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Aus dem Pharmakologisehen Institnt der lJniversitgt Wien. t~ber die Wirkung yon Schlafmitteln, Antipyretieis und Analepticis auf normale und grollhirnlose Tauben. Von Friedrich Winiwarter. (Eingegangen am 26. Januar 1937.) Im Anschlu$ an die Magnusschen Arbeiten 1 fiber die Reflexe der Gage und Bewegung an S~ugetieren hat, GrSbbels 2 an V5ge]n ~hnliche Untersuehungen angestellt, die eine grunds~tzliehe l)-bereinstimmung mit den Beobach~ungen von Magnus ergaben. In der Folge wurden dann VSgel mehrfach auch zur Prtifung der Wirkung verschiedener Pharmaca, insbesondere yon Schlafmitteln auf Stellreflexe herangezogen, da sieh das Herabfallen der Tiere yon der Sitzstange sehr einfach zur Kennzeichnung eines bestimmten Grades von Stellref]exstSrung verwerten l~13t. Honde- link a konnte auf diese Weise in Versuchen an Finken dartun, dal~ bei Sehlafmitteln die kleinste hypnotisehe Dosis stets erheblieh niedriger liegt als die kleinste, yon ihm als,,narkotiseh" bezeiehnete, stellreflexauslSsehende Gabe; dadureh war eine deutliehe Trennung zwisehen Sehlafwirkung und StellreflexstSrung gegeben, l~bereinstimmende Ergebnisse hat aueh D o s t ~ mit gleieher Methode bei der Prfifung vegetativer Gifte erzielt und sehlie13- lieh hat neuerdings Steinmetzer 5 an Hiihnern gezeigt, dab eine Bestim- mung der Sehlaftiefe naeh dem Grade der StellreflexstSrnng, wie dies Magnus und Mitarbeiter, sowie Girndt 6 und Seh6n 7 an Kaninehen und Katzen versueht haben, nieht durehfiihrbar ist. Um einen weiteren Einbliek in die Zusammenhiinge zwisehen Sehlaf- wirkung und Beeinflussung der Stellreflexe zu gewinnen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Untersuehung yon Sehlafmitteln, Antipyretieis und Analeptieis sowie yon Morphin und Bulboeapnin vergleiehend an normalen und grol~hirnlosen Tauben durehgefiihrt. Die Prfifung erstreekte sieh auf Paraldehyd, Chloralhydrat, Veronal-Natrium, GuminM- Natrium, Evipan-Natrium, Chinin, Antipyrin, Natrium-salieylieum, Car- diazol, Coramin, Morphin und Bulboeapnin, letzteres aueh in Kombination mit Antipyretieis und Sehlafmitteln. 1 Magnus R. : Die KSrperstellung. Berlin, Julius Springer 1924. -- 2 GrSb- bels, F. : Z. f. Biolog. 76, 83 (1922). -- ~ Hondelink, H. : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 163, 662 (1932). -- 4 Dost, H.: Ebenda 175, 727 (1934). -- 5 Steinmetzer, K. : Ebenda 180, 37 (1935). -- 6 Girndt, O. : Ebenda 164, 118 (1932). -- 7 S c hSn, H. u. Kippen: Ebenda 154, 115 (1930).

Über die Wirkung von Schlafmitteln, Antipyreticis und Analepticis auf normale und großhirnlose Tauben

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Page 1: Über die Wirkung von Schlafmitteln, Antipyreticis und Analepticis auf normale und großhirnlose Tauben

Aus dem Pharmakologisehen Institnt der lJniversitgt Wien.

t~ber die Wirkung yon Schlafmitteln, Antipyretieis und Analepticis auf normale und grollhirnlose Tauben.

Von

Friedrich Winiwarter.

(Eingegangen am 26. Januar 1937.)

Im Anschlu$ an die Magnusschen A r b e i t e n 1 fiber die Reflexe der Gage und Bewegung an S~ugetieren hat, G r S b b e l s 2 an V5ge]n ~hnliche Untersuehungen angestellt, die eine grunds~tzliehe l)-bereinstimmung mit den Beobach~ungen von M a g n u s ergaben. In der Folge wurden dann VSgel mehrfach auch zur Prtifung der Wirkung verschiedener Pharmaca, insbesondere yon Schlafmitteln auf Stellreflexe herangezogen, da sieh das Herabfallen der Tiere yon der Sitzstange sehr einfach zur Kennzeichnung eines bestimmten Grades von Stellref]exstSrung verwerten l~13t. H o n d e - l i nk a konnte auf diese Weise in Versuchen an Finken dartun, dal~ bei Sehlafmitteln die kleinste hypnotisehe Dosis stets erheblieh niedriger liegt als die kleinste, yon ihm als,,narkotiseh" bezeiehnete, stellreflexauslSsehende Gabe; dadureh war eine deutliehe Trennung zwisehen Sehlafwirkung und StellreflexstSrung gegeben, l~bereinstimmende Ergebnisse hat aueh D o s t ~ mit gleieher Methode bei der Prfifung vegetativer Gifte erzielt und sehlie13- lieh hat neuerdings S t e i n m e t z e r 5 an Hiihnern gezeigt, dab eine Bestim- mung der Sehlaftiefe naeh dem Grade der StellreflexstSrnng, wie dies M a g n u s und Mitarbeiter, sowie G i r n d t 6 und S e h 6 n 7 an Kaninehen und Katzen versueht haben, n i e h t durehfiihrbar ist.

Um einen weiteren Einbliek in die Zusammenhiinge zwisehen Sehlaf- wirkung und Beeinflussung der Stellreflexe zu gewinnen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Untersuehung yon Sehlafmitteln, Antipyretieis und Analeptieis sowie yon Morphin und Bulboeapnin vergleiehend an n o r m a l e n u n d g r o l ~ h i r n l o s e n T a u b e n durehgefiihrt. Die Prfifung erstreekte sieh auf Paraldehyd, Chloralhydrat, Veronal-Natrium, GuminM- Natrium, Evipan-Natrium, Chinin, Antipyrin, Natrium-salieylieum, Car- diazol, Coramin, Morphin und Bulboeapnin, letzteres aueh in Kombination mit Antipyretieis und Sehlafmitteln.

1 Magnus R. : Die KSrperstellung. Berlin, Julius Springer 1924. - - 2 GrSb- bels, F. : Z. f. Biolog. 76, 83 (1922). - - ~ Hondel ink, H. : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 163, 662 (1932). - - 4 Dost, H.: Ebenda 175, 727 (1934). - - 5 S te inmetze r , K. : Ebenda 180, 37 (1935). - - 6 Girndt , O. : Ebenda 164, 118 (1932). - - 7 S c hSn, H. u. Kippen: Ebenda 154, 115 (1930).

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96 F. WINIWAt~TEP~ :

Methodik.

Die zu priifenden Mittel warden stets in w~isseriger L5sung in den Musculus pectoralis injiziert, wobei die Flfissigkeitsmenge 1 ccm meist nicht iibersehritt. Die Dosen sind durchwegs pro Tier angegeben (Gewieht 270--340 g), da die Empfind- lichkeitsuntersehiede yon Fall zu Fall so grol~ sind, daf~ eine Dosierung naeh Gewicht keine gr6f~ere Genauigkeit der Ergebnisse verbiirgt.

Als Zeichen f~ir den Eintritt des Schlafes werteten wir das st~ndige Verharren in der gleichen Stellung mit aufgeplustertern Gefieder und geschlossenen Augen. Schl~frigkeit ~ul~erte sich in h~ufigem und verlangsamtem Lidsehlag, sowie zeit- weiligem Aufplustern des Gefieders.

Zur Grof~hi rnexs t i rpa t ion , die sich an Tauben gut durchfiihren l~[f~t, wurde unter aseptisehen Bedingungen in Lokalan~isthesie die Kopfhaut gespalten, das Schi~deldach abgetragen und die Blutung aus dem Sinus sagittalis mit Stryph- nontupfern gestillt. Dann wurden die Grof~hirnh~misph~iren, denen das Striatum eng anliegt, yon lateral her aus ihrer H6hle gehoben und solange dureh Einschieben kleiner Wattetupfer verdrangt, bis der diinne Stiel, der sie mit dem Zwischenhirn verbinde~, abrif~. Diese Metbode gew~hrleistet, da,l~ die H~misph~ren ohne Zer- stt~ekelung restlos entfernt werden.

Die Tiere erholen sich naeh der Operation raseh und kSnnen bei sorgfs Ftttterung mon~telang am Leben erhalten werden. Sie sitzen meist mit aufge- plustertem Gefieder und geschlossenen Augen apathiseh im Kafig, zeigen ~ber zeit- weise starken Bewegungsdrang. Das FlugvermSgen und die Landungsreaktion sind vo]lsti~ndig ungest6rt. Schon einige Tage nach der Operation sind sgmtliche, von GrSbbels 2 bei normalen Tauben angegebenen Reflexe auslSsbar. Aus dem lethar- gischen Zustand sind die Tiere jederzeit dureh sehwaehe akustische Reize weekbar; aueh die Verabfolgung einer Injektion geniigt, urn sie filr l/s--1 Stunde stgndig wach zn halten, was besonders far die Beobaehtung der Sehlafmittelwirkung yon B edeutung wgr.

Ergebnisse.

1. Schlafmittel.

~) P a r M d e h y d .

An n o r m M e n T ~ u b e n bewirkte 0,1 g P~rMdehyd in etwa 20 Minuten Schlaf ohne StSrung der Stellreflexe; nach 1 Stunde waren die Tiere wieder w~ch. Eine ErhShung der Dosis auf 0,]2 g fiihrte schon in 10 Mi- nuten zu Schlaf und nach ungef~hr 20 Minuten fielen die Tiere vor~ der Stange. Die Lagereflexe kehrten im Verlaufe yon 1--2 Stunden allm~ihlich zuriick, eine gewisse Schl~frigkeit blieb abet noch viel l~nger bestehen. Bei Gaben yon 0,13--0,14 g n~,herten sich Schlafein~ritt und ErlSschen der Stellreflexe zeitlich immer mehr, bis schliel~lich bei 0,15 g die Tiere schon nach 5 Minuten ohne vorhergehende Anzeichen yon Schl~ifrigkeit von tier St~nge fielen nnd tier schliefen. Bei hohen Dosen w~r noch bis zurn ngchsten Tag eine deutliche Schlgffigkeit zu beobachten, w~hrend die Stellreflexs~5rung schon nach 4- -5 Stunden sbgeklungen war.

Die g r o f ~ h i r n l o s e n T ~ u b e n erwiesen sich gegeniiber Paraldehyd wesentlich empfindlicher; Schl~f war schon mit 0,06 g in 15 Minut, en, mit 0,1 g in 6 Minuten zu erzielen, die Stellreflexe blieben in diesem Dosierungs- bereich ungestS~; erst bei 0,11--0,15 g fielen die Tiere unmittelbar nach dem

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~ber die Wirkung yon ScMa~r~dtteln, Antipyreticis und Analeptiois. 97

Schlafeintritt von tier Stange. Der Zeitpunkt des Erwachens war bei den grol~hirnlosen Tauben wegen des lethargischen Zustandes dieser Tiere hie sieher festzustellen, sie vermoehten sieh aber naeh etwa der gleiehen Zeit wie die norraalen Tauben wieder auf der Stange zu halten.

Aus dem Vergleieh der sehlafraaehenden und stellreflexauslSsehenden Paraldehyddosen an norraalen mad grol~hirnlosen Tauben geht hervor, dal~ die Empfindliehkeitssteigerung der grol3hirnlosen Tiere gegentiber Paraldehyd haupts~eh]ieh die Sehlafwirkung betrifft, w~hrend ihre An- spreehbarkeit auf StSrung der Stellreflexe nieht wesentlieh erhSht ist.

b) C h l o r a l h y d r a t .

Die Versuche rait Chloralhydrat fiihrten zu ~hnlichen Ergebnissen wm die mit Paraldehyd. Die kleinste schlafraachende Dosis lag fiir normale Tauben bei 0,04 g, die kleinste stellreflexauslSschende bei 0,06 g. Die Erapfindlichkeitssteigerung der grol~hirnlosen Tiere trat bier besonders hinsiehtlieh dot Sehlafwirkung (kleinste Schlafdosis 0,02 g) sehr deutlich in Erscheinung, erstreekte sich aber auch auf die Beeinflugbarkeit der Stellreflexe (kleinste stellreflexauslSschende Dosis 0,04 g; vgl. Tabelle 1).

c) V e r o n a l - N a t r i u m .

Sehlafeintritt und Stel]reflexstSrung waren aueh bei Veronal seharf trennbar. Obwohl die k]einsten wirksaraen Dosen sehr nahe beisararaen lagen (Sehlaf 0,03 g, Erl5schen der Stellreflexe 0,035 g), erraSglichte der langsarae Ablauf der Wirkmag (30--45 Minuten) stets eine eindeutige Unterseheidung zwisehen dera Seh]afbeginn und der viel sparer einsetzenden StSrung der Ste]lreflexe. Die grol~hirnlosen Tauben verhielten sich ganz ~ihnlieh, doch war ira Gegensatz zu Paraldehyd und Cholralhydrat eine Erapfind]ichkeitssteigerung kaum nachweisbar.

d) L u m i n a l - N a t r i u m .

l~bereinstiramend mit Veronal ergaben sich aueh bei Luminal keine ausgeprggten Erapfindlichkeitsunterschiede zwisehen normalen und gro~- hirnlosen Tauben. Schlaf und StetlreflexstSrung waren aber auch bier zeitlich einwandfre~ zu tremaen (kleinste Sch]afdosis 0,012g, kleinste stellreflexauslSschende Dosis 0,02 g bzw. 0,16 g).

e) E v i p a n - N a t r i u r a .

Die Tauben erwiesen sieh gegen Evipan, das viel rascher wirkte als Veronal oder Luminal, auBerordentlich empfindlich. Bei den norraalen Tieren bewirkten 4 mg nach 15 Minuten einen 1/2--1 Stunde dauernden 8chlaf ohne 8tSrung der Stellreflexe, wghrend bei groBhirnlosen Tieren schon die halbe Dosis (2 rag) die gleiche Wirkung hatte. Urn die Stell- reflexe auszulSschen, waren in be!den Fgllen 6 mg erforderlich; die groBhirn-

Archly f. experiment. Path. u. PharmakoI. Bd. 185. 7

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98 F. WINIWAI'~TER :

losen Tauben fielen bei dieser Dosis schon nach 4 Minuten, die normalen erst nach 12--15 Minuten vonder Sitzstange. GrSl~ere Gaben yon Evipan (8--16 rag) fiihrten in 1--2 Minuten zu tiefer Narkose, aus der die Tiere nach 4--5 Stunden erwachten.

2. Antipyretica.

a) Chin inum b i h y d r o c h l o r i e u m .

Chinin, das in hohen Dosen (0,05 g bei normalen, 0,06 g bei grollhirn- losen Tauben) Kriimpfe auslSste, fiihrte in Gaben yon 0,02--0,04 g zu leichter ScM~ifrigkeit, die bei normalen Tieren deutlicher ausgepriigt war als bei grol~hirnlosen. Die Stellreflexe bleiben in diesem Dosierungsbereich ungestSrt, sie erlSsehen erst bei Auftreten yon Kriimpfen.

b) An t ipy r in .

Antipyrin (0,15--0,16 g )ha t t e bei normalen Tauben eine deutlieh beruhigende, dutch Bewegungsarmut gekennzeiehnete Wirkung. In einigen F~llen ging die Schl~frigkeit in leichten Schlaf fiber. Dosen oberhalb von 0,2 g riefen Krs hervor, bei deren Eintritt aueh sehwere Stell- reflexstSrungen siehtbar wurden.

Die grol~hirnlosen Tauben verhielten sieh insofern etwas versckieden, als sie bei 0,2 g die S bellreflexstSrungen ohne Kr~mpfe zeigten; Krgmpfe traten erst naeh 0,24 g auf.

e) N a t r i u m - s a l i c y l i e u m .

Im Gegensatz zu Antipyrin waren naeh Natrium-salieylicum, das nut an normalen Tauben gepriift wurde, hie Zeiehen von Beruhigung oder Schlafzubeobachten. Auf0,08--0,12 g stellte sieh Zitternund starkeAtem- not ein, 0,14--0,2 g fiihrten zu sehweren Kr~mpfen und StSrung tier Stell- reflexe.

8. Cardiazol und Coramin.

Die Ergebnisse mit Cardiazol un4 Coramin sind im wesentlichen eine Best~tigung der yon SchSn s an Kaninehen gemachten Feststellung, dal] dieVergiftung mit diesen Mitteln, im Gegensatz zu der mit K a m p f e r 9 bei normalen und groghirnlosen Tieren gleichartig verl~uft.

Auf 0,012 g Cardiazol bzw. 0,06 g Coramin traten bei den normalen Tauben Kri~mpfe auf, die wghrend ihrer 1/a--l-stiindigen Dauer yon schweren StSrungen der Stellreflexe begleitet waren.

Die grol~hirnlosen Tiere zeigten mit diesen Dosen nut leiehte Erregungs- erseheinmagen, wiihrend Kriimpfe erst durch Gaben yon 0,015 g Cardiazol oder 0,07 g Coramin ausgel5st wurden. Auffallend war eine besondere Widerstandsfiihigkeit der Stellreflexe, die darin zum Ausdruek kam, dag sich die Tiere trotz schwerer Kriimpfe auf der Sitzstange hielten.

s SchSn, H.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 113, 257 (1926). -- 9 Morita, T.: Ebenda 78, 208 (1915).

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TJber die Wirkung von Schlafmitteln, Antipyretieis und Ana.lepticis. 99

4. Morphin.

Norm~le Tauben re~gieren auf Morphin sehr verschieden. Nach Dosen von 0,006--0,016 g waren in einigen Fiil]en starke Erregung, in andercn Beruhigung und Schlttfrigkeit, niemals ~ber Schl~f zu beobachten. Eine StSrung der Stellreflexe trat erst bei 0,018 g nach etwa 30 Minnten aufl unabhttngig davon, ob sich die Morphinwirkung vorher in Erregung oder Beruhigung geiiu~ert hatte.

An den groghirnlosen Tieren konnten wit weder erregende, noch be- ruhigende Wirkungen feststellen. Die S~el]reflexe dagegen waren wesentlich morphinempfindlicher als bei normalen Tauben; die Tiere fielen nach 0,013 g innerhalb yon etwa 15 Minuten yon der Stange.

5. Bulbocapnin.

Unsere Versuche mit Bulbocapnin allein ergaben eine Ubereinstimmung mit den Befunden yon S c h a l t e n b r g n d *~ An normalen Tauben be- wirkten mittlere Dosen (0,005--0,01 g) einen kat~leptischen Zustand, in welchem die Tiere ruhig, jedoeh mit offenen Augen auf der Stange saBen, hThere Dosen (0,01--0,018 g) 16sten Krgmpfe und StSrung der Stellreflexe aus. Die groBhirnlosen Tiere zeigten his zu 0,025 g keinerlei Erscheinungen, selbst auf 0,03 g nur starke Erregung ohne Krgmpfe.

Die Kombinationsversuche mit Chinin ergaben, dal3 mittlere Chinin- gaben (0,02--0,04 g), deren Wirkung sieh hTehstens in einer leichten Sehlgfrigkeit i~ul3ert, bei Zugabe yon 0,005--0,01 g Bv_lboeapnin Krgmpfe auslSsen. Bemerkenswert ist, dal3 es sieh hier um Bulboeapnindosen handelt, die allein mlr einen kataleptisehen Zustand herbeifiihren. Mit dem Auftreten der Krgmpfe ist auch eine StSrung der Stellreflexe verbunden, so wie sie auch naeh hohen Chinindosen zu beobaehten war.

Kombinationsversuehe mig Chloralhydrat nnd Veronal verliefen er- gebnislos; 0,003--0,01 g Bulboeapnin beeinflugten weder die Sehlaf- noeh die Stellreflexwirkung dieser Schlafmittel.

Besprechnng der Ergebnisse.

Aus den Versuchen mit S c h l a f m i t t e l n geht eindeutig hervor, dal~ man sowohl bei normalen wie bei grol~hirnlosen Tauben die StSrung der Stellreflexe, die dutch das Iterabfallen yon der Sitzstange gekennzeichnet ist, yore Sehlafeintritt bei geeigneter Dosierung seharf trennen kann. Schon mit kleinen Dosen, die die Fnnktion der Stellreflexe noeh nieht beein- triiehtigten, konnten wit Sehlaf erzeugen und aueh bei hSheren ging der Schlafeintritt dem ErlSschen der Stellreflexe meist voraus. Diese Unter- sehiede verwischen sich allerdings mit steigenden Dosen immer mehr, so dag sehliefttieh eine scharfe Trennung unmSglieh wird. Das gilt vor allem fiir Evipan, das zwar in sehr kleinen Dosen Schlaf ohne ReflexstSrung hervorruft, in etwas grSl]eren Mengen abet so rasch zur Narkose fiihrt,

lo Schaltenbrand, S.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 103, 1 (1924). 7*

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100 F. WINIWAgTER:

da~ der ScMafeintritt davon nicht abzutrennen ist; es steht hier, wie bei den hohen Dosen der fibrigen Schlafmittel die narkotische Wirkung im Vordergrund.

Beaehtenswert erseheint die Sehlafmittelwirkung an den g r o I] hir a - losen Tauben . Sic zeigen gegenfiber Paraldehyd, Chlorathydrat und Evipan eine deutliche Empfindlichkeitssteige~ung, wie sie auch Mor i ta 11 an grol~hirnlosen Kaninehen beobachtet hat, w~hrend ihre Ansprechbarkeit auf die beiden, naeh E. P. P ick 1~ vorwiegend thalamisch angreifenden Hypnotiea Veronal und Luminal, dutch die G~ol3hirnabtragung kaum ver~ndert wird (siehe Tabelle 1). Dabei bleibt die Trennbarkeit zwischen Schlafeintritt und StellreflexstSrung wie an dan normalen Tieren roll erhalten oder wird sogar, wie bei Paraldehyd, Chloralhydrat and Evipan, dirrch Verg~SBerung des Abstandes zwischen schlafbringender und stall- �9 eflexaus]Ssehender Dosis noeh erleichtert.

Tabellel. Vergleich der kleinsten schlafmachenden und stellreflex- auslSschendcn Dosen yon Schlafmitteln an normalen und groi~hirn-

]osen Tauben.

~iittel

Paraldehyd ....... Chloralhydrat ...... Veronal-~Ta . . . . . . Luminal-Na . . . . . . Evipan-~Na . . . . . . .

Taaben

0,1 0,04 0,03 0,012 0,004

normal

Kleinste stell- refiexlt~hmende

Dosis in g

0,12 0,06 0,035 0,02 0,006

Tallb@n, grol~hirnlos

Kleinste sch[af-I Kleinste stell- machende Dosis reflexli~hmende

in g Dosis in g

0,06 0,11 0,02 0,04 0,025 0,03 0,012 0,016 0,002 [ 0,006

Die A n t i p y r e t i c a 16sten bei den normalen Tauben nicht Schlaf. sondern nut Sehlafbereitsohaft aus. Eine StSrung tier Stellreflexe zeigten die normalen Tiere ia der Regel erst naeh hohen, krampfmachenden Dosen, w&hrend bei dan grol3hirnlosen Tieren Antipyrin schon in kleinen Mengen, die noah keine Kr&mpfe veruxsaehten, die Funktion der Stellreflexe beeia- t~ehtigte, ohne dabei Schlas zu erzeugen. Daraus geht ebenso wie aus unseren Versuchen mit Schlafmitteln hervor, da~ L~hmung der Stell- reflexe und Schlafwirkung nicht in unmittelbaren Zusammenhang gebracht warden kSnnen.

Einen weiteren Beweis dafiir sehen wit in der Wi~kung des Morphins, das bei den normalen Tauben entweder erregend oder beruhigend wirkte, die Stellreflexe abet unabh~ngig davon stets in gleicher Weise l~ihmte. Dal] diese Beeinflussung der Stellreflexe als selbst~indiger, nicht an die iibrigen Morphinwirkungen gebundener Vorgang anzusehen ist, zeigt das Verhalten der gro~hirnlosen Tauben, bei welehen Morphin ausschliel~lieh eine Lghmung der Stellreflexe ohne sonstige Erseheinungen herbeiffihrt.

11 ~ori ta , T.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 78, ~-q (191h~. - - 12 T)ia~_ E. P. : Wien. klin. Wschr. 40, 23 (1927).

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l~'ber die Wirkung yon Sehlafmitteln, Antipyretiois und Analeptieis. 101

In den Kombinationsversuchen yon Bulboeapnin mit Veronal und Chloralhydrat konnten wit keine )~nderung der Sehlafmittelwirkung fast- stellen. Hierin weiehen unsere Befunde yon den Beobaehtungen S te in - m e t z e r s ~ an tIiihn6rn ab, der mit Bulboeapnin bei verstiirkter Sehlaf- wirkung eine Absehwiiehung oder Aufhebung des stellreflexliihmenden Einflusses der tIypnotiea fan& Da S t e i n m e t z e r mit Bnlboeapnin allein einen Sehlafzustand erzielte, wiihrend wit Katalepsie und in hSheren Dosen Kriimpfe beobaehteten, diirfte das abweiehende Ergebnis der Kom- binationsversuehe in der versehiedenen Reaktionsweise yon Htihnern und Tauben gegen Bulboeapnin begriindet sein.

Gleiehes gilt aueh flit die K0mbination Chinin-Bulbocapnin. AnTauben 15sen beide Mittel Krgmpfe aus, und ihr Zusammenwirken gugert, sieh in erhShter Krampfbereitsehaft, wogegen naeh S t e i n m e t z e r an Hiihnern die stellreflexlghmende Teilwirkung des Chinins dutch Bulboeapnin auf- gehoben wird.

Selllul3sgtze.

1. Es wurde die Wirkung yon Sehlafmitteln, Antipyretieis, Analeptieis, sowie yon Morphin und Bulboeapnin vergleiehend an n o r m a l e n und g ro l3h i rn losen T a u b e n unter besonderer Beriieksiehtigung der Be- ziehungen zwisehen Sehlaf und K6rperstellreflexen untersueht.

2. Sehlafmittel (Paraldehyd, Chloralhydrat, Veronal, Luminal und Evipan) bewirken an normalen Tauben in kleinen Dosen Sehlaf ohne St6rung der Stellreflexe, mit~lere Dosen erzengen Sehlaf mit darauf folgender Stell- reflexliihmung. Die groghirnlosen Tauben erweisen sieh den Sehlafmitteln Paraldehyd, Chloralhydrat und Evipan gegeniiber wesentlieh empfindlieher als die normalen, zeigen abet hinsichtlieh der Beziehungen zwisehen Sehlaf und Stellreflexst6rung das gleiehe Verhalten. Die Itirnstamm-Hypnotiea Veronal und Luminal dagegen zeigen an Tauben keine dutch die Grol3hirn- exstirpation erh6hte Wirkungssteigerung.

3. Die Antipyretiea (Chinin, Antipyrin und Natrium salieylieum) fiihren nieht zu Sehlaf, 15sen jedoeh in hSheren Dosen StSrungen des Stell- reflexe aus.

4. Auf 3r reagieren normale Tauben entweder mit Erregung oder Beruhigung; bei grol3hirnlosen Tauben dagegen fehlen derartige Er- seheinnngen. GrSl~ere Morphindosen bewirken eine Liihmung der 8tell- reflexe, die bei allen Taube:n in gleicher Weise eintritt.

5. Bulboeapnin verstiirkt die krampfmachende Wirkung des Chinins. Die Wirkung des Sehlafmittel (Veronat nnd Chtoralhydrat) wird nieht be- einflugt.

6. Aus dem Verhalten der normalen und grol3hirnlosen Tauben gegen- fiber Sehlafmitteln, Antipyreticis und Morphin geht eindeutig hervor, dal) StSrungen der Stellreflexe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Schlafwirkungen stehen und somit aueh nieht zur Analyse und zur Auswertung soleher Wirkungen herangezogen werden kSnnen.