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W. Koehn et al.: Plastizitfit des vestibulo-ocul/iren Reflexes 633 K.-F. Hamann (Miinchen), Schluliwort: Zu Herrn Reicke: Wir haben keine Patienten mit bekanntem H6henschwindel untersueht. Allerdings wird eine andere Technik verwandt, die ein fihnliches Phfinomen benutzt. Mit der Sehfeldstabilisierung kommt wie beim H6henschwindel kein ,,retinal slip", also keine erkennbare Objektverschiebung auf der Netzhaut zustande und ffihrt zu K6rperdestabilisierungen. - Zu Herrn Stoll: An einigen Versuchspersonen und Patienten ist ein ,,feed back" benutzt worden. Das Posturogramm wird auf einen Leuchtschirm projiziert und so die M6glichkeit gegeben, die K6rperschwankungen unter visueller Kontrolle so gering wie m6glich zu halten, was den meisten Untersuchten gelingt. - Zu Herrn Scherer: Es ist bisher nicht gelungen, mit den hier dargestellten Methoden Simulanten zu entlarven. Andererseits fiel auf, dab Versuchs- personen, die aufgefordert worden waren, spontane Destabilisierungen zu liefern, im Frequenz- spektrum eine Frequenz bevorzugen, die um 0,5 Hz lag. 56. W. Koehn, H. A. Jenkins (a. G.), V. Honrubia (a. G.) (Hamburg/Los Angeles): 0ber die Piastizifiit des vestibulo-ocul~iren Reflexes des Kanin- chens* On the Plasticity of the Vestibulo-Ocular Reflex in Rabbits Summary. To investigate the cause for the plasticity of the Vestibulo-Ocular Reflex (VOR) in rabbits six animals underwent an 8 h lasting vestibular, visual-vestibular and visual testing and the VOR was measured hourly. The maximum velocity of the slow nystagmus component was used as criteria. The VOR increased after visual and visual-vestibular and decreased after vestibular stimulation. With one eye seeing in the optokinetic test the VOR increased when the stimulus moved in the temporo-nasal direction of the visual field. These results indicate that the visual system causes the plastic changes of the VOR after long term stimulation. Znsammenfassung. Um die Ursachen der Plastizitfit des vestibulo-oculfiren Reflexes (VOR) des Kaninchens zu erforschen, wurden sechs Tiere 8 h lang vestibulfir, visuell-vestibulfir und visuell stimuliert, und der VOR wurde stfindlich gemessen. Als Kriterium diente die maximale Geschwindigkeit der langsamen Nystagmuskomponente. Nach visuell-vestibulfirer und visueller Stimulation kam es zur Intensivierung, nach vestibulfirer Stimulation zur Abschwfichung des VOR. Bei einfiugigem optokinetischen Stimulus in temporo-nasaler Blickfeldrichtung vergr6gerte sich der VOR. Diese Ergebnisse zeigen, dab das visuelle System f/ir die plastischen Verfinde- rungen des VOR nach Langzeitstimulation verantwortlich ist. Es ist schon an Katzen, Rhesusaffen und Menschen gezeigt worden, dab der vestibulo-oculfire Reflex (VOR) mit Vergr6gerungsglgsern bzw. mit den Blick verkehrenden Prismen vergr613ert bzw. verkleinert werden kann [1-7]. In dieser Arbeit sollen die Ursachen der Verfinderbarkeit des VOR beim Kaninchen untersucht werden. Hierzu wurden sechs normale Kaninchen drei verschiedenen Tests unter- zogen: 1. Durch Rotation des Kaninchens im Dunkeln wurde das vestibulfire * Diese Arbeit wurde unter der Leitung von Prof. Vicente Honrubia an der UCLA School of Medicine in Los Angeles durchgefiihrt

Über die Plastizität des vestibulo-oculären Reflexes des Kaninchens

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Page 1: Über die Plastizität des vestibulo-oculären Reflexes des Kaninchens

W. Koehn et al.: Plastizitfit des vestibulo-ocul/iren Reflexes 633

K.-F. Hamann (Miinchen), Schluliwort: Zu Herrn Reicke: Wir haben keine Patienten mit bekanntem H6henschwindel untersueht. Allerdings wird eine andere Technik verwandt, die ein fihnliches Phfinomen benutzt. Mit der Sehfeldstabilisierung kommt wie beim H6henschwindel kein ,,retinal slip", also keine erkennbare Objektverschiebung auf der Netzhaut zustande und ffihrt zu K6rperdestabilisierungen. - Zu Herrn Stoll: An einigen Versuchspersonen und Patienten ist ein ,,feed back" benutzt worden. Das Posturogramm wird auf einen Leuchtschirm projiziert und so die M6glichkeit gegeben, die K6rperschwankungen unter visueller Kontrolle so gering wie m6glich zu halten, was den meisten Untersuchten gelingt. - Zu Herrn Scherer: Es ist bisher nicht gelungen, mit den hier dargestellten Methoden Simulanten zu entlarven. Andererseits fiel auf, dab Versuchs- personen, die aufgefordert worden waren, spontane Destabilisierungen zu liefern, im Frequenz- spektrum eine Frequenz bevorzugen, die um 0,5 Hz lag.

56. W. Koehn, H. A. Jenkins (a. G.), V. Honrubia (a. G.) (Hamburg/Los Angeles): 0ber die Piastizifiit des vestibulo-ocul~iren Reflexes des Kanin- chens*

On the Plasticity of the Vestibulo-Ocular Reflex in Rabbits

Summary. To investigate the cause for the plasticity of the Vestibulo-Ocular Reflex (VOR) in rabbits six animals underwent an 8 h lasting vestibular, visual-vestibular and visual testing and the VOR was measured hourly. The maximum velocity of the slow nystagmus component was used as criteria. The VOR increased after visual and visual-vestibular and decreased after vestibular stimulation. With one eye seeing in the optokinetic test the VOR increased when the stimulus moved in the temporo-nasal direction of the visual field. These results indicate that the visual system causes the plastic changes of the VOR after long term stimulation.

Znsammenfassung. Um die Ursachen der Plastizitfit des vestibulo-oculfiren Reflexes (VOR) des Kaninchens zu erforschen, wurden sechs Tiere 8 h lang vestibulfir, visuell-vestibulfir und visuell stimuliert, und der VOR wurde stfindlich gemessen. Als Kriterium diente die maximale Geschwindigkeit der langsamen Nystagmuskomponente. Nach visuell-vestibulfirer und visueller Stimulation kam es zur Intensivierung, nach vestibulfirer Stimulation zur Abschwfichung des VOR. Bei einfiugigem optokinetischen Stimulus in temporo-nasaler Blickfeldrichtung vergr6gerte sich der VOR. Diese Ergebnisse zeigen, dab das visuelle System f/ir die plastischen Verfinde- rungen des VOR nach Langzeitstimulation verantwortlich ist.

Es ist schon an Katzen, Rhesusaffen und Menschen gezeigt worden, dab der vestibulo-oculfire Reflex (VOR) mit Vergr6gerungsglgsern bzw. mit den Blick verkehrenden Prismen vergr613ert bzw. verkleinert werden kann [1-7]. In dieser Arbeit sollen die Ursachen der Verfinderbarkeit des VOR beim Kaninchen untersucht werden.

Hierzu wurden sechs normale Kaninchen drei verschiedenen Tests unter- zogen: 1. Durch Rotation des Kaninchens im Dunkeln wurde das vestibulfire

* Diese Arbeit wurde unter der Leitung von Prof. Vicente Honrubia an der UCLA School of Medicine in Los Angeles durchgefiihrt

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634 W. Koehn et al.

System stimuliert und der VOR ausgel6st. 2. Durch Rotation des Kaninchens im Hellen wurden das vestibul~ire und das visuelle System stimuliert und der visuell-vestibulo-ocul~ire Reflex ausgel6st (VVOR). 3. Das visuelle System wurde durch die Rotation einer optokinetischen Trommel mit vertikalen Streifen um ein station~ires Kaninchen stimuliert und so der opto-kinetische Reflex (OKR) ausgel6st. Diese Versuchsanordnung erlaubt die getrennte Beurteilung des vestibul~iren (VOR), des visuell-vestibul~iren (VVOR) und des visuellen (OKR) Stimulus. Die maximale Stimulusgeschwindigkeit betrug 30 Grad/s bei sinusoidaler Rotation und bei 0.01 Hz. Der Test dauerte 8 h, der VOR wurde stiJndlich (nach VVOR-Stimulation durch Verdunkeln und sinusoidale Rotation des Kaninchens) gemessen. Bei diesen Untersuchungen wurde das Tier auf einen Drehtisch fixiert, die Augenbewegungen wurden mittels eines Skleradrahtes [8] abgeleitet und die Daten mit einem PDP 11/15 Computer analysiert [9]. Als Kriterium galt die maximale Geschwindigkeit der langsamen Nystagmuskomponente. Diese wird als relative Geschwindigkeit (rG) oder als gain dargestellt, definiert als die maximale Geschwindigkeit der langsamen Nystagmuskomponente dividiert durch die maximale Stimulusge- schwindigkeit. Zur Verdeutlichung wurde die logarithmische Darstellungsform gew~ihlt.

Ergebnisse

1. Nach Langzeitrotation des Kaninchens im Dunkeln (VOR) verkleinert sich der VOR in beide Richtungen signifikant, nach links p < 0,05, nach rechts p < 0,01.

2. Nach Langzeitrotation des Kaninchens im Hellen (VVOR) vergr613ert sich der VOR signifikant in beide Richtungen, p < 0,05.

3. Nach optokinetischer (= visueller) Langzeitstimulation (OKR) vergr6- Bert sich der VOR in beide Richtungen signifikant, p < 0,01 (Abb. 1).

Diese Ergebnisse sprechen daffir, dab die Intensivierung des VOR dutch den visuellen und nicht durch den vestibul~iren Stimulus verursacht wird.

Zur Untermauerung dieser Ergebnisse wurden zus~itzliche Experimente gemacht. Es ist bekannt, dab die Sensibilit~it der Kaninchenretina fffr Bewegung in die naso-temporale Richtung des Blickfeldes weniger ausgebildet ist als fiJr Bewegung in die temporo-nasale Richtung. Hierauf basierend fiihrten wir eine monovisuelle Stimulierung mit der optokinetischen Trommel dutch, wobei das andere Auge verdeckt war. So konnten beide Augen getrennt untersucht werden. Dabei wurde die optokinetische Trommel entweder in die naso-tem- porale oder in die temporo-nasale Richtung des sehenden Auges 8 h lang rotiert. Nach Abschalten des Lichtes und w~ihrend sinusoidaler Rotation des Kanin- chens wurde der VOR stfindlich gemessen. Wir erwarteten eine Intensivierung des VOR nut nach temporo-nasaler Stimulation, da dies die Richtung mit der gr613eren Sensibilit~it ist.

Bei monovisueller optokinetischer Stimulation kam es, wie erwartet, zur Intensivierung des VOR, wenn der Stimulus die temporo-nasale Richtung im Blickfeld hatte. Bei naso-temporaler Stimulation des linken Auges folgte eine Reduzierung des VOR, bei der des rechten eine Intensivierung (Abb. 2).

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Plastizit~t des vestibulo-ocuUiren Reflexes 635

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Abb. 2. Sttindliche ,~nderung des VOR-gain nach monovisueller optokinetischer Stimulation. Die statistische Signifikanz aller gemessener Werte betrug p < 0,01

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636 W. Koehn et al.: Plastizit/it des vestibulo-ocul~iren Reflexes

Dhku~ion

In Obereinstimmung mit den genannten Arbeiten wnrde gezeigt, dab die plastischen Verfinderungen des VOR nach Langzeitstimulation durch das visuelle und nicht durch das vestibulfire System bewirkt werden. Anscheinend stehen diese Verfinderungen in enger Korrelation zum visuellen Input. Davon ausgehend, dab die wesentliche Funktion des VOR die Aufrechterhaltung der Fixation bei Bewegung ist, erscheint es sinnvoll, dab der VOR durch Adaptation w~hrend der Langzeitstimulation im Dunkeln kleiner wird, da keine Korrek- turbewegungen der Augen notwendig sind. Umgekehrt erscheint es wfinschens- wert, dab der VOR nach Langzeitstimulation im Hellen gr6ger wird, da hier zur Aufrechterhaltung der Fixation erh6hte Anforderungen an das visuelle System bestehen. Zusfitzlich wurde gezeigt, dab die Stimulusrichtung bei monovisueller optokinetischer Reizung die Verfinderung des VOR beeinflugt. Die genauen neurophysiologischen Zusammenhfinge k6nnen zur Zeit noch nicht erkl/irt werden.

Literatur

1. Gauthier GM, Robinson DA (1975) Adaptation of the human vestibuloocular reflex to magnifying lenses. Brain Res 92:331-335

2. Gonshor A, Melvill Jones G (1976) Short-term adaptive changes in the human vestibulo-ocular reflex arc. J Physiol 256:361-379

3. Gonshor A, Metvill Jones G (1976) Extreme vestibulo-ocular adaptation induced by prolonged optical reversal of vision. J Physiol 256:381-414

4. Gonshor A, MelviU Jones G (1973) Changes of human vestibulo-ocular responses induced by vision-reversal during head rotation. Proceedings of the Physiological Society, July 1973

5. Melvill Jones G, Davies P (1976) Adaptation of cat vestibulo-ocular reflex to 200 days of optically reversed vision. Brain Res 103:551-554

6. Miles FA, Fuller JH (1974) Adaptive plasticity in the vestibulo-ocular responses of the rhesus monkey. Brain Res 80: 512-516

7. Robinson DA (1976) Adaptive gain control of vestibuloocular reflex by the cerebellum. J Neurophysiol 39: No. 5

8. Robinson DA (1973) A method of measuring eye movements using a search coil technique in a magnetic field. IEEE Trans Biomed Electr 10:137-145

9. Sills AW, Honrubia V, Kumley WE (1975) Algorithm for the multiparameter analysis of nystagmus using a digital computer. Aviat Space Environ Med 46:934-942

M. Moser (Graz): Wie wurde die Eichung der ENGs bei Kaninchen durchgeffihrt?

W. Koehn (Hamburg), SchluBwort: Die Eichung erfolgte nach Ermittlung der Normwerte mit 12 normalen Kaninchen.