der Ver- dauungsdrfiseu angestellt worden stud. Dr. F o r t u n a t o w 3) fend zuerst, dal~ bet Einfiihrung yon Cetrariu in des Blur eine vermebrte

l) K6hler. Vierteljahrsschr. f. d. prakt. Hoilk. 1873. Bd. IV. S. 49. 2) Popow, Wratschebnija Wedomost: 1881. Nr. 40 u. 41 (russisch). 3) Fortunatow, Zur Frage yon tier Wirkung der Bitterstoffe. lnaug.

Diss. 1884 (russisch).

Page 3: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

~ber die Bedeutung der Bitterstoffe for die Verdauung. 365

Absonderung yon Speichel~ Galle und Pankreassaft beobachtet wird. Dieses Ergebnis wih'e yon Bedeutung~ wean Zugleich bewiesen wtirde, dal~ auch bei Einflihrung der in Rede stehenden Stoffe in den Verdauungskanal eines Tieres eine i~hnliche Steigerung der Sekretion stattfindet; das rut um so mehr not, als bald darauf sin zweiter Auto 5 Dr. M. T s c h e l z o w 1) bei Einfiihrung yon Bitter- stoffen in den Magen bereits keine vermehrte Sekretion yon: Pankreassaft beobachtete. Ftir die Galle ergaben sieh dabei ver- sehiedene Resultate, j e nach dem eingefiihrten Stoffe. Es kann abet auch einer Vermehrung der Gallensekretion sehon darum keine grofie Bedeutung beigemessen werden, weft j a die Galle yon uns nieht blol~ als Sekret, sondern zugleieh aueh als Exkret angesehen wird und ftir die Verdauung nur diejenige Quantitltt Galle yon Wiehtigkeit ist, welche in den Verdauungskanal~ aber aueh zu be- stimmter Zeit getreten ist.

Dr. T s c h e l z o w untersuchte den Einflul~ verschiedener Bitter- stoffe auf den u auf die Sekretion der Verdauungs- driisen und auf den Stickstoffwechsel. Auch er liel~ in seinen Untersuehungen, wie die vorhergehenden Autoren~ welche die Wirkung der Bitterstoffe untersuchten uad dieselben ia das Blut einftihrten, vSllig aul~er acht~ dab es eben bittere und relativ in- diffcrente Stoffe waren. In seinen Experimenten an Hunden ftihrte er Bitterstoffe in den Magen entweder mittelst der Schlundsonde~ oder dureh eine Magenfistel ein. Was nun seine Experimeute an Mensehen betrifft~ so teilt er uns nieht einmal mit, in weleher Form er die Bitterstoffe verabreiebte; wenn er dies in der Gestalt yon Pillen tat~ so war ja allerdiugs kein bitterer Gesehmaek dabei. Aul~erdem versuchte er es an Menschen aueh mit 5--10 g Extraetum Quassiae; bei derartigen Gahen wird abet nicht nur die Wirkung des bitteren Gescbmaeks zur Geltung kommen~ sondern es toni3 aueh die hemmende Wirkung des Quassiins auf die Verdauung hinzutreten, welch letzteres aus den Experimenten desselben Autors an Hunden und in Probiergl~tschen zur Gentige erhellt. Es ist unter solehen Umst~nden ganz nattirlich~ dal~ der Autor aus seinen Ex- perimenten ftir die Bitterstoffe ungiinstige Schliisse gczogen hat. Er hat n~tmlieh gefunden, dal~ die Bitterstoffe die Verdauung sowohl im Probiergl~sehen als auch im Magen hemmen; in grSl~erea Quantit~tten sollen diesetben die Magensaftsekretion hindern, in

1) Tschelzow, (~'ber die Bedeutung der Bitterstoffe fiir die u und Assimilation der Stickstoffsubstauzen. Inaug.-Diss. 18S5.

Page 4: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

366 XXIV. BoRissow

kleineren hingegen eine sehneU vortibergehende Vermehrung der Absonderung bewirken; auf die Sekretion des Pankreassaftes sollen sie yon keinem Einfiusse seth; die Gallensekretion sollen sie ver- schieden beeinfiussen, die einen sollen dieselbe vermehren, die anderen unbeeinflul~t lassen; die Assimilation der stiekstoffhaltigen Bestandteile der Nahrung sell aber unter Verabreichung yon Bitter- stoffen eine Abnahme erfahren. Dann stellte E. K o t l j a r ~ ) eine Reihe yon Versueben an, wobei er Bitterstoffe in den Mag'en yon Hunden einfahrte, also unmittelbar auf die Sohleimbaut des Magens einzuwirken suehte. Dieser Autor beobaohtete aber keine Sekretion yon Magensaft. 5T~chst den angef'dhrten Arbeiten verdienen ferner die yon R e i e h m a n n ~ ) und A. F a w i t z k y 3) erw$ihnt zu warden, welche an Magen-Darmkatarrhen leidende Mensehen zum Objekte ihrer Untersuehungen maehten. R ei e h m a n n fand nitmlieh, indem er AuszUge yon Bitterstoffen in der Quantit,~tt yon 200 eem in den Magen einftlhrte, dal~ unter diesen Verhaltnissen Wasser eine gr5Bere Wirkung austibe. Naeh Resorption der Bitterstoffe erwies sieh die Verdauungs- kraft des Magensaftes erbSht, wahrend sieh bet Einflihrung der Bitterstoffe gleiehzeitig mit der Nahrungsaufnahme eine Sehwtiehung der Verdammgsf~tbigkeit feststellen liel~. Nur bet Abnahme der Magen- saftsekrefion bemerkte der Autor eine Besserung der Verdauungs- f~higkeit. A. F a w i t z k y beobaehtete bet seinen 7 Kranken naeh Verabreiehnng yon Bitterstoffen eine Zunahme der freien Aeidititt. W i e die Experimente yon R e i e h m a n n angestellt warden, kann ieh nieht ausflihrlieh beriehten, da ieh seine Arbeit niebt im Original kenne. Was nun die Arbeit yon A. F a w i t z k y betrifft, so darfman wohl sagen~ dab er dem bittren Gesehmaek offenbar keine Bedeutung beilegte, da er manehem Kranken den Bitterstoff in Gestalt yon Pillen verabreiehte ; aul]erdem abel" l~il~t sich aus dem Charakter der Unter- suehungen sowohl R e i e b m a n n ' s als aueh F a w i t z k y ' s mit Be- stimmtbeit sehliel3en, dal~ die beiden Autoren sieh den Effekt dureb die allgemeine Wirkung der Bitterstoffe hervorgebraeht daehten. So gab z. B. F a w i t z k y die Bitterstoffe nieht nur vor den Mahlzeiten~ sondern auch zu beliebiger Zeit des Tages, and R e ie h m a n n unter- suehte den Einflul~ eines dauernden Gebrauehs yon Bitterstoffen and das Verhalten der Verdauungskraft naeh deren Resorption. Man untersuehte ferner aueh den Einflt|/~ der Bitterstoffe aaf die Garang's-

1) K o tlj ar, zitiert naeh K o tlj ars hnmerkung zur russischen Ubersetzung yon Tappeiner, Lehrbueh der Arzneimittellehre. S. 50.

2) Reichmann, zitiert nach Fawitzkii. 3) Fawitzkii , Wratsch 1889.

Page 5: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

l~ber die Bedeutung der Bitterstoffe far die Verdauung. 36'/

prozesse~ wobei es sich feststellen lie~, dal~ kleine Gaben von Bitter- stoffcn die G,~ihrungsprozesse sogar steigern, grof~e hingegen hemmen. Und endlieh fand R atom, dal) die Bitterstoffe eine Leukocytose bewirken; abet" was ftlr eine Rolle die weil~en Blutkbrperchen bei der Verdauung spielen, ist uns ja unbekannt.

Aus vorstehender b~bersieht der Literatur der Frage, wie aucb aus obiger Definition, was ftir Stoffe zu den Bitterstoffen zu z~hlea sind~ und was ftir Eigensehaften dieselben besitzen mUssen 7 um als echte Bitterstoffe angesehen zu werden, geht deutlieh hervor, dal~ es zwar Versuehe~ die Wirkung der Bitterstoffe zu erklaren, zur Gentige gegeben hat, alIein die Bitterstoffe als solche, im eigentliehen Sinne des Wortes~ sind - - man darf wohl sagen - - liberhaupt niebt untersueht worden. Bei Versuehen an Tieren ftihrte man die Bitter- stoffe entweder in das Blur, oder in den Magen ein; bei Unter- suebungen an Menschen gab man dieselben in Form yon Pillen~ oder man verabreiehte sic lange Zeit vor den Mahlzeiten und ia 8"roi~en Quantititen, ohne davon zu denken, dais diese Stoffe j a nut relativ indifferent sind. Infolge einer so falsehen Anordnung der Versuehe bleiben die yon den Kliniken 1/ingst beobaehteten gtlnstigen Erfolge der Bitterstoffe bis heutzutage unerklart.

Nachdem ieh den Lehrstuhl der Pharmakologie tlbernommen hattei kam ieh nattirlieherweise sehr bald in die Lage, eine Er- kl:,irung ftir die yon den Klinikern beobaehtete gtinstige Wirkung der Bitterstoffe suchen zu mtissen. Das erste, was mir in die Augen fiel~ war der Widersprucb zwischen der Definition der Bitterstoffe und der Anordnung der Versuehe. Alle spreehen yon bittren Stoffen; wie es aber zum Untersuehen kommt~ so l~il~t man den bittren Geschnmck der Stoffe vbllig aul~cr Aeht. Das war der Grund, warum ieh mir zur Aufgabe maehte~ aussehliel~lich die Bedeutung des bittren Ge- schmaekes fUr die Verdauung" zu verfolgen.

Ftir derartige Untersuehungen eignet sich am besten ein gund mit durehsehnittenem Oesophagus~ bei welehem also der Bitterstoff, nachdem er in die Mundhbhle eingefiihrt worden ist, aueh sofort den Organismus verliil~t, indem er aus dem oberen Stumpfe des Oesophagus herausfiiel~t resp. herausfiillt. Aul~erdem aber wurde meinem Versuehs-Hunde auch eine Magenfistel angelegt.

Die Versuche bestanden in folgendem: Nach einer Magen- ausheberun8' und alsdann nach vblliger Sistierung der Sekretion aus dem Magen, veranstaltete ieh entweder unmittelbar eine Sehein- ftitterung mit Fleisch yon der Dauer I Minute, oder ieh legte dem Hunde vorher ein mit Tinct. Gentianae benetztes Sttiekehen Watts

A r c h i v f. experiment. Pathol. u. Pharmal{ol. Bd. LL 25

Page 6: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

368 XXIV. I3oa~ssow

- t

e ~

~ o

c~

i,,,~ ~

g

, ~ ~

~ ~ m ~ J ~ 2 o

i

~ B

r

C ~

~ ~

Page 7: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

Uber die Bedeutung der Bifterstoffe fflr die Verdauung. 369

in den Mund; bei den Versuehen mit vorheriger Darreiehung eines Bitterstoffes begann die Seheinftitterung naeh dem AufhSren des reiehliehen Speiehelfiusse s. Die ersten 4 Versuche ordnete ieh folgendermal~en an: einen Tag ohne~ den andern mit Bitterstoff. Weiterhin fUhrte ieh je 2 Versuehe an einem Tage aus, um die- selben tiberzeugender zu gestalten~ wobei ieh abweehselnd bald die einfaehe Seheinflitterung~ bald die mit vorheriger Verabreiehung yon Bitterstoff vorangehen lieB; der zweite Versueh wurde immer erst naeh vSlliger Sistierung der Magensaftsekretion vorgenommen.

ein lathe Schein ftttterung. . . . . . Scheinftttterung mit vorheriger Verabrelchuug ~,on Bitterstoff.

Aus den Tabellen auf S. 368 und noeh besser aus der Kurve ist zu ersehen~ dal~ die Sekretiou you Magensaft bei Seheinftitterung bedeutend reiehlieher in jenen Versuehen ausfiel~ wo eiu Bitterstoff vorher gegeben worden war: es wurdeu naeh einfaeher Sehein- ftitterung yon der D~uer 1 Minute im Laufe yon 2 Stunden durehsehnittlieh 10t eem Magensaft ubgesondert, naeh der mit vorheriger Yerabreiehung clues Bitterstoffes aber werden in demselben Zeitabschnitte bereits 130,1 ecru abgesondert. Bei Betraehtung der zwei Sekretionskurven f~llt sofort auf~ dais sie beide yon vSllig gleiehem Charakter sind~ nur steht die bei

25*

Page 8: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

370 xx1v. Boa~ssow

vorheriger Darreichung eines Bitterstoffes hSher. Der gleiehe Charakter beider Sekretionskurven scheint mir deutlich darauf hin- zuweisen, dal~ wit es nicht mit ether zufitlligen Erseheinung zu tun haben, und dal~ die vermehrte Sekretion bet Verabreichung yon Bitter- stoff auf nichts anderes als auf eine S e h i t r f u n g de r G e s c h m a e k s - r e i z e zuriiekzuflihren ist. Dal~ der vermehrten Sekretion naeh Verabreichuug yon Bitterstoffen in meinen Versuehen wirklieh n u t eine Sehtirfung der Gesehmacksreize zu grunde liegt, scheint mir antler allem Zweifel zu sein; dean der Bitterstoff wurde, naehdem er an einem Watte B~tuschehen in die MundhShle des gundes eingefiihrt worden, immer heruntergeschluckt und fiel sofort aus dem oberen Stumpfe des Oesophagus heraus, worauf die MundhShle mit reiehlieh abgesondertem Speichel besplilt wurde. Es set aufierdem hinzugefiigt, dab racine Versuche mit Verabreichung yon Bitterstoffea !5--30 Mi- nuten vet Beg'inn der FUtterung - - ieh darf wohl sagcn - - fast keinen Effekt erzielten. So ergaben 9 Versuehe, in welehen ieh eine Sehein- ftitterung mit Milch naeh vorheriger Darreiehnng yon tibel- schmeekenden Stoffen, wie Chinin, Salzs~iure und Ammoninm-Sulfat- LSsung vorgenommen hatte, im Durehsehnitt eine Sekretion yon 53,14 ecm im Laufe ether Stnnde; bet einfaeher Seheinfiitterung abet bekam ieh 50~92. Ferner ergab sich bet Verabreichnng yon Chinin 15--20 Minuten vor der Ftltterung und bet naehfolgender 3 minutigcr Fiitternng mit Fleisch im Dnrchschnitt aus 2 Versnehen eine Sekretion yon 121,2 ecru im Lanfe yon l l/: Stunden, wahrend bet Normal- fUtterung die Menge des Sekrets 125,7 cem betrug. Da nun die Vermutung nahe lag, es liege dies an der Art der Bitterstoffe, so stellte ich weitere 3 Versuehe mit ChininlSsung an, wobei ich die letztere, wie die Tinct. Gentianae, unmittelbar vor der Ftitterung gab, und sofort bekam ieh ein positives Ergebnis: im Laufe yon 2 Stunden wurden bet Verabreichung yon Chinin und naehfolgender 1 minutiger Fleisehflltterung durchsehnittlieh 123,2 ecru Magcnsaft seeerniert, w~hrend bet einfaeher Fleisehftitterung die Menge des Sekrets 98,3 ccm betrug.

Somit unterliegt es keinem Zweifel, dal~ die Bitterstoffe eine Seharfung der Gesehmaeksreize und dadnreh eine Steigerung der Magensaftsekretion bewirken, wobei diese Seharfung des Gesehmacks offenbar nur eine knrze Spanne Zeit anhiilt~ um nachher zu vero sehwinden.

Bev0r ieh nun die Darlegung meiner Beobaehtungen sehliefier muI~ ieh noch hervorheben~ dai~ dutch blol]e Verabreiehnng yon Bitterstoffen ohne naehfolgende SeheiafUtterung nicht nur keine

Page 9: Über die Bedeutung der Bitterstoffe für die Verdauung

Uber die Bedeutung der Bitterstoffe filr die Verdauung. 371

Sekretion yon Magensaft eingeleitet, sondern vielmehr auf die event. bestehende Sekretion eher eine hemmende Wirkung ausgetibt wird; wenigstens bekam ieh ein solehes Ergebnis, wenn spontane Sekretion yon Magensaft da war. Ferner mug bemerkt werden, dal~ sowohl die Aeiditat als aueh die Verdauung'skraft der S~fte, ob letztere nun naeh Yerabreiehung yon Bitterstoffen, oder ohne solehe seeerniert wurden, sieh im allgemeinen vSllig gleieh blieben, abgesehen yon Sehwankungen, welehe sieh in den Grenzen der PrKeision der Unter- suehungsmethoden halten. Auf welehe Weise die Seh~rfung der Gesehmaeksreize zustande kommt, l~l~t sieh mit Bestimmtheit kaum sagen. Man darf wahl annehmen, dal~ as sieh hier nieht blol~ um psyehisehe Einwirkung in dem Sinne handelt, dal~ naeh l'~bel- sehmeekendem Sehmaekhaftes gegeben wird; daftir s p.reehen nieht nur die yon mir in meiner vorhergehenden Arbeit: ,Uber die Be- deutung der Gesehmaeksnerven-Reizung ftir die u an- gefilhrten Tntsaehen, sondern auch folgende von mir gemaehte Be- obaehtung. Wenn man n~mlich einem Frosehe alas Riiekenmark unterhalb des verl~tngerten Marks durchsehneidet oder das Gehirn g~nzlieh entfernt, naehher die PfStehen des Frosehes in eine 3 Proz. KoehsalzlSsung far die Dauer yon 3--5 Minuten eintaueht und, naeh Herausnahme aus derselben, in reinem Wasser splilt, so findet man bei demselben eine gesteigerte Empfindliehkeit far S~ure und eine herabgesetzte far KoehsalzlGsung; naeh wenigen Minuten kehrt alles wieder zur Norm zurtiek. Aus diesem Versuehe ist ersiehtlieh, dal~ Reizung mit e i n e m Stoffe eine erhShte Empfindliehkeit far einen a n d e r e n hervorbringen kann.

Mieh auf obige Auseinandersetzungen stUtzend, erlaube ieh mir folg'ende Satze aufzustellen: 1. daf~ die Anwendung tier Bitterstoffe am Krankenbette ganz zweekm~tl~ig ist, well dieselben eine vermehrte Sekretion yon Magensaft hervorrufen; 2. daft hingegen die Bitter- stoffe in grol~en Quantit~ten und lang'e Zeit vor dan Mahlzeiten an- zuwenden (Dr. T s e h e l z o w ) unzweekmal~ig erseheint; und 3. dab als bestes Pr~parat bei Anwendung der Bitterstoffe die ,Appetit- tropfen '~ anzusehen sind, yon welehen gtt. 10--20 in einem Gl~sehen Wasser vet der Mahlzeit eingenommen werden.