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KLI N.ISCHE WOCHENSCHRIFT 7. JAHRGANG Nr. 4z 7. OKTOBER x928 0BERSICHTEN. UBER DIE BEDEUTUNG DER VITAMINE FOR DIE ERSTE LEBENSZEIT. Von Prof. Dr. E. VOGT, Oberarzt der Universit~its-Frauenklinik Tfibingen (Direktor: Professor Dr. A. MAYER). Das neugeborene Kind hat ein Gewicht yon 3000--325 ~ g und eine K6rperl/inge yon 50 cm. Das Kind entwickelt sich im Laufe des ersten Lebensjahres riesig schnell. Die K6rper- l~nge vergr6Bert sich yon 5 ~ auf 75 cm, das Gewicht hebt sich um 6000 g. Diese einfachen Zahlen zeigen am besten, wie schnell das Wachstum im Lau/e des ersten Lebens]ahres er]olgt. Das Wachstum kann aber nur unter der Voraus- setzung vonstatten gehen, dab die Nahrung geni~gend Ndhr- sto/]e und geni~gend Erg4"nzungssto]]e, vor allem das Vitamin A und ]3, besitzt. Entsprechend mtissen wit damit rechnen, dab das Vitaminbedfirfnis in der ersten Lebenszeit ungew6hn- lich groB ist. Von dieser Tatsache gehen wir aus, wenn wir versuchen, die Bedeutung der Vitamine ffir die erste Lebenszeit klar- zustellen. Wir dtirfen weiterhin voraussetzen, dab die Ent- wicklung des neugeborenen Kindes, soweit sie von den Vita- minen abh~ngig ist, von zwei Faktoren bestimmt wird, n~mlich durch den Vitaminbestand, welchen das Kind durch den Nabelschnurkreislauf yon der Mutter fibernommen hat und mit auf die Welt bringt, und auBerdem noch dutch den Vitamingehalt der in den ersten Lebenstagen zugeffihrten Nahrung. Es soll uns daher zuerst die Frage besch/~ftigen, ob nnd wieweit Vitamine yon der Mutter auf den Fetus fiber- gehen, und ob das Neugeborene tats/ichlich fiber eine Vitamin- reserve verfiigt oder allein auf die Vitaminzufuhr aus der Nahrung angewiesen ist. Lange Zeit war man nut auJ Tierexperimente angew~esen. KORENSCttEWSKY und M. KARR experimentierten mit dem Vitamin A, dem antixerophthalmischen Erg~nzungsstoff. Versorgt man die mfitterliche Nahrung tr~tchtiger Tiere reichlich mit Vitamin A, welches ja das Wachstum f6rdert und daher auch als Wachstumsvitamin angesprochen wird, so bringen die Jungen auch schon einen gewissen BBestand des Vitamins A mit auf die Welt. Diese Vitaminmitgift ~uBert sich vor allem darin, dab die Jungen viel widerstandsfghiger sind. Sehr wichtig ist noch die weitere Feststellung der Auto- ten, dab in jedem Wurf mehr Junge zur Welt kommen. HESS und UNGER prfiften das Vitamin C, das Antiskorbut- vitamin. Die Nahrung, welche frei von Vitamin C ist, hat einen ungfinstigen EinfluB auf den Verlauf der Schwanger- schaft. Von 23 Tieren abortierten 14 . Man land bei den Feten ]31utungsherde im Knochenmark und subperiostale Infiltrationen. SGAGLIONE kam zu ganz Ahnlichen Ergebnissen. Er sah bei 23 Tieren I4mal Fehl- oder Frfihgeburten eintreten. Die Frfichte hatten ]31utungsherde im Knochenmark und Infil- trationen unter dem Periost. OLOW ern/ihrte MAuse mit einer Nahrung, in welcher das Vitamin D fehlte. Die Entwicklung der Jungen litt darunter merklich. Das Geburtsgewicht erreichte niemals normale Werte. Die jfingsten Arbeiten beziehen sich auf das Fortpflanzungs- vitamin E. Die Tiere bekommen schon yon der Mutter das Fortpflanzuugsvitamin Emit. Die Menge des Vitamins h/ingt ganz yon der Nahrung der Mutter ab. Enth/ilt z. ]3. die Nah- rung der Mutter ]3utter, und damit das Vitamin E, so trifft man das Vitamin E auch bei den neugeborenen Frfichten. Damit erlangen die Jungen auch eine initiale Fruchtbarkeit. Klinische Wochenschrift, 7. Jahrg. Umgekehrt l/iBt sich nachweisen, dab bei Verarmung der mfitterlichen Nahrung an "Vitamin E, z. ]3. bei Ffitterung mit Speck, der Vitaminbestand der Jungen entsprechend ver- mindert wurde. An Ratten wurden folgende Versuche gemacht: Man kann Ratten mit einer Kost, welche die Vitamine A, ]3, C, D, aber nicht das Vitamin E enth~lt, sterilisieren. Die Reaktion der M~nnchen und Weibchen ist aber verschieden. ]3ei den M/innchen atrophieren die Hoden, dauernde Sterilit/it ist die Folge. Die Weibchen hingegen bewaP, ren ihre Tort- pflanzungsf/ihigkeit Sie bleiben befruchtungsf/ihig ffir nor- male M/innchen. Die Schwangerschaft verl~uft aber nicht bis zum Ende. Es kommt zu einem vorzeitigen Absterben der Frfichte und zu einer sekund~ren intrauterinen Resorp- tion. Aus den mitgeteilten Tierexperimenten geht hervor, dab der Vitamingehalr der Nahrung der Mutter die intrauterine Ent- wicklung tier Frfichte beeinfluBt. Ffir die u A, C, D und E sind im Experiment diese Verh/iltnisse klargestellt. ]3ei v611igem Ausfallen eines tier genannten Vitamine wird die Schwangerschaft gest6rt. Die intrauterine und extrauterine Entwicklung voHzieht sich eben unter der Voraussetzung normal, dab die mfitterliche Nahrung ein gewisse s Optimum der genannten Vitamine enth~lt. Von jedem einzelnen Vita- min muB wenigstens soviel vorhanden sein, daB der Synergis- mus der Vitamine nicht notleidet Gegenfiber den Tierexperimenten tritt die Zahl der Vita- minstudien am _Mensehen erheblich zuriick. Die wenigen Ver- suche aber, die man bisher am Menschen angestellt hat, sind yon groBer ]3edeutung. ABELS machte in tier GroBstadt Wien die Wahrnehmung, dab das Geburtsgewicht der Neugeborenen in der Nachkriegszeit au~fallenden, gesetzm~lMgen Schwan- kungen unterworfen war. Das h6chste Gewicht der Neu- geborenen fiel in die warme Jahreszeit. Nach A~ELS kann man diese Tatsache nur mit einer an Vitaminen reicheren Nahrung der Mutter im Frfihjahr und im Sommer erkl~ren. Der Umstand, dab mit der ]3esserung der Ern~hrungsverh/ilt- nisse in der GroBstadr die Unterschiede im Geburtsgewicht der Kinder immer geringer wurden, spricht durchaus ffir die Theorie yon ABELS. Ein paralleler Versuch war bereits im Kriege an einem ganzen Volk unabsichtlich angestellt worden. WlDMARK ver- danken wir diese Angaben. In D~nemark ging w~hrend des Krieges mit der Abnahme des Verbrauchs an BButter und Fett die Zahl der Todesffille an angeborener Lebensschw~che sehr stark in die H6he. Die Dfinen tauschten ffir BButter und Fett yon den kriegffihrenden Parteien Gold und Silber ein. Butter ist aber unter den Fetten und 01en am reichsten an Vitamin A. Rahm yon Weidefutterkfihen enth/ilt nicht nur das Vitamin A, sondern auch das Vitamin B und C. Im Rinderfett trifft man vorwiegend das Vitamin A. Im Schwei- nefett ist der Gehalt an Vitamin A schon geringer, dabei mfissen die Tiere aber mit hoher A-Nahrung gefiittert sein. Das Nationalverm6gen der D~nen nahm im Kriege zwar riesig zu, aber die Volkskraft wurde erheblich gesch~digt. Daraus kann man mit aller Deutlichkeit sehen, wie die Land- wirtschaft fiberhaupt ffir jeden Volksk6rper unbedingt lebens- notwendig ist, und wie sich eine iiberspannte, zu kaufm/in- nisch eingestellte Verwertung der wichtigsten landwirtschaft- lichen Erzeugnisse, vor allem der Milch und Milchprodukte, verh/ingnisvoll auswirken kann. Die Erfahrungen yon ABELS beziehen sich auf s~mtliche Vitamine der gew6hnlichen gemischten Kost, die statistischen Nachweise yon WIDMARK auf das wachstumf6rdernde Vita- min A. Dazu kommen noch ]3eobachtungen yon ABELS und 124

über die Bedeutung der Vitamine für die Erste Lebenszeit

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Page 1: über die Bedeutung der Vitamine für die Erste Lebenszeit

KLI N.ISCHE WOCHENSCHRIFT 7. J A H R G A N G Nr. 4z 7. O K T O B E R x928

0BERSICHTEN. UBER DIE BEDEUTUNG DER VITAMINE

FOR D I E ERSTE LEBENSZEIT. Von

Prof . Dr . E. VOGT, Oberarzt der Universit~its-Frauenklinik Tfibingen

(Direktor: Professor Dr. A. MAYER).

Das neugeborene Kind h a t ein Gewicht yon 3000--325 ~ g und eine K6rperl / inge yon 50 cm. Das Kind en twickel t sich im Laufe des ersten Lebensjahres riesig schnell. Die K6rper- l~nge vergr6Bert sich yon 5 ~ auf 75 cm, das Gewicht h e b t sich u m 6000 g. Diese einfachen Zahlen zeigen am besten, wie schnell das Wachstum im Lau/e des ersten Lebens]ahres er]olgt. Das W a c h s t u m kann aber nur un te r der Voraus- se tzung v o n s t a t t e n gehen, dab die Nahrung geni~gend Ndhr- sto/]e und geni~gend Erg4"nzungssto]]e, vor a l lem das Vi t amin A und ]3, besitzt . En t sp rechend mtissen wi t d a m i t rechnen, dab das Vitaminbedfir fnis in der ersten Lebenszei t ungew6hn- l ich groB ist.

Von dieser Tatsache gehen wir aus, wenn wir versuchen, die Bedeu tung der Vi tamine ffir die erste Lebenszei t klar- zustellen. Wir dtirfen wei terhin voraussetzen, dab die En t - wicklung des neugeborenen Kindes, soweit sie von den Vita- minen abh~ngig ist, von zwei Fak to ren b e s t i m m t wird, n~mlich durch den Vitaminbestand, welchen das Kind durch den Nabelschnurkre is lauf yon der Mut te r f ibernommen ha t und mi t auf die Wel t bringt , und auBerdem noch dutch den Vitamingehalt der in den ersten Lebens tagen zugeffihrten Nahrung. Es soll uns daher zuerst die Frage besch/~ftigen, ob nnd wiewei t Vi tamine yon der Mut te r auf den Fe tus fiber- gehen, und ob das Neugeborene tats/ ichlich fiber eine Vi tamin- reserve verf i igt oder allein auf die Vi t aminzufuhr aus der Nah rung angewiesen ist.

Lange Zeit war man nut auJ Tierexperimente angew~esen. KORENSCttEWSKY und M. KARR exper iment ie r t en mi t dem Vitamin A, dem an t ixe roph tha lmischen Erg~nzungsstoff . Versorgt man die mfi t ter l iche Nah rung tr~tchtiger Tiere reichlich mi t Vi t amin A, welches ja das W a c h s t u m f6rder t und daher auch als W a c h s t u m s v i t a m i n angesprochen wird, so br ingen die Jungen auch schon einen gewissen BBestand des Vi tamins A mi t auf die Welt . Diese V i t aminmi tg i f t ~uBert sich vor a l lem darin, dab die Jungen viel widers tandsfghiger sind. Sehr wicht ig ist noch die wei tere Fes ts te l lung der Auto- ten, dab in jedem W u r f mehr Junge zur Wel t kommen.

HESS und UNGER prfif ten das Vitamin C, das Ant i skorbu t - v i tamin . Die Nahrung, welche frei von Vi tamin C ist, ha t e inen ungfinst igen EinfluB auf den Verlauf der Schwanger- schaft. Von 23 Tieren abor t ie r ten 14 . Man land bei den Fe t en ]31utungsherde im Knochenmark und subperiostale Inf i l t ra t ionen.

SGAGLIONE kam zu ganz Ahnlichen Ergebnissen. Er sah bei 23 Tieren I 4 m a l Fehl- oder Fr f ihgebur ten e int re ten. Die Fr f ich te ha t t en ]31utungsherde im Knochenmark und Infil- t r a t ionen un te r dem Periost .

OLOW ern/ ihr te MAuse mi t einer Nahrung, in welcher das Vitamin D fehlte. Die En twick lung der Jungen l i t t da run te r merkl ich. Das Gebur t sgewicht erreichte niemals normale Werte .

Die jf ingsten Arbei ten beziehen sich auf das Fortpflanzungs- vitamin E. Die Tiere bekommen schon yon der Mut te r das Fo r tp f l anzuugsv i t amin E m i t . Die Menge des Vi tamins h/ ingt ganz yon der Nahrung der Mut te r ab. En th / i l t z. ]3. die Nah- rung der Mut te r ]3utter, und dami t das Vi tamin E, so t r i f f t man das Vi t amin E auch bei den neugeborenen Frf ichten. D a m i t er langen die Jungen auch eine ini t ia le F ruch tba rke i t .

Klinische Wochenschrift, 7. Jahrg.

U m g e k e h r t l/iBt sich nachweisen, dab bei V e r a r m u n g der mfi t te r l ichen Nah rung an "Vitamin E, z. ]3. bei F f i t t e rung m i t Speck, der V i t aminbes t and der Jungen en tsprechend ver - m inde r t wurde.

An R a t t e n wurden folgende Versuche gemach t : Man kann R a t t e n m i t einer Kost , welche die Vi tamine A, ]3, C, D, aber n ich t das Vi t amin E enth~lt , sterilisieren. Die Reak t ion der M~nnchen und Weibchen ist aber verschieden. ]3ei den M/innchen a t rophieren die Hoden , dauernde Ster i l i t / i t is t die Folge. Die Weibchen hingegen bewaP, ren ihre Tor t - pflanzungsf/ ihigkeit Sie bleiben befruchtungsf / ih ig ffir nor- male M/innchen. Die Schwangerschaf t ver l~uf t aber n ich t bis zum Ende. Es k o m m t zu einem vorzei t igen Abs te rben der Frf ichte und zu einer sekund~ren in t rau te r inen Resorp- t ion.

Aus den mitgeteilten Tierexperimenten geht hervor, dab der Vitamingehalr der Nahrung der Mut te r die in t rau te r ine E n t - wicklung tier Frf ichte beeinfluBt. Ffir die u A, C, D und E sind im E x p e r i m e n t diese Verh/il tnisse klargestel l t . ]3ei v611igem Ausfallen eines tier genannten Vi tamine wird die Schwangerschaf t gest6rt. Die in t rau te r ine und ex t r au te r ine En twick lung voHzieht sich eben un te r der Vorausse tzung normal , dab die mfi t ter l iche N a h r u n g ein gewisse s O p t i m u m der genann ten Vi tamine enth~lt . Von j edem einzelnen Vita- min muB wenigstens soviel vorhanden sein, daB der Synergis- mus der V i t amine nicht not le idet

Gegenfiber den T ie rexpe r imen ten t r i t t die Zahl der Vita- minstudien am _Mensehen erhebl ich zuriick. Die wenigen Ver- suche aber, die m a n bisher a m Menschen angestel l t hat , sind yon groBer ]3edeutung. ABELS mach te in tier GroBstadt Wien die Wahrnehmung , dab das Gebur t sgewicht der Neugeborenen in der Nachkriegszei t au~fallenden, gesetzm~lMgen Schwan- kungen unterworfen war. Das h6chste Gewicht der Neu- geborenen fiel in die wa rme Jahreszei t . Nach A~ELS kann man diese Ta tsache nur m i t einer an Vi taminen reicheren N a h r u n g der Mut te r im Frf ih jahr und im Sommer erkl~ren. Der Umstand , dab mi t der ]3esserung der Ern~hrungsverh/ i l t - nisse in der GroBstadr die Untersch iede im Gebur t sgewicht der Kinder immer geringer wurden, spr icht durchaus ffir die Theorie yon ABELS.

Ein paral leler Versuch war berei ts im Kriege an einem ganzen Volk unabsicht l ich angeste l l t worden. WlDMARK ver- danken wir diese Angaben. In D~nemark ging w~hrend des Krieges mi t der Abnahme des Verbrauchs an BButter und Fe t t die Zahl der Todesffille an angeborener Lebensschw~che sehr s tark in die H6he. Die Dfinen tausch ten ffir BButter und F e t t yon den kriegffihrenden Pa r t e i en Gold und Silber ein. B u t t e r ist aber unter den F e t t e n und 01en am reichsten an Vi tamin A. R a h m yon Weidefu t te rkf ihen enth/ i l t n ich t nu r das Vi t amin A, sondern auch das Vi t amin B und C. I m Rinder fe t t t r i f f t man vorwiegend das Vi tamin A. I m Schwei- ne fe t t ist der Gehal t an Vi t amin A schon geringer, dabei mfissen die Tiere aber mi t hoher A - N a h r u n g gef i i t ter t sein. Das Na t iona lve rm6gen der D~nen n a h m im Kriege zwar riesig zu, aber die Volkskraf t wurde erheblich gesch~digt. Daraus kann man mi t aller Deut l i chke i t sehen, wie die Land- wir tschaf t f iberhaupt ffir jeden Volksk6rper unbedingt lebens- no twendig ist, und wie sich eine i iberspannte, zu kaufm/in- nisch eingestel l te Verwer tung der wicht igs ten landwir t schaf t - l ichen Erzeugnisse, vor a l lem der Milch und Mi lchproduk te , verh/ ingnisvoll auswirken kann.

Die Er fah rungen yon ABELS beziehen sich auf s~mtl iche Vi tamine der gew6hnl ichen gemisch ten Kost, die s ta t i s t i schen Nachweise yon WIDMARK auf das wachs tumf6rdernde Vita- min A. Dazu k o m m e n noch ]3eobachtungen yon ABELS und

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Page 2: über die Bedeutung der Vitamine für die Erste Lebenszeit

1 9 4 2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

POULSSON t iber das V i t a m i n D. Der Dorsehlebertran ist unter den Fetten und Olen durch einen maximalen Gehalt an Vi tamin A und D ausgezeichnet. ABELS e n t d e c k t e den W e f t der An- r e i che rung de r N a h r u n g de r M u t t e r in de r S c h w a n g e r s c h a f t a n V i t a m i n A u n d D d u r c h Z u f u h r v o n L e b e r t r a n ganz zu- f~llig in fo lgendem Falle . Das e rs te K i n d wog 30oo g, das zwei te 48oo g. W/~hrend der zwei ten S c h w a n g e r s c h a f t f t i h r t e s ich abe r die F r a u wegen eines k M t e n Abscesses t/~glich zwei EB16ffel r o l l L e b e r t r a n zu. Das w a r der einzige U n t e r s c h i e d in de r E r n ~ h r u n g . Die Gr6Benun te r sch i ede der K i n d e r w a r e n ja ganz auBerorden t l i che . Wie wer tvo l l der D o r s c h l e b e r t r a n als V i t a m i n t r ~ g e r ist, geh t aus e iner Mi t t e i l ung yon ZILVA u n d MIURA hervor , welche den V i t a m i n g e h a l t des L e b e r t r a n s gegent iber de r ]3u t te r sogar au f das 2oofache e r r echne t en .

Die ]3eobach t ung yon POVLSSON is t be sonde r s we r tvo l l :

Eine 34j~hr. Frau bekam ihr erstes Kind im Jahre 1912. Das Kind war ausgetragen, lebte und wog 35 ~ g.

2. Kind 1913 ausgetragen, lebt, 275 ~ g. 3. Kind 1915. Die Geburt erfolgte 3 Wochen zu frtih. Das Kind

war 3-- 4 Tage vor der Geburt abgestorben und wog 3000 g. 4. Kind 1916. 2ooo g, 3 Wochen zu frtih, war schon vorher ab-

gestorben. 5. Kind 1918. 6 Tage vor der Geburt abgestorben, kam eine

Woche vor dem normalen Endtermine zur Welt, 2 75 ~ g. 6. Kind 1919. Die Geburt wurde zum erstenmal vorzeitig kiinst~

lich eingeleitet und dadurch ein lebendes Kind yon 2ooo g erzielt. Das Kind war bei der Geburt und spi~ter sehr schwach, wurde aber am Leben erhalten.

7. Kind 192o. In diesem Fall wurde trotz der letzten Erfahrung auf die Einleitung der Geburt verzichtet. Die Fruch t s tarb wieder 8 Tage vor der Geburt ab. Das Kind, welches 2 Wochen zu friih zur Welt kam, wog 275 ~ g.

8. Kind I922. Die Frau nahm 3real t/~glich einen El316ffel Leber- t ran vom 4. Schwangerschaftsmonat ab. Dieses Mal wurde 14 Tage vor dem Endtermin die Schwangerschaft kfinstlich unterbrochen. Auf diese Weise wurde das Kind mi t 325 ~ g gerettet. Das Kind ist v611ig gesund und ha t sich auch normal entwickelt.

9. Geburt 1925. Bereits vom 4. Monat ab nahm die Mutter wieder Lebertran. Die Geburt erfolgte spontan am normalen Ende. Das Gewicht des Kindes betrug 4 5 ~ g. Auch dieses Kind lebt.

W e n n es sieh a u c h v o r e r s t n u t u m e inen Fa l l h a n d e l t , so is t er doch sehr lehrre ieh. Mi t POULSSON dt i r fen wir d a r a u s dell SchluB ziehen, d a b die kf ins t l iche Z u f u h r yon L e b e r t r a n u n d d a m i t y o n V i t a m i n A u n d D wAhrend der S c h w a n g e r - s cha f t die i n t r a u t e r i n e E n t w i c k l u n g de r F r u c h t m/ tch t ig f6r- d e r t u n d a u c h d e m vorze i t igen A b s t e r b e n , w e n n es h a b i t u e l l a u f t r i t t u n d eine e igen t l i che U r s ache sich n i c h t fes t s te l l en t/~Bt, e n t s c h i e d e n v o r b e u g t .

Sehon v o r de r M i t t e i l u n g yon POULSSON w a r e n wir dazu t ibergegangen , der Nahrung der Mutter in der Schwangerschaft das ki~nstlich hergestellte Vi tamin D in Form yon Vigantol zu- zulegen. ]3el den anf/~nglichen Versuchen , bei we lchen das V i g a n t o l n u t w/ ih rend der l e t z t en 3 - - 4 W o c h e n der Schwan- ge r scha f t v e r a b r e i c h t w u r d e -- es h a n d e l t e sich i m m e r u m H a u s s c h w a n g e r e - - s a h e n wir ke ine deu t l i che E i n w i r k u n g auf M u t t e r oder Kind . I n zwei a n d e r e n F~l len freil ich, in welchen das V i g a n t o l v im f r t iher u n d fas t w/~hrend de r ganzen Zei t der S c h w a n g e r s c h a f t e i n g e n o m m e n wurde , g l auben w i t doch, eine ]3eeinf lussung des A l l g e m e i n z u s t a n d e s der M u t t e r u n d des G e b u r t s g e w i c h t s der K i n d e r a n n e h m e n zu di i rfen. Ich ffihre die w ich t i g s t en t~ inzelhei ten der F/ille an.

E i n e 3 6 j~ihr. Zwei tgeb~rende , bei welcher die e rs te Schwan- ge r seha f t d u r c h e inen A b o r t im 3. M o n a t zu E n d e gegangen war, n a h l n yore 4. M o n a t a b wl ih rend de r zwei ten Schwange r - s cha f t 3 rea l t~gl ich eine Vigantoldrag@e zu 4 m g ein. I m 9. M o n a t b e t r u g die Dosis n u r n o c h 2 m a l t/~glich ein Stt ick. Die Schwange re v e r b r a u c h t e i m ganzen m i n d e s t e n s 25 Schach- t eh l zu je 25 St t ick Vigantoldrag@es. D as Kind , welches r ech t - zei t ig s p o n t a n zu r W'elt kam, n a c h d e m die S c h w a n g e r s c h a f t o h n e jede S t 6 r u n g v e r l a u f e n war , wog 3420 g u n d wa r 5 ~ cm lang. Die M u t t e r k o n n t e das K i n d n u r tei lweise st i l len. T r o t z d e m en twicke l t e sieh das K i n d bei de r M i s c h n a h r u n g ganz ausgeze ichne t .

D a wir Ge legenhe i t h a t t e n , die P a t i e n t i n w ~ h r e n d de r Schwange r scha f t , bei de r G e b u r t u n d im W o c h e n b e t t zu be- o b a c h t e n , g e w a n n e n wir m i t der sehr i n t e l l i gen ten P a t i e n t i n

R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . 41 7. OKTOBER 1928

den E i n d r u c k , d a b de r g l a t t e Ver l au f der S c h w a n g e r s c h a f t u n d die gu te E n t w i c k l u n g des K i n d e s h a u p t s ~ c h l i c h d u r c h die V i g a n t o l t h e r a p i e b e d i n g t w o r d e n waren .

I m 2. Fa l le h a n d e l t e es sich u m eine 29j~hr . sehr za r t e Zweitgeb~krende m i t i n f a n t i l e n Ztigen. Das ers te K ind , ein M~dchen , welches v o r 4 J a h r e n a u c h in de r K l in ik zu r W e l t g e k o m m e n war , h a t t e 2720 g gewogen bei e iner L/~nge yon 47,5 cm. Die P a t i e n t i n n a h m wAhrend der l e t z t en 6 W o c h e n de r S c h w a n g e r s c h a f t t~gl ich 4 mg V i g a n t o l (Vigantol61).

Das K i n d w u r d e r ech tze i t i g geboren u n d wog 3500 g u n d wa r 50 cm lang. ] i s en twicke l t e sich a n de r ]3rust r e c h t gut . ' Der V a t e r des Kindes , e in K i n d e r a r z t , f t ih r te die e rheb l i ch s tArkere E n t w i c k l u n g des 2. M~dchens a l le in au f das V i g a n t o l zurt ick.

W i t h a b e n inzwischen a u c h bei S c h w a n g e r e n Versuehe mi t Levurinose, e inem re inen Hefe t roekenpr /~pa ra t d e r F i r m a Chemische F a b r i k ]31aeB & Co. in L i n d a u in ]3ayern anges te l l t . Die Levur inose e n t h M t n a c h den U n t e r s u c h u n g e n yon WEI- CliARDT z ieml iche Mengen yon V i t a m i n ]3 u n d D. N a c h CttlK u n d R o s c o e f t ih r t die T rockenhe fe sowohl den a n t i - n e u r i t i s c h e n An te i l als a u c h den A n t i p e l l a g r a a n t e i l GOLDBER- GERS des V i t a m i n s t3. HESS best~it igt den G e h a l t des Vi t a - m i n s D in der Trockenhefe . Die V e r a b r e i c h u n g yon L e v u r i n o s e b e g a n n e n wir 5 - - 6 W o c h e n vo r de r E n t b i n d u n g . Sie wurde a u c h w ~ h r e n d des K l i n i k a u f e n t h a l t s n a c h der E n t b i n d u n g , der d u r c h s c h n i t t l i c h io Tage be t rug , we i te r fo r tgese tz t . Die I)osis war 3 rea l t~gl ich ein Kaffeel6ffel ro l l . Es gent ig t abe r auch 3 rea l t~gl ich eine Messersp i tze oder noch weniger , d a j a die a k t i v e n S t o f f e schon in m i n i m a l e n Mengen wi rken . W i r n a h m e n an, dab die gleichzei t ige Z u f u h r yon 2 V i t a m i n e n v ie l le ich t doch noch gf inst iger als die Z u f u h r yon d e m Vi ta - m i n D a l le in im Vigan to l wirkt . ]3ei den 4 F r a u e n , welche wir b i she r zu E n d e b e o b a c h t e n k o n n t e n , fiel uns fo lgendes auf :

Die G e w i c h t s z u n a h m e der S c h w a n g e r e n war in den l e t z t en 5 - - 6 Woct len gr6Ber als bei a n d e r n Schwangeren , welche u n t e r dense lben ]3edingungen l e b t e n u n d ke ine L e v u r i n o s e b e k a m e n . Das Gewich t des K i n d e s bei der e inen Ers tgebAren- den b e t r u g 3600 g, bei de r a n d e r n Ers tgeb /~renden 3230 g, bei de r V i e r t g e b ~ r e n d e n 418o g u n d bei der Zwei tgebi~renden 3600 g. S~mt l i che Mt i t t e r k o n n t e n ih re K i n d e r sehr gu t s t i l len. ]3ei den be iden Ers tgeb /~renden g e w a n n e n wir den E i n d r u c k , m e h r k a n n m a n ja n i c h t sagen, d a e i n Vergleichs- w e r t fehl t , d ab die E rg i eb igke i t de r ]3rust besonde r s gu t war . Die K i n d e r e n t w i c k e l t e n sich ausgeze ichne t , die Darmt/~t ig- ke i t wa r no rma l , Ne igung zu Durch f~ l l en b e s t a n d n ich t .

]3est/~tigen sich diese E r f a h r u n g e n t iber die E i n w i r k u n g de r in de r S c h w a n g e r s c h a f t zugef f ih r ten Levur inose auf das K 6 r p e r g e w i c h t der M u t t e r u n d auf die Stillf/~higkeit wel ter , so k 6 n n t e m a n v ie l le ich t diese E i g e n s c h a f t e n der Levur inose a u c h ben t i t zen , u m in den Yg~llen au] gas K6rpergewicht ein- zuwirlcen, bei welchen sich das K6rpergewieht unter dem Standard- gewicht in der Schwangerseha]t halt, i n d e m m a n die b i sher igen re in di /~tet ischen M a B n a h m e n d u r c h gleichzei t ige Verabre i - c h u n g yon Levur inose w i r k s a m u n t e r s t t i t z t , D e m K6rpe r - gewich t in de r S c h w a n g e r s c h a f t s c h e n k t m a n ja sei t den A r b e i t e n yon KLEMPER u n d ZANGEMEISTER eine v im gr6Bere B e a c h t u n g . A m e r i k a n i s c h e A u t o r e n h a b e n sich m i t d ieser F r a g e wieder e ingehend besch/~ftigt. I ch n e n n e n u r HAANAH u n d KERWIN, welehe a u s g e d e h n t e U n t e r s u c h u n g e n anges te l l t h a b e n .

Die L e v u r i n o s e t h e r a p i e in der S c h w a n g e r s c h a f t h a t u n t e r U m s t ~ n d e n n o e h eine wei tere ]3edeutung. S u c h t m a n n a c h den Gr t inden ftir eine ungen t igende G e w i c h t s z u n a h m e in de r Schwange r scha f t , so wi rd m a n gar n i c h t so se l ten auf kon - s f i tu t ione l l e 1E.infltisse stoBen. Unse re ]3eobach tungen be- z iehen s ieh au f F r a u e n , be i we lchen ein gewisses MiBverhMtn i s zwischen de r E n t w i c k l u n g de r F o r t p f l a n z u n g s o r g a n e u n d d e m t ibr igen K 6 r p e r auff~ll t . Die F o r t p f l a n z u n g s o r g a n e s ind a n a t o m i s c h u n d funk t ione i l au f de r H6he , obwohl der Gesamt - o r g a n i s m u s deu t l i che Zeichen de r A s t h e n i e aufweis t . Es i s t woh l ke in Zufall , d a b diese ]3eobaeh tungen bei F r a u e n y o n s c h w a r z e m oder b r t i n e t t e m T y p g e m a c h t wurden . E n t - s p r e c h e n d den b i she r igen A n s e h a u u n g e n begn t ig t en wir u n s bei u n t e r g e w i c h t i g e n S c h w a n g e r e n m i t de r F e s t s t e l l u n g e iner

Page 3: über die Bedeutung der Vitamine für die Erste Lebenszeit

7- OKTOBER I928 K L I N I S C H E W O C H E N S C I I R I F T . 7. J A H R G A N G . Nr. 41 1943

mangelhaften Schwangerschaftsreakfion, welche wohl durctl die Konstitution bedingt ist. Beriicksichtigen wir aber die zahlreichen Beziehungen zwischen Horm0nen und Vitaminen (E. VOGT), so k6nnte hier aber auch eine andere tiefere Ur- sache zugrunde liegen, eine St6rung der Vitaminversorgung des mfitterlichen Organismus. Gerade die T~tigkeit der endokrinen Drfisen, welche ja w~hrend der Schwangerschaft erheblich wachsen, ist yon der Vitaminzufuhr abh~ngig. Vielleicht kommt es durch reichlichere Zufuhr yon Vitamin B und D in der Levurinose zu einer Aufhebung der St6rung der Beziehungen zwischen Hormonen und Vitaminen und damit zu einer vollwertigen Leistung des endokrilien Systems und schliel31ich zu einer Anreicherung der K6rpersubstanz.

Die Frage des Vitamingehaltes in den emteu Zebenstagen ist noch wenig erJorscht. Bei dem neugeborenen Kinde k6nnen wit ja nur feststellen, welche Vitamine mit der Nahrung zu- geffihrt werden. In den tats~chlichen Vitaminbestand un- mit telbar nach der Geburt haben wir hingegen keinen E in blick. Wird das neugeborene Kind nati~rlieh erndhrt, so be- kommt es damit einen erheblicheli ZuschuB yon Vitaminen. Nach W. STEPP enth~lt das Colostrum groBe Mengen yon Vitamin A und B und etwas weniger Vitamin C. Mit dieser Feststellung ist ein neuer Gesichtspunkt~ffir die V~Tichtigkeit der Ern~hrung mit dem Colostrum gewonnen. Bisher wurde ja nur der Salzgehalt des Colostrums, welcher auI den Darm des Neugeborenen einwirkt und die Ausstol3ung des Me- coniums begfinstigt, hervorgehoben und aui3erdem noch der Gehalt an Immunk6rpern. Das Colostrum ist ein ganz idealer Vitamintritger, Berficksichtigen die Geburtshelfer und Kin- derarzte diese neue Tatsache, so wird es nicht mehr vor- kommen, dab das Colostrum abgesprizt und dem Neugeborenen absichtlich vorenthalten wird.

Wird das neugeborene Kind aus irgendeinem Grunde nicht natfirlich ern~hrt, so bekommt es ja Kuhmilch in irgendeiner Zusammensetzung. Der Vitamingehalt h~ngt wieder sehr yon der Ffit terung der Tiere ab. Die Juniffi t terung gew~thr- leistet den h6chsten Vitamingehalt, sehr viel Vitamine A, weniger C und D. Bei der ~ ' interf t i t terung geht der Gehalt an Vitamin A und D erheblich zurfick. C fehlt ganz. Bei der kondensierten oder Trockenmilch sind alle drei Vitamine wieder vertreten, das Vitamin A weniger als bei der Juni- ffitterung, aber mehr wie bei der Winterffitterung. Das Vitamin D ist in derselben Menge vorhanden wie bei der Winterifit terung, das Vitamin C ist auch deutlich nachweis- bar.

Nach diesen Ergebnisseli der Vitaminforschung fiber den Vitamingehalt der Muttermilch und der Kuhmilch ist die Stellung der Milch als die einzige nati'trliche Nahrung in der ersten Lebenszeit noch mehr gesichert. Der Gehalt der Mutter- milch an Vitaminen und der Gehalt der Kuhmilch an Vita- minen h/~ngt in gleicher Weise weitgehend v o n d e r Ern~hrung ab. Ist die natfirliche Ern~hrung nicht durchffihrbar, so ist frische, einwandfreie Rohmilch als Ideal der S~uglings- ern~hrung zu betrachten.

Absichtliche Anreicherung dcr Nahrung des Neugeborenen mit Vitamineli ist auch bereits durchgeffihrt. Die Leber- trantherapie, welche ja groBe Mengen Vitamin A und D zu- ffihrt, wird unmittelbar nach der Geburt kaum angewendet. Nachdem es uns nicht gelungen war, durch Ern~hrung der Mutter in den letzten Wocheli der Schwangerschaft mit Vigantol den Verlauf der Schwangerschaft, das Geburts- gewicht und die Stillf~higkeit zu beeinflussen, entschlossen" wir uns, Neugeborene mit dem ki~nstlich hergestellten Vitamin D, dem Vigantol, zu ffitteril. Die Versuche, der Mutter w~hrend des Stillens Vigantol zu verabreichen, waren aueh gescheitert. Vielleicht h~ngt das aber auch damit zusammen, dab wir die t)'rauen fast alle bereits nach 8--1o Tagen wegen Betten- mangels entlassen muBten. Bei den Vigantolversuchen in der Neugeborenenzeit gingeli wit v o n d e r Annahme aus, dab vielleicht durch die Hinzuffigung yon Vitamin D zu dell schon in der Milch, der Hauptnahrung der Neugeborenen, enthaltenen Vitaminen A, B, C das Mischungsverh/iltnis tier Vitamine noch gfinstiger und damit der Vitaminef~ekt hin- sichtlich des Wachstums noch gr6ger wird. Wit verabreich-

ten das Vitamin D in Form yon Vigantol61: Die tligliche Menge betrug I - - 4 mg, das wir bei ausgetragenen Kindern mit 2 mal 5 Tropfen Vigantol61 eingaben. Bei kleineren Kin- dern mug man mit der Dosis entsprechend zurfickgehen. Handel t es sich um lebensschwache Kinder, so versucht man es zuerst mit einer Probedosis yon I - - 2 Tropfen Vigantol61 am Tage. Am n~chsten Tage wartet man die Reaktion ab und gibt kein Vigantol. Zeigen sich keine St6rungen, so f~thrt man am 3- Tage mit der Verabreichung fort. Wir habeli bis zum I. M~rz 1928 8o Neugeborene auf diese Weise be- handelt. Davon hat ten 15 ein Gewicht yon fiber 3ooo g, 44 ein Gewicht yon 25oo--3ooo g, 19 ein Gewicht yon 2ooo his 25oog, darunter Zwillinge mit 215o und 249o g. Das niedrigste Geburtsgewicht wiesen Zwillinge mit einem Ge- wicht yon 157o g und einem Gewicht yon 162o g auf. 65 Kin- der wurden IIatfirlich erli~hrt. Nur in 15 F~llen mugte Kuh- milch zugefiihrt werden. Die Versuche erstreeken sich auf den Winter 1927/28. Die Auswirkungen der Anreieherung der Nahrung mit dem Vitamin D erbliclcen wir in drei Punkten: Die anf~ngliche physiologische Gewichtsabnahme wurde ver- kleinert, das Geburtsgewicht wurde vie1 schneller erreicht, yon untergewichtigen Kindern bereits am 8. bis io. Tage. Ferner zeigte die Gewichtskurve eine gleichm~Bige Zunahme

a u c h bei den kfinstlich ern~hrten Kindern. In manchen F~lleli ~iuBerte sieh der EinfluB des Vigantols nicht so sehr an der Geburtskurve als vielmehr in dem Allgemeinbefinden. Die Kinder wurden lebhafter und regsamer, so dab man Vigantolkinder oft auf den ersten Blick yon den andern Kin- dern unterscheiden konnte.

Bei der Erkldrung der Vigantolwirkung auf das Gedeihen der Neugeborenen gehen wir yon dem Synergismus der Vita- reline aus. Aus den Experimenten yon FRANK wissen wir ja, dab Korrelationsst6rungen der Vitamine krankhafte Er- scheinungen ausl6sen k6nnen. Es besteht somit die MSglich- keit, dab das kfinstlich zugeftihrte Vitamin D das Mischungs- verh~ltnis der Erg~nzungsstoffe erst in das richtige Gleich- gewicht bringt und damit die Voraussetzungen ffir eine voll- wertige Leistnng der Vitamine schafft. Das Wachstum kaliii sich hierauf unter optimalen Bedingungen vollziehen.

SchlieBlich darf nicht unerw~hnt bleiben, dab das Vi- gantol mit dem antirachitischen Faktor, dem Vitamin D, in den seltenen FMlen, in welchen die Englische Krankhei t angeboren ist, einfach als antirachitischer Faktor bewertet werden kann.

Hier muB noch ein Versuch erw~hnt werden. POULSSON legte bei einem 18 Tage alten Kinde der Mutter Lebertran zu, und sparer reichlich But ter und Milch. Dadurch stieg die Gewichtskurve des Kindes sehnell an.

Uberblicken wir die bisherigen Beobachtungen nnd Ex- perimente am Menschen i~ber die Bedeutung der Vitamine ]i~r die erste JLebenszeit, so zeigt sich, dab dieses Gebiet wohl be- reits fiber einige Grundlagen verftigt, aber noch lange nicht ausgebaut ist. Da abet der Vitaminhaushalt ffir die ersteI1 Tage des extrauterinen Lebens mit dem Beginn des selbst~n- digen Waehstums yon grundlegender Bedeutung ist, sind yon einem Ausbau der Frage allerhand Ergebnisse ffir die Vitamin- forschung und ffir die praktisehe Medizin zu erhoffen.

Ober den gegenwdrtigen Stand der 2"rage soU zum Schlufl eine kurze Zusammen]assung orientieren:

1. Der VitaminbedarJ ist in der ersten Lebenszeit ganz be- sonders grofl.

2. Der Vitaminhaushalt des Neugeborenen ist dadurch ge- sichert, daft er i~ber eine Vitaminreserve, welche das Neugeborene yon der Mutter i~bernommen hat, ver]i'~.gt und auflerdem noch i~ber den Vitamingehalt der in den ersten Lebenstagen zuge]i~hr- ten Milchnahrung.

3. K,anstliche Verarmung der Nahrung der Mutter an den Vitaminen A, B, D und E ]i~hrt im Tierexperiment zu einer StSrung der Schwangerscha]t oder zu einem Zuri~ckbleibeu der Entwiclclung der 2'ri~chte.

4. Anreicherung der Nahrung der Mutter in der Schwanger- scha]t mit Lebertran und dan*it Zu]fehrung der Vitamine A und D begi~nstigt:die intrauterine Entwicklung der 2'rucht und beugt einem habituellen Absterben der Kinder vor.

124"

Page 4: über die Bedeutung der Vitamine für die Erste Lebenszeit

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5. Das Colostrum ist ]i~r das neugeborene Kind ganz be- sonders wertvoll, weil sein Vitamingehalt sogar den der Milch erheblieh i~bertri]Jt.

6. Milch, Butter und Milchprodulcte yon Weidetieren sind bei der Ernghrung des neugeborenen Ki~des zu bevorzugen, well she durch einen maximalen Vitamingehalt ausgezeichnet sin&

7. Zulage yon Vigantol wShrend der ganzen Dauer der SehwangersehaJt oder Zulage yon Levurinose, die reich an Vitamin B und D ist, in den letzten Wochen der Sehwanger- 8chart kann sieh in einer giinstige~ Beein]lussun~ des K6rper-

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gewichts der Mutter, des Geburtsgewiehts des Kindes und der StillJdhigkeit dufiern.

L i t e r a t u r : CHIK und RoscoE, 13iochemic. J. 19z7, Nr 21, 698. -- C. R. HANNAH, Amer. J. Obstetr. 9, 854--863 (1925). -- HEss, Amer. J. reed. Assoc. 89 (1927). -- W. KERWlN, Amer. J. Obstetr . 1I, 473--477 (1926). -- W. KLEMPER, Arch. Gynak. 121, 3. -- \V. STEm" und GY6RGY, Avitaminosen und verwandte Krankheits- zust~nde. Berlin: Julius Springer 1927. - E. VOLT, Mgnch. med. Wschr. 1927, Nr 5o; Med. Klin. 1928, Nr 8--1o; Mfinch. med. VC'schr. I928, Nr 17. -- YV. \VEICHA~DT und H. UNGER, Pharmazeut . Zeitung vom 25. April 1928, Nr. 33.

ORIGINALIEN.

E R G E B N I S S E U N D B E D E U T U N G CHEMISCHER G E W E B S U N T E R S U C H U N G E N F O R DIE

A L T E R N S F O R S C H U N G .

V o n

P r o f . M. B(~RGER u n d G. SCHLOMKA. Aus der Med. Universit~itsklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. A. SCHITTENHELM).

A. Einleitung:

Sinn und Wert chemischer Alternsuntersuehungen. Eine e ingehende K e n n t n i s der A l t e r n s v o r g ~ n g e b e i m

Menschen s che in t n i c h t n u r aus a l lgemeinphys io log i schen , s o n d e r n a u c h aus r e in ~rz t l i chen Gr f inden wf inschenswer t . D e n n e i n m a l s te l l t j a das P r o b l e m des A l t e rn s eines de r G r u n d p r o b l e m e des L e b e n s t i b e r h a u p t dar , i s t also y o n h 6 c h s t e r b io logischer B e d e u t u n g u n d m u g schon d e s h a l b a u e h den A r z t wesen t l i ch in t e r e s s i e r en . Z u d e m a b e t e rweis t i h m die t~gl iche E r f a h r u n g den f i b e r r a g e n d e n Einf luB des A l t e r n s auf den A b l a u f u n d a u c h auf die P rognose e iner g a n z e n Re ihe y o n K r a n k h e i t e n .

Die ~rz t l iche F o r s c h u n g h a t s ich de s ha l b schon se i t l a n g e m m i t der F r a g e des A l t e r n s beschaf t ig t , i n d e m sie e ine rse i t s d u r c h s y s t e m a t i s c h anges te l l t e B e o b a c h t u n g e n de r A l t e r n s e r s c h e i n u n g e n die Semio t ik des m e n s c h l i c h e n Al t e r s zu e inem G e s a m t b i l d a b z u r u n d e n suchte , i n d e m sie a b e r a u c h a n d e r e r s e i t s d u r c h die Ana lyse und d u r c h das E x p e r i m e n t in das W e s e n de r b e o b a c h t e t e n Al te r se r sche i - n u n g e n e i n z u d r i n g e n s t r eb t e . E r s t in neue re r Ze i t s ind m e h r e r e z u s a m m e n f a s s e n d e A r b e i t e n e rsch ienen , welche das I n t e r e s s e des Arz t e s fiir die F r a g e des A l t e rn s b e k u n d e n u n d yon v e r s c h i e d e n e n G e s i c h t s p u n k t e n aus das zu r D a r - s t e l l ung b r ingen , was b i she r auf d e m g e n a n n t e n G e b i e t er- a r b e i t e t i s t u n d den e inze lnen F o r s c h e r n wesen t l i ch e r sche in t . W i r n e n n e n h ie r v o r a l l em die D a r s t e l l u n g v o n L. R. MOLLER f iber die A l t e r s s c h ~ t z u n g b e i m Menschen , das B u c h y o n R. R0SSLE t iber W a c h s t u m u n d A l t e r n u n d die M o n o g r a p h i e yon STEINACH fiber d i e Ver j f ingung .

I m g a n z e n j e d o c h be f r i ed igen die b i she r igen U n t e r - s u c h u n g e n n i c h t r e c h t ; d e n n sie k 6 n n e n ke ine sichere u n d allgemeine Basis geben, v o n d e r aus e in wirk l iches V e r s t e h e n a u c h n u r de r G r u n d p h ~ n o m e n e des A l t e r n s mSgl ich e r sche in t . D e r G r u n d hierff i r ist, a b g e s e h e n yon der Schwie r igke i t de r Mater ie , unse res E r a c h t e n s z u m Tei l doch wohl in de r A r t de r b i she r igen F o r s c h u n g s r i c h t u n g zu s u c h e n : Ganz allge- m e i n k a n n m a n die ~trztliche A l t e r n s f o r s c h u n g e in te i l en in zwei H a u p t a r t e n : E r s t e n s in e ine solche, welche d u t c h die Analyse der alternsverginderten Organe oder Gewebe e inen E i n b l i c k in die z u g r u n d e l i egenden VerhMtn i s se zu g e w i n n e n such t , u n d die w i t h i e r d e s h a l b (in gewissem Sinne) als statische A l t e r n s f o r s c h u n g b e z e i c h n e n m 6 c h t e n ; zwei tens in e ine solche, die den e r k e n n b a r e n A n d e r u n g e n der Leistungs - :Mhiglceit des O r g a n i s m u s i m w e i t e s t e n S inne n a c h g e h t u n d speziel l a u c h den R e g u l a t i o n s m e c h a n i s m u s se iner Le i s tungs - f~h igke i t in den v e r s c h i e d e n e n L e b e n s s t u f e n z u m Tel l m i t Hilfe des E x p e r i m e n t e s s tud ie r t , u n d die wir h ie r als dyna- misehe A l t e r n s f o r s c h u n g b e z e i c h n e n m 6 c h t e n .

W e n n a u e h v ie l le ich t ge rade ifir den f i rz t l ichen U n t e r - suche r diese zwei te F o r s c h u n g s r i c h t u n g die re izvol le re

sche inen mag, so i s t doch Mar, dab sie gesicherte Kenntnisse und eine Einsicht weuigstens in die wesentliehen ,,statischen" Alternserscheinungen i i i r ein wirk l iches V e r s t e h e n de r beob- a c h t e t e n W a n d l u n g e n de r Le i s tungs f~h igke i t u n d ver - ~ n d e r t e n 1Reaktionsweise des a l t e r n d e n O r g a n i s m u s zu r Voraussetzung ha t . Diese r H inwe i s s che in t u m so wicht iger , als ge rade zur Ze i t e ine A r t yon , , d y n a m i s c h e r " A l t e rns - t o r s c h u n g p r o p a g i e r t wird, die in F o r m de r Leh re yon de r sog. , ,Ver j f ingung" die bis d a h i n gfiltige A n s c h a u u n g yon de r Unabdnderlichkeit der Al t e rnsp rozesse e r s ch f i t t e rn will. An- de re r se i t s h a t demgegen i ibe r die b i sher ige ,,statische" Al te rns - f o r s chung a n e i n e m groBen Mange l g e k r a n k t , i n d e m sie -- bis auf ganz ve r e inze l t e A u s n a h m e n (RUBNER) -- s ich einseitig f a s t ausschl ieBl ich de r h i s to log i schen M e t h o d e bed ien te . E i n e eigentliche ,,statische" AlternsJorschung, die sieh mit der wechselnder~ chemischen Zusammensetzung der Gewebe in den verschledenen AltersstuJen beschdi]tigt, gibt es dagegen au]]allenderweise noch gar nicht, ja, i s t unse res Wissens b i she r systematisch f i b e r h a u p t n i c h t v e r s u c h t worden. U n d doch i s t e ine solche schon re in als Grundlage Ji~r die Bewertung der b i she r igen V e r f a h r e n wf inschenswer t u n d no twend ig . D e n n ge rade die chemlsche A l t e r n s f o r s c h u n g sche in t uns geeignet , e ine b r e i t e r e u n d s icherere B a s i s zu geben tfir eine v e r t i e f t e A u f f a s s u n g de r Al t e rnsvorg~nge , speziell a m hoch - d i f f e r enz i e r t en T ie ro rgan i smus , als es b i she r m6gl ich war . Z u d e m g l a u b e n wir, dab b e s o n d e r s eine e i n g e h e n d e r e K e n n t - nis der W a n d l u n g e n der chemischen S t r u k t u r der Organe u n d Gewebe in den v e r s c h i e d e n e n A l t e r n a u c h f r u c h t b a r sein wi rd ffir das Vers t~tndnis e iner Re ihe v o n Vorg~tngen krankha]ter A r t in i h r e m w e c h s e l n d e n A b l a u f in den e inze lnen Al te r s s tu fen .

B. Methodik und Material unserer chemischen Alternsunter- suchungem

Vor die A u f g a b e gestel l t , die phys io log i schen W a n d l u n g e n der G e w e b s s t r u k t u r des O r g a n i s m u s in den v e r s c h i e d e n e n A l t e r s s t u f e n m i t den M e t h o d e n de r chemischen Analyse zu verfo lgen, e rgeben sich yon v o r n h e r e i n eine Re ihe y o n Schwie r igke i t en ~ul3erer Ar t . D e r a r t i g e U n t e r s u c h u n g e n sind, sowei t sie den M e n s c h e n be t re f fen , angewiesen auf das M a t e r i a l de r p a t h o l o g i s c h e n I n s t i t u t e . Es i s t ohne wei te res ers icht l ich , d a b die Zuf~tlligkeiten der z u m Tode f f ih renden E r k r a n k u n g e n m i t i h r e m w e e h s e l n d e n Einf luB auf die S tof fwechse l lage u n d d a m i t auf die chemische Zu- s a m m e n s e t z u n g de r Organe u n d Gewebe die g e s u c h t e n Gese tzm~Bigke i t en a l t e r s g e b u n d e n e r W a n d l u n g e n de r chemi- schen G e w e b s s t r u k t u r h~uf ig ve r sch l e i e rn oder gar his zn r " U n k e n n t l i c h k e i t e n t s t e l l e n k6nnen . Se lbs t d a n n abet , w e n n K r a n k h e i t e n als Todesu r sache ausgeschlossen werden , u n d t i e r i sches Ma te r i a l ffir die U n t e r s u c h u n g e n h e r a n g e z o g e n wird, s ind schon die ve r sch iedenen , an den normalen B e t r i e b s - s tof fwechsel geknf ip f t en c h e m i s c h e n Zus t ands~ inde rungen de r a n i h m be t e i l i g t en Gewebe bzw. Organe geeignet , die ge- s u c h t e n e h e m i s c h e n Al te rnsgese tzmABigke i t en zu ve rwischen* .

W'ir h a b e n uns d a h e r yon v o r n h e r e i n die A u f g a b e so ge- s tel l t , zun~ichst n u r solche Gewebe der c h e m i s c h e n Al t e rns - ana lyse zu un t e rwe r f en , die a m Be t r i ebss to f fweehse l des

* Hierin miissen wir den Grund sehen, weshalb EHRENBERG bei seinen chemischen Alternsuntersuchungen von Leber, Gehirn und ganzen Tierk6rpern keine eindeutigen und klaren Resultate erhalten konnte.