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Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXIV, fasc. II-111,1934. Gus der medizinischen Abteilung des Amtskrankenhauses Aarhus, Dllnemark. Chefarzt: Dr. med. Aage Th. B. Jacobsen. 0 ber Gastroduodenitis l. Von TORBEN ANDERSEN. Diese Arbeit verdankt ihre Entstehung urspriinglich einem Versuche, die Pylorogastritis als ein besonderes Krankheitsbild hervorzuheben. Das erwies sich indessen als unmoglich, da man in der Klinik wie in der pathologischen Anatomie einen gleich- mbsigen Obergang von den leichtesten, pylorogastritischen Flillen bis zu den schwersten, eventuell mit Ulcus kompluierten Formen findet. Anstelle der Bezeichnung Pylorogastritis wendet Konjetzny, sicherlich als der erste, die Bezeichnung Gastroduodenitis an. Die Anwendung dieser pathologisch-anatomischen Diagnose in der Klinik will ich aus folgenden Grlinden befiirworten: Teils werden die pathologisch-anatomischen und rontgenologischen Veriinde- rungen zu beiden Seiten des Pylorus gefunden 4die r6ntgenologischen erscheinen sogar mehr ausgepriigt auf der duodenalen Seite), teils sind diese Verlinderungen im Ventrikel, wenn auch wesentlich, so doch nicht ausschliesslich auf dessen Pylorusteil beschrlinkt. Deshalb finde ich die Baeichnung Pylorogastritis zu weng umfas- send. Die Gastroduodenitis ist also keine neue Krankheit. Sie macht einen integrierenden Bestandteil des Krankheitsbildes aus, das namentlich Faber und seine Schule vom Ulcus Ventriculi s. Duodeni gezeichnet haben, welches letztere nach unserer heutigen Auffassung unloslich an die Gastroduodenitis gekniipft ist. Gesellschaft am 3. Dezember 1933. 1 In etwas gehderter Form mitgeteiIt in der JlitlBndlschen Medizinischen Be1 der Redaktion am 17. Juli 1934 ehgegangen.

Über Gastroduodenitis

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Page 1: Über Gastroduodenitis

Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXXIV, fasc. II-111,1934.

Gus der medizinischen Abteilung des Amtskrankenhauses Aarhus, Dllnemark. Chefarzt: Dr. med. Aage Th. B. Jacobsen.

0 ber Gastroduodenitis l. Von

TORBEN ANDERSEN.

Diese Arbeit verdankt ihre Entstehung urspriinglich einem Versuche, die Pylorogastritis als ein besonderes Krankheitsbild hervorzuheben. Das erwies sich indessen als unmoglich, da man in der Klinik wie in der pathologischen Anatomie einen gleich- mbsigen Obergang von den leichtesten, pylorogastritischen Flillen bis zu den schwersten, eventuell mit Ulcus kompluierten Formen findet.

Anstelle der Bezeichnung Pylorogastritis wendet Konjetzny, sicherlich als der erste, die Bezeichnung Gastroduodenitis an. Die Anwendung dieser pathologisch-anatomischen Diagnose in der Klinik will ich aus folgenden Grlinden befiirworten: Teils werden die pathologisch-anatomischen und rontgenologischen Veriinde- rungen zu beiden Seiten des Pylorus gefunden 4die r6ntgenologischen erscheinen sogar mehr ausgepriigt auf der duodenalen Seite), teils sind diese Verlinderungen im Ventrikel, wenn auch wesentlich, so doch nicht ausschliesslich auf dessen Pylorusteil beschrlinkt. Deshalb finde ich die Baeichnung Pylorogastritis zu weng umfas- send. Die Gastroduodenitis ist also keine neue Krankheit. Sie macht einen integrierenden Bestandteil des Krankheitsbildes aus, das namentlich Faber und seine Schule vom Ulcus Ventriculi s. Duodeni gezeichnet haben, welches letztere nach unserer heutigen Auffassung unloslich an die Gastroduodenitis gekniipft ist.

Gesellschaft am 3. Dezember 1933. 1 In etwas gehderter Form mitgeteiIt in der JlitlBndlschen Medizinischen

Be1 der Redaktion am 17. Juli 1934 ehgegangen.

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186 T O R B E N ANDERSEN.

Fruher fasste man das Entstehen des Magengeschwures als das Resultat einer Lasion der Ventrikelschleimhaut auf, teils rein mechanischer Art, durch grobe Nahrungsbestandteile und dergl. verursacht, teils, und dies vorzugsweise, durch eine kleine Blutung, Embolie oder Thrombose in der Schleimhaut entstanden. Auf die so beschadigte Partie ubte der Magensaft seinen zerstorenden Ein- fluss aus, verursachte und unterhielt ein Geschwiir. Wenn man bei histologischer Untersuchung einer solchen Ventrikelschleimhaut in der Umgebung des Geschwures entzundliche Veranderungen fand, hielt man die letzteren fur die Folgen einer Verunreinigung des Geschwures; erst in den letzten Jahren sind sich die meisten darubrr einig geworden, dass man Ursache und Wirkung verwechselt hat. Es haben fruher Mitteilungen fiber einzelne Falle von nerosiven Gastriten, vorgelegen, welche anscheinend Anlass zur Ulcusbildung geben konnten; man hat aber solche Falle als Seltenheiten betrach- tet, obwohl die Moglichkeit zugegeben wurde, dass eine Gastritis eine Ursache unter vielen zur Ulcusentstehung sein konnte. Bloch hat zu einem friihen Zeitpunkte (1905) an eine EntzCindung als Entstehungsursache des Ulcus gedacht, aber seine Untersuchungen gehen zu dieser Zeit auf die Erklarung hinaus, warum von den zahl- reichen, verstreuten, akuten Erosionen nur diejenigen, die an der kleinen Kurvatur lokalisiert sind, in chronische Ulcerationen uber- gehen, wahrend die ubrigen Erosionen in der Rcgel abheilen. Bloch ist sich jedoch schon in dieser Zeit klar dariiber, dass das chronische Ulcus die Weiterentwicklung einer der zahlreichen, akuten Erosionen ist, die ihrerseits euenfuell von einer Entziindung verursacht worden sind. Aber unsere game, jetzige Anschauung iiber die Ulcuspathogenese beruht a d den pathologisch-anato- mischen und klinischen Studien der neueren Zeit, die namentlich von G. E. Konjetzny und Mitarbeitern (Kalima und Puhl) und von Kn. Faber und seiner Schule (Bj. Vimtrup und Paaby) vorge- nommen worden sind. Konjetzny’s sehr grosses Material stammt von Patienten, bei welchen man Ventrikelresektion auf Grund von Symptomen eines Ulcus Ventriculi s. Duodeni vorgenommen hat. Diese Resektionspraparate sind in korperwarmem Zustande fixiert, was entscheidende Bedeutung fur die histologische Untersuchung hat. Friihere Untersucher von grosseren Materialen sind auf Sektionspraparate angewiesen gewesen, in denen kadaverose Veranderungen nur ausgeschlossen werden konnen, wenn man

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Faber und Bloch’s Formalinmethode anwendet. An seinen Prapa- raten kann Konjetzny alle Ubergiinge von der Ieichtesten, diffusen Entziindung uber eine erodierende Gastroduodenitis bis zu den vollentwickelten Ulcera nachweisen. Diese Veranderungen findet man in verschiedenem Stadium in demselben Praparate vor; die entziindlichen Veranderungen werden zu 100 % dann angetroffen, wenn man das vollentwickelte Ulcus hat. Neben frischen Ent- zundungsveranderungen finden sich Bezirke, wo die Entzundung zuriickgeht, und Stellen, wo Narbenbildungen nach friiheren Ulcera- tionen vorhanden sind. Diese Gastroduodenitis, die dasselbe patho- logisch-anatomische Bild zu beiden Seiten des Pylorus ergibt, ist im Ventrikel und Duodenum am meisten ausgesprochen in dem pylorusnahen Teile, obwohl sie auch weiter entfernt vom Pylorus gefunden werden kann. Aus diesen Untersuchungen wird folgender Schluss gezogen: Das Mageggeschwiir entwickelt sich durch eine zuerst diffuse, spiiter erodierende und zuletzt ulcerative Gastritis. Dieser hat zur Folge, dass ein oder mehrere Geschwiire bestehen bleiben, selbst wenn die Gastroduodenitis in spontaner Remission oder infolge von diiitetischer Behandlung zuriickgeht. Spater kann ein solches Geschwiir ausheilen und eine Narbe hinterlassen. Aber bei weitem nicht alle Falle von Gastroduodenitis geben Anlass zu sogenannten, chronischen Ulcera. Konjetzny findet so in einem Teil der Resektionspriiparate kein Zeichen von Ulcus, nur eine mehr oder weniger ausgesprochene Gastroduodenitis. Das Gleiche ist von Faber und Paaby (1927) beschrieben worden und ist heute ein wohlbekanntes Phanomen: Ein Patient wird unter der Diagnose Ulcus Ventriculi s. Duodeni operiert; nach der Resektion findet man aber kein Ulcus, sondern pathologisch-anatomisch lassen sich Zeichen eine Gastroduodenitis feststellen. Im Anfange war das eine Uberraschung fur den Chirurgen; jetzt ist der Fall wohl- bekannt. Wenn man friiher uberrascht war, kein Ulcus zu finden, so lag das daran, dass man unter anderen Voraussetzungen operierte. Man stellte seine Operationsindikationen auf dem Vorhandensein der Symptome auf, die man als pathognomonisch fur Ulcus Ven triculi anzusehen erzogen war ~yndri3me pylo- riqueo (worunter ich verstehe: periodisch auftretende, tardive Schmerzen in der Kardia mit Linderung durch Nahrungsaufnahme - uSpeiselinderungo - und eventuell begleitet von voluminoseii, sauren, spiitauftretenden Erbrechen), digesfiue und kontinuierfiche

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188 TO RBEN AND ERSEN . Hypersekrefion, verzogerte Leerung des Venfrikels, Haematemese, Melaena und okkulte Blutung. Aber jetzt wissen wir, dass diese Symptome nicht pathognomonisch fur Ulcus sind. Auf diese Sym- ptome hin hat man nur das Recht, die Diagnose Gastroduodenitis zu stellen, eventuell mit Verdacht auf Ulcus chronicum. Konjetzny und Faber haben mehrere Fiille mitgeteilt, in welchen solche Ulcus- symptome sehr ausgesprochen waren, wo aber kein Ulcus, sondern nur eine Gastritis vorzufinden war.

Auf welche Symptome hin werden diese Patienten, die an Gastro- duodenitis ohne entwickeltes Ulcus chronicum leiden, denn eigent- lich operiert? Ich habe nach einer Beantwortung dieser Frage gesucht, indem ich ein Material sammelte, das auf Tafel I angefuhrt wird, und das aus 21 Patienten besteht, bei welchen Ventrikelresek- tion uorgenommen ist; dort ist bei der histologischen Untersuchung des Resektionspriiparates die Diagnose Pylorogastritis gestellt wor- den, ohne dass man ein Ulcus konstatiert hat, wlhrend in 2 Fallen sich eine kleine, sternformige, epithelbekleidete Narbe vorfand. In allen Fallen ist die Resektion auf Grund von Symptomen eines Ulcus Ventriculi s. Duodeni vorgenommen worden. Das Material ist mir auf die Weise in die Hiinde gekommen, dass Herr Prosektor Gregersen mir Zugang zu dem Verzeichnis uber seine histologischen Diagnosen gewahrte, unter welchen ich die Ventrikelresektions- praparate mit Pylorogastritis ohne Ulcus ausgewahlt habe. Ich habe hierauf gleichlautende Frageschemata an die Krankenhauser gesandt, von denen die Resektionspraparate eingeschickt worden waren, und gleichzeitig die Erlaubnis der Cheftirzte der entsprechen- den Krankenhauser, ihr Material zu benutzen, eingeholt. Die Krankenhauser wurden von mir angefragt, ob man eine Vermutung daruber habe, dass ein eventuelles Ulcus bei der Operation zuriick- gelassen worden sei; bekr8tigendenfalls habe ich den Fall aus dem Materiale weggelassen. (Es handelte sich im Ganzen um 4 Falle)) Schliesslich ist Herr Prosektor Gregersen so liebenswiirdig gewesen, die histologischen Praparate mit mir durchzugehen, wonach ich weitere 5 Fiille von einfacher, atypischer Gastritis wegfallen lassen musste. Fur diesen Teil meines Materiales schulde ich den Herren

1 Eln einziges von den Krankenhiiusern hat sich spiiter die Moglichkeit vorbehalten, dass ein eventuelles Ulcus im ficraseur zerstort oder bei der Operation Olbersehen oder \'om FMparate entfernt .worden ist, ehe dieses an H e m Prosektor Gregersen efngesandt wurde. (4 FBlle).

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190 TORBE N A N D ERSE N.

Chefarzten der betreffenden Krankenhauser meinen Dank. Auch danke ich Herrn Prosektor Gregersen fur den Zugang zu dem Mate- riale und fur die liebenswiirdige Hilfe bei dessen Bearbeitung. Wie sich zeigt, umfasst das Material Patienten mit allen klassischen Ulcussymptomen. SyndrSme pylorique kommt in 15 Fallen vor, manifesfe Blufung in 7 , posifiver Ronfgenbefund in 16 und Hyper- sekretion in 3 Fallen. Bei Untersuchung der Priiparate fand man in keinem Falle ein Ulcus. Dieses Material stutzt also die neuere Anschauung, dass die klassischen Ulcussymptome Gastroduodeni- tissymptome sind, ohne dass man von vorneherein sagen kann, ob die Gastroduodenitis mit einem Ulcus chronicum kompliziert ist.

Wahrend die manifeste Blutung uns nicht dazu berechtigt, die Diagnose Ulcus chronicum zu stellen, herrscht dariiber Einigkeit, dass gut ausgepriigfe rontgenologische Zeichen von Ulcus einen sicheren Anhalt fur das Vorhandensein eines Ulcus oder narbiger Veriinderungen nach einem solchen geben. Von der Voraussetzung aus, dass die klassischen Ulcussymptome der vorhandenen Gastro- duodenitis zugeschrieben werden mussen, wird es nun von Interesse sein zu untersuchen, inwieweit Gastroduodenitispatienten mit solchen rontgenologischen Veranderungen sich von Gastro- duodenitispatienten ohne diese unterscheiden; mit anderen Worten, ob gleichzeitig mit dem Vorkommen rontgenologischer Ulcuszeichen eine Aenderung in der Symptomatologie der Krankheit auftritt. Urn dies zu untersuchen, habe ich ein Material von der med. Abfei- lung des Amfskrankenhauses Aarhus (A. K. A.), bestehend aus 160 Pafienfen der Ufcusgruppe, aufgestellt; dieselben sind nach der

Tafel 11. 160 Patienten dcr Ulcusgruppe.

I I . ulcus corporis Ventriculi

2. Sanduhrmagen 3

3. Ulcus juxtapyloricum Ventriculi 2

4. Ulcus Pylori 6

5. Ulcus Duodeni 71

6. Haematemesis. Melaena 20

49 7. Pylorogastritis 160

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U B E R CASTRODUODENITIS. 191 bisherigen Nomenklatur der Abteilung, wo das Hauptgewicht auf eine so genaue Bestimmung des Ulcussitzes wie moglich gelegt wird, gruppiert worden, wie auf Tafel I I angefiihrt. Der besondere Wert dieses Materiales liegt darin, dass es in iiberwiegendem Grade aus drischen, FIllen besteht. Fruhere Materiale ahnlicher Art, die zum Gegenstande fur gleiche Untersuchungen gemacht worden sind, ich denke hier namentlich an Aage Nielsen’s (1919) und Sk. Kemp’s (Bibl. f. Lteger 1922), haben in ganz iiberwiegendem Masse aus ausgesprochen chronischen Fallen bestanden; es sind Patienten, die jahrelang vergeblich medizinische Kuren bei ihren Arzten und in den lokalen Krankenhausern durchgemacht haben, bis sie zuletzt Hilfe im Reichshospital suchten. Der Unterschied in der Art der Materiale wird am besten durch die Angabe illustriert, dass in Kemp’s Materiale 78 unter 362 Patienten 12-stiindige Retention hatten, wahrend diese letztere unter dem Materiale vom Arntskrankenhaus Aarhus nur bei 7 von 137 Untersuchten vorkommt, und dass unter Kemp’s 362 Patienten 183 operiert sind, wahrend das nur fur 4 von den 160 Patienten des A. K. A. zutrifft. Ich habe es also mit einem Bfrischenn Materiale zu tun, das in iiber- wiegendem Grade aus Patienten besteht, deren Symptome nicht derart sind, dass sie den Patienten friiher in das Krankenhaus gefuhrt haben. Dies Material ist nicht, wie die obengenannten Materiale, aus den am schwersten Angegriffenen des ganzen Lan- des zusammengesetzt.

Um nun zu untersuchen, ob es berechtigt ist, eine Trennung zwischen den Patienten, die positiven, und denen, die negativen Rontgenbefund habcn, aber im tfbrigen dasselbe klinische Bild bieten, aufrechtzuerhalten, habe ich dieses Material in 3 Gruppen geteilt, wie auf TufeZ I11 angefuhrt. Gruppe I umfasst 88 Patienten, welche diejenigen Kennzeichen aufwiesen, die man fur rontgeno- logisch sichere Ulcuszeichen halt, namlich: Nische im Duodenum oder Ventrikel (evt. mit Sanduhrmagen), praestenotisches Divertikel im Bulbus oder marbig umgebildeter Bulbus, (Schinz’s Taschen), wahrend hier iiberhaupt keine Riicksicht auf die klinischen Sym- ptome genommen ist. Gruppe I1 umfasst 59 Patienten, bei welchen man keine rontgenologischen Ulcuszeichen fand, wo aber die Dia- gnose Gastroduodenitis auf wohlausgesprochenes syndrdme pylorique oder auf manifeste Blutung mit oder ohne syndrdme pylorique gestellt ist. Gruppe I I I umfasst 13 Patienten, die nicht rontgen-

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192 TORBEN ANDERSEN.

Tafel 111.

160' Palienten, an Gaslroduodenilis cum el sine Ulcere chronico leidend.

photographiert sind. Einer hatte ausgesprochenes syndr8me pylo- rique, aber keine Blutung. Einer bekam Ulcusperforation, wahrend er auf der medizinischen Abteilung wegen einer schweren Nephritis chronica lag. Er wurde sofort operiert, starb jedoch einige Tage nach der Operation an UrBmie; er hatte syndrdme pylorique und Melaena in der niichstliegenden Anamnese. Die restlichen 11 hatten alle manifeste Blutung, 6 zugleich syndrdme pyIorique. Einer, ein 70-jiihriger Mann, starb, nachdem er in debilem Zustande mit Haematemese und Melaena eingeliefert worden war; bei der Autopsie wurden auf der Curvatura major Ventriculi ein grosses UIcns niit Perforation und Bildung eines subdiaphragrnatischen Abszesses gefunden. 4 starben an der Blutung. Bei einem von diesen wurde keine Autopsie vorgenommen. Bei einem anderen wurde ein grosses Ulcus mit einer klaffenden Gefassoffnung auf der Curvatura minor Ventriculi gefunden. Sclrliesslich traf man bei zweien kein Ulcus, sondern ausgesprochene Gastroduodenitis an, ohne dass man die blutende Gefiissoffnung finden konnte.

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UBB R GASTROD UODENITIS. 193 Im Folgenden werde ich die Symptomatologie der zwei riintgen-

untersuchten Gruppen miteinander vergleichen. Wir wollen zuerst die Dauer der Krankheit betrachten und

untersuchen, ob die Patienten in den zwei rontgenuntersuchten Gruppen irgendeinen Unterschied in diesem Punkte zeigen. Wie aus der TafeZ IV hervogeht, hat die Krankheit bei 46 % der Gastro- duodenitispatienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen mehr als 5 Jahre bestanden, wghrend sie in der anderen Gruppe bei 62 yo mehr als 5 Jahre gedauert hat. Die Zahlen besatigen also, was man erwarten musste, dass, je lgnger eine Gastroduodenitis besteht, d. h., je geringer ihre Heilungstendenz ist, sie mit desto grosserer Hiiufigkeit rontgenologische Verlnderungen im Ventrikel und Duodenum ergibt.

M h e r erkliirte man die Entstehung der tardiven Schmerzen als Folge der Slureatzung des Geschwiires, sobald der Ventrikel sich von dem neutralisierenden Mageninhalte entleert hat. Jetzt, wo wir wissen, dass die tardiven Schmerzen auch vorkommen, wenn die Gastroduodenitis obne Ulcus auftritt, erklgren wir diese Schmerzen, wie Oline Christensen (1931) gezeigt hat, auf folgende Weise: Weqn der Ventrikel gefiillt ist, befindet er sich in eineni

1 Jahr und darunter 1-2 Jahre 2-3 .Jahre

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Tafel IV.

Dauu der Krankheit hi:

59 Gastroduodenitis- 88 Gastroduodenitis- patienten ohne rontgeno- patienten mit rontgeno.

logische Ulcuszeichen logischen Ulcuszeichen

MP. Fr. Insges. % Ma. Fr. Insges. 7;

6 2 8 13 9 1 10 11

7 3 1 0 17 5 4 9 10

6 0 6 1 0 4 1 5 6

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194 TORBEN A N D E R S E N .

Zustande nrelativer Ruhen, in dem er nur schwachere, rhythmische Kontraktionen aufweist; in leerem Zustande dagegen befindet er sich abwechselnd in Ruhe oder gewaltsameren, peristaltischen Kontraktionen, und diese letzteren fallen gerade rnit den Schmerz- anfallen zusammen. Die Speiselinderung wird damit erklart, dass die gewaltsamen Kontraktionen aufhoren und der welativen Ruheo Platz machen, sobald der Ventrikel einen gewissen Fiillungsgrad erreicht hat. Welche Zngesta die Fullung des Ventrikels bedingen, ist mit Riicksicht auf die augenblickliche Wirkung recht gleich- giiltig; es sei z. B. angefuhrt, dass eine salzsaure Losung Speise- linderung zu geben vermag. Doch mit Hinsicht auf die Dauer der welativen Ruheb und damit der schmerzfreien Periode ist die Wahl der Nahrungsmittel sehr bedeutungsvoll, indem Oline Christensen gezeigt hat, dass Eiermilch die am langsten wahrende nrelative Ruhen gibt. Wenn man daher, urspriinglich rein empirisch, Eicr- milch in der Ulcustherapie angewandt hat, ist das also ganz zwcck- mgssig, da man damit eine relative Immobilisation der entziindeten Stelle erreicht, entsprechend dem, was man gegeniiber Entziin- dungen rnit anderer Lokalisation anstrebt. Es ist also augenschein- lich entschieden, dass die kriiftigen PHungerkontraktionmn der ent- zundeten Ventrikelwand Ursache der Schmerzen sind. Dagegen sind die Schmerzen, wie auch Oline Christensen bewiesen hat, unabhangig von der Salzsaurekonzentration des Mageninhaltes.

W a r m die Gastroduodenitissymptome in einigen Perioden mehr hervortreten als in anderen, hat man auf verschiedene Weisen, von Kostveranderungen und Vitaminmangel bis zu Veranderungcn in der Witterung, zu erklaren versucht; aber eine sichere Erklarung dafiir, warum der Entzundungszustand schwankt, gibt es nicht; dass eine Gastroduodenitis in gewissen Perioden mehr belastigen kann als in anderen, erscheint jedoch eher verstandlich, als dass ein recht unveranderliches Ulcus chronicum bald Anlass zu heftigen Schmerzen geben soll, bald schmerzfrei sei. Ob das chronische Ulcus selbst uberhaupt Schmerzen auslosen kann, ist unsicher; auf jeden Fall gibt es nach den Untersuchungen Oline Chris- tensen’s keinen Anlass zu den sogenannten ntypischen Ulcus- schmerzen,.

Unter den operierten Fallen (Tafel I) werden 15 Patienten rnit ausgesprochenem s y n d r h e pylorigue gefunden, ohne dass man bei diesen auf ein Ulcus stiess. Nach dem Materiale vom A. K. A.

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(Tafel 111) kommt syndrdme pylorique anscheinend hlufiger bei Patienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen als bei Patienten mil rontgenologischen Ulcuszeichen vor, da bei 59 Patienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen (Gruppe 11) syndrdme pylorique in 53 Fiillen (d. h. bei 90 %) auftrat, wahrend diese Symptomgruppe unter 88 Patienten rnit rontgenologischen Ulcuszeichen (Gruppe I) nur bei 69 (d. h. bei 78 %) gefunden wurde. Aber dieser Unter- schied liegt wahrscheinlich ausschliesslich in der Art der Auswahl und Gruppierung des Materiales, wodurch die beiden Gruppen in Bezug auf syndrdme pylorique miteinander unvergleichbar geworden sind. Denn wahrend Gruppe I1 nur zwei Kategorien von Patienten enthalt, namlich Patienten rnit syndrdme pylorique oder manifester Blutung (eventuell rnit beidem), umfasst Gruppe I ausserdem eine dritte Kategorie, namlich Patienten, bei welchen uncharakteris- tische, dyspeptische Symptome und keine manifeste Blutung vor- handen waren, wo man aber bei der Rontgenuntersuchung trotzdem Ulcuszeichen fand. In meinem Materiale kommen 11 Patienten dieser Kategorie vor (6 Manner und 1 Frau mit Zeichen von Ulcus Duodeni und 4 Frauen rnit Nische auf der Curvatura minor Ventri- culi). Man muss davon ausgehen (und dass diese Annahme richtig ist, wird durch die auf Seite 21 1 angefiihrte Krankengeschichte illustriert), dass es eine entsprechende Kategorie von Patienten gibt, die an Gastroduodenitis leiden, obwohl ihnen 1) rontgenolo- gische Ulcuszeichen, 2) charakteristische, dyspeptische Beschwerden und 3) manifeste Blutung fehlen, und welche daher nicht in mein Material unter die Gastroduodenitispatienten mitgenommen werden konnten. Ich werde spater darauf zuriickkommen, wie man in diesen Fallen versuchen sollte, der Diagnose naher zu kommen. Um iiberhaupt die zwei Gruppen rnit Hinsicht auf syndrdme pylorique miteinander vergleichen zu konnen, muss man also die erwahnten 11 Patienten von Gruppe I ausschliessen. Nachdem die Gruppen so vergleichbar gemacht worden sind, zeigen sie gute ffbereinstimmung in Bezug auf das Vorkommen von syndrdme pylorique, da es in Gruppe I bei 69 von (88-11 =) 77 Patienten vorkommt (d. h. bei 90 %, wie in Gruppe 11).

Die bei Gastroduodenitis auftretenden uoluminosen, sauren spaten Erbrechen konnen teils kontinuierlich sein, und dann werden sie in der Regel von Pylorostenose verschuldet, teils periodisch, voriibergehend, und dann sind sie auf Pylorospasmenanfalle 13 - Ada med. Scandinav. Vol. L X X X I V .

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TO RB EN AND E RSE N. 196 zuruckzuffihren, die man jetzt ebenso wie friiher als reflektorisch entstanden betrachtet.

Das Verhaltnis der Hypersekretion zur Gastroduodenitis ist zum Teil umstritten. Am ehesten scheint mir die Annahme zuzutreffen, dass die Hypersekretion sekundar gegenuber den Entzundungs- veranderungen ist; einige scheinen jedoch der Anschauung zu sein, dass sie geradezu die Ursache der Entzundung ist. Overgaard hat in einer experimentalpathologischen Arbeit (1932) Gastroduodenitis-gleichende Prozesse bei Hunden hervorrufen konnen, indem er bei den letzteren durch Histamininjektionen Hypersekretion verursachte. Er wagt jedoch nicht, den bedeutungs- vollen Schluss zu ziehen, dass die Hypersekretion auch beim Men- schen der eigentliche Entziindungserreger ist. Aber gleich, ob die Hypersekretion als Ursache der Entziindung oder als eine Wirkung derselben betrachtet werden muss, ihr Zusammenhang mit Gastro- duodenitis ist unbezweifelbar.

Unsere heutige Auffassung von der Entstehungsweise der Hyper- sekretion beruht auf den Arbeiten von Pavlow und seiner Schule und den klinischen Arbeiten von Rubow (190647). Durch eine griindliche Beweisfiihrung, die spatere Untersucher anscheinend nicht haben umstossen konnen, stellt Rubow fest, dass man von dem Vorkommen einer ngenuinen Hyperaciditat,, d. h.: Sekretion von Magensaft rnit abnorm hoher Salzsaurekonzentration, absehen muss; sondern die Hypersekretion kann nur auf 3 Arten vorkommen: 1) Durch vermehrte Sekretion von Magensaft rnit normaler Acidi- tat, wodurch die neutralisierende Probemahlzeit also saurer wird. 2) Durch versplitete Leerung des Ventrikels rnit normaler Sekretion, wodurch das Resultat dasselbe wie im ersten Falle wird. 3) Durch beschleunigte Leerung des Ventrikels rnit normaler Sekretion, wodurch die neutralisierende Probemahlzeit den Ventrikel schon ganz oder teilweise beim Aushebern des Mageninhaltes verlassen hat, sodass dieser letztere aus annahernd reinem Magensafte besteht. Die genannten Entstehungsweisen konnen selbstverstand- lich wechselweise miteinander kombiniert werden. Rubow setzte folgende, obere Grenzen ftir den normalen Mageninhalt 1 Stunde nach Ewald’s Probemalzeit fest: Menge 120 cms mit einer Phenol- phthaleinzahl von 80. Kemp hat in Danemark die von Schutz angegebene Messung des Ventrikelinhaltes in &alzsiiureeinheiten, eingefiihrt, indem er die Menge, in cmS gemessen, rnit der

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Phenolphthaleinzahl multipliziert und mit 100 dividiert. Hier- durch bekommt man den Gehalt des Mageninhaltes an n/10 HCI, gemessen in cm8. Angewandt auf Rubow’s Zahl erhalt man: (120 x 80): 100 = 96 cman/10 HCI als oberste Grenze fur die normale Probemahlzeit. 1st die Zahl iiber 100, so spricht Kemp von Hyper- sekretion, nicht nur in Rubow’s Sinne, sondern auch, wenn man Mengen unfer 120 c d mit einer Phenolphthaleinzahl iiber 80 hat, und umgekehrt: Mengen iiber 120 cm8 mit einer Phenolphthalein- zahl unfer 80, wobei immer vorausgesetzt ist, dass Schiitz’s Zahl standig iiber 100 bleibt. Das Wertvolle an Schiitz’s Methode ist, dass sie gleichzeitig die Grosse des Mageninhaltes und dessen Aciditat beriicksichtigt, wodurch die saureproduzierende Fahigkeit des Ventrikels vollstiindig zum Ausdrucke kommt. Die Methode verdient meines Erachtens eine vie1 grossere Verbreitung, als sie bisher hat. Bei der Wertung der Probemahlzeiten im Materiale des A. K. A. gab sie fur mich den Ausschlag.

Wahrend also Rubow die Bedeutung der digestiven Hyper- sekretion fur die Diagnose des Magengeschwiires im Allgemeinen gekennzeichnet hat, haben Faber und Kemp dieses Symptom in der Lokaldiagnostik des Magengeschwiires ausgenutzt. Kemp hat als der erste auf das hlufige Vorkommen der Hypersekretion beim Ulcus Duodeni hingewiesen, und in Arbeiten von weitreichender Bedeutung haben Faber und Kemp Soupault’s u y n d r h e pylorique, unterbaut und zu einem wohlabgegrenzten Krankheitsbilde, dem juxtapylorischen Symptomkomplexe, geformt. Dessen Haupt- elemente sind: periodisch auftretende, tardive Schmerzen, Erbrechen, digestive und kontinuierliche Hypersekretion und Pylorospasmen, sowie die allgemeinen Ulcussymptome: manifeste und okkulte Blutung, 12-stiindige Retention und verzogerte Lee- rung. Spater hat Faber darauf hingewiesen, dass sich Schwierig- keiten in der Differentialdiagnose zwischen dem juxtapylorischen Ulcus und der sauren Gastritis - spiiter der Pylorogastritis - ergeben.

Wir werden nun das Vorkommen und die Verteilung der Hyper- sekretion im Materiale vom A. K. A. durchgehen. Wie sich aus der Tafel I11 egibt, wurde unter 77 Patienten mit rontgenologischen Ulcuszeichen Hypersekretion in 39.Fallen (d. h. bei 51 ”/) gefunden, wahrend unter 57 Patienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen in 29 Fallen (d. h. bei 51 %) Hypersekretion auftrat. Die Zahlen

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zeigen, dass in meinem Materiale Hypersekretion ebenso haufig bei Gastroduodenitis ohne rontgenologische Ulcuszeichen wie bei Gastroduodenitis rnit rontgenologischen Ulcuszeichen vorkommt. Die Zahlen in Klammer sind nicht mitgerechnet. Sie stellen 8 Falle rnit rontgenologischen Zeichen von UIcus vor, darunter 7 mit Hypersekretion, die in diesen Fallen moglicherweise von dem mechanischen Missverhaltnisse, welches diese Patienten in eine Klasse fur sich stellt, herriihren kann. Werden diese 8 Falle der Gruppe I mitgerechnet, so findet man hier Hypersekretion bei 46 Patienten von 85 (d. h. bei 54 %). Weiterhin zeigen die Zahlen das bekannte Verhalten, dass mangelnde Hypersekretion nicht die Anwesenheit einer Gastroduodenitis (mit oder ohne Ulcus) aus- schliesst, da nur 75 (d. h. 53 %) von 142 Patienten rnit Gastro- duodenitis Hypersekretion haben, was genau mit friiheren Angaben iibereinstimmt. Andererseits gibt es auch Hypersekretion bei Patienten, bei welchen man nicht berechtigt war, die Diagnose Gastroduodenitis zu stellen. Bei 167 Patienten, die an Dyspepsie. Obstipatio chronica oder Colitis litten, wurde so Hypersekretion in 23 Fallen (d. h. 14 yo) gefunden. (Es ist moglich, dass einige dieser Falle von Hypersekretion sich in Wirklichkeit auf Gastro- duodenitispatienten rnit uncharakteristischer Symptomatologie beziehen). Zum Vergleiche kann dienen, dass Kemp (1912) in einem Materiale aus der Abt. B. des Reichshospitales Hypersekre- tion von diesem Typus bei 62 (d. h. bei 13 %) unter 425 Dyspepsie- patienten fand.

Es hat also keinen Einfluss auf die Ventrikelsekretion bei Gastro- duodenitispatienten, ob sie rontgenologische Zeichen von Ulcus haben oder nicht; vielleicht konnte man von vorneherein ein etwas haufigeres Vorkommen der Hypersekretion bei Patienten rnit rontgenologischen Ulcuszeichen erwarten, weil angenommen wer- den muss, dass bei diesen die Gastroduodenitis mehr ausgesprochen ist; dies ist jedoch in dem Materiale vom A. K. A. nicht der Fall. Es wiire auch moglich, dass die zwei Gruppen sich durch die

Grosse der Probemahlzeiten unterscheiden, indem man diese nicht a. m. Schiitz abschltzt, sondern ausschliesslich auf die Menge sieht. In dkm Materiale vom A. K. 4. finden sich sehr grosse Mengen (um 400 cmy nur bei 4 Patienten mit Pylorostenose. Die Mengen von 200 cm8 und dariiber verteilen sich folgendermassen:

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UBER GASTRODUODENITIS. 199 Gastroduodenitispatienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen:

7 von 57 (d. h. 12 yo). Gastroduodenitispatienten rnit rontgenologischen Ulcuszeichen:

13 (2 mit Ulcus Corporis, der Rest mit Ulcus Duodeni) von 77 (d. h. 17 %).

Stenosis Pylori: 6 von 8. Dyspepsie: 5 von 167 (d. h. 3 Yo). Die grossen Mengen kommen also ein wenig haufiger bei Gastro-

duodenitispatienten mit rontgenologischen Ulcuszeichen vor, viel- leicht deswegen, weil man unter diesen schwerer angegriffenen Gastroduodenitispatienten einen Teil Falle rnit mehr oder weniger ausgesprochenem Pylorospasmus hat. Was die Hyperacidiiiit sensu strictiori anbelangt, so zeigt diese, wie man erwarten konnte, eine gleichgeartete Verteilung in den zwei Gruppen. Die Phenolphthalein- zahlen uber 100 verteilen sich folgendermassen:

Gastroduodenitispatienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen: 10 von 57 (d. h. 18 %).

Gastroduodenitispatienten mit rontgenologischen Ulcuszeichen: 12 von 77 (d. h. 16 Ole).

Stenosis Pylori: 2 von 8. Dyspepsie: 5 von 167 (d. h. 3 yo). Im A. K. A. haben wir nicht frakfionierfe Ausheberung von Probe-

mahlzeiten angewandt. Wahrend diese Untersuchung fur die Entscheidung, ob eine Achylie absolut ist, augenscheinlich Wert besitzt, bringt sie keine wesentlichen Vorteile fur die Gastroduode- nitisdiagnostik. Freilich kann man einen Teil der sogenannten Kletterkurven in Fallen von Gastritis ganz wie beim Ulcus finden (Roholm); aber teils scheint die Kletterkurve nicht fur Gastro- duodenitis rnit oder ohne Ulcus pathognomonisch zu sein, teils kann man normale Kurven bei diesen Patienten finden, und schliesslich bekommt man rnit dieser Methode nicht den wertvollen Aufschluss iiber die Grosse der Probemahlzeit. Die Methode ist ausserdem zeitraubend und erfordert sicherlich umfangreichere Untersuchun- gen, bevor man iiber ihren endgiiltigen Wert entscheiden kann.

Was die Untersuchung rnit Kemp’s Retentionsprobemahlrife~ anbelangt, so haben diese anscheinend keine Bedeutung fur die Gastroduodenitis- (resp. Ulcus-) Diagnose als solche, aber wohl, um die Anwesenheit einer beginnenden oder vorliegenden Pyloro-

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200 TO RE E N A N D E RSE N.

69 MIL.

100 Fr.

L69 Insges. _ _ _ - _ _ _

Tafel V. Kemp Cstandige Retention ( 6 cma und daraber)

6 stdg. Ret. bei

6= 9O,b

27=27 y , ,

33=20 %

- -

- - - ~ - ~

137 Ptt. rnit Gastroduodenitis I 169 Ptt.mit Dyspepsie etc.

93 (+7) Ma.

36 (+l) Fr.

129 (+8) Insges.

6 stdg. Ret. bei

4 (+7)= 4 % (ESP. 11 %)

8 (+1)=22% ( * 24 %)

12 (+@= 9 % ( * 15 %)

~ 1::;: - _ - - - - - - 169 Insges.

Kemp (Istandige Relullion (20 cma und daraber)

6 stdg. Ret. hi

4= 69;

19=19 o/;

23=14 %

-~

- _ _ - _ _ - .

93 (+7) M1I.

36 (+1) Fr. .___________

129 (+8)’ Insges.

6 stdg. Ret. bei

3 (+7)= 3% (ESP. 10%)

6 (+1)=17% ( * 19%)

9 (+a)= 7 % ( * 12%) _ _ - _ -

Kemp 12sttkndige, kleine Retention (unter 5 ema) 1 Frau mit Pylorostenose. 2 Frauen mit Dyspepsie.

Kemp 12stnndige, grosse Retention (Ober 5 cma)

6 Manner mit Pylurostenose.

stenose oder eines Pylorospasmus festzustellen und hierdurch an der Bildung der Basis fur eine Operationsindikation mitzuwirken.

Um die Bedeutung der Retentionsprobemahlzeiten zu beleuch- ten, sei a d Tafel V verwiesen. Ich habe hier untersucht, wie 137 Patienten rnit Gastroduodenitis sich gegenuber 169 Patienten rnit Dyspepsie, Obstipatio chronica oder Colitis in Hinblick auf 6- stundige Retention verhalten, wenn man eine Retention auf bezie- hungsweise 5 und 20 cms als Minimum festsetzt. Im ersten Falle wird unter 93 Miinnern rnit Gastroduodenitis 6-stundige Retention bei 4 (d. h. bei 4 %) gefunden, wahrend unter 69 Mannern rnit Dyspepsie etc. &stundige Retention bei 6 (d. h. bei 9 yo) vorkommt. Unter 36 Frauen rnit Gastroduodenitis gibt es bei 8 (d. h. bei 22 %) 6-stundige Retention, wahrend man von 100 Frauen rnit Dyspepsie etc. 6stundige Retention bei 27 (d. h. bei 27 yo) findet. Insgesamt ergibt sich unter 129 Patienten rnit Gastroduodenitis 6stiindige

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UBER CASTRODUODENITIS. 20 1

Retention bei 12 (d. h. bei 9 yo, der niedrige Prozentsatz ist auf das zahlenmassige Oberwiegen der Manner zuriickzufiihren), wahrend von 169 Patienten rnit Dyspepsie etc. 6-stundige Retention bei 33 gefunden wird (d. h. bei 20 %, der hohe Prozentsatz stammt von dem zahlenmbsigen Obergewichte der Frauen). Wie man an der unteren Tabelle sehen kann, zeigen sich vollig entsprechende Verhaltnisse, wenn man 20 cms als Minimum der Retention ansetzt. Die Zahlen in Klammern sind nicht in dem oben Angefiihrten mit- eingerechnet. Sie reprasentieren die in dem Materiale vorkommen- den FBlle rnit rontgenologischen Zeichen von Pylorostenose. Werden sie mitgerechnet, so verschiebt sich, wie aus der Tabelle hervorgeht, das Verhaltnis sehr hinsichtlich der Manner, wahrend es fur die Frauen im Wesentlichen unverandert ist. Wie sich aus dem Obigen ergibt, gehort die Leerungsverzogerung nicht rnit zur Symptomato- logie der Gastroduodenitis, da 6-stundige Retention rnit annahernd gleicher Haufigkeit bei Gastroduodenitispatienten und Dyspep- tikern vorkommt, vorausgesetzt dass man die zwei Geschlechter jedes fiir sich vergleicht; sondern die Leerungsverzogerung tritt erst auf, wo die Gastroduodenitis rnit Pylorostenose kompliziert ist. Wie aus Tafel 111 hervorgeht, zeigen die Falle rnit Gstiindiger Retention eine gleichartige Verteilung zwischen den zwei rontgen- untersuchten Gruppen.

Aber obschon, wie es auch Kemp selbst erwahnt, eine 6-stundige Retention fur sich allein keine Stiitze fur die Gastroduodenitis- diagnose (resp. Ulcusdiagnose) gibt, ware es ja doch moglich, dass das gleichzeitige Vorkommen von verspateter Leerung und Hyper- sekretion ein wertvolles diagnostisches Kritehum ware, so wie Kemp es fur die Ulcusdiagnose angibt. Die Voraussetzung fur diese Moglichkeit ware, dass entweder Hypersekretion hiiufiger bei Gastroduodenitispatienten rnit Retention vorkommt als bei solchen ohne Retention, oder dass Hypersekretion sich seltener bei Dyspep- siepatienten rnit Retention vorfindet als bei solchen ohne Reten- tion, immer vorausgesetzt, dass Retention rnit derselben Hiiufig- keit bei den zwei Patientengruppen vorkommt. In dem Materiale vom A. K. A. haben 51 yo aller Gastroduodenitispatienten (ohne Pylorostenose) Hypersekretion. Wenn kein besonderer Zusam- menhang zwischen Retention und Hypersekretion besteht, muss man erwarten, dass 51 % der Gastroduodenitispatienten rnit 6-stun- diger Retention Hypersekretion haben. In dem Materiale vom

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202 TO RBE N AND E RSE N.

A. K. A. findet sich 6-stundige Retention bei 12 Gastroduodenitis- patienten (ohne Pylorostenose), man sollte also bei idealer Vertei- lung erwarten, Hypersekretion bei 6 von diesen zu finden. In Wirk- lichkeit wurde Hypersekretion bei 5 und normale Werte bei T gefunden, also eine genaue ubereinstimmung rnit dem, was man von vorneherein erwarten konnte, wenn nicht ein besonderer Zusammenhang zwischen Retention und Hypersekretion voraus- gesetzt wird. Ferner haben 14 % der Dyspepsiepatienten des Materiales vom A. K. A. Hypersekretion. Wenn die Kombination Hypersekretion-Retention nicht besonders selten unter den Dys- peptikern ist, miisste man erwarten, die Hypersekretion bei 14 % der Dyspepsiepatienten rnit Retention wiederzufinden. In dem Materiale gibt es 6stundige Retention bei 33 Dyspepsiepatienten; man sollte also erwarten, Hypersekretion bei 5 von diesen anzu- treffen. In Wirklichkeit wurde Hypersekretion bei 8 und normale Werte bei 25 gefunden. Die Zahlen im Materiale vom A. K. A. geben also keinen Anhalt dafiir, dass die Diagnose Gastroduodenitis (mit und ohne Ulcus) durch die Kombination Hypersekretion- Retention in hoherem Grade gestutzt wird als durch die Hyper- sekretion allein. Wenn Kemp in scharfem Gegensatze hierzu die Kombination Hypersekretion und 6stundige Retention relativ weit haufiger bei Ulcus chronicum als unter Patienten mit Dyspepsie gefunden hat, sodass er in der kombinierten Sekretions- und Motili- tiitsst6rung einen wesentlichen Anhalt fur die Diagnose Ulcus Ventriculi sieht, liegt die Erkliirung fur diese auffallende Nicht- iibereinstimmung zwischen unseren Untersuchungsresultaten unzweifelhaft in erster Linie in dem friiher erwiihnten, ausgepragten Unterschiede, der zwischen unseren Patientenmaterialen besteht: wiihrend das meinige uberwiegend relativ frische Fiille von Gastro- duodenitis (nur 4 von 160 sind operiert) umfasst, besteht Kemp’s wesentlich aus alten, chronischen Ulcusfiillen, die bei ca. der Halfte der Patienten operative Behandlung notwendig gemacht haben; eine Allgemeingiiltigkeit kann man daher Kemp’s Resultaten nicht beilegen. Auf Grund meiner Untersuchungen glaube ich, es als entschieden betrachten zu diirfen, dass 6-stiindige Refention rnit oder ohne gleichzeitige Hypersekretion fur die Differentialdiagnose zwischen Gastroduodenitis (mit oder ohne Ulcus) und den einfachen Dyspepsien bedeufungslos ist. Die 6stundige Retention ist einfach ein Ausdruck fur eine motorische Insuffizienz, eine

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UBBR GASTRODUODENITIS. 203 Leerungsverzogerung, aber sagt nichts Niiheres uber deren tiefere Ursache aus. Ihr vorzugsweises Vorkommen bei Frauen (35 von 136, d.h. bei 26 % gegen 6 % bei Mtinnern: 10 von 162), wo der aptotischen, atonische Ventrikel ja eine relativ hiiufige Erscheinung ist, deutet darauf hin, dass sie sehr oft atonischen, seltener mechanischen (pylorospastischen?) Ursprunges ist.

DemgegenUber muss man sehr grosses Gewicht auf die lsstiindige Retention legen. Dieser allein, wie es auch von Faber hervogehoben worden ist, kann man differentialdiagnostischen Wert zuschreiben. Kemp glaubt, dass sie bedeutend grosseren Wert als die rontgenologische Pylorostenosediagnose habe, wofern nicht die letztere auf einer 12-stundigen Rontgenretention basiert sei. Der Unterschied in der Resultaten der zwei Untersuchungs- weisen geht auch aus dem Materiale vom A. K. A. hervor, in welchem nur 6 von 8 Patienten rnit rontgenologischen Zeichen einer Pylorostenose 12-stundige grosse Retention hatten. Kemp legt obendrein dem Funde einer 12-stundigen grossen Retention bei einem Ulcuspatienten so grosse Bedeutung bei, dass er fur ihn eine fast ausschlaggebende Indikation zur Operation ist, gleich, ob die Retention von einer eigentlichen Pylorostenose oder, was das Haufigste ist, von einem pylorospastischen Zustande stammt, da solche Fillle erfahrungsgemlss eine schlechte Prognose fur Heilung auf medizinischem Wege haben, wahrend sie dagegen besonders gut fur Gastroenteroanastomose geeignet sind. Das Material vom A. K. A. gibt infolge seiner Art keine Aufschliisse zur Beleuchtung dieser Frage.

Die 12-stundige kleine Retention, die nach Kemp’s Unter- suchungen nichts direkt rnit der groben Leerungsfiihigkeit des Ventrikels an sich zu tun hat, sondern in ihrer ausgesprochenen Form Symptom eines schwer infiltrierenden Schleimhautleidens ist (Cancer, Ulcus chronicum und ausnahmsweise Gastritis mit Achylie), kommt nur bei 1 meiner Patienten rnit Gastroduodenitis vor (samt zwei Frauen rnit Dyspepsie). Kemp dagegen findet diese Retentionsform bei nicht weniger als 30 % seiner Patienten rnit Ulcus chronicum, wieder ein Ausdruck fur die ausgeprtigte Verschiedenheit, die zwischen unseren Patientenmaterialen be- steht.

Die Tatsache ist bekannt, dass Patienten infolge anhaltender, manifester Blutung sterben konnen, ohne dass man bei der Autopsie

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204 TO RB E N A N D E RS E N . Zeichen irgendeines Ulcus findet, sondern nur ausgesprochene Gastroduodenitis. In dem Materiale vom A. K. A. gibt es 2 solche Falle; ein dritter fat zeitmassig ausserhalb meines Materiales, da er 1928 vorkam. Ebenso kennt man Falle, die auf Grund anhalten- der Blutung zur Resektion kommen, und in deren Resektions- praparaten sich nur Zeichen einer Gastroduodenitis finden. Kon- jetzny hat auf eine direkte Anfrage hin die interessante Mitteilung gemacht, dass auch Resektionspraparate, die von Patienten stam- men, welche iiberhaupt keine anderen Gastroduodenitissymptome als die Blutung gehabt haben, bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung Gastroduodenitis adweisen. Die Entzundung ist also in diesen Fallen schmerzfrei verlaufen. Unter den operierten Fallen (Tafel I) gibt es 7 Falle von Resektion bei Patienten mit manifester Blutung ohne Ulcus. Im Materiale vom A. K. A. (Tafel 111) kommt manifeste Blutung bei 27 von 88 Patienten mil rontgenologischen Ulcuszeichen vor (d. h. bei 31 %), wahrend sie nur bei 11 von 59 Patienten ohne rontgenologische Ulcuszeichen auftritt (d. h. bei 19 %). Dieser Unterschied erscheint mir natiir- lich, da man annehmen muss, dass eine Gastroduodenitis, je aus- gesprochener sie ist, umso haufiger Anlass zu sowohl manifester Blutung wie auch rontgenologischen Vertinderungen geben wird. Es scheint mir doch bemerkenswert, dass man trotz grundlicher Rontgenuntersuchung nur bei 27, d. h. bei 71 %, von 38 Patienten mit manifester Blutung rontgenologische Ulcuszeichen findet.

Die okkulte Blutung spielt fur die Differentialdiagnose zwischen Gastroduodenitis rnit Ulcus und Gastroduodenitis ohne Ulcus eine geringere Rolle als fur eine solche zwischen Gastroduodenitis (mit oder ohne Ulcus) und Cancer Ventriculi. Wiihrend die okkulte Blutung, wie bekannt, eine haufig vorkommende Erscheinung bei Cancer Ventriculi ist, gibt es im Materiale vom A. K. A. unter 160 Patienten mit Gastroduodenitis nur in 2 Fallen okkulte Blutung ohne gleichzeitige, manifeste Blutung. Dies ist bemerkenswert, da es im Widerspruche zu den iiblichen Anschauungen steht, nach denen so gut wie alle Falle von Ulcus zu einem oder anderem Zeit- punkte Anlass zu manifester oder okkulter Blutung geben. Unsere Patienten sind auf die Weise untersucht worden, dass sie sofort nach der Einlieferung auf fleischfreie Diat gesetzt werden und der Stuhl gleich zur Benzidinuntersuchung gesandt wird. In den ersten (hochstens bis zu den zwei ersten) Stiihlen werden oft

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U B E R GASTRODUODBNITIS. 205 positive Benzidinreaktionen gefunden; diese Falle sind nicht als okkulte Blutung mitgerechnet. Die Benzidinuntersuchung wird von uns fortgesetzt, bis 3,4 oder 5 negative Ergebnisse dagewesen sind, wenn nichts Besonderes dafiir spricht, weiter fortzufahren. Dieses seltene Vorkommen der okkulten Blutung ist bedeutungs- voll, da nach meinem Eindrucke, wenn ein Gastroduodenitispatient blutet, er stark blutet, warend die sickernde Blutung, die konti- nuierliche, okkulte Blutung, in erster Linie dem Cancerpatienten vorbehalten ist. Wie haufig die okkulte Blutung ohne entwickeltes Ulcus chronicum vorkommt, bin ich nicht imstande aufzuklaren; denn es wurde eine weit grossere Anzahl Patienten erfordern, bei denen Ventrikelresektion vorgenommen worden ist, als mir moglich war, diesbeziigliche Aufschliisse zu sammeln. Wo man Cancer ausschliessen darf, kann eine anhaltende, okkulte Blutung ohne manifeste Blutung moglicherweise Verdacht auf ein vorliegendes Ulcus chronicum wecken, wahrend die gewaltsame, manifeste Blutung sehr oft von einer frischen Erosion herriihrt.

Ehe ich zu der Besprechung der rontgenologischen Ulcusdiagnose ubergehe, will ich zusammenfassen, was meines Erachtens das Material des A. K. A. zeigt, wobei ich mich gleichzeitig auf das stutze, was ich bisher vom Operationsmateriale besprochen habe:

1) Es muss, wie von friiheren Untersuchern hervorgehoben, als festes Ergebnis beirachtet werden, dass die manifeste Blutung bei einem Castroduodenitispaiienfen keinen Anhali fur die Anwesenheif eines komplizierenden Ulcus chronicum gibf.

2) A bgesehen von den Pylorostenosefallen, geben die sicheren rontgenologischen Ulcuszeichen keine Berechtigung dazu, Patienien mit solchen ronigenologischen Verdnderungen in der Klinik von Paiien- ten zu trennen, denen diese fehlen, die aber im ubrigen dasselbe Bild bieten .

3) Bsfiindige Refenfion isi ohne Bedeutung fur die Diagnose der Castroduodeniiis mif oder ohne Ulcus chronicum.

Das Vorkommen von sicheren rontgenologischen Ulcuszeichen bei Gastroduodenitispatienten erlaubt also im Allgemeinen dem Kliniker nicht, diese Patienten in eine besondere Klasse zu stellen, da die sonstigen klinischen Symptome bei diesen Patienten sich

1 Die Rlchtigkeit dieser Beobachtung habe ich spiter, in: Henning: *Die Entzbndung des Magens* (Leipzlg 1934), bestlti& gesehen.

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206 TORBEN ANDERSEN.

nicht von denen unterscheiden, die wir bei Gastroduodenitis- patienten ohne solche rontgenologischen Veranderungen finden. Es scheint also kein wesentlicher klinischer Unterschied zwischen diesen zwei Patientenkategorien zu bestehen, wobei man jedoch annehmen muss, dass Gastroduodenitispatienten mit rontgenolo- gischen Ulcuszeichen prognostisch ungiinstiger gestellt sein werden als Patienten, die nicht solche Zeichen aufweisen.

Uber die rontgenoZogische Ufcusdiagnose mochte ich mich mit Vorbehalt aussprechen, indem ich nur hervorheben will, dass allgemeine Einigkeit dariiber herrscht, dass gute ubereinstimmung zwischen Rontgenbefund und Operationsbefund (resp. Autopsie- befund) besteht. Der recht erheblichen Nichtiibereinstimmung, die sich in meinem Materiale (Tafel I) zwischen diesen Befundcn ergibt, kann daher kaum allgemeine Bedeutung zugesprochen werden, unter anderem deswegen, weil die Halfte der Unter- suchungen (8 von 16) aus Krankenhausern, die keinen Rontgen- spezialisten haben, stammt. Eine besondere Besprechung verdient jedoch ein einziger der Falle, in dem die rontgenologischen Ver- lnderungen so gut ausgepragt sind, dass man uber die rontgenolo- gische Diagnose nicht im Zweifel sein kann. Es handelt sich urn den Fall Tafel I Nr. 3. Die Rontgenuntersuchung (Fig. 1) zeigte typisches Ulcus Duodeni, da auf mehreren Aufnahmen ausge- sprochene Schinz'sche Taschen zu sehen waren, aber bei der Opera- tion fand man nur: nkeine sicheren Ulcera, sondern engen Pylorus und eine sehr ungleichmassige Dicke der Wand,, und auch bei der histologischen Untersuchung des Resektionspraparates wurde kein Zeichen von Ulcus gefunden. Die Annahme erscheint mir ganz

1 In der eingesandten Partie vom Ventrikel und Duodenum sieht man keine ulcerierten Fllichen. In allen Schnitten durch das Gewebestllck kann man sowohl mit blossem Auge wie mit Lupenvergrasserung die Schleimhaut konti- nuierlich von dem ehen Ende des Schnittes bis zum anderen verfolgen. Mlkro- skopisch ist eine mlicntige .?hf.?iindung in der Schleimhaul zu sehen. Diese ist sehr stark rundzellen- und plasmazellenhfiltriert: verstreute Anhgufungen von Lymphoidgewebe und mehr diffuse Lymphoidgewebsinfiltrate sind in Schleim- haut und Submukosa gebildet. Doch ist die Zellinfiltration in allen Abschnitten auf die Schlelmhaut und zum Teil auch auf die Submukosa beschrgnkt. Sowohl im Ventrikelabschnitt wie im Duodenalabscbnitt gibt es unscharf abgegrenzte Partien mit ausgesprochen atrophischer Schleimhaut, welche dtlnn und drRsen- arm ist. Deulliches Narbengewebe gibles in diesen Parlien nicht: es kommt jedoch in diesen Abschnitten eine Rundzelleninfiltration vor. die dichter als tiblkh ist. Frische Erosionen kannen nicht nachgewiesen werden: aber es ist wohl maglich oder wahrscheinlich, dass die atrophischen Stellen epithelialisierte und regene- rierte, oberfliichliche Substanzverluste darstellen kllnnen. H. D.: Pylorogastrltis.

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UBER CASTRODUODENITIS. 207

natiirlich, dass die rontgenologischen Ulcuszeichen mit dem Vor- behalte auszuwerten sind, dass man kaum entscheiden kann, ob sie der Ausdruck eines bestehenden Ulcus oder der Folgezustiinde eines solchen sind. Diese Verhaltnisse muss man gut im Auge behalten. Stosst man z. B. auf einen Patienten mit manifester Blutung, bei dem man, auf Grund dieser, einen operativen Eingriff am Ventrikel oder Duodenum vorzunehmen wiinscht, und findet man zugleich bei diesem Patienten eine Nische an einer Stelle des

Fig. 1.

Ventrikels oder Duodenums, so wird man sehr versucht sein; es als entschieden zu betrachten, dass die vorhandene Blutung gerade von clieser Nische kommt. Vielleicht ist das auch der Fall, aber die Blutung kann in Wirklichkeit mit ebenso grosser Wahrschein- lichkeit von einer kleinen, frischen Erosion kommen, die durch die zur Zeit aufflackernde Gastroduodenitis hervorgerufen ist. Diese Verhaltnisse muss man sich vor Augen halten, bevor der Eingriff gegen die Nische gerichtet wird (besonders, wenn man im Sinne hat, cirkulare Excision des vermuteten Ulcus vorzunehmen). Unter meinem klinischen Materiale vom A. K. A. kommt ein 35- jahriger Mann vor, der fast jedes Friihjahr, und zwar nur im Frtih- jahre, seit seinem 21. Jahre starke, manifeste Blutung gehabt hat,

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208 T O R E E N A N D E R S B N .

sodass sein Haemoglobinprozent oft bis 25 absank. Bei ihm hat man rontgenologische Zeichen fur Ulcus Duodeni angetroffen, indem der Bulbus Btypisch deformiert, gefunden wurde. Es scheint mir indessen schwer verstandlich, dass ein Ulcus chronicum ausschlicss- lich im Fruhjahre bluten sollte. Weit wahrscheinlicher kommt mir die Annahme vor, dass dieser Patient jedes Fruhjahr ein Auf-. flackern seiner Gastroduodenitis und dadurch eine frische Erosion, die Anlass zur Blutung gibt, bekommt. Die Verhaltnisse liegen ganz entsprechend, wenn man vor der Aufgabe steht, einen Patien- ten auf Grund von Schmerzen operieren zu miissen. Hier sollte man sich jedoch gleichzeitig erinnern, dass nach dem friiher Erwtihn- ten angenommen werden muss, dass es nicht ein eventuelles Ulcus ist, welches Anlass zu den heftigen Schmerzen, die den Patien- ten auf den Operationstisch fuhren, gibt; deshalb darf eine even- tuelle Nische, (die moglicherweise ein tiitiges Ulcus reprhsentiert), nicht die entscheidende Operationsindikation sein, obgleich sie ein bedeutungsvolles, diagnostisches Kriterium fur das Vorliegen einer schweren Gastroduodenitis ist. Der Gastroduodenitispatient, der zur Operation kommt, wird in der uberwiegenden Anzahl Falle sich in einem floriden Stadium seiner Krankheit befinden, und es besteht kein Zweifel dariiber, dass man bei der Operation eines Patienten, dessen Gastroduodenitis sich in einer floriden Phase befindet, auch in den meisten Flillen auf eine so ausgesprochene Gastroduodenitis stossen wird, dass diese Anlass zur Bildung einer oder mehrerer Ulcerationen gegeben hat. Aber solcher akuter, mehr oder weniger oberfllichlicher Substanzverlust, dessen Aus- heilung mit geringem oder gar keinem Defekt erwartet werden kann, ist ja gar nicht charakteristisch fur das, was man unter Ulcus chronicum versteht. Es ist sicherlich richtig, wenn immer wieder angefuhrt wird, der Operationsbefund entspreche dem, was nach der rontgenologischen Untersuchung erwartet wurde, sodass man auch an der Stelle, wo man z. B. Nische im Duodenum konsta- tiert hatte, bei der Operation ein Ulcus findet. Aber, damit diese Angaben Wert haben sollen, muss man eine genaue Beschreibung des gefundenen Ulcus und seines akuten oder chronischen Charak- ters verlangen.

In der Einleitung zu dieser Arbeit erwlhnte ich, dass die ront- genologischen Veranderungen bei Patienten mit Gastroduodenitis am meisten ausgesprochen auf der duodenalen Seite des Pylorus

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C B ER GASTROD U O D ENITIS. 209

sind. In dem Materiale vom A. K. A. (Tafel 111) hatten so unter den 88 Patienten von Gruppe I 71 (58 Mtlnncr und 13 Frauen) rontgenologische Zeichen von Ulcus Duodeni, wahrend nur 12 (3 Manner und 9 Frauen) Zeichen von Ulcus Ventriculi hatten und 5 (4 Manner und 1 Frau) Zeichen von Ulcus Pylori. Danach miissten 81 % der Patienten an Ulcus Duodeni leiden. Wenn Gastroduode- nitis anscheinend haufiger Anlass zu Veranderungen auf der duode- nalen Seite des Pylorus als auf seiner ventrikularen gibt, so lie@ das wohl zu einem grossen Teile daran, dass weit sttlrkere Ver- anderungen in dem mehr dickwandigen und schwerer kalibrierten Ventrikel erforderlich sind als in dem mehr diinnwandigen und weniger kalibrierten Duodenum, um eine bestimmte Rontgen- verlnderung zu geben.

Herr Chefarzt de Fine Licht hat rnit mir Rontgenbilder von den Ventrikeluntersuchungen der letzten Jahre rnit besonderer Bekicksichtigung der Schleimhaufuntersuchung durchgesehen. Ohne naher auf diese letztere einzugehen, die Herr Chefarzt Licht aus- fiihrlich in der bBibliotek for Lzeger, erortern wird, mag hier nur erwahnt werden, dass wir gute Obereinstimmung zwischen kli- nischen Gastroduodenitiszeichen und pathologischen Schleimhaut- falten fanden. In meinem klinischen Materiale sind 87 der Gastro- duodenitispatienten rnit Hinblick auf Schleimhautfalten unter- sucht worden. 60 hatten pathologische Falten, bei 23 war die Untersuchung aus technischen Griinden misslungen, und schliess- lich wurden bei 4 normale Falten gefunden. Die Verteilung zwischen

87 Patienten rnit Gastroduodenitis

60 Patienten 27 Patienten Znsgedatnl rnit Ulcus- ohne Ulcus- 87 Pa-

zeichen zeichen tienten

43 17 60 ___--_--- _-__-_--_

16 7 23

1 3 4

Pa thologische Falten

_ - _ _ _ - _ - - _ - - - -

Un tersuchung misslungen _ - - _ - - _ _ - - - _ - -

Normale Falten

77 Patienten mit

Dyspeps,e etc.

2

16 _ _ _ _ _ _ _ _ _

59

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210 TORBEN ANDERSEN.

den Patienten mit oder ohne rontgenologische Ulcuszeichen geht aus Tafel VI hervor. Zum Vergleiche mag angefuhrt werden, dass bei 77 Patienten mit Dyspepsie, Obstipatio chronica und Colitis normale Schleimhautfalten in 59 Fiillen vorkamen, und dass die Untersuchung in 16 Fallen technisch misslungen war, wahrend nur 2 Patienten pathologische Falten hatten. In dem einen dieser Falle handelte es sich um eine 44-jahrige Frau mit uncharakteristischen, dyspeptischen Symptomen, bei der man aber durch die Rontgen- untersuchung ausser den pathologischen Falten Veranderungen fand, die Verdacht auf Ulcus an der Curvatura minor Ventriculi zuliessen. In dem anderen Falle handelte es sich um einen 47- jahrigen Mann, der in den letzten zwei Herbsten uncharakteristische Cardialgie, begleitet von tragem Stuhlgange, gehabt hatte; da er in diesen Perioden schlecht zubereitetes Essen wegen des Kranken- hausaufenthaltes seiner Frau bekommen hatte, sah man seinen Fall fur eine voriibergehende, banale Dyspepsie an. Es ist moglich, dass diese beiden FIlle in Wirklichkeit Falle von Gastroduodenitis mit uncharakteristischer Symptomatologie gewesen sind. Aber um nicht etwas in Hinblick auf die Bedeutung der Schleimhaut- untersuchung zu prajudizieren, habe ich diese FIlle unter den NDyspepsienw figurieren lassen. Ich habe den Eindruck, dass so, wie sich die Technik der Schleimhautuntersuchung nach und nach entwickelt, die letztere einen wertvollen Beitrag zur Gastro- duodenitisdiagnose wird liefern konnen. Es ist moglich, dass besonders der Fund von normalen Schleimhautfalten von Interesse sein wird, und zwar in der Hinsicht, dass man bei einem Patienten, bei dem man klinisch die Diagnose Gastroduodenitis gestellt hat, und bei dem man normale Schleimhautfalten findet, eine Revision seiner klinischen Diagnose in Erwagung ziehen sollte.

Bevor ich zu der Besprechung der Gastroduodenitisdiagnose ubergehe, mochte ich den Schluss aus dem ziehen, was meines Erachtens diese Arbeit fur die Bedeutung der Rontgenuntersuchung in der Gastroduodenitisdiagnostik gezeigt hat:

Die grosste Bedeutung der rontgenologischen Ulcuszeichen liegt darin, dass sie zusammen mit den pathologischen Schleimhautfalten uns sagen, dass der Patient an Gastroduodenitis leidet. Aber abge- sehen von der uns erteilten Auskunft uber die Art der Krankheil, muss man in Betracht ziehen, dass, je ausgesprochener die Rontgen- veriinderungen sind, desto ernster der Venirikel von der Gastro-

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CBER GASTRODUODENITIS. 21 1 duodenitis angegriffen isf und desto wahrscheinlicher diese letztere Anlass zur Ulcusbildung gegeben hat. Die rontgenologischen Ulcus- zeichen rniissen also (wenn man uon der Pylorostenose absieht) als Syrnptome angesehen werden, die den iibrigen Gaslroduodenitissyrn- ptornen gleichgeordnel sind. Und mir scheint bedeulungsvoll, es heruor- zuheben, dass dieses der Mediziner uon dem Rontgenologen erfahren soll, ob Zeichen einer Gastroduodenitis gefunden werden, wiihrend fur die rnedizinische Behandlung uon geringer Bedeutung ist, ob man einen Nischenfleck mil dieser oder jener Lokalisalion finden kann.

Die Diagnose der Gastroduodenitis wird in den Fallen, in denen letztere so ausgesprochen ist, dass sie Anlass zu ausgepragten Rontgenveranderungen oder manifester Blutung gegeben hat, keine Schwierigkeiten in der Differentialdiagnose gegeniiber Dys- pepsie verursachen. Bedeutend schwieriger liegen die Verhaltnisse, wenn diese Symptome fehlen. Hier muss man sich in allererster Linie an die Anamnese halten, wo die periodisch auftretende, aus- gepragt tardive Cardialgie so bedeutungsvoll ist, dass sie immer Verdacht auf Gastroduodenitis wecken muss; findet man gleich- zeitig Hypersekretion, so muss dieses Symptom selbstverstandlich zur Beweisfuhrung fur die Diagnose Gastroduodenitis hinzugenom- men werden. Die Differentialdiagnose gegenuber Dyspepsie ist jedoch sehr schwierig oder unmoglich in den zahlreichen Fallen, in denen Rontgenveranderungen und manifeste Blutung fehlen und gleichzeitig die anamnestischen Data uncharakteristisch sind; (die letzteren konnen ja selbst bei so ausgesprochener Gastro- duodenitis, dass diese Anlass zu ausgepragten Rontgenverande- rungen, Blutung oder sogar Perforation gegeben hat, uncharak- teristisch sein). Eine Krankengeschichte dient zur Illustration:

8, N. K., geb. d. 1. 11. 1895. I. Aufn. auf der med. Abt. 14. X. 27. Friiher gesund. 14 Tage vor der Aufn. mude und appetitlos. Die letzten 10 Tage Cardialgie p. c., die sich den grBssten Teil des Tages fortsetzt. Keine nachtlichen Schmerzen. Im tfbrigen keine dyspeptischen Symp- tome. Stuhl nat. Untersuchungen: Ewald 1 St.: 30 + 12 cma. G.: +, K.: 49, Phen.: 84. Kemp 6 St.: 0 Retent. Stuhl: Benz. neg. R. U.: Ventrikel und Bulbus normal. (Schleimhautuntersuchung nicht vorgenommen). Diagnose der Abt.: Dyspepsia. 11. Aufn. auf der chir. Abt. 15. IV. 30. Seit der Entlass. allg. Kost gegessen. Nur selten unbedeutende Car- dialgie. Der Aufnahmetag ohne vorausgehende, ventrikulare Sympt. Ulcus- perforation. Lap. c. sut. ulc. perf. ventric. Ulcus sass juxtapylorisch auf der Vorderseite des Ventrikels. ZZZ. Aufn. auf der med. Abt. 23. VI. 32. 11 - Ada med. Scandinav. Vol. L X X X I V .

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Seit der Entlass. periodenweise uncharakteristische Cardialgic. 5 Tag(* vor der Aufn. Anamiesymptome und Ausdehnungsgefiihl im Epigastr. Danach teerfarbener Stuhl. Untersuchungen: Stuhl schwarz + + + Benz. Ewald 1 St.: 48 + 6 cms, G.: +, K.: 48, Phen.: 67. R. U.: SchlcimhAute pathologisch. Bulbus rosettenformig. Diagnose der -4bt.: Ulrus Duodcni. obwohl man sich daruber klar ist, dass die rontgenologischen Veranderon- gen moglichenveise auf Adhbionen nach der Operation zuriickzufulkrrn seien; man halt sich aber fur berechtigt, keinen Zweifel darein zu set sen. dass die Blutung vom Ventrikel oder Duodenum stammt.

Im vorstehenden Falle hat man bei der ersten Aufnahme dcs Patienten kaum eine andere Diagnose als Dyspepsie stellen konnen, trotzdem er sicherlich schon damals an Gastroduodenitis gelitten hat.

In solchen uncharakteristischen Fallen muss man fur seine diagnostischen Erwagungen auch Alter und Geschlecht der Patienten in Betracht ziehen, wobei man im ubrigen den psychischen und korperlichen Habitus des Patienten gleichzeitig einer kritischen Wertung unterwirft. Was das Geschlecht betrifft, so sei angefuhrt, dass in dem Materiale vom A. K. A. (Tafel 111) Gastroduodenitis bei 117 Mannern, aber nur bei 43 Frauen vorkam. Mit Hinsicht auf das Alter bei Beginn der Krankheit weise ich auf die unten- stehenden Kurven hin (Figg. 2 und 3). Bei 96 von 117 Mannern mit Gastroduodenitis begann die Krankheit vor dem 35. Jahre.

Fig. 2. 160 Patienten mit Gastroduodenitis.

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i'BER CASTRODUODENITIS. 213

Fig. 3. 83 Patienten mit Dyspepsie.

Bei 43 Frauen mit Gastroduodenitis war das Verhaltnis sehr ahn- lich, da die Krankheit bei diesen in 30 Fallen vor dem 35. Jalire begann. Zum Vergleiche diene, dass bei 25 Mannern, die an Dys- pepsie oder Obstipatio c. Dyspepsia litten, der Beginn der Krank- heit sich gleichmassig uber alle Altersklassen von dem 15. bis zum 60. Jahre verteilte, wiihrend die Frauen in derselben Gruppe eine ahnliche Verteilung wie die Gastroduodenitispatienten zeigten, indem die Dyspepsie in 42 Fallen unter 58 Frauen vor dem 35. Jahre begann.

Schliesslich ist es von grosser Bedeutung, ausfiihrliche, anam- nestische Aufschliisse iiber die Beschaffenheit des Sluhlganges zu erhalten. Wie Faber und Thaysen hervorheben, sind nicht allein dyspeptische Beschwerden ein haufiges Symptom bei Patienten mit chronischer Obstipation, sondern ebenso trifft man oft Obstipation in Schmerzperioden der Gastritispatienten. Man muss deshalh durch eine grundliche Anamnese aufzuklaren suchen, was das Primare ist, die Obstipation oder die dyspeptischen Beschwerden.

Wenn also uncharakteristische, dyspeptische Beschwerden bei einem sonst korperlich gesunden und psychisch naturlichen, jungen Manne angetroffen werden, bei welchem eine eventuelle Obstipation anscheinend sekundar im Verhaltnisse zur Dyspepsie ist, so sollte man in hohem Grade die Diagnose Gastroduodenitis in mente haben. Moglicherweise muss die endgultige Scheidung zwischen Dyspeptikern und Gastroduodenitispatienten dem Ront- genologen uberlassen werden, wenn die Schleimhautuntersuchung das halt, was sie hisher versprochen hat. Es ist jedoch auch moglich,

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214 TORBEN ANDERSEN.

dass das flexible Gastroskop in Zukunft das souverane Mittel in der Ventrikeldiagnostik werden wird.

Die Behandlung muss unzweifelhaft medizinisch sein, solange Pylorostenose, Pylorospasmus mit transitorischer, 12-stundiger Retention, (rezidivierende Blutung?) oder sehr anhaltende Schmcrz- perioden, welche wiederholten, medizinischen Kuren getrotzt haben, nicht dem Patienten so starke Beschwerden machen, dass chirurgische Behandlung notwendig wird. Ich bin sehr geneigt, Kemp’s Anschauung zu teilen, dass der gewaltsame Pylorospasmus mit lZstundiger, grosser Retention die eigentliche Operations- indikation. sein muss, gleich, ob er nun von Gastroduodenitis allein oder von einem eventuellen, komplizierenden, juxtapylorischen Ulcus herruhrt.

Die Einfiihrung des Begriffes Gastroduodenitis in der taglichen Klinik bedeutet eine Vereinfachung der fruheren, mannigfaltigen Nomenklatur, bei der man den Hauptwert auf den Sitz eines even- tuellen Ulcus legte und die verschiedenen Gastroduodenitissymp- tome den Ulcuszeichen, bald mit einer Lokalisation, bald mit einer anderen. zuzurechnen suchte. (In einer Arbeit: ,uber die Diagnose des Ulcus Duodeni,, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1916, 29,79, hat schon Ove Wulff auf das Unhaltbare hierbei aufmerksam gemacht.) Wenn man nun die Diagnose Gastroduodenitis cum oder sine Ulcere stellt, legt man das Hauptgewicht auf die Gasfro- duodenifis, wahrend fur die medizinische Behandlung die Frage untergeordnet ist, wo die Gastroduodenitis in dem einzelnen Falle Anlass zur Ulcusbildung gab. Dagegen tritt das Leiden, wie erwahnt, in eine ganz neue Phase, wenn die Gastroduodenitis (eventuell mit Ulcus als Zwischenglied) zur Pylorostenosebildung gefuhrt hat.

Auf Grund der vorliegenden Ergebnisse muss es fur berechtigt angesehen werden, die Bezeichnung Gastroduodenitis als eine noso- logische Einheitsbezeichnung fur die bisher unter den Bezeichnun- gen: Ulcus Ventriculi, Ulcus Duodeni und Pylorogastritis, getrenn- ten, klinischen Zustande einzufuhren, indem man wie bisher bestrebt ist, die Lokaldiagnose eines eventuellen, komplizierenden Ulcus chronicurn moglichst exakt zu stellen.

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Zusammenfaasung . I. Ein Material von 160 Patienten der Ulcusgruppe wird in 3

Gruppen angeordnet: Gruppe I umfasst Patienten mit sicheren rontgenologischen Ulcuszeichen; Gruppe I1 Patienten, bei welchen man solche nicht gefunden hat, und Gruppe 111 Patienten, die nicht rontgenuntersucht worden sind. Gruppe I und I1 werden in Hin- blick auf die Dauer der Krankheit, den Charakter der Schmerzen, das Resultat von Ewald’s und Kemp’s Probemahlzeiten, manifeste und okkulte Blutung verglichen. Da die zwei Gruppen im Grossen und Ganzen eine genaue Obereinstimmung mit Rucksicht auf diese Symptome zeigen, wird es fur unberechtigt gehalten, zwischen diesen zwei Gruppen eine klinische Scheidung aufrechtzuerhalten, und es wird daher vorgeschlagen, sie unter dem Begriffe Gastroduodenitis (cum oder sine Ulcere chronico) zu sammeln. Auf Grund von Vergleichen zwischen diesem Materiale und einem Materiale von 169 Patienten, die an Dyspepsie, Obstipatio chronica oder Colitis leiden, kann man wohl feststellen, dass die 6-stundige Retentions- untersuchung ohne differentialdiagnostischen Wert ist. Nur die Wstiindige Retentionsuntersuchung hat praktischen Wert in der Klinik.

11. Ein Material von 21 Patienten, bei denen Resectio Ventriculi vorgenommen worden ist, und bei denen kein Ulcus gefunden wurde, sondern histologische Zeichen einer Gastroduodenitis, *

bestarkt die Anschauung, die dJlcussymptomeu seien - abgesehen von den Pylorostenosefiillen - in allem Wesentlichen Gastritis- symptome.

In den zwei oben erwahnten Materialen kommen im Ganzen 10 Falle von manifester Blutung vor, ohne dass ein Ulcus angetroffen wurde (in 7 Fallen bei Resektion, in 3 Fallen bei Autopsie), sondern nur ausgesprochene Gastroduodenitis. In ubereinstim- mung mit fruheren Untersuchern wird unterstrichen, dass die manifeste Blutung nicht kritiklos als Zeichen dafur gedeutet werden darf, dass die Gastroduodenitis mit Ulcus kompliziert ist.

I1 I. Rontgenologische Untersuchung der Ventrikelschleimhaut bei 164 Patienten zeigt gute Obereinstimmung zwischen kli- nischen Gastroduodenitiszeichen und pathologischen Schleimhaut- falten.

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