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2068 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 4. JAHRGANG. Nr. 43 =2. OKTOBER I925 Bei allen operativen Eingriffen an der Bindehaut und an den Lidern, kurz an Mien gef/iBffihrenden Teilen des Auges, jedoch ist die hyper~misierende Wirkung ein Nachteil. Das Psicain ist hier nur unter Zusatz von Nebennierenpr~paraten zu verwenden. So habe ich es bel zahlreichen kleinen Ein- griffen an den Lidern und der 13indehaut in der Sprechstunde eingetr~ufelt, wobei ich seine schnelle und zuverl/~ssige Wir- kung stets angenehm empfunden habe. Als In]ektionsmittel in I- und 2proz. L6sung verwandte ich Psicain mit Paranephrinzusatz, abgesehen von zahlreicheren kleineren Eingriffen an den Lidern (meist Chalazionentfernun- gen) bel I2 Tenotomien, 4 Vorn~hungen, 6 Kanthoplastiken, 4 Excisionen der Ubergangsfalten und des Tarsus bei Trachom und 2 Tr~tnensackexstirpationen. Die An~sthesie war stets eine gute, auch bel Xngstlichen und neurasthenisch› Patienten. Gr6Bere Blutungen als man sonst bei diesen Eingriffen zu sehen gewohnt ist, habe ich nicht feststellen k6nnen*). Ich habe Psicain mit Paranephrinzusatz, ferner bei zwei Katarakt- und I Glaukomoperationen (Iridektomie) verwandt (eingetr~ufelt). SchAdliche Blutungen sah ich nicht. Ich m6chte das jedoch nicht Ms Empfehlung des Mittels bei bulbus-er6ffnenden Operationen aufgeIagt wissen. Denn erstens ist die Zahl riel zu klein und zweitens ist bei der- artigen Operationen die an das Mittel selbst gebundene lang- dauernde an/~misierende Wirkung des Cocains von groBer Bedeutung. Wir wissen nicht, wie sich Psicain und das zu- gesetzte Nebennierenpr~parat nach Abklingen der vaso- konstriktorischen Wirkung des letzteren gegenseitig beein- flussen, ob nicht die vasodilatatorische Wirkung des Psicain sp/iter, wenn auch in geringem Mage, wieder auftritt. Solange dies nicht mit Sicherheit auszuschliegen ist, ist das Cocain bei Mien bulbuser6ffnenden Operationen vorzuziehen. Literatur: ~) Miinch. med. Wochenschr. 1924, Nr. 41 . ~) Med. Klinik 1924 , Nr. 47. KURZE 0BER DIE EINWIRKUNG DER CA- UND K-IONEN AUF PITUITRIN-BLUTZUCKER-REAKTION. Von E. KYLIN, Eksj6 (Schweden). In der Klin. Wochenschr. Nr. 6 und 2o des Jahres i925 habe ieh fiber Untersuchungen berichtet, welche zeigen, dag Ca die steigende Phase der Adrenalin-Blutdruckreaktion ver- stArkt; K dagegen die sinkende. In einer in der Med. Klinik im Druck befindlichen Arbeit habe ich ferner mitteilen k6n- nen, dag Untersuchungen fiber die Bedeutung dieser Ionen ftir die Insulinreaktion klargelegt haben, dag K die blut- zuckersenkende Wirkung des Insulins verst/~rkt. Ca hat eine entgegengesetzte Wirkung und schwXcht demgemS~B die normale Insulinreaktion. Untersuchungen fiber die Ca- und K-Wirkung auf die Pituitrin-Blutzuckerkurve ist auf folgende Weise vorgenom- § o L_ _. § ---- i -2 ~--1 ! -q L- -8 --- -$'0 --" -f2 ~- -74 z ~--~ 3tunden nach der fnjek#/kp Kurve i. WlSSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. I ,S/unden zy [/er Z~3•171 Kurve 2. + 22 y + coe r +8 y 0 -2 meli worden. Erst wurde dem Untersuchten morgens nfich- tern I ccm Pituitrin subcutan gegeben. Der Blutzucker wurde teils unmittelbar vor und teils aile halbe Stunden nach der Pituitrininjektion festgestellt. An einem der folgenden Tage sind dieselben Untersuchungen wiederholt worden. Jedoch wurde nun eine Stunde v£ der Pituitrininjektion eine intra- ven6se Einspritzung von CaC12 (i g) oder KC1 (o,2 g) gemacht. Es hat sich erwiesen, dag nach der Kaliuminiektion die blut- *) LUTZ, Dtsch. med. Wochenschr. 1925, Nr. xI, berichtet neuerdings iiber ein KombinationsprXparat von Psicain mit Nebennierenextrakt und physiologischer Kochsalzl6sung, genannt Psiconal. zuckersteigernde Wirkung des Pituitrins kr/iftiger war als vor der Injektion; nach der Calciuminjektion dagegen ist die blutzuckersteigernde Wirkung des Pituitrins schw/icher ge- wesen als vorher. Dieser Umstand wird durch einige Kurven erl/~utert, welche den Verlauf der Pituitrin-Blutzuckerkurve teils ohne voraufgegangene Ca- oder K-Injektion, teils naeh voraufgegangener Injektion veranschaulichen. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dafl die Bedeutung der Hormonwirkung, welche ZONDECK und seine Mitarbeiter und KYLIN betre//s anderer Hormonen ge]unden haben, auch in bezug au] das Pituitrin gilt. Ausftihrlicher Bericht wird an anderer Stelle erfolgen* ). 0BER DIE SALVARSANWlRKUNG AUF DAS FROSCHHERZ. Von 1 ~~. JACOBSOHN, Berlin. Durch-S. G. ZOND:EK 1) ist erwiesen, daB am Froschherzen Arsen genau wie Kalium und entgegengesetzt Calcium wirkt. Dal3 die St6rung des Ionengleichgewichtes zwischen Kalium und Calcimn durch Vermehrung der Kalium- Und Verminde- rung der Calciumionen in und an der Gewebszelle fiir das Zu- standekommen von Salvarsansch~den verantwortlich ge- macht werden kann, haben JACOBSOHN und SKLARZ 2) a) in experimentellen Arbeiten dargelegt. Die auf Grund unserer theoretischen Erw~gungen angestellten Versuche 4) mit der Behandlung durch Neosalvarsan, das in lO% CaC12 statt in Aq. dest. gel6st wurde, ergaben in Obereinstimmung mit SPllUFHOFFS), WlESENACK6) U. a., dag in den Ineisten F~llen, in denen Neosalvarsan nicht oder schlecht vertragen wurde, die Kalk-Salvarsantherapie vasomotorische Reaktionen, Le- bersch~digungen, Dermatitiden usw. verhindern konnte. Nachdem auch weiter von verschiedenen Seiten [z. B. TI~:O- DOSIJ1;VITST)] ~ber gute Erfahrungen mit der Kalk- Salvarsantherapie berichtet wurde, scheint es des Interesses nicht zu entbehren, wenn in folgendem kurz ein Beweis mehr dafiir erbracht werden kann, dag Salva und Kalium gleichsinnig, Salvarsan und Calcium entgegengesetzt wirken. Aus der abgebildeten Kurve ist ersichtlich, dag das an der Straubschen Kaniile befindliche Froschherz auf Zusatz einiger Trop einer Neosalvarsanl6sung 1/y mit Zunahme der diastolischen Fiillung und entsprechender Abnahme der systo- lischen Kontraktionskraft reagiert. Also eine Wirkung, die ganz der des Kaliums entspricht. Zusatz von CaC12 hebt diese Wirkung auf: Die Herzaktion kehrt zur Norm zuriick. Es besteht also ara Froschherzen -- natiirlich mit Kon- zentrationsunterschieden -- ebenso wie beim anorganischen Arsen auch bel der organischen Arsenverbindung, dem Neo- * Sp~itere tierexperimentelle Untersuchunge!l von meinem Mitarbeiter MYHRMAN, welche in der Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. ira Druck sind, zeigen, dag die VerhMt- nisse betreffs der Bedeutung der Elektrolyte far Pitultrinwirkung komplizierter sind als ffir Adrenalin- und Insulinwirkung.

Über die Salvarsanwirkung auf das Froschherz

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2068 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . Nr. 43 =2. O K T O B E R I925

Bei allen opera t iven Eingriffen an der B indehau t und an den Lidern, kurz an Mien gef/iBffihrenden Teilen des Auges, jedoch ist die hyper~mis ierende Wirkung ein Nachtei l . Das Psicain is t hier nur un te r Zusatz von Nebennierenpr~para ten zu verwenden. So habe ich es bel zahlreichen kleinen Ein- griffen an den Lidern und der 13indehaut in der Sprechs tunde eingetr~ufelt , wobei ich seine schnelle und zuverl/~ssige Wir- kung stets angenehm empfunden habe.

Als In]ektionsmittel in I- und 2proz. L6sung ve rwand te ich Psicain mi t Paranephr inzusa tz , abgesehen von zahlreicheren kleineren Eingriffen an den Lidern (meist Chalazionentfernun- gen) bel I2 Tenotomien, 4 Vorn~hungen, 6 Kanthoplas t iken , 4 Excis ionen der Ubergangsfa l ten und des Tarsus bei T rachom und 2 Tr~tnensackexstirpationen. Die An~sthesie war stets eine gute, auch bel Xngstlichen und neurasthenisch› Pat ienten. Gr6Bere Blu tungen als man sonst bei diesen Eingriffen zu sehen gewohnt ist, habe ich nicht feststellen k6nnen*).

Ich habe Psicain mi t Paranephr inzusa tz , ferner bei zwei Ka ta rak t - und I Glaukomopera t ionen (Ir idektomie) ve rwand t (eingetr~ufelt). SchAdliche Blu tungen sah ich nicht. Ich m6chte das jedoch nicht Ms Empfeh lung des Mittels bei bulbus-er6ffnenden Opera t ionen aufgeIagt wissen. Denn erstens ist die Zahl r i e l zu klein und zweitens ist bei der- ar t igen Opera t ionen die an das Mittel selbst gebundene lang- dauernde an/~misierende Wi rkung des Cocains von groBer Bedeutung. Wir wissen nicht, wie sich Psicain und das zu- gesetzte Nebennie renpr~para t nach Abkl ingen der vaso- konst r ik tor ischen Wirkung des le tz teren gegenseit ig beein- flussen, ob nicht die vasodi la ta tor ische Wirkung des Psicain sp/iter, wenn auch in geringem Mage, wieder auf t r i t t . Solange dies n icht mi t Sicherhei t auszuschliegen ist, ist das Cocain bei Mien bulbuser6ffnenden Opera t ionen vorzuziehen.

L i t e r a t u r : ~) Miinch. med. Wochenschr. 1924, Nr. 41 . ~) Med. Klinik 1924 , Nr. 47.

K U R Z E

0BER DIE EINWIRKUNG DER CA- UND K-IONEN AUF PITUITRIN-BLUTZUCKER-REAKTION.

V o n

E . K Y L I N , E k s j 6 ( S c h w e d e n ) .

In der Klin. Wochenschr . Nr. 6 und 2o des Jah res i925 habe ieh fiber Unte r suchungen berichtet , welche zeigen, dag Ca die steigende Phase der Adrena l in-Blu tdruckreakt ion ver- stArkt; K dagegen die sinkende. I n einer in der Med. Kl in ik im Druck befindl ichen Arbe i t habe ich ferner mi t te i len k6n- nen, dag Unte r suchungen fiber die Bedeu tung dieser Ionen ftir die Insul inreakt ion klargelegt haben, dag K die blut- zuckersenkende Wi rkung des Insul ins verst/~rkt. Ca ha t eine entgegengesetzte Wirkung und schwXcht demgemS~B die normale Insul inreakt ion .

Unte rsuchungen fiber die Ca- und K-Wirkung auf die P i tu i t r in -Blu tzuckerkurve ist auf folgende Weise vorgenom-

§ o L _ _.

§ - - - - i

- 2 ~ - -1 !

- q L -

- 8 - - -

-$'0 --"

- f2 ~ -

-74 z ~--~ 3tunden nach der fnjek#/kp

Kurve i .

W l S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

I

,S/unden zy [/er Z~3•171

Kurve 2.

+ 22

y

+�9

coe

r

+8

y

0

-2

meli worden. E r s t wurde dem Unte r such ten morgens nfich- t e r n I ccm P i tu i t r in subcutan gegeben. Der Blu tzucker wurde teils unmi t t e lba r vo r und teils aile halbe S tunden nach der P i tu i t r in in jek t ion festgestell t . An einem der folgenden Tage s i n d dieselben Unte r suchungen wiederhol t worden. Jedoch wurde nun eine S tunde v£ der P i tu i t r in in jek t ion eine int ra- ven6se Einspr i tzung von CaC12 (i g) oder KC1 (o,2 g) gemacht . Es h a t sich erwiesen, dag nach der Kal iuminiek t ion die blut-

*) LUTZ, Dtsch. med. Wochenschr. 1925, Nr. xI, berichtet neuerdings iiber ein KombinationsprXparat von Psicain mit Nebennierenextrakt und physiologischer Kochsalzl6sung, genannt Psiconal.

zuckers te igernde Wirkung des P i tu i t r ins kr/ift iger war als vor der In jek t ion ; nach der Calc iuminjekt ion dagegen ist die b lu tzuckers te igernde Wi rkung des P i tu i t r ins schw/icher ge- wesen als vorher . Dieser U m s t a n d wird durch einige K u r v e n erl/~utert, welche den Verlauf der P i tu i t r i n -B lu tzucke rkurve teils ohne voraufgegangene Ca- oder K-In jek t ion , teils naeh voraufgegangener In j ek t ion veranschaulichen.

Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dafl die Bedeutung der Hormonwirkung, welche ZONDECK und seine Mitarbeiter und KYLIN betre//s anderer Hormonen ge]unden haben, auch in bezug au] das Pituitrin gilt.

Ausftihrlicher Ber icht wird an anderer Stelle erfolgen* ).

0BER DIE SALVARSANWlRKUNG AUF DAS FROSCHHERZ. V o n

1 ~~. J A C O B S O H N , B e r l i n .

Durch-S. G. ZOND:EK 1) is t erwiesen, daB am Froschherzen Arsen genau wie K a l i u m und entgegengese tz t �87 Calcium wirkt. Dal3 die St6rung des Ionengle ichgewichtes zwischen Ka l ium und Calcimn durch Vermehrung der Ka l ium- Und Verminde- rung der Calciumionen in und an der Gewebszelle fiir das Zu- s t andekommen von Salvarsansch~den ve ran twor t l i ch ge- mach t werden kann, haben JACOBSOHN und SKLARZ 2) a) in exper imente l len Arbe i ten dargelegt . Die auf Grund unserer theore t i schen Erw~gungen anges te l l ten Versuche 4) mi t der Behandlung durch Neosalvarsan, das in lO% CaC12 s t a t t in Aq. dest. gel6st wurde, ergaben in Obere ins t immung mi t SPllUFHOFFS), WlESENACK 6) U. a., dag in den Ineisten F~llen, in denen Neosa lvarsan nicht oder schlecht ve r t r agen wurde, die Ka lk-Sa lvarsan therap ie vasomotor i sche Reakt ionen, Le- bersch~digungen, De rma t i t i den usw. verh indern konnte . Nachdem auch wei ter von verschiedenen Seiten [z. B. TI~:O- D O S I J 1 ; V I T S T ) ] ~ber gute Er fah rungen mi t der Kalk- Sa lvarsan therap ie ber ich te t wurde, scheint es des Interesses nicht zu entbehren, wenn in fo lgendem kurz ein Beweis mehr dafiir e rbracht werden kann, dag Sa lva �9 und K a l i u m gleichsinnig, Salvarsan und Calc ium entgegengese tz t wirken.

Aus der abgebi lde ten Kurve ist ersichtl ich, dag das an der S t raubschen Kani i le bef indl iche Froschherz auf Zusatz einiger Trop �9 einer Neosalvarsanl6sung 1/y mi t Zunahme der diastol ischen Fi i l lung und entsprechender Abnahme der systo- l ischen Kon t r ak t ionsk ra f t reagier t . Also eine Wirkung, die ganz der des Kal iums entspr icht . Zusatz von CaC12 heb t diese Wirkung auf: Die Herzak t ion kehr t zur N o r m zuriick.

Es bes teh t also ara Froschherzen -- nat i i r l ich mi t Kon- zen t ra t ionsuntersch ieden -- ebenso wie be im anorganischen Arsen auch bel der organischen Arsenverbindung, dem Neo-

* Sp~itere tierexperimentelle Untersuchunge!l von meinem Mitarbeiter MYHRMAN, welche in der Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. ira Druck sind, zeigen, dag die VerhMt- nisse betreffs der Bedeutung der Elektrolyte far Pitul tr inwirkung komplizierter sind als ffir Adrenalin- und Insulinwirkung.

Page 2: Über die Salvarsanwirkung auf das Froschherz

22. OKTOBER I925 2069 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . N f . 43

Neosalvarsan x/cey ~ ~, Car

Abb. i .

sa lva r san , eine g le ichs innige W i r k u n g m i t K a l i u m u n d eine en tgegengese t z t e m i t Calcium.

Es i s t dies gleichzei™ ein Beweis daft ir , daB tox i sche Sal- v a r s a n d o s e n eben d u r c h a u s wie a n o r g a n i s c h e A r s e n v e r b i n - d u n g e n auf die Zelle wi rken , und daB ihre Toxiz i tAt d n r c h Calc ium au fgehoben werden k a n n .

L i t e r a t u r: ~) S. G. ZONDEK, 13erl. klin. Wochenschr. 19z9, Nr, 21. -- e) F. JACOBSOItN und E. SI<LARZ, Med. Klinik I92r, Nr. 44. -- *) F. JAeOBSOnN und E. SKLARZ, Med. Klinik 1922, Nf. 18. -- 4) F. JAcoBsom~ und E. SKLARZ, Klin. XVochenschr. 1924, Nf. 28. - - 5) S P I E T H O F F , Dtsch. med. Wochenschr. 192o, Nr. 44. -- 6) WIE- SElqACK, Berl. klin. Wochenschr. 192I, Nr. 30, -- 7) TEODOSlJEVlXS, Dtsch. med. Wochensehr. 1925, Nr. 15.

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. 0 B E R T E C H N I K U N D V E R W E R T U N G D E R

S E N K U N G S R E A K T I O N .

u

Dr. med . KURT BERLINER, Vineland, New Jersey, U. S. A.

Die zah l re i chen A r b e i t e n de r l e t z t en Jahre , die sich mi t der S e d i m e n t i e r u n g des B lu t e s beschAftigen, h a b e n die k l in ische B r a u c h b a r k e i t dieser R e a k t i o n erwiesen. Re in empi r i sch h a t m a n gefunden, daB die S e n k u n g s b e s c h l e n n i g n n g ein I n d i c a t o r a b n o r m e n Zerfal ls von K6rperweiweiB ist. Die R e a k t i o n zeigt die s tArksten Aussch]Age, w e n n der Eiwei]3zerfall in der Lunge vor sich geht . D e m e n t s p r e c h e n d h a t die S e n k u n g s r e a k t i o n die gr613te ]3edeu tung e r l an g t in de r D i a g n o s t i k de r Tuberku lose . W E S T E R G R E N 1) u n d KATZ*) h a b e n nachgewiesen, daB v611ig n o r l n a l e r Ausfa l l de r Sen- k u n g s r e a k t i o n das B e s t e h e n e iner a k t i v e n Tu b e rk u l o s e so g u t wie ausschliel3t. WESTERGREN in sbesonde re b a t in grol3en S e r i e n u n t e r s u c h u n g e n den Beweis e r b r a c h t , dal3 die Senkungs - r eak t ion , besonders wenn wiede rho l t anges te l l t , e ines der we r tvo l l s t en H i l f smi t t e l zu t B e u r t e i l n n g de r P rognose de r L u n g e n t u b e r k u l o s e ist. Gle ichzei t ig h a b e n WESTERGREN und viele ande re gezeigt, daB die S e n k u n g bel a k u t e n In- f ek t ionen u n d n a c h I n j e k t i o n von Reizs tof fen besch leun ig t ist , w~thrend das S t u d i u m der a l lgemein physiologischela Einflfisse (Tageszeit , N a h r u n g s a u f n a h m e , M e n s t r u a t i o n u. dgl.) gezeigt ha t , daB die Senkung von a l len d iesen Einf l t i ssen n i ch t e n t s c h e i d e n d bee inf luBt wird.

Die T e c h n i k der S e n k u n g s r e a k t i o n i s t f iberaus e in fach : M a n tiberlABt m i t C i t r a t l 6 sung ve r se t z t e s B l u t in e iner ver- t i ka l s t e h e n d e n P i p e t t e sich se lbs t u n d b e o b a c h t e t die Sedi- m e n t i e r u n g de r E r y t h r o c y t e n . T r o t z d e m s ind v o n verschie- denen A u m r e n so viele V a r i a t i o n e n der T e c h n i k angegeber~ worden, dal3 heu re e ine bek l agenswer t e V e r w i r r u n g h e r r s c h t u n d in vielen F~l len die R e s u l t a t e ve r sch iedene r Fo r sche r n i c h t m i t e i n a n d e r vergl ichen werden k6nnen . Die H a u p t - t e n d e n z der A r b e i t e n f iber die T e c h n i k war, die e r forder l iche B l u t m e n g e zu ver r ingern . FAHRAEUS3), der 1917 die Reak- t ion zuers t angegeben ha t , b r a u c h t e noch 8 ccm Blut . WESTER- GREN b e n u t z t ira wesen t l i chen dieselbe Methode , n u r k o m m t er m i t I ccm B lu t nus. Seine M e t h o d e wi rd h e u r e v o n FAH- RAXUS selber empfohlen . Neuerd ings s ind m e h r e r e Mikro- m e t h o d e n ausgea rbe i t e t worden, die es e rm6gl ichen , m i t e iner m i n i m a l e n B l u t m e n g e u n d ganz ku rze r B e o b a c h t u n g s - zeit a u s z u k o m m e n . Diesen M e t h o d e n wird zweifellos ffir die P r a x i s ba ld h e r v o r r a g e n d e B e d e u t u n g z u k o m m e n . Ff i r k l in ische Zwecke und in sbesonde re ftir wissenschaf t l i che Arbe i t s che inen mi r die M a k r o m e t h o d e n den Vorzug zu ver- d ienen, weil ste genaue r sind und deu t l i che re AusschlAge geben ; und u n t e r diesen wiede rum sche in t m i r die v o n WESTER- aREN angegebene Me thode die beste . Seine Technik , die in d e n fo lgenden U n t e r s u c h u n g e n d u r c h w e g a n g e w a n d t wurde , i s t k u r z fo lgende:

I n eine 2-ccm-Spr i tze werden zuers t 0,4 ccm e iner 3,6proz. N a t r i u m c i t r a t l 6 s u n g aufgezogen u n d h e r n a c h 1,6 ccm B l u t aus de r Vene aspir ier t . Die Spr i tze wi rd d a r a u f in ein Ver- w a h � 9 en t l ee r t u n d d e r I n h a l t d u r c h U m w e n d e n u n d Wiederaufs t e l l en gemischt . Aus d iesem GefAB wird i ccm in eine P i p e t t e aufgesogen, die v o n so lcher We i t e ist, dal3 i ccm 200 m m H 6 h e e innehmen . Die P i p e t t e wi rd d a n n in ein Gestel l gesetzt , das ste genau in v e r t i k a l e r S te l lung hAlt. N a c h I, 2 u n d 24 S t u n d e n wird de r A b s t a n d de r obe ren Grenze der s e d i m e n t i e r e n d e n B l u t k 6 r p e r c h e n v o m u n t e r e n Meniscus der f re ien P l a s m a s c h i c h t gemessen u n d die Befunde , w e n n m 6 g l i c h , in K u r v e n f o r m aufgeze ichnet .

Das S t u d i u m solcher K u r v e n zeigt, dal3 die S e d i m e n t i e r u n g v o n gewissen se l t enen A u s n a h m e n (wie e twa bel Ik te rus ) ab- gesehen, e inen durch-

Mtha#en aus gese tzmABigenAb- 0 ca en ~ ,o 5o ~a ~a ,a go y m 20 lauf ha t . N e h m e n wir r ~ ~ ~ z. B. e inen n o r m a l e n ~~ ~ . ~ FMI wie Abb . I. ~y

s t e h t de r obere R a n d 6 - - ~, de r r o t e n BlutsAule ~ --~- - bel 1/,, m m ; eine win- Abb. Io zige Sch ich t P l a s m a i s t gerade dar f iber s ich tbar . WAhrend der e r s t en S t u n d e schre i t e t die S e n k u n g gleichmABig l a n g s a m fort , n u r u m 1/, m m alle IO Mi- nu ten , so dal3 die ro te Saule n a c h 20 M i n n t e n bei I, n a c h 3o M i n u t e n bei 11/2, nach 4 ~ M i n u t e n bei 2, n a c h 50 M i n u t e n bel 21/, und nach e iner S t u n d e bei 3 s t eh t . I n de r zwei ten S t u n d e zeigt s ich an fan g s auch noch ke in A b w e i c h e n von d iesem gleichmABig l a n g s a m e n Fo r t s ch re i t en . Nach 7 ~ Mi- n u t e n lesen wir 31/,, nach 80 M i n u t e n abe r 41/,: die Beschleu- n i g u n g beg inn t . N a c h 9o M i n u t e n lesen wir 5, nach IOO Mi- n u t e n 5~/,, n a c h I iO Mi n u t en 61/,, n a c h zwei S t u n d e n abe r schon 71/,.

Dieser Fa l l is t d u r c h a u s typ isch . E r zeigt, dal3 bei nor - m a l e n FAllen die Bes ch l eu n i g u n g d e r a n f a n g s gleichm~Bigen S e n k u n g e r s t in de r zwei ten S t u n d e e inse tz t . D e m e n t s p r e c h e n d i s t de r S t u n d e n w e r t , h ie r 3, weniger als die HAlfte des Zwei- s t u n d en w er t e s , h ier 71/2.

Die Erk lArnng hierffir h a t FAHR&EUS gegeben : n o r m a l e s B lu t a u t o a g g l u t i n i e r t viel spAter als B l u t v o n FAllen, die e ine besch leun ig t e S e n k u n g s r e a k t i o n geben, u n d eben h i e r au f b e r u h t de ren Besch leunigung . E i n Pa raUelve r such m i t e lnem Tropfen des C i t r a t b l u t e s u n t e r d e m Mikroskop bes t~ t i g t das. In den e r s t en M i n u t e n s i eh t m a n die E r y t h r o c y t e n als volle Scheiben, gleichmAgig t iber das Ges ichts fe ld ve r te i l t , o h n e jede Spu r v o n V e r k l u m p u n g . Ganz al lmAhlich t r e t e n sich e inzelne E r y t h r o c y t e n nAher, eine A r t G r u p p e n b i l d u n g er- folgt. N a c h e iner h a l b e n S t u n d e s i eh t m a n diese G r u p p e n - b i l d u n g sehr ausgeprAgt ; auBerdem a b e r s i eh t man , wie ein- zelne Ery- throcyten sich u n t e r e i n a n d e r geschoben u n d die e r s t en Ani l tnge de r sog. , ,Geldro l len" geb i lde t h a b e n .