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Ueber die Schwerh~rigkeit der Kesselschmiede.') (Aus Prof. Chia r i's pathologisch-anatomischem Institute an der deutschen Universit~t in Prag.) Yon Dr. J. Itabermann~ Privatdoeent in Ping. (¥on der Redaction iibernommen am 20. November 18890 Es ist eine bekannte Thatsache, dass nach Einwirkung star- ken Schalles auf das Gehtirorgan Sehwerh~rigkeit and selbst Taubheit die Folge sein kann. Namentlieh wird diese Art der Erkrankung des GehSrorgans h~tufig beobaehtet bei gewissen Be- rufsarten, so Kesselsehmieden und Sehlossern. Wenn diese ihr ger~uschvolles Handwerk Jahre lang betreiben, so pflegt das Ge- hSr mit der l~tngeren Daaer der seh~tdliehen Einwirkung immer mehr abzunehmen bis nahe zar vollst~indigen Taubheit. Welcher Art die Ver~inderungen im Geht~rorgane dabei sind, die dieser SehwerhSrigkeit oder Taubheit zu Grand liegen, dartiber herr- sehen bei dem fast ganzliehen Fehlen pathologiseh-anatomiseher Untersuchungen nut Vermuthungen. Anatomiseh untersueht wurde nur ein Fall von Toynbee2), der bei einem 80j~thrigea Mann, der 15 Jahre vor seinem Tode infolge eines Donnerschlages -- also eines pl~tzliehen, nieht Jahre lang einwirkeaden Ger~tusehes w taub wurde, Atrophic des h~tutigen Labyrinths und der 1fferven- fibrillen tier Sehnecke beobachtete. Leider war diese Beobach- tung insofern nieht rein, als bei dem Kranken aueh beider- seits Perforation des Trommelfells, also wahrseheinlieh ein altes Mittelohrleiden vorhanden war, infolge dessen gleiehfaUs ~thnliehe 1) Vorgetragenin der Abtheilung ffir Ohrenheilkundeder 62. Versamm- lung deutseher 1%turforscber and Aerzte in Heidelberg 1889. 2) Die Krankheiten des Ohres. Uebersetzt yon Moos. S. 362. Arohiv f. 0hrenheilkundo. XXX. Bd. 1

Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

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Page 1: Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

Ueber die Schwerh~rigkeit der Kesselschmiede.') (Aus Prof. Ch ia r i's pathologisch-anatomischem Institute an der

deutschen Universit~t in Prag.)

Yon

Dr. J. Itabermann~ Privatdoeent in Ping.

(¥on der Redaction iibernommen am 20. November 18890

Es ist eine bekannte Thatsache, dass nach Einwirkung star- ken Schalles auf das Gehtirorgan Sehwerh~rigkeit and selbst Taubheit die Folge sein kann. Namentlieh wird diese Art der Erkrankung des GehSrorgans h~tufig beobaehtet bei gewissen Be- rufsarten, so Kesselsehmieden und Sehlossern. Wenn diese ihr ger~uschvolles Handwerk Jahre lang betreiben, so pflegt das Ge- hSr mit der l~tngeren Daaer der seh~tdliehen Einwirkung immer mehr abzunehmen bis nahe zar vollst~indigen Taubheit. Welcher Art die Ver~inderungen im Geht~rorgane dabei sind, die dieser SehwerhSrigkeit oder Taubheit zu Grand liegen, dartiber herr- sehen bei dem fast ganzliehen Fehlen pathologiseh-anatomiseher Untersuchungen nut Vermuthungen. Anatomiseh untersueht wurde nur ein Fall von T o y n b e e 2 ) , der bei einem 80j~thrigea Mann, der 15 Jahre vor seinem Tode infolge eines Donnerschlages - - also eines pl~tzliehen, nieht Jahre lang einwirkeaden Ger~tusehes w taub wurde, Atrophic des h~tutigen Labyrinths und der 1fferven- fibrillen tier Sehnecke beobachtete. Leider war diese Beobach- tung insofern nieht rein, als bei dem Kranken aueh beider- seits Perforation des Trommelfells, also wahrseheinlieh ein altes Mittelohrleiden vorhanden war, infolge dessen gleiehfaUs ~thnliehe

1) Vorgetragen in der Abtheilung ffir Ohrenheilkunde der 62. Versamm- lung deutseher 1%turforscber and Aerzte in Heidelberg 1889.

2) Die Krankheiten des Ohres. Uebersetzt yon Moos. S. 362. Arohiv f. 0hrenheilkundo. XXX. Bd. 1

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2 I. HABE~MANN

Ver~inderungen im inneren Ohre zu Stande kommen kiinnen. Ausgedehntere klinische Untersuchungen tiber die Taubheit dcr Kesselsehmiede liegen mehrere vor. G o t t s t e i n und K a i s e r l) kamen auf Grund einer grossen Anzahl vergleiehender Unter- suehungen der Geh(irorgane yon Schlossern und Sehmieden einer- seits, and yon Maurern andererseits zu folgendem Ergebniss: ,,Sehlosser and Schmiede erfahren iniblge ihrer Beschifftigung eine betri~chtliche im Laufe der Jahre sieh steigernde Vermin- derung des Geh~rs. Die Geh(irsverminderung bei Schlossern and Schmieden entsteht wesentlich dureh die sic bei der Arbeit umgebendcn Oerausehe and beraht mit grosser Wahrscheinlich- keit auf einer Affection des H(irnerven infolge Ueberreizunff (Uebert~ubung B r u n ner) dutch Schall and Ersehatterung." Sehr ausftlhrlich beschreibt auch J o h n R oosa ~) in seinem Lehrbuche die Kcsselsehmiedctaubheit. Er sagt, fast alle Kcsselsehmiede sind schwerh~rig. Die Sehwerh(irigkeit ist in der Regel einer Verletzung des Labyrinths, mSglieherweise auch einer Yerletzunff tier Cochlea znzuschreiben. Er stiitzt diese Ansicht darauf, ,,dass die Luftleitung stets lauter als die Knochenleitung ist, wenn der Versuch mit Stimmgabel C gemacht wird und well die Stimm- gabel bei der Knochenleitung langer geh0rt wird". Ausserdem finden sich Beobaehtungen einzelner Falle zerstreut in der Lite- ratm' and will ieh yon diesen einen Fall erwi~hnen, den Hart- m ann~)anftihrt . Es war die Knoehenleitung bedeutend ver- ringert and die beiden h~chsten T~ne e 4 and g~ warden dutch dieselbe gar nicht mehr wahrgenommen. Es wtirde daraus hervor- gehen, dass durch die sehadliche Einwirknng des Larms bei der Kesselbearbeitung hauptslichlieh die ftir die Perception yon hohen T~nen dienenden Theile des Schallwahrnehmungsapparates li~dirt werden. Aehnliehes erwiihnt G r a d e n i g o 4) fiir ,,die professionelle Otitis interna der Steinmetze nnd Mtiller"~ and auch Bezo ld ~) ftihrt in mehreren Fallen die Resultate der H~rpriifung an, die durch Einwirkung starker Gerausche schwerh~rig geworden.

Die Mehrzahl der Autoren 6) stimmt darin Uberein, dass es

1) Ueber die Geh6rsverminderung bei Schlossern und Schmiedem Bres- lauer ~rztliche Zeitschr. 18S1. INr. 18.

2) Ohrenheilkunde. Uebersetzt yon W e i s s . S. 359, und Zeitschrfft. f. Ohrenheilkunde. Bd. XIII. S. 102.

3) Die Krankheiten des Ohres. 3. Aufl. S. 33. 4) Dieses Archly. Bd. XXVIIL S. 194. 5) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XVII. S. 189. 6) Vgl: die Lehrbt~cher der Ohrenheilkunde.

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Ueber die SchwerhSrigkeit der Kesselschmiede. 3

sich bei der Taubheit der Kesselsehmiede um ein Labyrinthleiden handler und vertritt nut H o 1 t 1) eine andere Anschauung. Er untersuchte 40 Dampfkesselschmiede, yon denen nut 6 die ge- wShnliehe Sprache ganz gut hSrten, die iibrigen alle sie nur in der N~he des Ohres pereipirten. Immer war das Ohr der dem Schall starker ausgesetzten Seite das tanbere. Die Prtifnng der Perception vom Knoehen ergab, dass der Stimmgabelton besser auf der schlechteren Seite gehSrt wurde, und die Dauer der Wahr- nehmung des Stimmgabeltones dentete darauf bin, dass die SehwerhiJrigkeit nieht im schallpereipirenden, sondern im sehall- lcitenden Theile ihre Ursache hatte. Sie beruht naeh H o l t hauptsiichlieh auf katarrhalischen Zustanden dee Schallleitungs- apparates.

Da ieh Gelegenheit hatte, die GehSrorgane eines an Taub- heit der Kesselsehmiede Leidenden histolog'iseh untersuehen zu kiJnnen, so musste ieh reich znr Erkliirung des histologischen Befundes aueh mit der Art der an lebenden Kesselsehmieden zu beobachfeten Funetionsst(h'ung genauer bekannt maehen. Die bis- her dartiber vorliegenden Untersuehungen yon G o t t s t e i n und K a i s e r , Ho l t und J o h n Roosa leiden an sehr wesentliehen Mangeln, w~ihrend die der tibrigen Autoren nur wenige F~ille be- treffen and nur nebenbei erwahnt werden. Ich nahm daher Ver- anlassung cine grSssere Anzahl (31) yon Kesselsehmieden in den hiesigen Masehinenfabriken zu untersuchen, and folgt das Ergeb- niss dieser Untersuehungen in den tblgenden Tabellen.

Er sind darin zunachst 25 Kesselsehmiede aus 2 Fabfiken angefiihrt, in denen grtissere Maschinen, besonders aber grosse Dampfkessel gearbeitet werden. Der Li~rm in den Kessel- schmieden dieser Fabriken ist, wie ich reich persiinlich tiber- zeugen konnte, in Wirkliehkeit ein betiiubender. 6 Arbeiter aus einer dritten Fabrik, in der seltener grosse Kessel and mehr Kupfer- and Metallwaaren gearbeitet werden and in der deshalb aueh der Liirm kein so grosset ist, werden in einer eigenen Tabelle aufgeftihrt.

Die HSrpriithng wurde mit allen Abends unmittelbar nach der Arbeit vorgenommen and zwar in folgender Weise. Es vvurde zun~chst mit einer Tasehenuhr geprtii~, die yon einem Gesunden etwa 7 Meter welt geh(irt wird, and zwar die Luftleitang and ausserdem dieselbe Taschenuhr angedrtiekt an die Sehlafe and

1) Dieses Archly. Bd. XX. S. 62. 1"

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4 I. HABERNtANN

I . Kesse lsehmiede aus z w e i

a) Kesselschmiede, bei denen keine Er-

H N a m e

~ : ~

Leopold

3 Nosek. Johann

4 Frant% Jo- hann

Trommelfelt- befund

Normal

Normal

Etwas trttber und weniger gt~tn-

Etwas tr~ber

Porou An : : 6 oorzel° wen 1 o eo O orml

7 ]~i~an, Josef

8 Sykora, Anton 9 Bartak, Jo-

hann

10 Funfalek,sef Jo-

Subjective Ge- l l r~sehe, | Sehwindel u. s. w. t._

11 [.Kosnourek,Josef

12 IMoser, Wenze]

14 :[Iolan, Franz

1

Normal

Normal E~was mehr ein.

~ezogen u. glanz- los

Etwas tr~ber, sonst normal

Rechts normal, Hammergef~sse

etwas injieirt. Links milchig ge- triib~, abgeflaeht, weniger gl~nzend, sehr geringe In- ieetion der Ham-

Normal

H~rt be~t~ndig~ in der Naeht star- ker, Vogelpfeifen in den Ohren, manehm al Schwin- del

Manehmal Sau- sen

Sausen seit 12 ~ahren, manehmal Schwindel

Klingen 8ausen, seit er

Kesselsehmie4 ist

Sehr starkes Klingen bestandig

Normal 1 Zeitweise Sau- /sen

Etwas getrilbt.} Haufig Sausen Eteehts Grabehen~ in der l~Iembrana I flaeeida /

Besondere Bemerkungen

Seit 2() Jahren ungef~hr ~ehwerhJrig

Seit 10 Jahren sehr ~chwerhJrig

14 Jahre sehwerhbrig

15 Jahre sehwerh~rig

Seit 4 Jahren starke Ab- aahme des GehJrs ; bei Aus- setzen der Arbeit besseres GehJr

12 Jahre sehwerhJrig Abnahme des GehJrs

sehon 14 Tage nach Be- ginn der Arbeit; wenn er] die Arbeit l~ngere Zelt aus- I setzt, h•rt er etwas besser

10 Jahre sehwerhJrig

9 Jahre sehr schwerhOrig. Ist sehr vieI im Kessel be- sch~ftigt, also im st~rksten Gerauseh und kommt eben yon dieser Arbeit. L in~ aueh h~ufig Stechen hinter dem Ohre nach der Arbeit

9 Jahre sohwerhJrig

Seit 8 Jahren sehwer- hJrlg

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Ueber die SchwerhSrigkeit der Kesselschmiede. 5

grossen M a s e h i n e n f a b r i k e m

krankung des Mittelohres vorhanden war.

. . . . - - - - - ~ . t ~ , ~ ....... Stim'm~ I

~ ~ ~ ~ ~: e ~ ~ ~ .~ ~ ~ ~ ¢, such leitung ~

~I~ _~t~t~l~ t ~1~ ~!~ ~ ~I~_L~I~I ~ I ~ t ~ I ~, I~1 ~ 0 0

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Page 6: Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

6 I. HABERMANN

15

16

17

18

19

2O

21

22

23

24

25

" - - - 1

Trommelfell- befund

Subjeotive Ge- rliuseh%

Sehwindel u. s. w, Besondere Bemerknngen

C~sa~', Anton

Zat~ra, Karl

Mitterwald, Leopold

Friedl, Josef

Hole% WenzeI

Syrovalk% Wenzel

37 I 16 Normal

41 I 13 Etwas st~trke~ eingezogen

31 12 Etwas st~rkeI eingezogen

33 [J Etwas starkei eingezogen

eingezogen

lO Starker eing+ zogen, m~ssig ge- trubt

Merkel, Wen- 4 6 25 zel

Komarek, An- 25 ton

Proehaska, 11 Anton

Cervan, Wen- 9 zel

Borovi~ka, 50- 8 sef

67 I 53 42 24

26 Kaiser

27 5i[-ik, Georg

Manehmal Ste- 9 J-ahre sehwerhSrig,! chert in den Ohreu h~ufig Sehnupfen

GlockenkHngen: H~ufig Sehnupfen, 5 in den Ohren Sabre sehwerhSrig, ist

Feaerbursohe, aIs Sehmied bei der Vorbereitung der Kesseltheile immer beim Feaer besehaftigt

Manehmal Sau- 12 5ahre sehwerhSrig

Manehmal San- Seit 5 5ahren sehwer- sen hSrig

6 Jahre sehwerhSrig, manehmal Ohrensteehen

b) Kesselschmiede bei denen auch sine

sen

Sausen, maneh- mal aueh wie Frosehquaken

Eeehts Narbe im vord. oberen Qua- dranten.Trommel- fell stark eingez. :Links Verkalkang ~[er vord. ]ti~lfte

Links ziemlieh ~usgebreitete Ver- kalkung

BeiderseitsNar- ben, links aueh Yerkalkung

Trommelfelle triib, wenig gl~n- zend, abgeflaeht

Reehts Trom- melfell fast ganz verkall~, links De ~ feet des Trommel- ]fells, Ausfluss

Normal

Normal

Kei, e subjec- riven Ger~usehe etzt, in frilheren [ahren erst solohe lohen, spater tie- fen Toneharak- ters, Sehwindel sinmal heuer

Best~ndig Sau- sen seit 4 J-ahren

Links h~ufi starkes Sausen

12 Jahre sehwerhSrig and wird es immer mehr. iNur den Sonntag hiirt er besser. Wenu er ohne WaSte in den Ohren arbeitet, ist das GehSr sehleehter

W e r k f i i h r e r , seit 15 5ahren sehwerh~rig, maneh- real Sehnupfen

Seit Kindheit sehon 2- real Ohrenfluss

HSrt links seit 3 Jahren ~ohleohter

Zeitweise Ausflus% sehon ~eit Kindheit ohrenkrank

I L Sehmiede aus einer Kulffer- a) Schmiede, bei denen keine Mittelohr-

-- Nur bei der Arbeit im ~Kessel kurze Zeit sehwer- 1 [h~irig, es gieb,t sioh dann I /wieder, 8chnnpfen h~ufig

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Ueber die SchwerhSrigkeit der Kesselschmiede. 7

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RiDne- scher Ver-

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- o,3~ ~ 6,, 1 o , , - -~ 0,50 0,01 0,01 2" 5" 3" -{-2"

ein: ~lne W, cte

0,3¢ 0,20 5" 7" q-14

0,1fi I)JO 3" 7" -}-7"

5,0 0,01 0,01 5" 5" 10" O r 49"

0,3(~ 0,30 8" 8" --[-6"

I Stimm- ~' gabeI c 4 in h

Luft- ~ ~

+7" - -27" - -15" 45

-~-8" --30"--30" 80

+10" --25"!-- 30" 57

+5" - -25"--25" 62

2i 82

38

56

43

57

Erkrankung des Mittelohre~ vorhanden war.

J1 Ir !- sehmiede und Metal lwaarenfabr lk . erkrankung vorhanden war.

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8 I. HABERMANN

Name

29 tPaek~ Gottlicb] 18

301Vlastnik 48

31 Fegen, Stefan 42

Trommelfell- befund

g~

Subjective Ge- 1 r~usehe, I

Schwindel u. s: w.!

6 Grilbehen liber] dem kurzen Fort-] satz und sti~rkere[ Einziehung

4 I Weniger glen- / ]zend 1

b) 30 Reehts grosse

Perforation~ links Trommelfell sehr trilb, verdiekt

30 Reehts u. links Narbe, Gri~behen in der ~embrana flaceida, grosse Verkalkung

Sehmiede, bei

Besondere Bernerkungen

kraWn~r angeblich nie ohren--~-

Hat immer gut gehlirt, ehroniseher Nasenraehen- [katoa.rh mlissigen Grades

denen sine Mittelohr- Im 16. Lebensjahr¢

Ohrenentzt~ndung gehabt~ seit 16 Jahren schlechte~ Geh~ir; arbcitet vlel im Kessel ; ehroniseher Nasen- raehenkatarrh

Als Kind dureh 3 Jahre Eitcrung aus den Ohren. Sehwerh(irig seit dem $ahrE 1865, arbekete damals a~ einem grossen Dampfkessel: seitdem sein GehSr nieht mehr sehlechter geworden

1) Die in diesen t~ubriken angegebenen 4, 5 und 6 Meter bedeuten zugleieh auch die L~nge der 3 Zimmer, in denen die Prfifung vorgenommen wurde und fiber welehe Entfernung hinaus nicht geprfift werden konnte.

auf den Warzenfbrtsatz. Dann wards das Verstiindniss fiir laute und fiir Fltisterspraehe (Zahlworte) geprtift. Hierauf wurden mit einer klein c-St immgabel , wie sic L u e a e empfohlen, die Knochenleitung veto Warzenfortsatz und die Lufleitung vor dem Ohre geprUft and notirt, wie viel Seeunden in beiden Fallen die Stimmgabel gehSrt warde. Von einem Gesunden wird diese Stimm- gabel veto Warzenfortsatz etwa 12 Sec. lang und vor dem 0hre etwa 20--23 Sec. lang gehiirt. Der R i n n e ' s c h e Versuch wurde mit derselben Stimmgabel vorgenommen und notirt, wie viel Secun- den die Stimmgabel vor dem Ohre noeh geh(irt wird, nachdem sie auf dem Warzenfortsatz aufgesetzt nieht mehr gehifrt wurde.

Die HSrfiihigkeit flir hohe Tiine wurde einmal mit einer starken Stimmgabel O geprtif~, welche stark angeschlagen von einem Gesunden etwa 50 See. lang gehSrt wird, und in der Tabelle die Seeundenzahl notirt, um die sic yon dem Kranken weniger lang gehiirt wurde als yon einem Gesunden, und dann ausserdem mit der Galton'sehen Pfeife und notirt, his zu welcher Grenze die hohen Tiine dieser Pfeife vernommen wurden.

Page 9: Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

R L R L

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Ueber die Schwerh6rigkelt der Kesselschmiede.

~ ~ Rinne- ~ scher Yer- "~ such

RIL R L

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6~0 6,0~ 6' 6" 12" 15" + S " +S"

e r k r a n k u n g v o r h a n d e n w a r .

Stimm- gabel e 4 in

Luft- leitung R L

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--30"i--40"

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88 115

32 57

2) 1 ~ unmittelbar beim Andrficken an die 0hremuschel, resp. Schl~fe oder Warzenfortsatz.

Ueberblicken wir die vorstehenden Tabellen, so finden wir bei allen untersuehten Kesselschmleden eine mehr oder wenlger hoehgradige Sehwerh~rigkeit, die nach der Angabe der Unter- suchten und zwar auch der Mehrzahl derer, die ein Mittelohr- leiden aufweisen, dutch die Einwirkung der starken Ger~usche, in denen sie arbeiteten, entstanden war. Eine h~hergradige Schwerh~rigkeit war nach der Angabe der meisten erst einge- treten, naehdem sie schon mehrere Jahre bei dieser Besch~ftigung waren. Geringere Abnahme des Geh~rs dtirfte allerdings sehon mit dem Beginn der Arbeit sich einstellen, aber meist nicht be- achtet werden. Eine Besfiitigung daftir w[irde der Kranke in Fall 9 bilden, der sehon 14 Tage naeh Beglnn der Arbeit be- obaehtet haben will, dass er anfing sehlechter zu hSren. Mehrere beobachteten, wie dies aueh sehon R oosa angiebt, dass sie naeh einer Ruhepause, so z. B. tiber den Sonntag, besser hSrten.

In der Tabelle In, in der ieh vollstandig reine Falle yon Taubheit der Kesselsehmiede zusammenstetlte, finden wir bei allen~ mochten sie nun 10 oder 40 Jahre beseh~ftigt sein, hoeh-

Page 10: Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

10 I. ttABEI~MAbIIq

gradige Schwerh(irigkeit. Nur bei 8 derselben wurde die Taschen-

uhr noch beim Andrticken ( - 1 ) a n die Ohrmuschel oder auch

nut an die Schl~ife oder an dem Warzenfortsatz gehSrt, wiihrend sie yon den tibrigen gar nieht mehr geh~irt wurde. Ebenso war bei Allen das HSrvermSgen fiir die laute Spraehe and Fttistcr- sprache sehr herabgesetzt. Bemerkenswerth war aber dab@ dass die laute Sprache verhi~ltnissmlissig noch weir besser geh~irt wnrde, als die Fltisterspraehe, ftir welch letztere das Gehiir auffi~llig schleeht war. Es seheint daraus hervorzugehcn, dass das Ge- hiirorgan der Kesselsehmiede im Vergleieh zu dem anderer Ohren- krankcr verhliltnissmiissig leichter auf starke Schatleindrticke rea- girt, als auf sehwache.

Am bezeichnendsten waren die Ergebnisse der Hi/rprtifung mit den Stimmgabeln. Bei allen war die Knoehenleitung far die Stimmgabel c (128 Sehwingungen) und ebenso aaeh die Luftleitung entsprechend vermindert. Der Rinne 'sche Versuch fiel bei allen sehr stark positiv aus, also i~hnlich wie bei einem gcsunden Ohr. R oosa 1) land bei seincn Untersuehungen im Gegensatz zu diesen Ergebnissen, dass die Stimmgabel c in der Knoehenteitung li~nger gehSrt wird, womit mir jedoch seine Ta- belle nieht in Uebereinstimmung zu stehen scheint; ebenso scheint auch Ho l t (l. c.), dessen Arbeit mir nur im Auszug vorliegt~ ein ahntiehes Verhalten ge~unden zu haben. Es dUrfte dies aber nnr darauf beruhen, dass sic nieht in gleieher Weise wie ieh die Prtifung anstellten. Dahingegen fanden G o t t s t e i n und K a i s e r (1. c.), sowin auch H a r t m a n n (t. c.) ein gleiches Verhalten der Knochenleitung, was Erstere allerdings nur mit tier Uhr und dem Akumeter nachwiesen.

Hochgradig herabgesetzt war bei allen auch das GehSr fiir die hohen T~ne~ wie die Priifungen mit einer Stimmgabel c 4 and mit dem Galton'sehen Pfeifehen ergaben. Die Hiirgrenze ftir die h~ehsten TSne dieses Pfeifchens war bei den meisten sehr stark heruntergerUckt and wurde die Stimmgabel e 4 nur, so lange sic sehr stark klang, gehCirt. Bei dem Umstande~ als hier patholo- gisehe Vertinderungen im Mittelohr fehlten and aus dem ver- hi~ltnissmiissig guten Geh(ir far die e-Stimmgabel in Luftleitung ein Sehailleitungshinderniss irgend erheblieherer Art auszu- schtiessen ist, kiinnen wir mit grosser Wahrscheinlichkeit an- nehmen, dass wenigstens bei jenen, bei denen ein grClsserer Theil

1) 1. c. $. 361.

Page 11: Ueber die Schwerhörigkeit der Kesselschmiede

Ueber die SchwerhSrigkeit der Kesselschmiede. 1t

tier T(ine der Galton'schen Pfeife nicht mehr gehSrt wurde, ein voll- stiindiger Ausfall der Function jenes Theils der Schnecke, mit dem die hitchsten Ti~ne zur Wahrnehmung gelangen, vorhanden war. Bei den iiltesten Kesselschmieden in der Tabelle kommt allerdings dabei mit in Rechnunff zu ziehen, dass auch das Alter allein ~hnliehe Veranderungen hervorrufen kann. Auch w~re es noeh wiinsehenswerth gewesen, das GehSr fiir die hi/chsten T(ine mit starker klingenden Instrumenten, als die Galton'sche Pfeife, zu untersuehen. Fiir die Stimmgabeln c 4 und g4 land H a r t m a n n (1. e.) in seinem Fall ein gleiches Resultat, wiihrend G o t t s t e i n und K a i s e r , H o l t und J o h n R o o s a auf hohe Tiine nicht prUften. Doch finden sich bei anderen Besch~ftigungen, bei denen starke Ger~iusche auf die Gehiirorgane einwirken, ~hnliehe Beobaeh- tungen verzeichnet. So land B t i r k n e r 1) bei Loeomotivfiihrern and Schaffnern, dass hohe TSne sehlecht oder gar nicht ver- nommen wurden, G r a d e n i g o 2) bei 2 Steinmetzen und 2 Mtillern die H(irscharfe nut ftir die TSne yon e 4 aufwiirts vermindert, B ezold~) bei mehreren eifrigen Seheibensehiitzen Ausfall einer griisseren Reihe der hSehsten TSne der Galton'schen Pfeife, S e h w a r t z e 4) Ausfall der Perception ftir hohe T(ine nach einem Locomotivpfiff n. s. w.

In der Tabelle I b, in der aus densetben Fabriken wie in I a jene Kesselschmiede angeFtihrt werden, bei welchen ein Mittel- ohrleiden vorhanden war, finden wit so ziemlich die gleichen Verh~ltnisse. Doch machte mir diese Tabelle im Atlgemeinen den Eindruck, als ob das Gehifr dutch das Vorhandensein eines Mittelohrleidens - - es handette sich zumeist am Eiterung oder um Narbenbildung nach Eiterungen - - nicht noeh schlechter wtirde, im Gegentheil sehien es sogar bei einzelnen, so besonders bei Borowi~ka (Nr. 25), als ob diese Kranken sogar besser hi~ren wtirden, als solehe mit gesundem Mittelohr, die bei gleichem Liirm arbeiteten. So h(irte dieser die Stimmgabel e in Knoehen- leitung sogar liinger, als ein Gesunder, wie wir dies aueh bei anderen l~Iittelohrkranken finden, und ebenso auch die Fliister- sprache verh~iltnissmi~ssig gut. Es wtirde sieh dies vielleicht in tier Weise erklaren lassen, dass das Sehallleitungshinderniss, das sich bier im Mittelohr fand, zugleieh auch als Schutzvorrichtung

1) Dieses Archiv. Bd. XVH. S. 14. 2) Ebenda. Bd. XXVIIL S. 194. 3) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XVII. S. 195. 4) Dieses Archly. Bd. I. S. 136.

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12 I. HABERMANN

gegen die schiidliche Einwirkung des starken Gerauschs auf die :~qerven des inneren Ohres wirkte. Leider ist die Zahl dcr dies= beztiglichen yon mir untersuehtcn Fiille zu gering, um daraus einen sicheren Schluss ziehen zu kiinnen, und kann ich einstweilen nur die Aufmerksamkeit auf diescn Punkt bei weiteren Unter- suchungen lenken.

In der Tabelle II sind Sehmiede aus einer anderen Fabrik zusammengestellt, in welcher grosse Kessel selten gearbeitet wet- den und daher aueh der Li~rm nicht so gross ist. tiler finden wit bei einzelnen ein etwas besseres Geh(fr, als bei den frtiheren, aber doeh im Allgemeinen die gleichen Verhliltnisse. Bei allen ist aueh hier das Geh~ir ftir die e-Stimmgabel in Knoehenleitung vermindert, und mache ich aufmerksam auf Fall l'qr. 29, tier erst seit 4 Jahren als Schmied arbeitete und bei einem noch ziemlieh guten Geh(ir fur die Uhr und die e4-Stimmgabel, doch die c-Stimm- gabel veto Knoehen schon bedeutend verktirzt h(irte. Es deutet dies darauf bin, dass nieht blos die Empfindlichkeit des 0hres ftir die hohen T~ine leidet, sondcrn aueh far die tiefen, sehr wahr- seheinlieh also fur die gauze Tonreihe, die in unserem Geh(ir- organe zur Empfindung gelangen kann.

S u b j e c t i v e G e r a n s e h e wurden yon den 20 Kessel- schmieden ohne Mittelohrleiden der Tabelle I a 12real, und reeh- hen wit dazu noch die 4 Schmiede tier Tabelle IIa, so yon 24 zusammen 12mal, also in 50 Prec. tier Fiille angegeben. Die Geriiusehe waren versehiedener Art: Klingen, Sausen, Vogel- pfeifen; einmal sogar soil das Geri~useh dem Quaken der Fr(isehe i~hntich gewesen sein. Die Ger'ausche traten entweder nut zeit- weise, und zwar naeh besonders geri~usehvoller Arbeit auf, oder waren bestandig vorhanden. Bemerkenswerth war die Angabe des Werkftihrers Komarek (lSIr. 22), der beobaehtete~ dass in den frtiheren Jahren subjective Geriiusehe h~heren, spi~ter solehe tieferen Toncharakters auftraten, bis dann die subjectiven Ge- ri~usehe ffanz aufh~rten. Re osa land unter seinen 12 Fallen nut einen mit zischendem Geri~usch, G o t t s t e i n und K a i s e r bei 18 (24'Prec.) der untersuehten Sehtosser und Sehmiede Sausen yon intermittirendem Charakter. S c h w i n d e l wurde nut yon zweien angegeben und war er aueh bei diesen nieht so stark, wie wir ihn in Begleitung anderer Erkrankungen des Labyrinths auf- treten sehen.

N a s e n - and R a e h e n k a t a r r h e wurden bei 6 beobaehtet, aber racist nnr mi~ssigen Grades. Bei der iVfehrzahl wurde aller-

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Ueber die Sehwerh(irigkeit der Kesselsehmiede. 13

dings die •ase, wenn sie auf Befragen keine Zeiehen einer b~asen- erkrankung angaben und der Trommelbefund normal was nicht welter untersueht. ~aeh R o o s a war bei Kesselschmieden~ bei denen auch Katarrhe der Tube vorhanden waren, die Schwer- h(irigkeit eine bedeutendere, und wtirde dazn der Fall hTr. 16 eine Besti~tigung bilden. Bei ibm war die SehwerhSrigkeit weit grSsser~ ale bei Anderen, die ebenso lunge arbeiteten, und erklart sich dies vielleicht dadurch, dass er als Feuerbursche hi~ufig an Katarrhen und Verstopfung der ~ase~ also wahr- scheinlieh auch an Tubenkatarrh litt. Leider konnte ieh die Tuben selbst bei ihm nicht genauer untersuehen. Nicht fiber. einstimmen aber kann ieh mit der Anschauung yon H o l t , dass es sich bei der Taubheit der Kesselsehmiede vorwiegend um katarrhalische Proeesse handle, und mit der yon B o u e h e r o n 1)~ dass die starken Gerausehe nut dann gefahrlieh ftir die Gehiir- organe der Kesselschmiede werden, wenn diese an Versehluss der Tuben leiden.

Im Anschluss an diese Untersuchungen an lebenden Kessel- sehmieden will ich den histologischen Befund der beiden GehSr- organe eines Kesselsehmiedes mittheilen, welche ich der Gtite des Herrn Regierungsrathes Prof. v. M a s e h k a verdanke, in dessen gerichtiieh-medieinischem Institute der Fall zur Section gekommen war.

J. S, 75j~hriger Bettler~ wurde am 1. Februar t889, w~ihrend er fiber ein Bahngeleise ging~ yon dem heranfahrenden Eisenbahnzuge erfasst und fiberfahren~ da er wegen seiner Taubheit weder die Warnungsrufe des Wiiehters~ noch das Pfeifen der Locomotive~ noeh das Gerausch des heranfahrenden Zuges h~irte. Von einem Bekannten desselben~ der ihn sehon seit 27 Jahren kannt% erfuhr ieh tiber seine Taubheit Folgendes. S. hi~rte in frUheren Jahren ganz gut. Er arbeitete dann dureh mehr als 20 Jahre in einem Kupferwerk~ in dem aus rohem Kupfer durch das Gewieht eines herabfaUenden Hammers Tafeln ge- schlagen wurden~ und wurde wi~hrend dieser Beseh~ftigung naeh und naeh immer sehwerhihlger. Ungef~hr 14 Jahre vet seinem Tode ver- liess er die Fabrik und damals sell er~ wenn man in der Nahe laut mit ibm spraeh~ noeh verstanden haben. Er ging dann als Bettler herum and sell die letzten Jahre vor seinem Tode nur mehr einzelne Worte mit einem Ohre, wenn man ihm diese laut hineinschri% gehiirt haben. Wie mir der friihere Besitzer dieses Kupferwerkes - - heute be- steht dieses nieht mehr - - versicherte~ war das Gerauseh~ das der her-

1) Revue mensuelle de Laryngologie etc. par Moure. Bd. V. S. 250.

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abfallende Hammer verursaehte, ein sehr starkes~ das auch auf gr(issere Entfernung ausserhalb der Fabrik noch deutlich zu h~iren war.

Die S e c t i o n der Leiche wurde am 1. Februar 1889 vor- genommen und ergab folgenden Befand:

Leiche eines angeblieh 70jiihrigen Mannes~ yon mittlerer GriJsse, muskelkriiftigem KSrperbau; die Hautdeeken blass~ die Todtenstarre an einzelnen Kiirperstellen noch ziemlich stark entwiekelt.

Von Verletzungen land man vor: Mehrere gautabschiirfungen an verschiedenen Kiirperstellen~ die ich hier nieht weiter aufziihlen will.

Das Iinke Ellenbogenbein war kurz unterhalb des Ellenbogen- gelenks gebrochen und gesplittert~ eine Blutunterlaufun~ war daselbst nicht wahrneiimbar.

An der i~usseren Seiee des obersten Theils des rechten Ober- schenkels eine yon oben naeh abwarts verlaufende~ 5 Cm. lange, ge- rissene Wunde~ durch welche man auf den gebroehenen Oberschenkel- knoehen gelangte.

Der rechte Oberschenkelknoehen war iiberdies nach oberhalb des Kniegelenks quer gebrochen und gesplittert; in der Musculatur ein geringes Blutextravasat.

Unter den Schi~deldecken land man an der Oberfiache des Scha- dels tin miissiges Blutextravasat. Nach Abl~isung der Beinhaut land man ent~sprechend der Kronennaht einen querverlaufenden Knochen- bruch~ dessen Liinge 9 Cm. betrug; vom reehten Ende dieses Knoehen- bruches verlief in der Riehtung nach hinten dutch das rechte Seiten- wandbein ein Knochenbruch~ dessen L~nge 8 Cm. betrug; ebenso verlief in der Richtung yon oben nach abwarts ein Knochenbruch dureh das reehte Schlafebein, welcher sich durch die rechte mittlere Schadelgrube bis zum Felsenbein fortsetzte. Die h a r t e H i r n h a u t war nicht verletzt~ mit dem Sehadeldache lest zusammenhi~ngend; unterhalb der inneren Hirnhi~ute war tiber die ganze Oberfli~che and Grundfiltche des grossen und kleinen Gehirns ein betr~ichtlicher Blut- austritt wahrnehmbar. Die Substanz des grossen and kleinen Gehirns nicht verletzt~ blutreieh; in derselben zahlreiche mohnkorngrosse Blut- extravasate; in den Blutleitern massig viel Bht.

Die Gesichtsknochen~ sowie der Unterkiefer nieht verletzt; zwisehen den Lippen in dem Munde eine graue erdige Substanz~ die Schleim- haut der Unterlippe oberfi~chlieh eingerissen.

Unter den Hautdecken am ttalse und am Brustkorbe befand sich ein bedeutendes Blutextravasat; fast siimmtliche Rippea an der linken und rechten Seite waren eingedriickt und gebrochen~ ebenso war das Brustbein entspreehend der 2. Rippe quer gebrochen; das Zungen- bein~ der Kehlkopf~ sowie das Schltisselbein waren nicht verletzt.

In beiden Brustfellsiicken viel Blur; die rechte Lunge zusammen- gefallen und tier hintere Theil des oberen Lappens eingerissen; die linke Lunge nicht vertetzt~ die 8ubstanz blassbraun, trocken~ blut- arm~ in den Spitzen alte Schwielen.

Der H e r z b e u t e l eingerissen~ ebenso war am Herzen die linke Vorkammer~ die Lungenarterie und das rechte Herz eingerissen und

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Ueber die SchwerhSrigkeit der Kesselschmiede. 15

auch die innere Haut der Aorta. Abgesehen yon diesen Einrissen war die Museulatur des linken Herzens bedeutend verdiekt~ die Klappea jedoeh sehliessend.

Nach Herausnahme der Brustorgane fund man li~ngs der Wirbel- saule einen bedeutenden Blutaustritt; der erste Halswirbel war aus seiner Verbindung mit dem Hinterhaupte mit sammt dem Rtiekenmarke glinzlieh abgerissen und ebenso aueh die Verbindung zwisehen dem ~. und 7. Halswirbel getrennt.

In der Bauchh i ih l e viel Blur angesammelt. Die L e b e r yon normaler GrSsse und Besehaffenheit, an mehreren Stellen tief eiu- gerissen. Die Milz yon gewiihnlieher Grifss% an der Oberfl~iche der- selben mehrere kleine Einrisse. Die ~ i e ren etwas kleiner~ die Ober- fli~che ungleieh, die Rindensubstanz sehr sehmal, hart~ gelblieh gef~rbt. Die H a r n b l a s e nieht verletzt and leer. In der Museulatur des kleinen Beckens Blutextravasate 7 das rechte Darmbein gebroehen and die Vereinigung der Sehambeine getrennt. Der Magen und Darm- kanal nicht verletzt~ die Schleimhaut normal ; im ersteren etwas Speise- brei, im Darmkanale reichliehe Kothmassen.

Die Verletzungcn bestanden in Briichen der Schiidelknochen, der Rippen, des Brustbeins, des Vorderarms, des Obcrschenkels and der Wirbelsiiule~ ferncr in ciner Zerreissung der Lunge, des Herzens, der Leber and der Milz.

Makroskopischer Be fund tier Geh~rorgane.

Beide Geh~irorgane mit dem hTasenrachenraum warden mir zur Untcrsuchung tibergebcn und fand ich die Schleimhaut des Rachens blass, die Tubenostien yon normalem Aussehen. Das rechte Gehilrorgan zeigte ~tusserlich - - die Dura mater war schon abgezogen - - nichts Abnormes. Das Trommelfell war in normaler Lage und yon normalem Glanz and heltgraaer Farbe. In der Mitre seiner hiateren l:I~lfte eine etwa mohnkorngrosse, mehr durchscheinende Stelle. Die Schleimhaut der Paukenh(ihle war zart and yon normaler Beschaffcnheit, in der Gegend der beiden Feaster etwas blutig-serOse Fliissigkeit. Die Gehiirkni~chel- chen anscheinend normal beweglich (es wurde nur mit der Sonde untersucht). Das Antrum mastoideum ziemlich geriiumig, seine Schleimhaat zart. Im Uebrigen ist der Warzenfortsatz compact nnd zeigt nur wenige diplo~tische Riiume. Die Tubenschleim- haut yon normalem Aussehen.

Das l i n k e G e h ( i r o r g a n mit Ausnahme der mehr durch- seheinenden Stelle des Trommelfells, die hier nicht zu sehea war, ganz yon gleieher Beschaffenheit wie das reehte.

Die Pr~iparate warden behufs mikroskopischer Untersuchung

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in Mtiller'scher Fltissigkeit gehiirtet und dann in ungefiihr 5proc. Salpetersiiureliisung entkalkt, in Celloidin eingebettet und ge- schnitten.

Mikroskopischer Be fund.

a) R e c h t e s G e h S r o r g a n .

Die Sehleimhaut des Mi t t e 1 o h r e s war zart nnd fast durch- wegs yon normaler Beschaffenheit. Nnr die Schleimhautbeklei- dung des Trommelfells und die niiehstangrenzenden Partien der Schleimhaut der Pankenhi~hle zeigten bald mehr, bald weniger Kalkkriimel eingelagert. Aneh in der Membrana propfia des Trommelfells fanden sich solehe, wenn aueh sehon weniger reich- lieh, und noch spi~rticher und seltener fanden sie sieh in der Cutissehicht des Trommelfells.

I n n e r e s Ohr. Im Endtheil der b a s a l e n S e h n e e k e n - w i n d u n g fanden sieh im Canatis ganglionaris nut wenige Gang- lienzellen und war der Kanal im Uebrigen yon einem schleimigen Bindegewebe ausgeftillt. Die Lamina spiralis ersehien sehr ver- sehmiilert~ ihre beiden Knoehenbliitter diinner und zwisehen ihnen sehr sp~rliehe Nervenfasern (?). An Stelle des Corti'sehen Or- gans erschien nur ein undentlieher Zellenhaufen, an dem meist niehts Genaueres zu unterseheiden war. Nur stellenweise traten die Pfeiler etwas deutlieher darin hervor. Die Membrana Corti war nnr zum Theil erhalten und sehr stark retrahirt~ sie be- deckte nur den innersten Theil des Limbus laminae spiralis. Die i~ussere Wand des Duetus eoehlearis war mehr normal, die Prominentia spiralis hier, wie in der ganzen Sehneeke, unge- wiihnlich hoeh. In der Stria vascularis, deren Epithel yon nor- mater HShe war, reiehliches Pigment. Reiehliehes Pigment fund sich auch an der Vorhofsseite der Reissner'sehen Membran, massi- ges zwischen und auf den Bt~ttern der Lamina spiralis nnd im Canalis ganglionaris.

Gehen wit nun in der basalen Windung der Sehnecke etwas welter naeh vorn, bez. naeh aufw~rts, so finden wir etwa in der Gegend vor dem Promontorium das Corti'sehe Organ deutlieher hervortreten. Nur erseheint es bedeutend niedriger als normal, nnd ansserdem finder sich nach aussen an den Pfeilem an der Stelle, wo die Haarzellen und die Deiters'sehen Zellen liegen sollen, eine Liieke, and diirfte es sieh bier wahrscheinlieh um einen Schwund oder doch um pathologisehe Ver~inderungen der erwahnten Zellen handeln.

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Ueber die SchwerhSrlgkeit der Kesselschmiede. 17

~och etwas welter nach vorn (in der Gegend, in der ein frontaler Schnitt dutch den Felsentheil des Sehliffebeins s~mmt- fiche Windungen der Schnecke trifft) verschwindet das Corti'sehe Organ ganz and sind an seiner Stelle nut Plattenepithel~ stellen- weise auch, nut ganz ununterscheidbare Zellenreste za sehen. Die Corti'sche Membran fehlt entweder vollsti~ndig oder finden sich spi~rliche Reste yon ihr tiber den Zi~hnen. In Uebereinstim- mung mit dam Fehlen des Corti'schen Organs steht auch das vollsff.tndige Fehlen der ~erven in der Lamina spiralis, zwisehen deren Blattern sich nnr spi~rliches Bindegewebe finder. Ebenso fanden sich auch im Canalis ganglionaris nut splirliche Gang- lienzellen, yon denen ein Theil sehr arm an Protoplasma war. ~eben diesen land sich im erw~hnten Kanal schleimiges Binde- gewebe and in diesem eine leere Stelle~ die~ je welter naeh oben~ noeh an Umfang zunahm. Die ~ussere Wand des Duetus coeh- learis war wie oben beschrieben and blieb so in der ganzen Schnecke. Erst nach der vorderen Umbiegung der basalen Windung in den nach hinten laufenden Theil derselben findet sieh das Corti'sehe Organ wieder erhalten, wenn aaeh anfangs in ziemlich unregelm~ssiger Gestalt. Aueh die Nerven in der Lamina spiralis erseheinen bier wieder, anfangs als sehmales Biindel, dann abet an Sti~rke zunehmend; ebenso nimmt die Zahl der Ganglien im Canalis ganglionaris wieder bedeutend zu. Immer aber finder sieh neben diesen noeh myxomatSses Bindegewebe and eine, spi~ter selbst zwei griissere und leere (?) Lticken in diesem Gewebe.

In dem nun folgenden tibrlgen Theil der Sehneeke bis zu ihrem Ende in der Spitze finden wir das Corti'sche Organ tiberall sehr gut erhalten and anseheinend aueh normal, ebenso sind auch die ~erven in der Lamina spiralis vorhanden und zeigt der Ca- nalis ganglionaris normale Verhaltnisse. ~ur eins scheint mir hier noch pathologiseher hTatur zu sein, und das ist die auifi~llige Schm~chtigkeit tier Nervenstiimmehen in der Lamina spiralis. Gemessen mit dem Mikrometer sind diese nut halb so breit wie im normalen Zustande, and da sie trotzdem die Ltieke in der Lamina spiralis ausftillen, dUrfte aueh auf diese sieh der Sehwund erstreckt haben. Diese Atrophie der Nervenstiimmehen erstreckt sieh bis zur Spitze der Sehnecke und ist Uberatl in gleichem :Maasse vorhanden. Aueh bier findet sich ziemlieh reichliches Pigment im Modiolus, in and anf der Lamina spiralis, der Reiss- ner'schen Membran and der Stria vascularis.

Archiv L Ohreaheilkunde. XXX. Bd. 2

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In der S c h n e c k e n w a s s e r l e i t u n g finden sieh wenige gesehichtete KSrperchen yon dem Aussehen der Corpora amylacea. An ihrer Einmtindungsstelle in die Sehnecke war die Paukentreppe der Sehneeke stark gegen diese bin ausgebuchtet.

Im V o r h o f waren die Rervenbtlndel gleichfalls deutlieh dtinner nnd sehmi~ler, als im normalen Zustand, und land sieh aueh bier ziemlieh reichlieh Pigment vor. Besonders reichlieh land ich dies in der Ampulle des hinteren Bogenganges, und zwar daselbst sowohl im Rervenstamm, als aueh in und unter dem Epithel der Crista. Spiirlieher war es in den anderen Am- pullen vorhanden. Die V o r h o f s w a s s e r l e i t u n g zeigte nicht die Erh~hungen an ihrer inneren Wand~ wie man sic gew~hn- lich findet. In den B o g e n g i i n g e n finden sich keine besonderen Veranderungen.

Besondere Erwi~hnung verdienen die Verhaltnisse an den beiden Fenstern. Die Fussplatte des S t e i g b t t g e l s ersehien in ihrer vorderen Hi~Ifte sehr stark nach aussen gezogen, und der hinterste Theil derselben war um ein Unbedeutendes naeh innen gertickt; sic war also in einer Lagc, wie sic ein hoehgradiger Zug des M. stapedius hervorbringt. Ausserdem war abet die vestibulare Fliiehe des Stapes in ihrer vorderen Hi~lfte stark, in der hinteren mi~ssig coneav und nur der hinterste unterste Theil derselben, der etwas naeh innen gertiekt war~ war miissig con- vex gegen den Vorhof zu. Die Membran des rnnden Fensters war etwas gegen die Paukenh¢ihle zu ausgebogen und ebenso war die dartiber verlaufende Lamina spiralis ossea des Endtheils der basalen Sehneekenwindung etwas nach unten, gegen die Mere- bran des runden Fensters zu, convex.

Im inn e r en G e h (it g a n g zeigte sich neben wenigen Corpora amylacea ein reiehlicher Bluterguss im Grund desselben und zwi- schen den grossen Rervenstiimmcn.

b) L i n k e s Gehi~rorgan .

Die Schleimhautauskleidung des linken M i t t e 1 o h r e s ver- hielt sich ganz so wie die des re&ten. Aueh bier waren im Trommelfell zahlreiehe Kalkkriimel eingelagert in gleicher Weise wie reehts. In die Tuba Enstaehii fanden sieh his tief in den knorpeligen Theil yore Pharynx her, wahrseheinlich infolge des Ueberfahrens, Sandk~rner hineingetrieben, die besonders im ober- sten Thdl derselben, unter dem Haken lagen, ohne dass sieh dent- lithe Reaetionserscheinungen in ihrer Umgebung gefunden hatten.

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Inneres Ohr. In der S e h n e e k e des tinken GehOrorgans iand sieh gleiehfalls ein ausgesproehener Sehwund der Nerven in der Sehneekenbasis, und zwar am so st~trker, je n~her dem unteren Ende der Sehneeke wit kamen. Dort fanden sieh nur wenige Ganglienzellen im Canalis ganglionaris, yon dem aus dann sp~ir- liehe and dtinne Nervenfasern in den inneren GehSrgang zogen. Im Canalis ganglionaris fanden sich an Stelle der ihn sonst ftillenden •ervenzelten and -Fasern mehrere griissere Ltieken. Dabel war aueh die Lamina spiralis bedeutend sehm~ler im Querschnitt als normal~ ihre beiden Knoehenblatter dtinner und naher aneinander- gertickt. Der schmale Ranm zwisehen ihnen war nut yon spi~r- lichem Bindegewebe eingenommen and waren keine ~ervenfasern darin za finden. Das Corti'sehe Organ fehlte vollst~indiff and zog yore Limbus spiralis ein ziemlieh plattes Epithel nach aussen, das aueh die Stelle, an der sich das Corti'sehe Organ finden soil, bedeckte. Erst an der i~usseren Wand des Ductns cochlearis fanden sich wieder normale Verhiiltnisse. Die Prominentia spi- ralis and die Stria vaseularis zeigten ein normal hohes Epithel and in dem der letzteren lag reiehliehes Pigment. Die Corti'sehe 1Vlembran fehlte vollsti~ndig, die Reissner'sche Membran war mehr- faeh gefaltet and an ihrer vestibularen Seite reiehlich pigmentirt. Weiter nach aafwarts in der basalen Windung nimmt naeh nnd nach die Zaht der Ganglienzellen im Rosenthal'sehen Kanal zu, es bleiben abet immer noeh ein bis zwei Lticken bestehen. In der Gegend vor dem Promontorium finden wir aueh das Corti'sehe Organ wieder, es ist aber viel niedriger, als im normalen Zu- stande, and fehlt die Membrana Corti auch hier. Ebenso sind in der sehmalen Lamina spiralis, deren Spalt fiir die Nerven ungemein sehmal ist, keine ~ervenfasern nachzuweisen.

:Noeh etwas weiter naeh vorn~ in der Gegend des mittleren Durehschnittes dureh die ganze Schneeke his naeh vorn zur vorderen Umbiegung der basalen Windung, sind die Verhiiltnisse ganz die gleiehen~ wie im rechten Gehiirorgan: nur spiirliche Ganglienzellen im Canalis ganglionaris, ausserdem ein kernreiehes Bindegewebe nebea einem grossen leeren (?) Raum, keine Nerven in der versehmiilerten Lamina spiralis, Fehlen des Corti'sehen Organs, die Membrana basilaris vom Snleus spiralis bis zur Promi- nentia spiralis mit einem Plattenepithel tiberzogen~ in dem manch- real etwas Pigment zu finden, Fehlen der Corti'schen Membran~ Erhaltensein der Reissner'sehen Membran, and die ~ussere Wand des Ductus coehlearis in demselben Zustande~ wie in der ganzen

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rechten und auch linken Sehnecke. Ein ungew0hnlich hohes und an Pigment reiehes Epithel in der Stria vascularis~ und ziem- lich starkes Hervortreten der Prominentia spiralis.

In dem nun folgenden Theil der Schnecke, yon der vordercn Umbiegung der basalen Windung angefangen naeh aufwarts bis zur Spitze, waren die hTervenstammchen in der Lamina spiralis in gleieher Weise wie in der Schnecke des reehten GehSrorgans verschmitlert, im Uebrigen normate Verhiiltnisse.

Eine starke Ausbiegung der Lamina spiralis mitsammt dem Ligamentum basilare und zum Theil auch mit dem Ligamentum spirale gegen die Vorhofstreppe zu~ welche sich in der basalen Windung vorfand, war, wie ieh reich nachtri~glieh iiberzeugte, nur infotge der Sehrumpfnng des Celloidins in der Scala vestlbuli entstanden, also nicht pathologischer Natur.

Im Vorh@ in den Bogengangen~ im inneren Gehiirgang, in den Wasserleitungen und an den beiden Labyrinthfenstern be- standen im linken Ohr die gleichen Veranderungen~ wie im reehten Ohr.

Im M i t t e l o h r fanden sich also, wenn wit nochmals den Befund beider Gehiirorgane tibcrblicken, eine miissige Kalkein- lagerung in mikroskopisch kleinen Krtimeln in das Trommelfell und die angrenzcnden Partien der Schleimhaut der Paukenh(ihle. Es dtirfte diese Kalkeinlagerang wohl als eine Altcrsver~nderung des Trommelfells anzusehen scin.

im i n n e r e n 0 hr fanden sich frische Hi~morrhagien im inne- ten GehiSrgang, eine Fotge des gewaltsamen Todes, bei dem es leicht za einem grSsseren Druck in den Gefassen und zu Blut- austritten in denselben kommen konnte, wie aueh griissere Extra- vasate in der Seh~delh(ihle gefunden wurden. Im ganzen inneren Ohr waren die hTerven 7 wenn sic erhalten waren, nicht yon nor- maler Stiirke, und zwar war dies in hSherem Grade bei den hierven der Schneeke, in geringerem Grade bei denen des Vor- hofs der Fall. Ausserdem abet zeigte die Schneckenbasis in ihrem Endtheil die hoehgradigsten Ver~inderungen, und zwar tiberein- stimmend in beiden Schnecken am hochgradigsten in einer Gegend~ die sich erstreckte yon einer Stelle~ die dnreh einen frontalen Medianschnitt der Schnecke getroffen wird, bis zur vorderen Um- biegung der basalen Windung. Hier fehlte in bciden Schnecken das Corti'sche Organ~ die Corti'sche i~Iembran, die Nerven in der Lamina spiralis, und fanden sieh im Canalis ganglionaris nut mehr

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spiirliche Ganglienzellen. Weiter naeh rUekwitrts, gegen das runde Feaster zu, waren zwar die StSrungen in Bezug auf die Ganglienzellen and Nerven die gteichen, aber es trat in den unmittelbar an die besehriebenen anschliessenden Sehnitten durch die Schnecken wieder das Corti'sche Organ, zwar pathologisch veriindert nnd niedriger als im normalen Zustande, wie dies im linken Ohre der Fall war, oder nut als Haufen yon Epithel- zellen, wie dies rechts sich zeigte, aber doeh erkennbar auf. Doch nur eine kurze Strecke welter, gegen das basale Ende der Sehnecke hin, verschwand wieder das Corti'sehe Organ und land sieh bis znm Ende der Schneeke gar niehts mehr davon vor oder nur kleine ununterseheidbare Reste. Im Gegen- satz dazu war die aussere Wand des Dnetus cochlearis hier, wie auch in der ganzen tibrigen Sehneeke yon normalem Aussehen. Ja es sehien mir das Epithel der Prominentia spiralis und der Stria vascularis eher noeh hilher zu sein als gewShnlieh. In letz- terem tknd sieh reiehliches Pigment. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die besehriebenen Veranderungen im Canatis ganglionaris and in der Lamina spiralis pathologiseher Natur sind, anders aber steht dies mit den Veriinderungen des Corti'sehen Organs. Da kifnnte teicht der Einwand erhoben wer- den, dass diese nur Kunstproducte, hervorgerufen dutch die Faul- hiss, Entkalknng u. s. w., seien. So vorsichtig ich bisher bei der Dentung der Veranderungen des Corti'sehen Organs war, miichte ich doeh annehmen, dass die besehriebenen in diesem Falle pa- thologischer Natnr sind, nnd zwar aus folgenden Grtinden: 1. Es hatte das ganze innere 0hr durch die Hiirtung in Mtiller'seher Fltissigkeit and Entkalkung in Salpetersiiureliisung sehr wenig getitten. Das Corti'sehe Organ in den tibrigen Theilen der Schneeke, die weniger erkrankt waren, war sogar sehr sehSn erhalten, ebenso aneh die Epithelien der Maculae aeusticae u. s. w. 2. Aueh an den Stellen, an denen das Corti'sehe Organ fehlte, land sieh das Epithel des Sulcns spiralis internus erhalten und erstreekte sieh weiter nach aussen, we es am ~iusseren Ende der Membrana basilaris in ein niedriges Cylinderepithel tiberging. Ware das Corti'sche Organ dutch die Entkalkung verloren ge- gangen, so ware das Epithel nieht vorhanden gewesen. 3. End- lieh entsprachen die Veranderungen des Corti'schen Organs dnreh- wegs genau den ilbrigen pathologisehen Veriinderungen. Es fehlte oder war hoehgradig pathologiseh ver~indert an den Stellen, an denen aueh die Nerven fehtten; es war dort schSn erhalten, wo

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die Nsrven erhalten waren, alles Griinds, dis daftir sprechen, class dis Verandsrungen des Corti'schen Organs mit den iibrigsn in Zusammenhang und pathologiseher Natur sind.

Weiter wurde noeh besehriebsn eiue starke Dislocation der Stelgbtigelfussplatte naeh ausseu and eins m~issige Ausbiegung der Membran des runden Fensters gegen die PaukenhShle zu. Auf die zulstzt beschriebene Veranderung, die nicht hoehgradig war, m~ehte ieh kein grosses Gewieht lsgen, zumal sic sieh aush erst dursh die Einbettung ausgebildet haben konnte.

Wie s ind nun d i e s e V e r ~ n d e r u n g e n zu s r k l ~ r s n ? :Nach der Krankengesshishte wurde der Kranke durch das starke Ger~usch, bei dem er in einem Kupferhammer dureh mehr als 20 Jahre arbeitste, sshwerh~rig, und da ish eine andere Ursaehe fiir seine Sehwerh~rigkeit, namentlich im lglittelohre, nicht vor- fand, muss ich die Angabe tier Krankengeschichte auch far riehtig halten: dass er infolgs Einwirkung starken Ger~usches schwerh~rig wurde. Leider fehlt uns in diesem Falte eine ge- naue ttSrprtifung zur Erkl~rung des pathologiseh-anatomisehen Befundss in der Schneeke, and mttssen wit daher unsere Zuflueht za dem Ergebniss der obsn mitgetheilten ttSrprtifungen bei den Kesselsehmieden nehmen. Wir finden bei allen diesen, wean sic l~ngere Zeit dieser Besch~igung obgelegen batten and infolge dessen sine bedeutsnde SehwerhSrigkeit aufgetreten war, Ab- nahms des ttSrvermt~gens ftir alle TSne mit Ausnahme der h~chsten, die in grSsserer oder geringersr Breite gar nicht mehr wahrgenommen wnrden. Wenn wit nun naeh der tt e 1 m h o 1 t z- schen Theorie yon der Function der Schnecke, welche zwar bis hsute noeh nieht vollstandig bewiesen ist, deren Riehtigkeit abet, js mehr pathologisch-anatomisehe Bsfunde yon dsr Sehnscke be- obachtet werden, um so wahrseheinlicher wird, annehmen, dass die hSehsten T~ne in der Schneekenbasis, dis tisferen in den oberen Windungen der Schnecks zur Perception gelangen, so stimmt aueh der histologische Befund in dem beschriebenen Falls vollst~ndig damit ilbersin. Der Taubheit far die h~ehsten T6ne entsprieht tier vollst~ndige Sehwund des Nervenendapparates, der ±Nervenfasern in der Lamina spiralis und die Verminderung der Ganglienzellen im Rosenthal'schen Kanal ira Endtheil der basalen Windung, wahrend in der tibrigen Schneeke, in der nach dem Angeftihrten blos eine Verminderung der Perceptionsfahigkeit, aber kein vollst~ndiges Fehlen derselben anzunehmen war, blos eine Atrophic, ein theil-

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weiser Schwund der ~erven der Lamina spiralis bei Erhaltenseia des far die Wahrnehmung der Ti~ne nothwendigen Corti'schen Or- gans zu finden war. ]nde r Besehreibung des histologischen Be- fundes habe ieh hervorgehoben, dass besonders im Endtheil der basalen Windung, und zwar yon der vorderen Umbiegung der basalen Windnng nach riickw~irts bis etwa zur Mitte der Schnecke die pathologischen Ver~nderungen besonders hoehgradig waren, wi~hrend welter nach rtiekwi~rts zun~ichst wieder Reste des Corti- schen Organs zu sehen watch. Es k~innte dies in der Weise erkl~irt werden~ dass TSne yon einer bestimmten Tonhiihe vor- wiegend auf seine GehSrorgane bei seiner Beseh~iftigung schad- lieh einwirkten. Meine Bemtihungen, dariiber Aufklarang zu be- kommen~ blieben abet ohne Eriblg. Ieh erfuhr nur~ dass er st~ndig in demselben Werke arbeitete, und dass das Geri~usch, bei dem er arbeitete, ein sehr starkes und weithin za hi/ren war. Das Kupferwerk selbst, in dem er arbeitete, besteht schon seit Jahren nicht mehr und befindet sich aach kein gleiches mehr in Prag.

Sehen wir abet ab yon dieser kleinen Versehiedenheit und ziehen wir den hTervenschwund im ganzen Endtheil der basalen Windung yon der vorderen Umbiegung dieser bis zum runden Fenster in Betracht, so k~innen wir zur Erkl~irang dieses ~erven- sehwundes den Umstand anftihren~ dass in den Kesselschmieden die Summe der hohen Ti~ne, die auf das GehSrorgan einwirken, griisser ist~ als die der tiefen, und dies scheint mir nach eigenen Beobachtungen allerdings der Fall zu sein. Andererseits w~re kS aber auch miiglieh, dass, da unser GehSrorgan ftir die hSch- sten TSne der Scala besonders empfindlieh ist (es klingen nns auch in einer Kesselsehmiede besonders diese sehr unangenehm in den Ohren), und weil dieser Theil der Sehnecke aueh bei Er- krankungen vorwiegend in Mitleidensehaft gezogen wird Q, die Einwirkung starken Schalles liberhaupt, ohne Rticksicht auf die TonhShe, aueh anf diesen Theil der Schneeke besonders schgdlieh wird.

In weleher Weise der starke Schall die beschriebenen Ver- iinderungen in der Sehnecke hervorrief~ dariiber lassen sich aueh nur Vermuthangen aussprechen. Ieh miichte annehmen~ dass darch die besti~ndige~ iiberm~ssig starke Erregung des ZNervenend-

1) Vgl. O. Wolf, Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd.VIII. S. 17 and Brunner, Ebenda. S. 192.

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apparates des inneren Ohres sine Verminderung seiner Erregbar- keit, beziehungsweise in der basalen Windung eine Liihmung des- selben auftrat und diese welter zu einem Sehwund des ausser Function gesetzten Corti'sehen Organs und weiter zu einer auf- steigenden Atrophie der zugeh~rigen Nerven Ftihrte. (Dass noeh einzelne Ganglien des Rosenthal'sehen Kanals erhalten and dass noch einzelne Nervenfasern yon diesen in den inneren Gehlirgang zu verfolgen waren, erkl~irt sich dutch die Communication der Gangtienlager des Canalis ganglionaris untereinander.) An grS- bere mechanische Lasionen mSehte ich deshalb nicht denken, weil dafUr keine sicheren Anhaltspunkte in dem Befunde vorkommen und weil dis Schwerhiirigkeit der Kesselsehmiede nicht pltitzlieh auftritt, sondern sieh allmi~hlich und erst nach liingerer Einwir- kung der Schadlichkeit ausbildet, auch naeh Ruhepausen wieder Besserungen des Gehtirs beobaehtet wurden. Immerhin kiinnten aber in einzelnen Fallen bei besonders starker Sehalleinwirkung aneh grSbere mechanische Lasionen ira Corti'schen Organ ge- setzt werden.

Das oben beschriebene starke Auswartsgerticktsein beider Steigbtigelfussplatten m(ichte ich auf sine Contractur der Mm. stapedii zurtickftihren. Die Stellung der Steigbtigelfussplatten entspraeh ganz der, wie wir sie bei starker Contraction des M. stapedius sehen, und wlire diese Contractur refiectoriseh durch Reizung der ttiirnerven hervorgerufen. Nach P o 1 i t z e r 1) ist der M. stapcdius der Antagonist des Tensor tympani, er entspannt das Trommelfell and vermindert den Labyrinthdruck; nach I-I e n- sen 2) treten Contractionen des M. stapedins (nach Durehtrennung des Tensor) nur noch bei dcr Angabe hohcr TSne, etwa yon 7000 Sehwingungen an, sin; nach L u c a e 3) bewegt er das Trom- melfell nach aussen und ist er der Accommodationsmuskel des Trommelfells fiir die hSehsten~ nicht mehr musikalisehen Tiine; naeh S c h w a r t z e 4) besitzen wir im M. stapedius die wesentlichsto Sieherheitsvorriehtung gegen heftige Sehalleinwirkung aufs Ohr~ deren Ausfatl bei Li~hmunff des Facialis zu einer enormen Em- pfindliehkeit gegen starke Gerausche ftihrt. Darnaeh liesse sieh verstehen, dass es dureh langdauernde Einwirkung starken Sehal-

1) Wiener Medicinalhalle. 1807. 2) Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. III. 2. Thl. S. 65. 3) Berliner klin. Wochenschr. 1874. Nr. 14. 4) Die chirurgischen Krankheiten des Ohres. S. 278.

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les, wahrseheinlieh aueh yon hoher Tonh~he, zu einer Contractur des M. stapedius kommen kann.

Zum Sehluss muss ieh noeh erw~hnen, dass sin Theil der besehriebenen pathologisehen Veriinderungen, so besondsrs der theilwsise Sehwund der ~erven in den oberen Windungen und theilweise auch dis Veranderungen in der Basis der Schnesks vielleieht aueh auf Rechnung des hohen Alters gesetzt werden kSnnten. Leider ist es mir heute noch unmi~glieh zu sagen, ob und wie weit dies bsreshtigt w~ire, da gsnaue histologisehe Unter- suehungen tiber die Altersver~nderungen des GehSrorgans bis jetzt nieht vorliegen.