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(Aus der Univ.-Hau~klinik Breslau. -- Prof. Dr. Jadassohn.) ~ber die Hiiutigkeit des Vorkommens yon Streptokokken gut normaler Haut. Voll Dr. Paul Jordan. (Eingegangen am 3. September 1929.) Die H~ufigkeit des Vorkommens der Streptokokken auf gesunder Itaut ist flit die Diskussion der Pathogenese der Pyodermien 1 naeh zwei Richtungen yon Bedeutung: erstens fiir dig Frage, welche Eiter- kokken die entseheidende golle spielen, und zweitens, woher dig be- treffenden Erreger stammen. Die zur Zeit vertretene Meinung geht dahin, dab Streptokokken auI normaler Haut wohl vorkommen k6nnen, jedoch nut bei einer, ver- sehieden hoch angenommenen, Minderzahl der Menschen. Dutch den hierin zum Ausdruck gelangenden Gegensatz zum Ver- halten der stets in grol~er Zahl vorhandenen Staphylokokken laBt man sich bei der Beurteilung der pathogenetischen Bedeutung der Strepto- kokken zweifellos beeinflussen. Man ist versucht, aus dem unter nor- malen Verhaltnissen selteneren Vorkommen sieherere 8ehlfisse auf ihre Pathogenit~t im einzelnen Fall zu ziehen. Die Flora der normalen Haut ist sehr oft untersucht ~ und in mehreren Arbeiten ist auch speziell auf Streptokokken geachtet worden. In den ersten Untersuehungen (Scholtz und Raab, Veillon, Wigura), die durch die Mitteilungen Gilchrists 3) und Sabouraud84 fiber das hi~ufige Vorkommen der Kettenkokken bei Hautkrankheiten angeregt worden waren, wird einerseits die Tatsache des Vorhandenseins yon Streptokokken aueh auf normMer ttaut fest- gestellt, andererseits die Seltenheit dieses Befundes -- auf Grund yon Stich- proben -- betont. Die erste systematische Untersuehung stammt aus der Berner Klinik Jadas- sohns und ist yon Fr~dgric (1901). Es folgten Flehme (1920) aus der Klinik Herx- 1 H. Haxthausen, Streptocoeeies ~pidermiques. Ann. de Dermat. 8, 201 (1927). -- J. Jadassohn, ~lber Pyodermien. 1912. -- R. Sabouraud, Pyodermites st ecz4mas. 1928. 2 Dis i~ltere Litera~ur ist bei Marko/f ausftihrlieh wiedergegeben. a j. of cutan, and urin. diseases 1~, 526 (1899). 4 Ann. de ])ermat. 1, 62 (1900).

Über die Häufigkeit des Vorkommens von Streptokokken auf normaler Haut

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Page 1: Über die Häufigkeit des Vorkommens von Streptokokken auf normaler Haut

(Aus der Univ.-Hau~klinik Breslau. - - Prof. Dr. Jadassohn.)

~ber die Hiiutigkeit des Vorkommens yon Streptokokken gut normaler Haut.

Voll

Dr. Paul Jordan.

(Eingegangen am 3. September 1929.)

Die H~ufigkeit des Vorkommens der S t r e p t o k o k k e n auf gesunder I t a u t is t fl i t die Diskuss ion der Pa thogenese der P y o d e r m i e n 1 naeh zwei R ich tungen yon Bedeu tung : ers tens fiir dig Frage , welche Ei te r - kokken die en tsehe idende g o l l e spielen, und zweitens, woher dig be- t re f fenden Erreger s tammen.

Die zur Zei t ve r t r e t ene Meinung geht dahin , dab S t r e p tokokke n auI no rma le r H a u t wohl v o r k o m m e n k6nnen, j edoch n u t bei einer, ver- sehieden hoch angenommenen , Minderzahl der Menschen.

Du tch den hier in zum Ausdruck ge langenden Gegensatz zum Ver- ha l t en der s te ts in grol~er Zahl vo rhandenen S t a p h y l o k o k k e n laBt m a n sich bei der Beur te i lung der pa thogene t i schen Bedeu tung der S t rep to- kokken zweifellos beeinflussen. Man is t versucht , aus dem un te r nor- ma len Verhal tn issen sel teneren Vorkommen sieherere 8ehlfisse auf ihre Pa thogen i t~ t im einzelnen F a l l zu ziehen.

Die F l o r a der normalen H a u t is t sehr oft un te r such t ~ und in mehreren Arbe i t en is t auch speziell auf S t r ep tokokk e n geach te t worden.

In den ersten Untersuehungen (Scholtz und Raab, Veillon, Wigura), die durch die Mitteilungen Gilchrists 3) und Sabouraud84 fiber das hi~ufige Vorkommen der Kettenkokken bei Hautkrankheiten angeregt worden waren, wird einerseits die Tatsache des Vorhandenseins yon Streptokokken aueh auf normMer t taut fest- gestellt, andererseits die Seltenheit dieses Befundes - - auf Grund yon Stich- proben - - betont.

Die erste systematische Untersuehung stammt aus der Berner Klinik Jadas- sohns und ist yon Fr~dgric (1901). Es folgten Flehme (1920) aus der Klinik Herx-

1 H. Haxthausen, Streptocoeeies ~pidermiques. Ann. de Dermat. 8, 201 (1927). - - J. Jadassohn, ~lber Pyodermien. 1912. - - R. Sabouraud, Pyodermites st ecz4mas. 1928.

2 Dis i~ltere Litera~ur ist bei Marko/f ausftihrlieh wiedergegeben. a j . of cutan, and urin. diseases 1~, 526 (1899). 4 Ann. de ])ermat. 1, 62 (1900).

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heime~, Haxthausen (1927) and Photinos (1927), Schiller Milians. In allen diesen Arbeiten wurde versucht, die H~ufigkeit der Kettenkokken auf normaler Haut zahlenmaNg festzulegen. Die gefundenen Werte liegen zwischen 7,5 und 64 posi- riven Fallen auf 100.

tZrdddric land . . . . . . . . . + 7,5 % der untersuchten 160 Stellen Flehme . . . . . . . . . . . 15,0 % . . . . 80 F~lle Haxthausen . . . . . . . . . 7,7% . . . . 92 ,, Photinos . . . . . . . . . . . 64,0% . . . . 50 ,,

Die Autoren haben sich sehr verschiedener Ztichtungsverfahren bedient (Blutagar, Pipettenkultur nach Gri]/on-Balzer-Sabouraud mit Ascites oder [nach Walthard] mit l proz. Traubenzuckerbouillon und Krystallviolettbouillon nach Haxthctusen), und aueh bei der Auswahl des Materials, der Mensehen mi~ ,,gesunder Haut", haben naturgem/~B subjektive Gesichtspunkte geherrscht.

Es galt daher die anzuwendende Methode rnit den fibliehen anderen auf ihre Ergiebigkeit zu vergleichen und das untersuehte Material genauer zu eharakterisieren. Die Beriieksiehtigung dieser beiden Fak- toren war urn so notwendiger, als - - gerade in jiingster Zeit -- von H a x t h a u s e n eine neue Kulturmethode fiir Streptokokken ausgearbeitet worden ist, wghrend Phot inos auf die anamnestischen Angaben der yon ihrn Untersuehten Wert legt und besonders auf durehgernachte Pyoder- mien und auf den Urnstand aehtet, wie welt die betreffende Person der Gefahr einer InIekt ion rnit den banalen Eitererregern ausgesetzt war.

Seine positiven F/~lle erklart Photinos durch frfiher durehgemach~e S~aphylo- dermien, die das Auftreten auch yon Streptokokken begiinstigen sollen, and dutch den Beruf der Untersueh~en, die s/~mglieh im Krankenhaus tatig waren.

Die Menge des zur Verirnpfnng gelangenden Materials spielt bekannt- lich bei bakteriologisehen Untersuchungen eine bedeutungsvolle Rolle, sobald die Zahl der vorhandenen Bakterien klein ist. Die Neigung der itugerlieh Ms gesund zu bezeiehnenden Hau t zurn Sehuppen ist ferner sowohl individuell, wie regioni~r augerordentlieh versehieden. Beim Versueh, Sehuppen zu entnehmen, stO/tt man h~ufig genug auf wenig ergiebige Stellen.

Um die Frage zn entseheiden, ob fiberhaupt Streptokokken auf normaler Hau t vorkomrnen, ersehien es daher nieht ausreiehend, wie bisher, die kulturelle Ausbeute des Sehuppenrnaterials yon zwar gleich- grogen, jedoeh an sieh kleinen Hautbezirken rniteinander zu ve@eichen. Es war erforderlieh, rn6gliehst groBe Hautgebiete yon verschiedenen K6rpergegenden zu untersuehen.

Man konnte erwarten, dal3, je rnehr Hautstellen man untersucht, und je gr613er diese sind, desto reieher die Irnpfausbeute sein diirfte. Bereits tVrdd~rie, dessert Arbeit dureh die vorliegende ausgebaut wird, hat die Verrnutung ansgesproehen, dal3 die Entnahrne gr6gerer Mengen yon Material ein h~ufigeres Vorkornrnen yon Streptokokken auf norrnaler Hau t ergeben wiirde.

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Material. Eigene Untersuchungen wurden ausgef i ihr t an 150, in 3 Gruppen e ingete i l ten Personen, be i denen das I m p f m a t e r i a l s te ts yon 6 versehiedenen, e twa ta lergroBen t I au t s t e l l e n (Nas01abial- und g e t r o - aur iku la rgegend , Aehselh6hle, St reeksei te des U n t e r a r m s und Unter - sehenkels, Ri ieken) e n t n o m m e n wurde. W e n n die Un{ersuehung dieser Stel len nega t iv ausfiel, wurde sie auf gr613ere Gebiete des Ri iekens und der Gl iedmaSen ausgedehnt .

Die 1. Gruppe umf~Bt 30 im September und Oktober untersnehte Patienten, die an Gonorrh6e lit.ten, und bei denen die Kulturen am Tage der Aufnahme (vet dem Bade) angelegt wurden. Diese Patien~en waren so ausgew/~hlt, dab sie keinerlei ttauterseheinungen, insbesondere keine troekene Seborrh6e batten, und deren be- stimmte Versicherung, hie eine }tautkrankheit, speziell hie wesentliche Pyodermien gehabg zu haben, Glauben zu verdienen s e h i e n . - Im Dezember kamen weitere 100 Pagienten ~ns den Polikliniken und yon den Stationen zur Untersuehung (Gruppe 2), die ebenfalls keine I-Iau%erseheinungen boten, deren anamnestisehe Anggben jedoeh unsieher waren, und unter denen sioh 1~ befanden, die frfiher Furunkel gehabt hatten. - - Die 3. Gruppe wurde im Februar bearbeitet und bestgnd ans 20, naeh den gleichen Gesiehtspunkten wie Gruppe I ausgesuehten Patienten.

Es wurden alle Altersstufen veto 1.--70. Lebensjahr berfieksichtigt. Aller- dings geh6rt die Nehrzahl der Falle den mittleren Jahrgangen an, fiir das Greisen- und frfihe Kindesalter korm~en nur einzelne Stiehproben gemacht werden. Manner und Frauen waren etwa gleiehmagig vertreten,

Methodik. Die oben aufgez~hlten I~autstellen wurden mit ausgekoehtem Skalpell gesehabt und die gewonnenen Sehuppen auf Krystallviolettbouillon in den Konzentr~tionen I : I00000, 1 : 200000 und 1 : 500000 (in R6hrehen and Pipetten) und auf Aseites und l proz. Traubenzuekerbouillon (in Pipetten) verimpft 1.

Es wurde aueh versucht, dutch 24 Stunden lange Maceration yon J:Iau~s~ellen mit KoehsMzkompressen eine Anreieherung etwa vorhandener Kold~en zu er- zielen, jedoeh wurde ihr Naehweis an~ diese Weise eher ersehwert.

Erffebnisse. Bei i48 yon den un t e r sueh ten 150 Mensehen f~nden sieh S t r ep tokokken auf der normMen lff~ut, I n 2 Fgl len gel~ng der Naeh- weis n ieh t ; der eine Pa t i en t w u r d e entlassen, bevor die ers t nega t iv ausgefal lene Un te r suehung wiederhol t werden konnte , und bei dem zweiten, e inem 6 Monate Mten Kinde , war es n ieh t m6glich, Sehuppen in ausre iehender Menge zu erhal ten .

I n 39 F~l len waren S t repgokokken gleieh be im ers ten K u l t u r v e r s u e h gewaehsen und zwar haupts~ehl ieh ans den v o m i~iieken u n d yon den ExtremitS, ten, ganz sel ten aus den y o n den Aehseln, egwas hgufiger ans den vom Gesicht en~nommenen Schuppen.

I n den fibrigen 109 F~l len wurden die Keg tenkokken ers t be i Ver- wendung gr6gerer Mate r iMmengen und zahlre icherer Glgsehen gefunden.

Bei K i n d e r n bis zum 5. J a h r e maeh te der Naehweis mehr Mfihe, als bei Erwaehsenen oder ~l teren Kindern . Das j t ingste Kind , yon dem S t r ep tokokken gezfiehtet werden konnten , war 1 J a h r al t . I m fibrigen

t Genaue Angaben fiber die Teehnik linden sich bei Frgd~ric und Haxthausen.

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machte sich jedoch ein EinfluB yon Alter und Geschlecht auf den Kokken- Reichtum der Haut nicht bemerkbar. Ebensowenig zeigten sich quantitative Schwankungen in den einzelnen Monarch.

ttinsichtlich der regiongren Unterschiede wurde bereits erw~hnt, daB die Streptokokken welt h~ufiger am Rticken, als in den Achseln oder im Gesicht vorkamen. Im Gegensatz dazu haben Frederic in den AchselhShlen und Photinos im Gesicht die meisten Streptokokken ge- funden. Ein~ Gesetzm~Bigkeit scheint bier nicht zu bestehen.

Sehr wahrscheinlich ist es, dab Beziehungen zwischen der St~rke der Abschilferung der Haut und der Menge der Kettenkokken bestehen, indem vielleicht die Kokken, wenn sie sich angesiedelt haben, die Haut reizen. MSglich w~re jedoeh auch, dab erst stgrkere Schuppung giinstige Waehstmnsbedingungen fiir die Streptokokken schafft.

Die rund 1000 angelegten Kulturen erlauben endlieh ein Urteil darfiber, welches yon den beiden angewandten Zfichtungsverfahren den Vorzug verdient. Die Impfausbeute nach der Methode yon Haxthausen blieb um etwa 30% hinter der nach Gri//on-Balzer-Sabouraud zurfick. Damit wird eine bereits yon Haxthausen selbst ausgesprochene Vet- mutung bestg.tigt, dab die Kultur nach Sabouraud fiir den Nachweis sp~rlich vorhandener Streptokokken die Methode der Wahl ist.

Zusammen/assung. Entgegen der meist vertretenen Ansicht, nach welcher nur bei hSchstens 15 % der Mensehen auf normaler Haut Strepto- kokken vorkommen, wurde gefunden, daI3, bei Verwendung geniigender Mengen yon Impfmaterial, mit dem Ziichtungsverfahren yon Gri//on- Balzer-Sabouraud grundsditzlich bei jedem Menschen Streptolcolcken nach- zuweisen sind.

Literatur. Flehme, E., Zur Entstehung der Impetigo, Dermat. Z. 31, 111 (1920). - -

Frddgric, J., Zur Ekzemfrage, Mtinch. reed. Wschr. 48, 1484 (1901). - - Haxt- hausen, H., Les streptocoecies 4pidermiques gtudiges par une nouvelle mdthode de culture, Ann. de Dermal. 8, 201 (1927). Marko//, G. I., Russ. Inaug.-Diss. 1894, l~ef. Zbl. Bakter. 20, 604 (1896). - - Photinos, M. Th., Le streptocoque de la peau normale, Bull. Soe. franc. Dermat. 34, 494 (1927). - - Scholtz et Raab, Reeherches sur la nature parasitaire de l'eezgma et de l'impe~igo contagiosa, Ann. de Dermat. 1, 409 (1900). - - Veillon, A., geeherehes baetgriologiques sur reczgma, Ann. de Dermat. 1, 683 (1900). - - Wigura, Wratsch 1895, Ref. Zbl. Bakter. 17, 898 (1895).