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27 1 fjber eine Methylalkoliolverbindung des Eisen- ni trosyls ; von W. Martchot und E Gall. Im Lanfe meiner Beschaftigung mit den Stickoxyd- verbindungen des Eisens wnrde es wunschenswert, das in diesen Verbindnngen als Bestandteil anftretende Eisen- nitrosyl zu isolieren, um einen naheren Einblick in die Natur dieser Verbindungen zu erlangen. Nachdem in einer Reihe von Arbeiten nicht nur die Vertretbarkeit des Kohlen- oxyds durch Stickoxyd, sondern auch die glatte Austauschbar- keit dieser beiden Molekule gegeneinander beobachtet war, erschien es zweckmafiig, zur Erreichung dieses Zieles von der Umsetzung des Eisencarbonyls mit Stickoxyd auszngehen. Ludwig blond l) beobachtete, daD Eisen-ennea-car- bony1 Fe,(CO), bis zu 60° nicht mit NO reagiert. Bei noch hoherer Temperatur entstand eiu zugleich kohlenoxyd- und stickoxydhaltiges Produkt, formuliert als FeNO, 3Fe(CO), , aber in so geringer Menge, daS genaue Analyse und Unter- suchung nicht moglich waren. Unsere Absicht war es von vornherein, Prodnkte zu erhalten, welche vollig frei von Kohlenoxyd sind, weil es LuSerst schwierig ist, zu erkennen, ob definierte, zngleich CO und NO enthaltende Verbindungen oder unbestimmte Gemenge vorliegen. Bei einer Reihe von Versuchen hatte sich gezeigt, daS man in manchen Fallen den Eintritt, wie auch den Ans- tausch von Kohlenoxyd gegen Stickoxyd erleichtern kann durch Vermittlung von Methylalkohol, den man entweder als Losungsmittel oder auch dem Kohlenoxyd- bzw. Stick- oxydstrom als Dampf beigemengt zur Anwendung bringen kann. Es wurde deshalb in Gemeinschaft mit Dr. H. Gall zuerst die Einwirkung des Stickoxyds auf eine methyl- alkoholische Losung von Eisen-penta-carbonyl in Angriff ge- nommen. a) Bei verschiedenen Vorversuchen ergab sich, I) Chem. SOC. (London) 121, 34 (1922). *) ffber diese Versuche wurde bereits in der Tagung der siid- westdeutschen Chemiedozenten in Muuchen im April 1927 berichtet.

Über eine Methylalkoholverbindung des Eisennitrosyls

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Page 1: Über eine Methylalkoholverbindung des Eisennitrosyls

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fjber eine Methylalkoliolverbindung des Eisen- ni trosyls ;

von W. Martchot und E Gall.

Im Lanfe meiner Beschaftigung mit den Stickoxyd- verbindungen des Eisens wnrde es wunschenswert, das in diesen Verbindnngen als Bestandteil anftretende Eisen- nitrosyl zu isolieren, um einen naheren Einblick in die Natur dieser Verbindungen zu erlangen. Nachdem in einer Reihe von Arbeiten nicht nur die Vertretbarkeit des Kohlen- oxyds durch Stickoxyd, sondern auch die glatte Austauschbar- keit dieser beiden Molekule gegeneinander beobachtet war, erschien es zweckmafiig, zur Erreichung dieses Zieles von der Umsetzung des Eisencarbonyls mit Stickoxyd auszngehen.

L u d w i g blond l) beobachtete, daD Eisen-ennea-car- bony1 Fe,(CO), bis zu 60° nicht mi t NO reagiert. Bei noch hoherer Temperatur entstand eiu zugleich kohlenoxyd- und stickoxydhaltiges Produkt, formuliert als FeNO, 3Fe(CO), , aber in so geringer Menge, daS genaue Analyse und Unter- suchung nicht moglich waren.

Unsere Absicht war es von vornherein, Prodnkte zu erhalten, welche vollig frei von Kohlenoxyd sind, weil es LuSerst schwierig ist, zu erkennen, ob definierte, zngleich CO und NO enthaltende Verbindungen oder unbestimmte Gemenge vorliegen.

Bei einer Reihe von Versuchen hatte sich gezeigt, daS man in manchen Fallen den Eintritt, wie auch den Ans- tausch von Kohlenoxyd gegen Stickoxyd erleichtern kann durch Vermittlung von Methylalkohol, den man entweder als Losungsmittel oder auch dem Kohlenoxyd- bzw. Stick- oxydstrom als Dampf beigemengt zur Anwendung bringen kann. Es wurde deshalb in Gemeinschaft mit Dr. H. G a l l zuerst die Einwirkung des Stickoxyds auf eine methyl- alkoholische Losung von Eisen-penta-carbonyl in Angriff ge- nommen. a) Bei verschiedenen Vorversuchen ergab sich,

I) Chem. SOC. (London) 121, 34 (1922). *) ffber diese Versuche wurde bereits in der Tagung der siid-

westdeutschen Chemiedozenten in Muuchen im April 1927 berichtet.

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272 Manchot und Gal l ,

daB bei O o die Einwirkung des Stickoxyds zu langsam geht, rnit steigender Temperatur wird sie deutlicher. In- dessen zeigten sich Temperatureu von 50° oder gar iiber looo als ungiinstig, weil die entstehenden Produkte Anzeicheu starker Zersetzung besaben. Am zweckmabigsten erwies es sich, die Einwirkung des Stickoxyds anf die methyl- alkoholische Liisung bei Zimmertemperatur vorznnehmen.

10 ccm Eisencarbonyl werdeu mit 50 ccm wasserfreiem, reinstem Methylalkohol vermischt und diirch diese Lasung mit P,O, getrocknetes Stickoxyd hindurchgeleitet, wohei gleichzeitig auf der Schiittelmaschine stark geschiittelt wird. Das abgehende KO ist teils durch Kohlen- oxyd, teils durch verfliichtigtes Eisencarbonyl verunreinigt und eignet sich deshalb nicht zu weiterer Benutzung. Zur Regulierung des Gas- stroms, welche mit einiger Sorgfalt geschehen m u 4 um ein allzu starkes Abtreiben von Eisencarbonyl zu vermeiden, erwies es sich gleich- mohl ale zweckmiilig, das austretende Stickoxyd in einen zweiten Gasometer (beide aus am Boden tubulierten Flaschen zusammengesetzt) hiniiberzusaugen. Das Schiitteln wird etwa 24 Stunden fortgesetzt. Hierbei scheidet sich bei Zimmertemperatur allmiihlich ein vollkommen schwarzer Niederschlag aus, welcher unter dern Mikroskop mikro- ki-ystallin erscheint; auch konnte zuweilen die Bildung von kleinen, schmarzen Nadeln beobachtet werden.

Zur weitereu Verarbeitung wird zuniichst das Reaktionsgemisch auf - 20 O gekiihlt und das iiberstehende Stickoxyd durch einen Wasser- stoffstrom herausgespiilt. Hierauf filtriert man mit der Saugpunipe ab. wobei man vermeidet, Luft durch die Masse hindurchzusaugen und mascht wiederholt mit stark gekiihltem Methylalkohol, bis das Filtrat farblos geworden ist, um etmn unveriindert gebliebenes Eisencarbonyl zu entfernen.

Das so erhaltene Produkt enthiilt reichlich Stickoxyd, iindcrt aber beim Liegen an der Luft sein Ausseben bald und wird gelb- bis rotbraun. Etwas haltbarer wurde es, wen? nach dem Waschen mit Methylalkohol mit abgekiihltem absoluten Ather ausgewaschen wurde. Es lieB qualitativ die Gegenwart von Stickoxya und Kohlenstoff er- kennen (vgl. unten). Da es wegen der Veranderlichkeit der Substanz nicht wohl anging, die Analyse mit gewogener Gubstanz auszufiihren, begniigte man sich zuniichst mit der Bestimmung' des Atomverhalt- nisses Eisen zu Stickstoff. Hierbei wurde die Substanz durch Kocben mit verdiinnter Schwefelsiiure zersetzt, das mit Kohlensaure ausgetriebene Gas iiber 50-proc. Kalilaiige aufgefangen und letzteres nach Uber- fiihrung in ein anderes Eudiometer mit Ferrosulfatl6sung geschiittelt, mobei das Gas bis auf einen geringen Rest absorbiert wurde (Ver- s u c h von Dr. H. Schmid) . Wenn das absorbierte Gas als KO ge- rechnet wurde, ergab sich im Mittel von 8 Versuchen ein Verhaltnis

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Eisen : Stickstoff = 1 : 0,84, mobei der niedrigste Wert 1 : 0,74, der hochste 1 : 0,97 war. Bei den spgteren von E. En k ausgefuhrten Ver- suchen wurde gefunden, daB das entwickelte Gas auBer N O auch ge- wisse Mengen N,O und Stickstoff enthiilt, welche nach einem von G.Lehm a n n ausgearbeitetenPrinzip getrennt bestimmt werden konnten. Der gesamte Stickstoff wurde dann auf NO umgerechnet. Das Eisen wurde aus dieser Losung durch ammoniakalisches H,O, gerallt und nach Reduktion mit Cadmium rnit Permanganat titriert.

0,2120 g F e ; 84,5ccm Gas=64,2ccmNO + 17,0ccmN~0+3,3ccmN2 (722 mm, 21°).-0,0907gFe; 36,4 ccmGas==26,4ccmNO+4,ON,O+6,0N, (722 mm, 21O). - 0,2346 g Fe; 82,2 ccmGas=62,0ccm NO + 17,3 ccm N,O + 2,9 ccm N, (720 mm, ISo).

Gef. Fe : NO = 1 : 1,08; 1 : 1,12; 1 : 0,9S.

Bei einer anderen Versuchsreihe wurde die Substam mit alksli- schem H,O, oxydiert und zur Beseitigung von Nitrit in sauces Per- manganat gegeben. Hierauf wurde HNO, mit Nitron gefiillt.

0,0876 g Fe; 0,5765g Nitron-nitrat. -0,0459 g Fe; 0,2894gNitron- nitrat.

Gef. F e : NO = 1 : 0,98; 1 : 0,94.

Die Untersuchung auf Kohlenstoff ergab, daD die er- haltenen Produkte stets Kohlenstofhalt@ waren, was natur- lich zunIchst auf einen CO-Gehalt des Produktes hin- zuweisen schien. Indessen wurde bei der Zersetznng rnit SIuren neben dem entstehenden NO kein CO erhalten, in- sofern das Gas ammoniakalische SilberlGsung nicht redu- zierte. Ebensowenig wurde CO gefunden, als versucht wurde, den etwaigen Kohlenoxydgehalt des rnit Same ent- wickelten Gases rnit Silberliisung nach der Methode von N a n c h o t nnd S c h e r e r ') zu titrieren. Weiter ergab sich bei der Verbrennungsanalyse, dab auch bei allersorgfaltigster Trocknung des Sanerstoffs Wasser im VerhIltnis C:H = 1:4 auftrat, als dessen Ursache bei der weiteren Verfolgnng dieser Beobachtungen die Gegenwart von Methylalkohol fest- gestellt wurde.

Erhitzt man die wie oben dargestellte Substanz auf SOo, so tritt eine kleine Menge von Methylalkohol auf (nachweisbar durch die Morphin-Schwefelslurereaktion). Bei weiterer Temperatursteigerung wird zuniichst kein Methylalkohol mehr abgegeben, erst oberhalb von 200°, am deutlichsten bei 210° wird wieder Methylalkohol entbunden.

l) B.60, 326 (1927).

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274 Manchot u. G a l l , Nethylalkoholverbind. d. Eisennitrosyls.

Erhitet man im NO-Strom auf 210°, so erfolgt eruptive Abspaltung von Methylalkohol neben ein wenig Formaldehyd, so da6 das Rohr in den kalteren Teilen von dem reiehlichen Kondensat ganz us6 wird. Hieraus geht hervor, da6 die Substanz Methylalkohol in chemischer Bindung enthalten muS. Diese Bindung wird in zwei Stufen gelost, von welchen die eine bei etwa SOo und die zweite etwas oberhalb von 200° liegt. Dxs Auftreten der zveiten Methylalkoholabspaltung bei weit iiber dem Siedepunkt des Methylalkohols liegender Temperatur notigt eu der Annshme chemischer Bindung desselben. Der Methylalkohol ist zum mindesten in das Gitter fest eingebaut. Dies a i r d noch deutlicher durch die Feststellung, da6 der Methylalkohol hier spezifische Wirkung hat. Es gelang namlich nicht, durclr Losen des Eisencarbonyls in Aceton, Eisessig oder Chloroform eine ahnlich glatte Umsetzung rnit Stickoxyd zu erzielen. Die Zusammensetzung der Verbindung la6t sich somit durch die Formel FeNO, n CH,OH ausdriicken, wobei zu- folge Versuchen die prozentuale Zusammensetzung der Substanz auf Grund von Einwagen anniihernd zu bestimmen, n dem Wert 2 nahekommt.

Hiernach muS die Bindung zwischen Eisen und NO rein koordinativ sein und es ware zunlchst zu erwarten, daS bei der Zersetzung mit Sauren Wasserstoff auftritt. Indessen wird kein WasserstoE gefunden, weil dieser so- gleich einen Teil des NO xu N,O und Stickstoff reduziert (vgl. oben). Erhitzt man das Produkt im trocknen Argon- strom, so hinterbleibt Eisenoxyd, welches eine kleine Menge Eisen enthalt, da es beim Erhitzen mit Saure eine geringe Quantitat \\-asserstoff liefert. Es wird hier also das Eisen durch NO oxydiert.

Die bei 17 O verfolgte Tension entwickelte sich zuerst rasch, dann sehr langsam ansteigend innerhslb von 8 Stunden auf etwa 130mm ohne ein deutliches Ende zu erreichen, indem sich allmiihlich infolge intramolekularer Oxydation gasformige Zersetzungsprodukte zu erheb- lichem Druck anssmmeln.

Schmilzt man die Substanz gleich nach der Darstellung unter Kiihlung mit Kohlensiiure in ein mit Stickstoff gefiilltes Rohr ein, SO bleibt ihr Anssehen einige Zeit ziemlich unverandert. O f i e t man aber das Rohr nach einigen Tagen, so hat sich starker Gasdruck angesammelt, der sich mit der Gewalt eines Pistolenschusses entladt.

Der I.-G.-~arbeninduslrie hdwigshafen, melche diese Arbeiten durch uberlassung einer gro6eren Menge Eisencarbonyl unterstutzt hat, mochten wir hierfiir unseren verbindlichsten Dank zum Ausdruck bringen.