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XVII. lJber eine hnzahl im russisch-japanischen Kriege erlittener Verletzungen des Ohres. Von Dr. Leo tlirsehland., Ohrenarzt in Wiesbaden. Im Zeitraume yon Januar 1905 bis Oktober 1906 hatte ich Gslegenheit, sine verhNtnism~gig grol3e Anzahl yon Kranksn zu sehen, dis dnreh Ersehtitterungen und Vsrletzungen des Kopfes mehr oder weniger sehwsre Veriindsrnngen an ihrem @sh8rorgan davongetragen batten. Die Patienten waren russisehe 0ffiziere~ die einen Teil des russiseh:japanisehen Krieges mitgemaeht batten und wghrend desselben verwundet worden waren. Naeh Ausheilung ihrer aulSeren Wunden wurden dieselben in das dureh Privatwohlt~tigkeit zur Verfiigung gestellte hiesige Zgsarewitseh- heim gesehiekt, um mit ttilfe der Wiesbadener Heilfaktoren gebessert oder mSgliehst ganz yon ihren Leiden befreit zu wsrden. Da die 53 dort znr Behandlung gekommenen Patienten in ihrer groi3en Mehrzahl iiber Ohrensausen~ Sehwindel und Sehwer- hSrigkeit klagten, war der iirzfliehe Leiter des Z~tsarewitsehheims, Herr Dr. G. gonigmann hisr, so liebenswiirdig, mir eine grolSe Zahl der Kranken zur eingehenden Untersuehnng, zum Teil zur Be- handlung, und in einem Falle znr Operation~ zuzuweisen. Uber seine Beobaehtungen an diesem Krankenmaterial hat g o n i g m a n n in seinem Vortrage auf dem diesj~hrigen Kongresss fiir Inhere Nedizin ,,f)ber Kriegsneurosen" beriehtet. Das mir zur Untersuehung tiberwiesene Krankenmaterial zeiehnete sieh dutch eine gro[Se Regelmiigigksit aus, zunitehst dadureh, dal~ alle Untsrsuehten denselbsn Bernf hatten. Alle batten einen Tell des Krieges nnter den gr~)gten Strapazen mit- gemaeht, einzelne waren dureh diese nnd dureh mehr oder wenig'er sehwsre Verwundnngen kSrpertieh und zum Teil aueh

Über eine Anzahl im russisch-japanischen Kriege erlittener Verletzungen des Ohres

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XVII.

lJber eine hnzahl im russisch-japanischen Kriege erlittener Verletzungen des Ohres.

Von

Dr. Leo tlirsehland., Ohrenarzt in Wiesbaden.

Im Zeitraume yon Januar 1905 bis Oktober 1906 hatte ich Gslegenheit, sine verhNtnism~gig grol3e Anzahl yon Kranksn zu sehen, dis dnreh Ersehtitterungen und Vsrletzungen des Kopfes mehr oder weniger sehwsre Veriindsrnngen an ihrem @sh8rorgan davongetragen batten. Die Patienten waren russisehe 0ffiziere~ die einen Teil des russiseh:japanisehen Krieges mitgemaeht batten und wghrend desselben verwundet worden waren. Naeh Ausheilung ihrer aulSeren Wunden wurden dieselben in das dureh Privatwohlt~tigkeit zur Verfiigung gestellte hiesige Zgsarewitseh- heim gesehiekt, um mit ttilfe der Wiesbadener Heilfaktoren gebessert oder mSgliehst ganz yon ihren Leiden befreit zu wsrden. Da die 53 dort znr Behandlung gekommenen Patienten in ihrer groi3en Mehrzahl iiber Ohrensausen~ Sehwindel und Sehwer- hSrigkeit klagten, war der iirzfliehe Leiter des Z~tsarewitsehheims, Herr Dr. G. g o n i g m a n n hisr, so liebenswiirdig, mir eine grolSe Zahl der Kranken zur eingehenden Untersuehnng, zum Teil zur Be- handlung, und in einem Falle znr Operation~ zuzuweisen. Uber seine Beobaehtungen an diesem Krankenmaterial hat g o n i g m a n n in seinem Vortrage auf dem diesj~hrigen Kongresss fiir Inhere Nedizin ,,f)ber Kriegsneurosen" beriehtet.

Das mir zur Untersuehung tiberwiesene Krankenmaterial zeiehnete sieh dutch eine gro[Se Regelmiigigksit aus, zunitehst dadureh, dal~ alle Untsrsuehten denselbsn Bernf hatten. Alle batten einen Tell des Krieges nnter den gr~)gten Strapazen mit- gemaeht, einzelne waren dureh diese nnd dureh mehr oder wenig'er sehwsre Verwundnngen kSrpertieh und zum Teil aueh

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psychisch gesch~digt. Sodann befanden sieh die Kranken zam grof~en TeiI in denselben Dienstgraden und demgem/~f~ im selben Alter. Weiterhin kam meinen Untersachungen die Gleiehm~l~igkeit insofern zu Gute, daf~ durch den Beruf die kiJrperliehe Aus- bildung der Patienten, die kSrperliche Gewandheit~ der Gang~ die Bewegungen, die Wendungen mSgliehst gIeiehmSI~ig waren, und demgem~i~ aueh die StSmngen dieser Funktionen eine einheitliehere Beurteilung gestatteten.

Da ein solehes nach Alter~ Beruf, Trauma gleiehartiges Krankenmaterial wohl nicht h/iufig zur Beobaehtung gelangt, mSchte ich das yon mir Gesehene mitteilen. Meine Beobaehtungen erheben in keiner Weise Ansprueh auf Vollst/iadigkeit, ieh bin mir im Gegenteil bewul~t, dat~ sie, wie das bei einem PrM;tiker nicht anders mSglieh ist~ viele Lfiekeu aufweisen. Daher will ieh auch keine Schliisse ziehen, sondern mSehte nur dutch meine Mitteilungen das casuistische Material zu den sehwebenden Fragen ~-ermehren and eventudl die eine oder andel'e Ansieht naeh einer Seite hin stfitzen. Aueh auf die Literatur bin ieh nieht ein- gegangen~ sondern will nur Oesehenes mitteilen.

Die im Kriege erlittenen Verletzungen habeu auch in der Art, wie die Erkrankungen zu Stande gekommen, etwas Gemein- sames. In der grSl~ten Zahl der F/~lle waren die Betroffenen die Opfer yon Gmnatexplosionen. Die Geschosse explodierten in ihrer N/the, teils auf der Erde, tells unter derselben. Die Be- troffenen warden zumeist zu Boden geworfen, eine Streeke weir fortgesehleudert und oft mit Erde iibersehiittet. Diese Kranken waren durch Granatsplitter selbst meist far nicht verwundet, w~hrend die direkt getroffenen tot am Platze bliebeu. Wie welt das Lyddit, yon dessen giftigen Wirkungen einzelne Verletzte erzghlten, eine Mitwirkung hatte, konnte nieht ermittelt werden. NaturgemSl] getangten die BIessierten erst verh~ltnism~ig lunge Z e i t - 4 Monate bis 1.1/4 J a h r - naeh tier Verwundung zu uns, well die grol~e Entfernung and die ungiinstigen Verh~,tltnisse der best/~ndigen Truppenzufuhr den I~iiektransport sehr verzSgerten aber auch desbalb, well ein kleiner Teil tier Offiziere 7 die erlittenen Verletzungen gering aehtend, n~eh einiger Zeit wieder an weiteren Gefeehten teilnahm, bis entweder eine neue Verwundung sie zur Umkehr zwang oder die Unmggliehkeit, die grol~en Strapazen welter zu ertragen. So kommt es, dal~ ieh fiber frische Ver- wuudungen niehts zu beriehten weiB~ sondern nur fiber die Folge- zust/inde. Immerhin aber ist es interessant, daf~ die Betroffenen

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ziemlich tibereinstimmend die ersten Beschwerden schilderten. Ferner gelangten wenige Offiziere zu uns, die vStlig dienstunfShig waren infolge sehr schwerer Verwundungen, sondern meist nut solche, bei denen die Folgen yon Frakturen~ Sehiissen~ Kon- tusionen vorhanden waren~ sowie solch% deren Nervensystem dutch die erlittenen Strapazen~ Entbehrungen, dureh das unge- wohnte Klima nnd die furchtbaren Aufregungen gesehwiicht war. Daher kommt es~ dal~ in einigen meiner Fiille das Bild der Ohr- oder Labyrinth-Erkrankung kein absolut reines ist~ sondern getriibt dutch die gteiehzeitig bestehenden nervSsen StSmngen, die H o n i g m a n n in seiner Arbeit ,~Jber Kriegs- neurosen" ausfiihrlieh behandelt.

Ehe ieh auf die einzelnen Fg, lle eingehe~ m~iehte ich die Klagen und Symptome meiner Patienten im allgemeinen sehildern. Bei fast allen bestand eine mehr oder weniger starke Sehwer- hiirigkeit, meist starker auf der Seite~ auf der die Gewalt direkt eingewirkt hatte 7 oder die der einwirkenden indirekten Gewalt mehr zugekehrt war oder auf die der Verletzte aufsehlug. Fast regelmitl~ig waren die Vefletzten anfangs bewuf~tlos, meist nur kurze Zeit~ niemals lang. Die Dauer der Bewuf~tlosigkeit wurde zwischen 10 Minuten und 8 Stunden angegeben, Blutungen arts Ohr~ Nas% Hals wurden in mehr als der Hglfte tier FSlle an- gegeben und in allen diesen F~lten konnte ich die Reste einer Sehadelbasisfraktur oder Fissur naehweisen. Ich glaube~ daf~ es sieh meist um Fissuren des Felsenbeins gehandelt hat und zwar um L~ingsfissuren, well in den yon mir so angesprochenen F~illen sieh das HSrverm5gen wieder besserte~ zum Tell sehon vor Eintritt in racine Beobachtung. Geschoi~teile habe ieh nur in zwei F'allen noch im 0hre oder seiner Nachbarsehaft finden kSnnen nnd zwar das eine Mal zwei kleine Granatsplitter im ~ulteren G e h S r g a n g - davon war einer fest eingekeilt - - und eim~.ml Teile einer RevoIverkugel im hinteren Teile des Warzen- forts~tzes. Hier war eine BogengangserSffnung erfolgt, an die sieh spSter eine eitrige Meningitis mit letalem Ausgang ansehlof~; auf diesen sehr interessanten Fall gehe ich noeh ausfiihrlicher ein.

in den F~illen, in denen die Blutungen auf eine Kontinuit~ts- Trennung des Sch~dels hinwiesen~ war anfangs auch Erbrechen vorhanden, dessen Dauer zwischen einigen Stunden und zwei Woehen schwankte. In diesen letzteren Fgllen scheint eine sehr schwere Commotio cerebri bestanden zu haben, und hier war auch die Restitution des ttiirvermSgens eine sehr geringe.

l~ber eine Anzaht im russ.-iapan. Kriege erworb. VerIetzungen d. 0hres. 191

Eine Klage, die fast ausnahmslos bet allen Kranken bestand, war die fiber heftige Kopfsehmerzen, die bald naeh der Ver- wundnng auftraten, l~ngere Zeit anhielten und aueh 5fters, be- senders bet Witterungswe&sel~ Gemfitserregung~ Anstrengungen geistiger and kSrpertieher Art~ bet VerdauungsstSrungen wieder- kehrten. Als der Oft des Kopfsehmerzes wurde meist der ttinter- kopf angegeben. In einigen F~illen wurden die anfallsweise auf- tretenden Kopfsehmerzen so stark, dab vorfibergehender Verlust des BewulStseins and aueh epileptoide Anf~tlle auftraten. Immer war in diesen F~tllen die Stimmung eine gedrtiekte, aneh konnte meist eine Aura beobaehtet werden.

Die gauptklagen jedoeh waren die fiber S&werhSrigkeit, Sehwindel und entotisehe Ger~usehe. Die Art der Sehwer- hSrigkeit werde ieh dann bertieksiehtigen, wenn ieh auf die einzelnen F~lle eingehe.

Der Sehwindel war sehr versehieden, sowohl an Quantit£t wie an Qualit~t. Er weehselte an ersterer zwisehen leiebtem Sehwanken und sehwerem Fallen. Was die Qualit~t des Sehwin- dels angeht, so bestand in den sehweren FNlen Sehwindel, der sehon eintrat, wenn die Kranken in Ruhelage waren, der in ruhiger Rtiekenlage nieht vSllig versehwand und der starker wurde, wenn eine Bewegung" naeh der Seite des mehr erkrankten Ohres ausgeftihrt wnrde. Die Patienten batten das Geftihl als ob sie aus dem Bette fielen, oder sie glaubten, dag das Bett stark sehaukelnde oder drehende Bewegungen ausffihre; hierauf trat dann 5fters Erbreehen au[. Bet plStzliehen Bewegungen, wie beim Aufriehten im Bette, beim Aufstehen aus dem Bette oder ans einem Lehnsessel, beim Anziehen der Stiefel, trat diese Art des Sehwindels ebenfalls 5fter auf.

In einer Reihe weiterer F~lle, oft aneh vergesellsehaftet mit den vofigen, zeigte sieh Schwindel~ bei dem die Kranken fiber eigene subjektive Sehwankungen klagten. ~leist war das Sehwanken beim Gehen, bet Drehungen, beim Springen zu sehen. Die Prtifung erfolgte stets mit offenen Aug'en und mit Augen- sehlul3. In Ietzterem Falle waren die Sehwankungen stets aus- gesproehener, oder sie kamen zum Vorsehein, wenn sie bet mit offenen Augen ausgeftihrten Bewegung'en vorher nieht siehtbar waren.

Und sehlieNieh mSchte ieh noch eine Art des Schwindels erwfihnen, die sieh besonders in drei, den sehwersten F~llen zeigte Dieser Sehwindel trat auf, wenn die Kranken rnhende Objekte

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betraehteten, die sieh dunn plStzlich bewegten. AIs Beispiel mSgen durch leichten Wind bewegte B~ume oder Fahnen dienen. Hierbei war regelmSt3ig Nystagmus zu beobaehten.

Ferner trat Sehwindel bei meinen Kranken auf~ wenn ich den Luftdruek im iiui3eren GehSrgange vermehrte, wie das sehon bei tier Untersuchung, bei AnsteIluug des GelI~sehen Versuches regelmSNg vorkam. Bei Katheterismus der Eustaehisehen Tube trat ebenfalls hiiufig Schwindel auf, wenn der angewandte Luft- druck fiber 0,3 AtmosphSren hinausging. Wurde die Luft erwiirmt, auf 30--35 Grad~ so wurde yon diesen Patienten der Katheteris- mus his zu 0,5 und 076 Atmosph~ren Druek, ohne daft Schwindel auftrat, ertrag'en. Ebenso trat des 5fteren bei Spiilungen des Ohres Sehwindel auf, namentlieh auch dann, wenu die Sptilungs- fltissigkeit kiihler war. In einzelnen Ffillen versuehte ich Schwindel hervorzurufen dureh Anftillen der Geh5rg~nge mit Wasser ver- schiedener Temperatur; aber den meisten Patienten war diese Prozedur so unangenehm, dal~ sie die Eriaubnis dazu versagten. Jedenfatls vermoehte ieh in den wenigen F~illen dutch Eingiel3en yon Wasser yon 10 Grad R. in den Geh~rgang Sehwindel zu erzeugen.

Fast regelm~l~ig war beim Eintreten des Sehwindels Nystag- mus zu beobaehten und zwar durehg~tngig grobsehl~g'iger, hori- zontaler Nystagmus. Er trat besonders bei starken SeitwSrts- bewegungen der Bulbi auf, wohl etwas 5fter bei Bewegungen nach der erkrankten Seite him Bei ErhShung des positiven und negativeu Druekes im ~iugeren Gehgrg'ange trat ebenfalls Nystag- mus auf, ebenso wenn die Patienten sehrille PfeifentSne hSrten. Uberhaupt waren sehr hohe T~ine den meisten Kranken li~stig. Dis Grade des Unbehagens hierbei sehwankten zwisehen unan- genehmen Empfindungen und heftigen Sehmerzen.

Ich komme jetzt zur Sehilderung der entotisehen GerSusehe. Beginnend mit dem tiefen einfachen Sausen~ das 5fters auftritt und versehwindet, zusammen mit dem Geffihle der VNle im Ohr, dem Zufallen des Ohres und dem fremden und enffernten Klingen der eigenen Stimme~ mug ieh sagen, da[5 dieses Sausen fast bei allen Patienten zu verzeiehnen war, wohl als Ausdruek und Folge yon Mittelohrstiirungen~ die ihrerseits auf die dureh das rauhe Klima~ die Strapazen des Krieges und der Reise hervorgerufenen Katarrhe der Nase und des Nasenraehenraums zu beziehen waren. Diese GerKusehe machten den Patienten relativ wenig Besehwerden und sit versehwanden meist sehnelt mit tier Besserung der Ka-

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tarrhe und bei geeigneter Behandlung. Auch im Bilde der Funktionspriifung zeichneten sich diese Mittelohrstiirungen meist so scharf ab~ dal~ sie die iibrigen Erseheinungen nieht verdeekten und das Gesamtbild nicht sgirten.

Einen breiteren Raum beanspruchten die Klagen fiber die tiefen kontinaieflichen Ger~usche~ die verglichen wurden mit dem Tone eine grol~en Muschel, mit dem Brausea des Windes oder dam Flattern einer Fliege. Diese Ger/iusehe waren dann iifters nntermiseht mit hellem hohem~ oft sehmerzbaftem Klingen. Die kontinuierlichen Ger~usche, die hohen und die tiefen Klang- cbarakters wurden dann lauter und st~irend, wenn die Um- gebung ruhig war~ also abends beim Zubettegehen und in der l~acht. In einer Reihe yon F/illen waren sie so stark: da[5 sie das Einsehlafen sehr erheblieh stSrten.

Die hohen Ger/iusehe, die, wenn sie nieht als zeitweilige Beimengungen auftraten~ meist konfinuierlieh wm'en, entsprachen dem Tone des siedenden Wassers, dam Grillenzirpen 7 dem Klirren yon Scheiben, scbrillem Sehreien~ schrillem Klingeln und L~uten und wurden meist bei Naehpriifungen mit Gabeln in die 4. gestrichene Oktave verlegt. Vielfaeh sagten die Patienten, dal~ diese Ger/~usehe mehrere Monate naeh dem Trauma be- standen h~tten und mit starker Abnahme des GehSrvermiigens versehwunden w~ren; aueh der Schwindel wiire dann geringer geworden.

Indem ieh nun im FoIgenden zu meinen F~llen selbst iiber- gehe, will ich mit einem Fall beginnen, der nach den Symptomen und naeh dem tSdlichen Ausgange als der sehwerste bezeiehnet warden muB.

Der Patient, Leutnant P., hatte aus etwa 5 i~Ieter Entfernung einen Revolverschui~ gegen das linke Ohr bekommen und war gleichzeitig durch die Explosion einer Granate umgeworfen und eine Strecke welt fortge- schleudert worden. Die Kugel war im Tragus ein- und etwa 1,5 cm hinte~ dem Processus mastoideus ausgetreten. Der Patient gab an, zuerst bewuBt- los gewesen zu sein, abet nnr fiir wenige Minuten. I~ach dem Erwaehen bemerkte er L~hmungserseheinungen in beiden Beinen; er vermochte sich nicht aufzurichten; die Beine waren bleisehwer und konnten nur wenige Zentimeter veto Erdboden und nur unter grol3er Anstrengung emporgeho- ben werden. Patient nimmt an, dal~ die Beine und ]?iiI]e lange Zeit kalt gewesen seien. Er hatte starke, mehrere Tage anhaltende Ubelkeit und heftiges Erbrechen yon gleieher Dauer. Ferner bestand eine miil~ig starke Blutung aus dem linken Ohre, starker Sehwindel, tier bei dan geringsten Bewegungsversuchen st~irker wurde, ein hohes, sehrilles Klingen im linken Ohr und in der linken KopfhSMte. Das Geh5r auf dem linken Ohr soil vSllig geschwunden gewesen sein, sich abet in geringem Grade naeh etwa 5 Wochen wieder eingestellt haben. Der Offizier hat 6 Monate schwer dar- niedergelegen und kam dann nach Wiesbaden.

Archly f. Ohrenheilkunde. 74. Bd. Festschrift. 13

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Die Beschwerden beider ersten Untersuchung waren folgende: Schwer- hSrigkeit hohen Grades auf dem linken Ohre, anfallweise auftretender hefti- ger Kopfsehmerz yon 2--3stiindiger Dauer, in der Gegend des Ohres be- ginnend und nach dem Hinterkopf ausstrahlend, hohes Klingen im linken 0hr, heftiger Schwindel~ der besonders dann auftrat, wenn Patient bewegte Gegenstiinde ansah. Patient war ein herkulisch gebauter 5¢Iann, 2 m 4 cm groin, mit m~ichtig ausgebildeter Muskulatur, gutem, nicht zu starkem Fett- polster und gesunden inneren Organen. Der Urin war frei yon pathologi- scheu Beimengungen. Am linken Tragus befand sich eine kleine gerSteto Hautnarbe, etwa in der }iitte des Knorpels, frei fiber der Unterlage be- wegtich. Eine etwas griil]ere rundliche, rote Narbe befindet sich etwa 1,5 cm hinter dem hinteren Rande des Processus mastoideus, etwa 1,5 cm oberhalb einer dutch die Spitze des Warzenfortsatzes gelegten Horizoutallinie. Die Narbe ist stark druckempfindlich und fest mit der Unterlage verwachsen~ knopfartig iiber die Hunt hervorragend. Der Warzenfortsatz ist in seiner ganzen Ausdehnung sehr druckempfindlich, am meisten oberhalb der Spitze. Hier erseheint er um fsst das Doppelte verbreitert nnd aufgetrieben. Die Glandula mastoidea ist stark gesehwollen. Der ~iui]ere GehSrgang ist welt. An der hinteren GehSrgangswald, etwa 1 c m v o r dem Trommelfell und etwa in der Mitre zwisehen Boden und Daeh des GehSrgangs, befindet sich eine oingezogene, mit ihrer Unterlage verwachsene Narbe. Diesell)e ist streifig und schon bei vorsichtiger Sondenberfihrnng iiberaus empfindlich. Diese Narbe liegt in der Verbindungslinie zwischen der Eintrittsstelle des Geschosses und dessen Austrittsstelle. Das TrommelfelI ist im unteren und hinteren Teil getriibt. Die Hammergriffgef~iBe uud die am unteren Limbus sind injiziert. Im Siegleschen Trichter erscheint die Beweglichkeit des linken Trommelfells gegen die des rechten herabgesetzt. Der Mundast des h'erx~us, facialis ist leieht paretiseh and quantitativ etwas veriindert, die an- deren Aste sind intakt. Die mehrfach wiederholten Untersuchungen des HSrvermSgens ergaben eine labyrinth~ire SehwerhSrigkeit hohen Grades mit gleichm~Biger, ziemlich betr~ehtlicher Einengung der oberon und der nnteren ttSrgrenze, sehr stark herabgesetzter Knochenleitung, Lgteralisation der TSne veto SchSdel aus nach der gesunden Seite. Beim Erklingen yon Tiinen der

1,0 C II 0,4 _~_ h ~ KI, r; UG ~-f; G 1-~; C r; c - - - r ~(s/45) 1)

2 und 3 gestrichenen 0ktave, ferner bei TSnen der Galtonpfeife tritt Schmerz hn linken Ohr a~ff, ferner pendelnde Bewegungen des Kopfes und sp~iter grobschl~igiger, hoI~izontaler Nvstagmus, untelznischt mit Rolten der t~nlbi. Das Klingea im linken Ohre soil dem TSnen der 4 gestrieheneJl c-Stimmgabet ~Ieich sein. Die Bewegungen: Stehen mit geschlossenen Fiif~en, auf den Zehenspitzen, auf dem rechten FufSe, Gang nach vorne und nach hinten, Rotation nach rechts, waren bei geSffneten Augen frei, wi~hrend bei Angen- sehlufi ein starkes Schwanken nach der linken Seite auftrat. Bei Stehen auf dem linken Ful~e und bei Rotation nach links trat auch schon bei geSffne- ten _~ugen Schwanken nach der linken Seite auf, w~ihrend bei Angenschlu[; Umfallen naeh der linken Seite erfolgte.

Ieh glaubte, da~ alas Geschol~ beim Durchtritt din'oh den Processus mastoidens einen der Bogengiinge, wahrseheinlich den hiuteren Bogengang, verletzt hgtte und nahm an, daft ein Sequester odor Splitter weiteren Dmek guf das Labyrinth ausiibte. Aus diesem Orunde schtug ich bei der enor- men Druckempfindlichkeit nnd Schwellung die Er5ffnung des Warzenfort- satzes and die Untersuchung'" des Wundkanals in INarkose vet, zumai das Roentgenbild nui" einen undeutlichen Schu/]kanal ohne Besonderheiten er- kennen lieB.

1) Fiir die HSrpriifungsergebnisse habe ich die yon Bloch vor- geschlagene ,Einheitliche Bezeiehmmg unserer HSrprfifungsergebnisse" ge- wghlt. Verhandlungen tier Deutschen Otologischen Gesellsehaft I898.

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Nach Durchtrennung der Weichteile zeigte sieh das Periost auf dem ganzen Warzenfortsatz oberhalb der Spitze fest mit dem Knochen verwachsen. Der Knoehen setbst war hypergmiseh, am st~h'ksten an der Stelle tier st~irksten ~kuftreibung und Sehmerzhaftigkeit. Die Cortieatis war ziemIieh dick, dann kamen k]eine Zellen mit normaler Sehleimhaut und sehliel~lieh tiefliegende grSl3ere Zelien, die ebenso wie die Terminalzellen des Processus mit gr[hl- lichem Eiter erfiillt waren. Vom Antrum naeh hinten und etwas nach unten gehend lag ein Sequester, nach dessen Fortnahme im massiven Knochen, den ich als hinteren Bogengang ansprach, eine etwa 0,2 cm lunge Fistel siehtbar wurde, aus der einige Tropfen hetlen Liquor cerebrospinaJis austraten. ]eh r~umte die Zellen mit dem selJarfen Liiffe! aus und legte, da (tie Zellen sehr welt nach hinten noch mit Eiter erffillt watch, den Sinus an der Umbiegungsstelle fl'ei, nahm aber we g_en des normalen Aussehens desselben yon emer Punktion Abstand. Die ~istel im Bogengang bedeckte ieh mit steriier Gaze, fiillte die iibrige Wunde mit Jodoformgaze gus, die ieh zum unteren Wundwinkel herausteitete und sehlol~ die fibrige Haut- wunde bis auf den unteren Tell mit 4 Niehelsehen Klammern. Am Abend nach der Operation (31. 3.) ft'~hlte sich der Patient wohI, w~ihrend nach Mitternaeht Erbrecben und Kopfschn~erzen auftraten. Das Erbrechen sistierte am Nachmittag des 1. 4., w~ihrend die Temperatur am 1. 4, 2. 4. und 3. 4. zwischen 37,0 und 38,4 wecbselte. Am 2. 4. auf ]Linlauf Stuhlentleerung. Die Wunde sub an diesem Tage vSllig reizlos aus; ich entfernte aber trotz- dem die Klammem und machte einen feuchten Sublimatverband. In der Nacht vom 3. zum 4. Anstieg tier Temperatur auf 40,2 mit Schiittelfrost. Da wir eine Verbreitung eines event, im Sinus befindliehen Thrombus be- ftirehteten - - der Sinus war an seiner 0bedl~iche mit Granulationen be- deckt - - , liegen wir die Vena jugularis interna am Halse unterbinden. (0berarzt Prof. Dr. Lando~v.) Beim Untersucben der wieder vSIlig ge6ffneten Wunde brach bei Sondierung die Sinuswand ein. Es trat eine miil~ig starke Blutung auf, die die Vermutung einer wandst~indigen Thrombose wahr- scheinlieh maehte. Am 4. 4. blieb die Temperatur hoch, fiel aber am 5. st~indig ab und war am Abend his halb 12 Uhr 38,6. In der Nacht vom 5. zum 6. zweimaliges Erbreehen und morgens 5 Uhr Temperatur 39,9. Die Temperatur blieb hoch und stieg bis 40,4 an. W~hrend der Puls an den vorigen Tagen an Frequenz und Spannung der Temperatur entsprochen hatte, wurde er ]etzt in tier Folge tangsamer; es waren bei 40,4 Temperatur nur 92 Schl~.ge zu z~ihlen, er blieb aber noch weieh. Der Verband mu~te ,~egen reichliehen Abflusses yon Liquor cerebrospinalis sehr h~iufig erneuert werden. Am 5.4. friih hSrte der Abflug dieser Fliissigkeit auf, gleichzeitig stellten sich heftige Stirnkopfsehmerzen ein. Die Untersuchung der Wunde am 5. abends und 6. mittags (Professor Kiister, l~Iarburg) ergab ein gutes Aussehen der Wunde, keine Infiltration der Umgebung, kein Zeiehen irgend- weleher Senkung. Die Therapie bestand in antiseptischen Verbrmden, Eis- blase und Morphium, der Urin war stets frei yon pathotogischen Beimen- gungen; am Augenhintergrund niehts Anormales. Vom 6. 4. naehmittags al~ delirierte Patient zeitweise, war aber meist viillg klar und nahm, ohne da{~ Erbrechen auftrat, reichlieh Nahrung zu sieh. In der Nacht vom 6. zum 7. trat st~rkere motorische Unruhe und leiehte Undeutlichkeit der Spraehe ein, dannd eutlieher Slieyne-Stokescher Atemtypus, urn6, 45 Tracheal- rasseln, 7 Uhr BewuBtseinsverlust und 8 Uhr Exitus'letalis.

So hatte sieh alImiihlieh das Bild der eiterigen Meningitis entwickelt, die sicher yon der Bogengangfistel ihren Ausgang genommen h~tte. Ich glaube, daft in diesem Falle auch ohne Fortnahme des Sequesters und ohne v611ige ErSffnung des Bogeuganges eine ~'[eningitis entstanden wi~re, da die umliegenden Zellen s~nltlich mit Eiter effiillt waren. Auch waren in diesem FalIe die Beschwerden so heftig, dug ein operativer Eingriff unvermeidIich war. Immerhin zeigt aber dieser Fall wieder, wie bereehtigt die Forderung ist, lunge im Sch~idel ruhende Geschol3splittei: nicht unnStig aufzusuchen.

Ein zweiter Fall betraf den Hauptmann 0. Er erhielt am 29. 8. 1904 bei Liau]ang einen Shrapnellsp]itter in den linken GehSrgang. Das Gescho[I ging zum Teil auf der rechten Seite des Kehlkopfes heraus, zum Tell wurde

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es operativ entfernt. Patient war nieht bewulklos und erbraeh niebt. Er blutete aus dem linken Ohr und aus dem 5Iund nnd konnte eine Woehe lung nieht spreehen. Das C~ehSr wurde allm~hlleh sehleehter.

Jetzt besteht hohes kontinuierliehes Klingen im linken 0hre, viel Sehwindel, gesteige~er Speiehelflug, komplete linksseitige Hypoglossus- l~hmung" mit linksseitiger Znngenatrophie. Auf dem linken 0hre ist tier Hammer stark retrahiert, der Reflex verzogen; hihten befindet sieh eine stark verd~ekte Partie des Trommelfells. Vor dem Reflex ist eiue Narbe zu sehen, unterhalb derselben und hinter der Nembrana tympani und in den Boden des Gehgrganges gehend, ein sehwarzer, fester, l~hlglieher KSrper, wohl ein Gesehollsplitter; ein zweiter eben soleher kleinerer im Boden des zweiten Drittels des ~ugeren Geh6rg'angs steekend. Naeh starker An~isthe- sierung gelang es, diesen zweiten fest eingekeilten Splitter mit It:~ikehen zu entfernen.

4,5 -4,5 CII; 0,5 h > 1,10 KI, ti v - UG-~- G C C; c--1--(ls/4~); -Le- 0,5-o,9; ~ ; c1--1; c2--1; c4--1; PCc~ ÷ + + + "

In einem weiteren Falle (Leutnant P.} bestand nach einerVerletznng des Trommelfells eine chronisehe Eiterung, die nach Paukenspiitungen bald sich besserte. Das Ohr wurde trocken und die Perforation schlol3 sich bis auf eine kleine Stelle.

Hauptmann K. wurde in Port )a'thur vor 1'/2 Jahren bei einer Bom- benexplosion durch den Luftdruck umgeworfen und durch kleine Stiicke am Hals und Hinterkopf getroffen. Er war zwei Stunden bewuBtlos, erbrach dann lunge stark, blutete wenig aus dem rechten Ohr. Nach einer Woehe Rauschen in beiden Ohren, reehts sfiirker ats links, diskontinuierlich. Er hat im Bette das Gefiihl, als ob er herausfiele. Wechselnde SchwerhS- rigkeit, die rechts stets und stgrker vorhanden ist, viele Schmerzen im tlin- terkopf. Im linken ~ul]el'en ~eatus befindet sich am Boden in der N~ihe des Trommelfells eine quer verlaufende, mit der Unterlage fest verwachsene, etwas eingezogene Narbe, die bei Beriihrung" sehr empfindlich ist.

0,02 CII; 1,1 h 0-~gK1; vert O; UGh--- G ~-~;C m; c~m--(~/4~);

PCc~ ÷ ÷ + ÷ " Hauptmann St. war friiher gesund und krfiftig. Am 25. 2. 05 erhielt

er zwei Flintensehfisse in den linken Untersehenkel, bald darauf Shrapnell- vertetzung des Oberschenkels. Naeh weiteren vier Stunden wurde er dureh eine Granatexplosion zu Boden geworfen und fiir tot gehatten und erst naetl mehreren Stunden fortgesehafft. Er hatte ~tarke Sehwellun~en am Hmter- kopf, erbrach~ blutete ausdem linken 0hre, aus Nase und KaIs und ver- moehte 14 Tage nichts zu sehen und zu hSren, In Charbin im Hospital trat eine Besserung der Beschwerden bis auf die der linken Seite ein. Es bestand dauernd ]~opfschmerz und Schwindel. Am 26. 3, 13 Monate naeh eriittenem Trauma, epileptoide AnfNle, reehtsseitige Kr~mpfe, stundenlanger schwerster Schwh~del und v611ige Blindheit auf beiden Augen. Sp~iter konnte der Kranke auf dem reehten Auge wieder sehen. Am 23. 8. er- neuter geringerer Anfall yon halbseitigen Kriimpfen. Jetzt besteht Schwin- del, Kopfsehmerz, Seh- und GehSrstSrung links. Patient ist in m~igigem Erniihrungszustand, zeigt am KSrper die Narben yon seinen Wunden. Bei- derseits hochgradige Myopie.

Farbenempfindlieh'keit betr~chtlieh gestSrt. Gesichtsfeld links konzen- ta.iseh eingeengt Pupitlen ziemlieh eng. reagieren gut. Am Augenhinter- grund be{derseits nichts Besonderes, s{cher keine Optikusatrophie, aueh keine Stauung oder Neuritis. Die Sehst6rung diirfte ihren Sitz in der Occipitalrinde oder doch sehr hoch oben haben. Wahrscheinlich ist eine H~morrhagie die Ursache (Dr. Otto). ])as Geh(ir der linken Seite ist vSllig

Uber eine Anzahl im russ.-japan. Kriege erworb. Verletzungen d. 0hres. 197

verloren. Es werden sehr hohe TGne der Galtonpfeife gehSrt, doch ist es wahrscheinlich, dag diese von dem wenn auch versehlossenen rechten 0hre perzipiert werden. .~ueh bei Prlifung mit dem binauralen Schlauche tritt bei zugehaltenem linken Schlauche keine Abschwiiebung, bei offenem linken Sehlauche keine Verstikrkung des Schalles ein. Eine Lateralisation naeh der linken Seite erfolgt bei keiner Tonquelle. In diesem Falle habe ich einen Querbruch der linken Felsenbeinpyramide als Grand angenommen.

Leutnant B. hatte 1901 eine Commotio eerebri dadurch erlitten, dab ihm eine grol~e Masse Schnee auf den Kopf fiel. Er befand sich danach 2 Jahre in iirztlicher Behandlung wegen Schwindel, Kopfschmerzen und Ohrensausen. Nach dem Unfalle hatte er starkes Nasenbluten, Erbrechen und war bewugtlos. Naeh Ablauf yon 2 gahren war er wieder vSllig ge- sund Am 30.9. 04, am Sehaho, wurde er dureh eine Granatexplosion um- geworfen. Er win" sehwindlig, hatte 0hrensausen, 8ehmerzen in allen Glie- dem, blieb aber bei BewulJtsein. Trotzdem konnte er noeh kurze Zeit am Gefeehte teilnehmen. Wegen der UnmGgliehkeit, den Urin zu entleeren, mugte er mehrere Tage katbeterisiert werden. Am gleichen Tage win'de er noehmals dureh einen Granitsplitter sehwer am linken Bein verwundet. Er wurde bewufitlos und erwaehte naeh mehreren Tagen im Lazarcth. Jetzt besteht beiderseits SchwerhGrigkeit geringen Grades, kontinuierliehcs tiefes 0hrensausen, Kopfsehmerzen auf dem Sch~del, Appetittosigkeit, unru- higer Sehlaf, mfiJ3iger Sehwindel, Ged~iehtnissehwund, Haarausfall, metalli- seher Gesehmaek auf der Zunge. Das reehte Trommetfelt ist gerStet, im Verlaufe des Hammerg1~ffs besteht eine strichfGrmige Triibung. Reflexe beiderseits triibe und versehbben.

0,~5 ,-k CH; 0,9. h y , ~ - K1, m', C ~- me; m - - (~/45); UG ~ G'0,7.---

Leutnant T. wurde am 28. 9. bei )iukden durch eine Granatexplosiou dreimal hintereinm~der zu Boden geworfen und wurde bewtlI~tlos ins Feld- lazareth gebracht, war in den ersten Tagen ~Sllig benommen and bIutete aus Nund und Nase. Nachdem er erwacht, konnte er die ganze linke Seite nieht bewegen nnd litt an Geffihllosigkeit mit Pariisthesien auf der linken Seite. Bald darauf sollen sich 5fters Anfiille yon Bewugtlosigkeit mit Kriimpfen in der liuken KGrperhNfte gezeigt haben. Naeh ungef~hr 2 Woehen traten periodisch nickende Bewegungen des Kopfes auf. Jetzt bestehen noch starke, bei Erregung sich steigernde Schmerzen im linken Bein, femer die UnmGgliehkeit, das linke Bein aktiv zu bewegen, hoehgradige Schwer- hSrigkeit des linken Ohres and Sehmerzen auf dem Sehkideldaeh. Pupitlen und Gesiehtsnerven sind normal. ]m linken GehGrgang eine feine strieh- fSrmige Narbe, die zum Teil fiber der Unterlage beweglieh und nieht sehr empfindlieh ist, in der Liingsaehe des Meatus.

h > 1,0 K1, r ; UG CII 0,5 e + r (16/4~). l=-e -C-; G ~ ; . . . . . . . .

0berst A. war his zum Kriege stets gesund. Am t4. 12. 04 erhielt er einen t?lintenschug ins tinke Bein. Am 15. I2. 05 bei Mukden wurde er durch eine Granatexplosion zu Boden geworfen und blieb kurze Zeit be- wul~tlos. Danach konnte er unter starken Kopfschmerzen aufstehen and be- kam abweehselnd Lach- and Weinkrlimpfe. Spkiter vermoehte er wieder zu gehen und zu reiten und konnte noch die drei Tage andauernde Sehlacht mitmachen. Er befand sich wlihrend dieser drei Tage im Artilleriefeuer. In den Tagen darauf stellte sich SchwSehe and Kkltegeffihl in der rechten KGrperh~ilfte ein, Stimmlosigkeit, Kopfschmerzen, Neigung zu Schwindel und Kdimpfen. Naeh 5 Tagen wiederholten sich die Kriimpfe. Unmittel- bar naeh der Explosion soil am Ilinterkopf eine sehmerzhafte Ansehwellung bestanden haben, die in den niiehsten Tagen gering'er wurde. Jetzt besteht 5frets Sehwindel, SehwerhGrigkeit, Gediiehtnisabnahme, Ersehwerung der Sprache. Naeh l~ngerem Gel~en entstehen Schmerzen im Rfieken, nach Stehen and Sitzen Steifigkeit der Glieder, Parlisthesien in beiden J~'figen und

198 XVII. HIRSCHLAND.

und Sehwanken. Der Patient ist gut gen~ihrt, zeigt eine geringa An~imie. Die Pupillen sind beiderseits normal grog, reagieren prompt auf Lieht und Konvergenz.

o,9 C~,; h ~ K 1 , m; UG---- G = 0 , 9 ; C m; c t - (20/4~).

Oberst B. war seit 10 Jahren ieberkrank, sonst stets gesund. Am i0. I. 05 win'de er durch eine krapierende Granate zu Baden geworfen and mit Erda fiberschtittet. Er blieb 5 Stunden bewul3tlos liegen und hatte sp~itei" Schwindel, heftiges Erbrechen und das Gefiihl vNliger LS~hmung der reehten Seite. £llm~ihlich win-de die Ben eglichkeit weeder besser. Das GehSr war rechts sofort schlechter, es bestanden Schmerzen im rechten Ohr and kon- tinuierliches tiafes Sausen, dabei veal Schwindel and rechtsseitige Kopf- sehmerzen. Diese Beschwerden seitans des Ohres bestehen heute nocb fort. Am Gehiirgangsdach rechts ist aine mit der Unterlage fast verwachsene Narbe zu sahen. Sonst ist der ~iul~erliche Befand beidar Ohren normal.

o,s 3,~-2.5 UG CH; G e,7 ---+1" h ~-~,o K1, I; v 4,5-4,~; ~ -~,6; C + , c 1-- (2o/~). c ~ - - - - l ; c 2 m.

Der Schwindel wird beim Schneuzen der Nasa and beim Sehen nach oben sehr heftig. Patient ist gut gen~Ehrt. Es besteht eine geringe Asym- metrie des Gesichtes. Rechte Nasolabialfalte leicht verstriehem mimisehe Gesichtsbewegungen beiderseits gleich. Pupillen normal~ gleich welt. Elek- trische Erregbarkeit beider Facialisgebiete normal. Sensibitit~t des Gesichts normal Bewegungen, motorische Kraft beiderseits normal und glei~h. Die ganze reehte Seite zeigt deutiieh herabgesetzte Empfmdlichkeit auch in bezug auf Temperatnrempfindung und ~uskelgefiihl. Reflexe nicht ge- steigert.

Hauptmann L., frflher immer gesund. Am I5. 2. 04 wurde er dureh eine krepierende Granate zu Baden geworfen und dutch kleine Splitter am reehten Knie and linken Ges~fi verwundet. Er war zwei 8tunden bewugt- los, hatte aber keine Blutung und kein Erbreehen. 8ofort will er auf bei. dan Ohren sehleehter gehSrt haben. Er hatte diskontinuierliehe tiefe Ge- r~iusehe, die mit hellem Klingen untermiseht waren, wenig Sehwindel, hef- tige Kopfsehmerzen in der Stirn und in den Sehliifen. An den 0hren ist Anormales nieht zu sehen.

i-c 0,9 ++ h o-~g K1, vert o; U G = C I I ; G0-y; C I; c-- 1--(1s/45). Patient ist gut gen~hrt. Pupillen normal. Keine StSrungen der Sen-

sibilit~tt und l~[otilit~it. Reflexe nicht gesteigert. Oberst G. erlitt in der Schlacht am Jalu eine schwere Kontusion der

linken Schiidelhiilfte, war drei Tage bewugtlos, hatte starkes Erbrechen, aber keine Blutung aus Mund, Nase and 0hr. Der Mund war sehief, die Sprache gestSrt, und zwar eineu Monat lang. Danach flihlte er sich wieder ziemlieh gesund und kehrte nach l~/~ 5ionaten auf den Kriegsschauplatz zm'iick. Bald bekam er eine Hemiplegie der rechten Seite, die aber bis auf eine Schwiiche der Extremit~tan dies.r,~' Seite zuriickgegangen ist. DEe Seh- k~ft des linker Au~'es hatte sehr abgenommen. Jetzt bestehen 6fters Sehwindel und Kopfschmel~en in der linken Sch~delseite and tiefes diskon- tinuierliches Sausen im linken Ohr. Der linke ~ufIere Gehgrgang zeigt mn Baden eine liingsgehende geditete Stelle und eine m~il3ige SehwelIung der Bedeckung. Trommelfell normal.

0,5 KI i c - 0,1 CII 0,[; h i.eKl--g vert o; v g ; UG ~ ; G oCo; C ~ r "

c r - - (W4~). Hauptmann Seh. fiel kurz naeh Beginn des Krieges yam Pferd her-

ranter, blieb im Steigbiigcl h~ingen and fieI so heftig auf den SSbel~ dab dieser durchbrach. Jetzt Sehmerzen im reehten Fag, groge Erreg-barkeit,

~ber eine Aazahl im russ.-japan. Kriege erworb. Verletzungen d. 0hres. 199

die sieh manchmal bis zu Anf~illen steigert, viel Sehwindel und Kopfsehmerzen. Objektiv ist niehts festzustellen; das Hiirverm~igen ist normal, nut die Dauer der Knoehenleitung durchweg sehr stark ~erkiirzt. Alle Reflexe sind gesteigert.

c + - - T - m - - 6/45).

Leutnant P. war friiher stets gesand, erhielt einen Schul~ in die Bauch- wand und in das linke Bein. Dana.eh Sehlaflosigkeit, Druek im Kopfe, zeitweises 0hrensausen, Kongestionen naeh dem Kopf. Am ganzen Kiirper normaler Befund. Das GehSr ist bis anf m~ige Herabset~unff der Knochen- teitung normal. Die Trommelfelle haben ein normales Aussehen. Nut zu Zeiten der Konffestionen maeht sieh eine starke R6tun~" tier Paukenw~nde und Injektion der OriffgefSge bemerkbar. Aueh alas Ohrl~i, ptiehen ist dana ziemlieh stark gerStet.

Leutnant [. wurde am 28.9.04 zun~ichst dutch zwei Schiisse am Knie verwundet und dann durch Oranatexplosion zu Boden geworfen. Er lag" 8 Stunden bewu[klos und wurde dann ins Feldlazareth geschafft. Nac}{ Schwinden der Beschwerden im Bein blieb starker, 5fters auftretender Kop[sehmerz zuriick, Schwindel und nervSse Erregungszustiinde, die mit Depressionen abwechselten. Dabei bestanden starke Kongestionen nach dem Kopf, Sehweil]ausbruch und Kr~tmpfe, sowie h~ufige Rachen- mad Luftr(ihrenkatarrhe. Der Patient ist gut genShrt. Auffallend ist eine starke R5tung des Gesichts und der Stirn, lebhafte Injektion der Geffii~e der Bin- dehaut, sowie der Sehleimhant des Raehens. Puls gew~ihnlich besehleunigt. Stark gesteigerte Reflexerregbarkeit. Bei Erregungea waren bier gerade so wie im vorigen Fall die Trommelfelle und Paukenwiinde stark gerStet.

Auf weitere Aufziihlungen einzelner Fiille will ieh verziehten; ieh hatte noeh eine grSl~ere Anzahl, bei denen sich wohl Folgen starker Ersehiitterungen, jedoeh ohne Besonderheiten~ zeigten. Im allgemeinen war das HSrvermiigen an den beiden Tongrenzen gleichmi~l~ig in geringem Grads eingeschr~nkt, und war die Dauer der Knoehenleitung durchweg stark herabgesetzt. Es bestand Sehwindel bei plStzlichen Bewegungen sowie bei Druck- und Temperatursehwankungen im ~ui~eren GehSrg'ang; beim Sehen nach dem am meist affizierten 0hr , aber aueh sonst bei st~rken seitliehen Exkursionen der Bulbi entstand grobsehliigiger~ horizontaler Nystagmus.

Dem Altgemeinstatus, soweit ich denselben erw~ihnt, habe ieh die t t o n i g m a n n ~ s e h e n Krankengeschiehten zu Grunde ge- legt. Beziiglich der genaueren Aufzeiehnungen verweise ieh auf die entsprechenden Fiille der t t o ni g m a n n~schen Arbeit.