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Aus dem Pharmakologischen lnstimt der kSnigl. Tisza IstvAn Universit~t zu Debreeen (Ungarn). (Vorstand: Prof. Dr. A. v. Jeney.) tJber die Wirkung von Rhamnetin und Hesperetin auf das Frosehherz. Zusammenhang zwisehen der Struktur und demWirkungsmeehanismus tier Flavon- und der Flavanonsubstanzen. Von A. v. Jeney und Anna G. Czimmer. Mit 4 Text.abbildungen. (l!','4ngeyangen ~.,i, 24. Jul4 1938.) In den letzten drei Jahren haben wit zu unseren Versuehen iiber die Pharmakologie der Flavonfarbstoffe drei verschiedene F!avonstoffe ver- wendet: der aus Forsythiabliite gewonnene Flavonfarbstoff, das Quer- citrin und das Quereetin 1 3. Diese drei Stoffe waren in der Art ihrer Wirkung iibereinsgimmend und auf Grund des gleiehsinnigen Verhaltens haben wir bisher unter :Plavonwirkung quereitrinaztige Wirkung ver- standen. Diese Wirkung iiul3ert sieh am deut!iehsten am Froschherzen und besteht darin, dal3 die erwiihnten Flavonfarbstoffe die T~itigkeit des ermiideten oder dutch Narkotiea geseh~idigten Herzens gtinstig beeinflul3ten und die Milehsgureelimination fSrderten. Ob wir diese Wirkung ~ategchlieh als eine fiir die Flavongruppe eharakteristisehe biologisehe Wirkung auf- fassen kSnnen, liel3e sieh nur dutch die Untersuehung yon zahlreiehen anderen Flavonfarbstoffen beziiglieh ihrer Wirkung feststellen. Zum Zweek weiterer Orientierung in dieser Richtung haben wit neuestens noeh zwei Stoffe untersueht, das Rhamnetin und das Hesperetin. Das Rhamnetin ist der Farbstoff yon in China beheimateten Pflanzen, und zwar Rhamnns tinetoria und infeetoria und chemiseh ein Oxymethylabkgmmling des Quereetins. Das Hesperetin ist ein in der unreifen Zitrone vorf;ndbarer Oxymethylflavanonfarbstoff. Dieser letztere Farbstoff ist eine sehr stabile Verbindung, im Gegensatz zu dem in der reifen Zitrone befindliehen Flavanon, welches naeh Szent-GySrgyi und Bruekner 4 eine Ver- bindung yon aul3erordentlieh starker Reaktionsf~ihigkeit ist. Parallel 4amit liil3t sieh fests~ellen, dal3 das Hesperidin (das Glykosid des I-Iespere- tins) demethylisiert wird und so die OI-I-Grulope in 4'-Stellung frei wird. Das so gebildete demethylisieite tIesperetin nennt man Eriodietyol. 1 Jeney. A. v., u. A. Ozimmer: Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 183. 57[ (1936 __ 2 Jeney ~ v J M6hes ~ G Czimmer u L Sokor~y Ebenda 187, ~g3 (1937)~- ~'GiG~G, A. Q. :'G~dk ~83, 5sv (19~6).'-- ~~uoL~ri" v., u. A. Szent-(~y6rgyi: Nature 138, 1057 (1936).

Über die Wirkung von Rhamnetin und Hesperetin auf das Froschherz. Zusammenhang zwischen der Struktur und dem Wirkungsmechanismus der Flavon- und der Flavanonsubstanzen

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Page 1: Über die Wirkung von Rhamnetin und Hesperetin auf das Froschherz. Zusammenhang zwischen der Struktur und dem Wirkungsmechanismus der Flavon- und der Flavanonsubstanzen

Aus dem Pharmakologischen lnstimt der kSnigl. Tisza IstvAn Universit~t zu Debreeen (Ungarn).

(Vorstand: Prof. Dr. A. v. Jeney.)

tJber die Wirkung von Rhamnetin und Hesperetin auf das Frosehherz. Zusammenhang zwisehen der Struktur und demWirkungsmeehanismus

tier Flavon- und der Flavanonsubstanzen.

Von A. v. Jeney und Anna G. Czimmer.

Mit 4 Text.abbildungen.

(l!','4ngeyangen ~.,i, 24. Jul4 1938.)

In den letzten drei Jahren haben wit zu unseren Versuehen iiber die Pharmakologie der Flavonfarbstoffe drei verschiedene F!avonstoffe ver- wendet: der aus Forsythiabliite gewonnene Flavonfarbstoff, das Quer- citrin und das Quereetin 1 3. Diese drei Stoffe waren in der Art ihrer Wirkung iibereinsgimmend und auf Grund des gleiehsinnigen Verhaltens haben wir bisher unter :Plavonwirkung quereitrinaztige Wirkung ver- standen. Diese Wirkung iiul3ert sieh am deut!iehsten am Froschherzen und besteht darin, dal3 die erwiihnten Flavonfarbstoffe die T~itigkeit des ermiideten oder dutch Narkotiea geseh~idigten Herzens gtinstig beeinflul3ten und die Milehsgureelimination fSrderten. Ob wir diese Wirkung ~ategchlieh als eine fiir die Flavongruppe eharakteristisehe biologisehe Wirkung auf- fassen kSnnen, liel3e sieh nur dutch die Untersuehung yon zahlreiehen anderen Flavonfarbstoffen beziiglieh ihrer Wirkung feststellen. Zum Zweek weiterer Orientierung in dieser Richtung haben wit neuestens noeh zwei Stoffe untersueht, das Rhamnetin und das Hesperetin. Das Rhamnetin ist der Farbstoff yon in China beheimateten Pflanzen, und zwar Rhamnns tinetoria und infeetoria und chemiseh ein Oxymethylabkgmmling des Quereetins. Das Hesperetin ist ein in der unreifen Zitrone vorf;ndbarer Oxymethylflavanonfarbstoff. Dieser letztere Farbstoff ist eine sehr stabile Verbindung, im Gegensatz zu dem in der reifen Zitrone befindliehen Flavanon, welches naeh S z e n t - G y S r g y i und B r u e k n e r 4 eine Ver- bindung yon aul3erordentlieh starker Reaktionsf~ihigkeit ist. Parallel 4amit liil3t sieh fests~ellen, dal3 das Hesperidin (das Glykosid des I-Iespere- tins) demethylisiert wird und so die OI-I-Grulope in 4'-Stellung frei wird. Das so gebildete demethylisieite tIesperetin nennt man Eriodietyol.

1 Jeney. A. v., u. A. Ozimmer: Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 183. 57[ (1936 __ 2 Jeney ~ v J M6hes ~ G Czimmer u L Sokor~y Ebenda 187, ~g3 (1937)~- ~ 'GiG~G, A. Q. : 'G~dk ~83, 5sv (19~6).'-- ~ ~uoL~r i " v., u. A. Szent-(~y6rgyi: Nature 138, 1057 (1936).

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0 - b e r d ie W i r k u n g v o n R h a m n e t i n t r od t g e s p e r e t i n a u f d a s F r o s c h h e r z . 6 4 9

Von den beiden Stoffen zeigt das Rhamnetin an isolierten Froseh- herzen eine dem Quercitrin ghnliche, aber etwas sehwgehere Wirkung. In Wasser 15st es sich sehr sehlecht, daher kann nur yon der Wirkung aul3erordentlieh kleiner Mengen die Rede sein, die abet aueh so augen- fgllig ist. Die stark herabgesetzte Amplitude des mit Milehsgure (1 : 80000) vergifteten Frosehherzens bessert sieh sehnell bei Zufiihrung yon 0,06 mg Rhamnetin (Abb. 1). Dasselbe sehen wir aueh dann, wenn wit die Amplitude

Abb. 1. Die Wirkung yon t thamnet in 0,06 mg auf das mit Milehsgure (1 : 80 000) vergiftete Froschherz .

des Yrosehherzens dutch Urethan (30rag) herabsetzen: 0,05 mg Rhamnetin bewirken -- ohne vorherigesAuswasehen --, dab das Herz sofort mit alter Kraft seine Tgtigkeit fortsetzt (Abb. 2).

Der andere Stoff, das Hesperetin, hat uns iiberrascht, da es eine yon den bisher un- tersuehten Stoffen vollkommen abweiehende Wirkung zeigt. Auch dieses ist in Wasser

Abb. 2. Die Wi rkung von Rham- herin- 0,05 mg auf das mit Urethan

(30 rag) vergif te te Froschberz.

Abb. 3. Die Wi rkung yon Hesperet in 1 : 2000000, e twa 0,5 y auf das Froschherz .

sozusagen unlSslich, aber es versehleehtert die Tiitigkeit des gesunden Froschherzens deutlich bereits in einer Yerdiinnung yon 1 : 10 Millionen and seine gesgttigte LSsung, welche etwa einer Veldiinnung yon 1 bJs 2 Millionen entsprieht, bringt das Herz bereits in einer Menge yon 0,5y unter wenigen Minuten fiber eine fortschreitende Amplituden- verringerung in Mittelstellung zum Stillstand, oder in einen dem Still- stand naheliegenden Zustand (Abb. 3). Es hat weder auf das mit

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650 A. v, JENE~ und A. G. Cz]l~[l~1]~tt:

I~arkotieis, noeh auf das mit Milchsaure vergiftete Herz eine wie immer geartete giinstJge Wirkung. So wird z.B. die dutch 0,5% Jges Urethan leieht gesehadJgte Herzarbeit durch zwei Tropfen Hesperetin[Ssung (1 : 2 Millionen) nieht verbessezt, hingegen ist nachher QuercitrJn in eJner Menge yon 0,2 mg wirksam. Aueh die T~itigkeit des Herzens naeh Schiidigung mit Milchsgure (1 : 20000) lggt sich dutch HesperetinlSsung nieht koIrigieren (yon der 10millionenfach verdiinnten L5sung 0,2 cem etwa 0,1 y), nut dutch Quercitrin (0,2 rag) (siehe Abb. 4). Die Tgtigkeit des durchHesperetin

vergifteten Herzens lgi~t sich aueh dutch mehrfaches Aus- wasehen dureh RingerlSsung nur schwer korrigieren, wenn wit aber aueh Quereitrin da- zugeben, so fSrdert dieses die Restitution.

Aus den Ergebnissen die- ser unserer Versuehe geht hervor, dal~ man nicht yon einer einheit]ichen F]avon- (Flavanon-)Wirkung spreehen

Abb. 4. Die Wirkung yon Milchs~iure 1 : 20000 auf das Froschherz wird durch Hesperetin 0:10000000, etw~ ] ~ a n n . S u c h t m a n n u n den 0A 7) nich| aafgehoben, Quercih'in (0,2 rag) wirkt nach- G r u n d dieses Untersehiedes,

tr~glich gut. so dr~ngt sich yon selbst der

Vergleieh der ehemisehen Struktur dieser Stoffe auf. Wenn wit die Strukturformeln des Quereetins, Rhamnetins und Hesperetins vergleichen,

H O H OH H O H OI-I ~ / \ C 2 i ff~'~,~%OH �9 ~ f \ l ~ \C, / / * - - ~ O H ~//s /i _ H s C0 /o I ~,l/~ n ~ H H % / \ , / .

0 H C 0 Quercetin 0 II C 0 l~harnnetin

H H O - H OH

H0( ~/'\?'H /.\/CH~ -ff----~0' CH3\'---~/H H

O H C O Hesperetin,

so f~illt einem auf, dab die beiden letzteren eine OCH3-Gruppe enthalten. W~ihrend aber diese Grupl0e Jm Rhamnetin die Seitenkette des Benzopyron- kernes bildet, hat die 0xymethylgruppe des Hesperetins ihren Platz im Phenolkern. Es verursaeht also nieht das einfache Vorhandensein der OCH3-Gruppe die Toxizitat bzw. Wirkungslosigkeit des Hesperetins, sondern der Umstand, dab irn Hesperetin die beiden OH-Radikale nieht frei stehen. Die OCH3-Gruppe wirkt im Rharnnetinrnole~:ii] nieht stSrend, well sie an den Beazopyronkern gekettet ist uHd so die beiden OH des

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(~Tber die Wirkung yon I4hamnetin und Hesperetin auf das Prosehherz. 651

Phenolkerns ihre Reaktivitgt ausfiben kSnnen. So wird die Festste!lnng in dieser unserer Arbeit verstgndlieh, dab das Rhamnetin imstande ist gleiehsinnig zu wirken, wie das Quereitrin, wei! in beiden Verbindungen je zwei nebeneinander in 3'- und 4'-Stellung an die Phenolgruppe ge- bundene freie OH-Radikale vorhanden sind. Wenn yon den beiden OH- Radikalen das eine dureh OCIt a substituiert wird, so verliert sieh die quercitrinartige Wirkung und die Verbindung wird toxisch. Szent - g y S r g y i hat sehon frfiher, im Verlaufe einer privaten Unterrednng, seiner Annahme Ausdruck gegeben, dab die Teilnahme der Flavonfarbstoffe an den biologisehen Oxydationspzozessen wahrscheinlieh durch die beiden OH-Radikale des Phenolkerns, mit Hilfe yon PhenoJoxydasen, erfolgt. Spgter haben Szent - GySrgyi und B r u e k n e r berichtet, dab das Hespere- tin der unreifen Zitrone im Verlauf der Reifung zu Eriodictyol demethyli- siert wird und dadureh seine aul3ero~dentliehe Aktiviti*t. gewinnt, wi*hrend seine methylisierte Form im Vergleieh hierzu bei den biologischen Oxy- dationsprozessen vollkommen inaktiv ist. Mit dieser Feststellnng stimmt aueh unsere Beobachtung iiberein, dab das Hesperetin auf die Herzarbeit keine dem Quercitrin iihnliche giinstige Wirkung ausiibt.

Es ist sehade, dab wir keine Oelegenheit batten das Eriodietyol zu priifen. 8obald wir in der Lage sind, werden wir aueh auf diesen Stoff unsere Untersuehungen ausdehnen.

Z u s a n l I n e n f a s s u n g .

1. Frosehherzversuche naeh S t raub . 2. Das RhaImletin hat eine dem Quereetin ~hnliehe giinstige Wirkung

auf das ermfidete, sowie dutch Narkotieis oder Milehs~ure vergiftetes Frosehherz.

3. Das ttesperetin seh~digt, obwohl es in Wasser fast unl6slich ist, in eharakteristischer Weise die tterzarbeit und ist fiir die sehnelle Kompen- sierung der Milehs~urewirkung nieht geeignet.

4:. Das abweichende pharmakologisehe VerhaRen dfirfte seine Er- kli~rung darin finden, dag im Phenolkern des Hesperetins in r sieh ein OxymethylradikM befindet, w~hrend im Phenolkern der Quercetin- und Rhamnetinmolekfile kein Oxymethylradikal vorhanden ist, so an dieser Stelle zwei freie OH-Radikale ffir die Zwecke der biologischen Oxydationen zur Verftigung stehen.

NB. Unsere oben besprochenen Beobachtungen lassen sich sehr seh6n in {Jbereinstimmung bringen mit den neuesten Feststellungen, welche S z e n t - G y S r g y i und Mitarbeiter ( I lona Banga , K o l o m a n Laky , B r u n o S t r a u b und B. G e r e n d s s) beziiglich des Mechanismus der Autoxy- dationen gemacht haben and fiber welche sie in der Sitzung vom 27. Mai 1938 der Ungarisehen Physiologisehen Gesellschaft berichtet haben.