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497 Aus dem hygienischen Institut der Universit~t in Leipzig. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Franz ttofmann. Uber 3ugendstadien der roten glutkOrperchen. Von Privatdozent Dr. P. Schmidt, I. Assistenten am Institut. Hierzu Tafel XXV. Zwei Erscheinungsformen der roten Blutk6rperchen haben seit einer Reihe yon Jahren die tIitmatologen auf das lebhafteste besch~tftigt: die basophil gek6rnten und die polychromatophilen Erythrocyten. Seitdem die basophile KOrnelung vollends bei der Diagnose der Bleivergiftung praktisch Verwendung land, ist das Interesse ftir die Herkunft urld die Bedeutung dieser Elemente im Wachsen begriffen. Es gibt vielleicht zurzeit in der Hama- tologie keine heisser umstrittene Frage als die speziell, ob die basophile K6rnelung und die Polychromatophilie als Jugend- oder Alterserscheinung, mithin als regeneratives oder degeneratives Symptom aufzufassen sind. Die Degeneration wilrde nicht nur physiologisch nach Abnutzung, sondern auch direkt nach Gift- wirkung eintreten k6nnen. Die erstere Auffassung yon der basophilen K6rnelung als einer regenerativen Erscheinung vertreten Askanazy, Naegeli und andere; die letztere E. Grawitz und seine Schiller, neuerdings mit ganz besonderer Wgtrme Franz Weidenreich. Die Entscheidung der Frage liegt in dem Nachweis der Herkunft der K6rnelung und der Polychroma- tophilie , namIich ob sie yore Kern herrilhren, oder ob sie Aus- fallungen aus dem Protoplasma bezw. Hamoglobin der roten Blutk6rperchen sind. Im ersteren Falle waren sie natfirlich als jugendliche, im anderen entweder als gealterte oder dutch Gift- wirkung geschadigte Formen anzusehen. Ich selbst habe mich, angeregt durch Herrn Prof. Nocht, Direktor des Tropenhygienischen Instituts in Hamburg, seit dem gahre 1901 sowohl vom klinischen als auch yore experimentell- pathologischen Standpunkte mit der Frage besch~tftigt und bin auf Grund zahlreicher Beobachtungen und Erfahrungen zu dem Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 72. 34

Über Jugendstadien der roten Blutkörperchen

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Aus dem hygienischen Inst i tut der Universit~t in Leipzig. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. F r a n z t t o f m a n n .

Uber 3ugendstadien der roten glutkOrperchen. Von

Privatdozent Dr. P. Schmidt, I. Assistenten am Institut.

Hierzu Tafel XXV.

Zwei Erscheinungsformen der roten Blutk6rperchen haben seit einer Reihe yon Jahren die tIitmatologen auf das lebhafteste besch~tftigt: die basophil gek6rnten und die polychromatophilen Erythrocyten. Seitdem die basophile KOrnelung vollends bei der Diagnose der Bleivergiftung praktisch Verwendung land, ist das Interesse ftir die Herkunft urld die Bedeutung dieser Elemente im Wachsen begriffen. Es gibt vielleicht zurzeit in der Hama- tologie keine heisser umstrittene Frage als die speziell, ob die basophile K6rnelung und die Polychromatophilie als Jugend- oder Alterserscheinung, mithin als regeneratives oder degeneratives Symptom aufzufassen sind. Die Degeneration wilrde nicht nur physiologisch nach Abnutzung, sondern auch direkt nach Gift- wirkung eintreten k6nnen. Die erstere Auffassung yon der basophilen K6rnelung als einer regenerativen Erscheinung vertreten A s k a n a z y , N a e g e l i und andere; die letztere E. G r a w i t z und seine Schiller, neuerdings mit ganz besonderer Wgtrme F r a n z W e i d e n r e i c h . Die Entscheidung der Frage liegt in dem Nachweis der Herkunft der K6rnelung und der Polychroma- tophilie , namIich ob sie yore Kern herrilhren, oder ob sie Aus- fallungen aus dem Protoplasma bezw. Hamoglobin der roten Blutk6rperchen sind. Im ersteren Falle waren sie natfirlich als jugendliche, im anderen entweder als gealterte oder dutch Gift- wirkung geschadigte Formen anzusehen.

Ich selbst habe mich, angeregt durch Herrn Prof. Noch t , Direktor des Tropenhygienischen Instituts in Hamburg, seit dem gahre 1901 sowohl vom klinischen als auch yore experimentell- pathologischen Standpunkte mit der Frage besch~tftigt und bin auf Grund zahlreicher Beobachtungen und Erfahrungen zu dem

Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 72. 34

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Ergebais gekommen, class es sich bei beiden ErsCheinungen nur um Jugendformen der roten Elemente handeln k0nne. 1)

Die basophilen KSrner nehmen ihren Ursprung aus dem Kern teils dutch Karyorrhexis des gesamten Kerns oder nur einzelner Brocken, teils durch Austri t t aus dem sonst u n v e r - s e h r t e n Kerne, was besonders zu beachten ist. Dieser letzte Modus wird z. B. unter anderem wahrend der Mitose beobachtet. Ich habe durch eine fortlaufende Reihe yon Bildern erweisen k6nnen, dass man alle ~Tbergangsformen einer Zertrfimmerung der Kerne der Erythroblasten bis zur feinsten K6rnelung im zirkulierenden Blute beim Menschen, Kaninchea und Meer- schweiachen vorfindet. Diese tJbergangsbilder koante ich neuer- dings wieder im Blute neugebore,~er Kaninchen nachweisem Auf die Bedeutung der Farbunterschiede der einzelnen K6rner werde ich sphter ausftihrlich zurfickkommen.

Es ist als sicher anzunehmen, dass karyorrhektische uad karyolytische Prozesse gleichzeitig nebeneinander ablaufen k0nnen. Vielleicht pr~waliert in Fhllen, wo eine tibersttirzte Blutneubildung stattfindet, die Karyorrhexis (hochgradige An~tmie nach H~tmolyse durch Blutgifte, nach Schwarzwasserfieber und beim Embryo), die ja zweifellos durch VergrSsserung der Oberflitche tier Kerntrt immer die Karyolyse beschleunigt, also ein durchaus zweckm~tssiger Yorgang ist. Da ich im Blute neugeborener Kaninchen (Fixierung durch Osmiumsauredi~mpfe in dickerer Schicht nach F r a n z W e i d e n r e ic h !) und bei Vergiftungs-Anamien zuweilen recht zahlreiche freie Kerne und freie Kerntrt immer gefunden habe, so zweifle ich nicht daran, dass eine Entkernung nach dem R i n d f l e i s c h s c h e n Modus der Kernausschliipfung in toto vor- kommt. Im roten Marke der Rippen sind freie Kerne ebenfalls eine haufige Erscheinung. Es ist nicht wahrscheinlich, dass bei dem schonenden kusstreichen in dicker Schicht und der Fixierung

i) 1. P. S c h m i d t : Experimentelle Beitriige z. Pathologie des Blutes. (s dem Institut for Schiffs- u. Tropenkrankheiten Hamburg.) 5ena 1902.

2. Derselbe: Zur Frage der Entstehung tier basophilen KSrner in den roten BlutkSrperchen. Deutsche Mediz. Wochenschr. 1902, No. 44.

3. Derselbe: Ein Beitrag zur Frage der Blutregeneration. Mtinchener ~ediz. Wochenschr. 1903, No. 13.

4. Derselbe: Uber Bleivergfftungen und ihre Erkennung. Arch. f. Hygiene. Bd. 63, Heft 1, 1907.

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nach W e i d e n r e i c h die Kerne in grSsserer Zahl artifiziell aus- schliipfen sollten.

Der Unterschied zwischen physiologischer und pathologischer Blutbildung dfirfte beim Erwachsenen kein prinzipieller, sondern nar ein gradueller sein, derart, dass bei der pathologischen in durchaus zweckmassiger Weise zur Beschleunigung des Prozesses die Fragmentierung des Kernes vorherrscht. Darin nahert sich die pathologische Blutbildung der embryonalen. Bei der physio- logischen Blutneubildung des Erwachsenen, die offenbar eine viel langsamere ist, finden die BlutkSrperchen Zeit, sich ihrer Kerne durch Karyolyse ohne wesentliche Karyorrhexis im Knochenmarke zu entledigen.

Der Prozess der KSrnerbildung findet in der Hauptsache wohl im zirkulierenden Blute, seltener im Knochenmarke start, vielleicht unter dem Einflusse einer bestimmten chemischen Beschaffenheit des Plasmas. Mein Abklemmungsversuch am Kaninchenohr nach Injektion yon Phenylhydrazin hat bewiesen, dass eine Ausfallung der KSrner aus dem H~,~moglobin durch Gift- wirkung nicht eintritt. Am Krankenbett beobachtet man eine Zu- nahme der basophilgekSrnten roten Blutk6rperchen in demselbe~ Mat~e wie Hamoglobingehalt und Blutk(irperchenzahl ansteigen, was die G ra wi t z sche Degenerationstheorie allein schon widerlegt. Ich konnte diesen Zusammenhang zwischen basophiler K6rnelung und Hamoglobingehalt bezw. Blutk~rperchenzahl im Anschluss an einen Fall yon Schwarzwasserfieber zahlenmassig verfolgen. ~)

Die P o l y c h r o m a t o p h i l i e .

In meiner letzten Arbeit ,fiber Bleivergiftungen und ihre Erkennung", Archly f. Hygiene, 63. Bd., 1. Heft, 1907, habe ich durch ultramikroskopische Beobachtung einen neuen Beweis er- bracht ffir meine schon im Jahre 1902 zum ersten Male aus- gesprochene Ansicht, dass die Polychromatophilie sowohl der kernhaltigen wie der entkernten roten Elemente nichts welter ist wie der Totaleindruck der basophilen Farbung feinster, mit gew5hnlichen Mitteln nicht mehr sichtbaren K0rnchen, dass also polychromatophile rote Blutk6rperchen gleichsam in einem weiteren

1) Siehe meine Arbeit: , Zur Frage der Entstehung der basophilen KSrner in den roten BlutkSrperchen ~ Deutsche Mediz. Wochenschrift 1902, i~Io. 44.

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Stadium der Verteilung befindliehe basophil gek6rnte sein kSnnen. Es konnte gleichzeitig festgestellt werden, dass auch unter diesen ultramikroskopischen K6rnchen alle Abstufungen der Gr6sse vor- kommen. Die in den polychromatophilen roten Blutk6rperchen besonders h~ufigen grSberen, schon mit A bb e schem Kondensor sichtbaren EinzelkSrner imponieren im Dunkelfeld wie die baso- philen KSrner bei Methylenblaufarbung deutlich durch ihren gelben Farbenton (Komplement~trfarbe). Der Prozess der Zel- teilung der Kerntrfimmer ist also ein kontinuierlicher yon den grSberen zu den feineren und feinsten staubfbrmigen Kern- residuen. Es ist selbstverstandlich, dass die Polychromatophilie nicht nur indirekt aus dem passagSren Stadium der basophilen KSrnelung entstehen kan|~. Wie sich schou bei gewShnlicher Beleuchtung sichtbare K0rnchen aus dem unversehrten Kern ablSsen kSnnen, so erst recht auch ultramikroskopisch feine Partikelchen. Die Kerllsubstanz gelangt eben im H~tmoglobin nicht zur vollst~tndigen LOsung, sondern ist immer kolloidal darin enthalten. Ich bin in der Lage, meine Bemerkungen tiber das Verhalten der basophilen KS~ner und der Polychromato- philie bei Dunkelfeldbeleuchtung jetzt dm'ch Mikrophotogramme zu illustrieren. Dieselben verdanke ich der Liebenswiirdigkeit des Vertreters der Firma Ernst Leitz, Berlin, Herrn Franz Berg- mann, dem es gelungen ist, bei Dunkelfeldbeleuchtung gewonnene Bilder ~) aus Blutausstrichen, die ich zu dem Zwecke herstellte, vortrefflich zur Darstellung zu bringen. Ich nehme hier gerne Gelege~heit, ihm flit sein liebenswfirdiges Entgegenkommen und die Anfertigung der Photogramme meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

F r a n z W e i d e n r e i c h hat gegen meine Auffassung yon der Polychromatophilie Einspruch erhoben; eine Beimischung you Kernsubstanz zum HSmoglobin sei nicht mSglich, ,well die intakt- kernigen Erythroblasten des Knochenmarkes besonders poly- chromatophil sind und weil eine derartige AuflSsung des Kernes nicht vorkommt'. ~) W e i d e n r e i c h fiihrt die basophile K6rnelung und die Polychromatophilie auf Verhnderungen des flfissigen Endo- somas oder der Membran der Erythroeyten zuriick, wie sie im

~) Okular 12, Apochromat 2 mm Leitz, abgeblendet! ~) Franz Weidenreich, Studien fiber das Blut, IV, basophile

KSrnelung. Archly f. mikroskop. Anatomie und Embryologie, Bd. 69, S. 431.

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Alter der Blutki)rperchen physiologisch, sodann durch Giffwirkung (E. G r a w i t z) eintreten kSnnen. Als Endresultat dieser Ver- iinderungen sieht W e i d e n r e i c h ein verkleinertes Blutk6rperchen an, das schliesslich eine k6rnige, klumpige, basophile Masse dar- s t e l l e . - Zu dieser Anschauung ffihrten ihn hauptsachlich Be- obachtungen am Meerschweinchenblut.

Daftir, dass eine ,solche Aufi0sung des Kerns im Protoplasma nicht vorkommt", ist W e i d e n r e i c h vorlaufig jeden tiberzeugenden Beweis schuldig geblieben. Dass die ganze Kernmasse nicht gleich in toto der Aufl6sung anheimfallen muss, sondern dass zunachst einmal nut eine partielle Abgabe yon Kernsubstanz zum Hamoglobin stattfinden kann, entspricht dem Gesetze der Stetigkeit beim Aut'- und Abbau biologischer Formen. W eid e n r eic h stellt sich mit dieser Negierung einer AufiOsung des Kerns im Proto- plasma in Gegensatz zu einel" Reihe bewlihrter Forscher, die eine solche Karyolyse anerkennen ( E n g e l , P a p p e n h e i m , K 6 l l i k e r - N e u m a n n , E. Grawitz) . Auch ich selbst babe in wohl- gelungenen Gi e m s a prhparaten mehr als einmal Bilder gesehen, die sich nut im Sinne einer solchen Karyolyse deuten liessen. Wenn pyknotische Kerne noch einer vollst~tndigen Aufi6sung anheimfallen k6nnen, ist nicht einzusehen, warum es nicht auch bei nicht verkleinerten Kernen der Fall sein sollte.

W e i d e n r e i c h halt fel"ner eine Entstehung der Poly- chromatophilie dutch Beimischung yon Kernsubstanz zum H~,imo - globin ffir ausgeschlossen, well die intaktkernigen Erythroblasten des Knochenmarks besonders polychromatophil sind. Damit wfirde er voraussetzen, dass man jedem Kern ansehen mfisse, wenn er etwas yon seiner Masse an das Protoplasma abgegeben hat, und er wtirde annehmen miissen, dass unter physiologischen Verhalt- nissen eine strenge Sonderung zwischen Kern und Protoplasma stattfindet. Eine solche Auffassung lauft jeder modernen An- schauung vom Zelleben zuwider. W e i d e n r e i c h scheinen z. B. die interessanten Forschungen R. H e r t w ig s und seiner Schiller fiber die Abgabe yon Kernsubstanz an das Protoplasma im Stadium intensiver Funktion und Vermehrung ganz entgangen zu sein. Die Resultate dieser vorztiglichen Arbeiten, die yon R. G o l d s c h m i d t mit grossem Glfick auf die Metazoenzelle tibertragen worden sind, laufen darauf hinaus, dass eine innige Wechselbeziehung zwischen dem Inhalt des Zellkerns und Zellprotoplasmas besteht, und dass

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schon allein das Chromatin sich aus zwei durchaus verschiedenen Substanzen, dem somatischen Trophochromatin und dem propa- gatorischen Idiochromatin zusammensetzt, yon anderen chemischen Substanzen des Kerns ganz zu schweigen. 1)

Die Forschungen der H e r t w i g s c h e n Schule enthalten, dfinkt reich, gentigend ,morphologisch verwertbare Tatsachen, u m b e i dieser Frage er ,s te Wtirdigung zu finden ; We i d e n r e i ch erklart namlich, er wolle literarische Angaben nur insoweit bertick- sichtigen, als sie ftir ihn ,morphologisch verwertbare" Tatsachen enthalten. - - Dass dutch solche Beimischung von Kernsubstanz die Farbnuance des Protoplasmas alteriert wird, ist ja selbst- versti~ndlich.

Es hatte W e i d e n r e i c h ferner bekannt sein mtissen, dass besonders zur Zeit der Mitose eine Lockerung der Kernmembran und tier ganzen Kernmasse in ihrer Abgrenzung gegentiber dem Protopiasma stattfindet. So sind denn auch die basophile KSrneIung und die Polychromatophilie gerade in mitotischen Erythroblasten besoMers ausgesprochen gefunden worden. Daran, dass withrend der Mitose Nukleolen ausgestossen und aufgeliist werden k(innen, scheint W e id e n r ei c h auch nicht gedacht zu haben. Nukleolen aber wurden yon E. S c h w a l b e und S o l l e y in Erythroblastenkernen nachgewiesen. ~)

Wenn E. G r a w i t z (nach Fr . W e i d e n r e i c h , s. klinische Pathologie des Blutes, Leipzig 1906, S. 119) die Polychromatophilie durch die Annahme eines fiiissigen Endosomas der roten Eiemente erklhrt, dutch dessen Verminderung oder Vermehrung die baso- philen Membranbl~tter sich nahern oder entfernen und die Farbnuance der Erythrocyten verursacht werden soll, so werden zwei Hypothesen auf einmal aufgestellt, yon denen keine

1) 1. R i c h a r d G o l d s c h m i d t : Der Chromidialapparat lebhaft funktionierender Gewebszellen. Zool. 3ahrb., Abt. f. Anatomie u. Ontogenie der Tiere, Bd. 21, Heft 1; 1904.

2. Eugen :Neresheimer: Uber vegetative Kernveranderungen bei Amoeba Dofleini. Arch. f. :Protistenkunde, Bd. 6; 1905.

3. Richard Goldschmidt u. ~e thodi Popoff: Die Karyokinese der 2rotozoen mad der Chromidialapparat der Protozoen- mad Metazoenzelle. Arch. f. Protistenkunde, Bd. 8; 1907.

~) E. Schwalbe und SoIley: Die morphologischen VerS~nderungen der BlutkSrperohen, spezielI der Erythrocyten bei Toluydendiaminvergiftung. Virchows krehiv 1902, Bd. 168.

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bewiesen werden kann. Denn die eine Hypothese, dass die Polychromatophilie durch Ann,,therung der basophilen Membran- blotter der Erythrocyten zustande kame, l~tsst sich ohne weiteres durch die Tatsache widerlegen, dass die chlorotischen, h~tmoglobinarmen, roten Blutk~rperchen durchaus nicht exquisit polychromatophil sind, was sie sein m~issten, wenn die Hypothese richtig w~tre. Sodann ist die W e i d e n r e i c h s c h e Vorstellung yon den roten Blutk6rperchen als mit .H~tmoglobin geftillten Blasen ~' noch keineswegs als richtig anerkannt.

Was die Intaktheit der Kerne bei gleichzeitiger Anwesenheit yon basophilen K6rnern anlangt, die yon E. G r a w i t z gegen die Herkunft der K~rner yore Kern ins Feld gefiihrt wurde, so habe ich den G r a w i t z schen Einwand schon 1902 in meinen ,experimentellen Beitrage zurn Pathologie des Blutes" auf Seite 38 und 1905 in meinem ,Beitrag zur Frage der Blutregener~tion ~, M~inchen. Mediz. Wochenschr. 1903 No. 13, Seite 8 und 9 wider- legt. W e i d e n r e i c h hat denselhen Einwand 1906 nun auch auf die Polychromatophilie angewandt, yon der er im [ibrigen mit mir annimmt, dass sie aus der basophilen K~rnelung hervor- gehe, bezw. dass sie einen ~ttiologischen Zusammenhang mit ihr habe.

Basophile K~rnelung. Von den basophilen KSrnern nimmt W e i d e n r e i c h an,

dass sie Veranderungen seines fltissigen Endosomas in Gestalt feinflockiger Ausscheidungen seien, die sich an der Membran der roten BlutkSrperchen ansetzen, oder yon Haus aus Veranderungen der Membran. Diese Ausscheidungen sollen die bekannte Um- wandlung des fi~rberischen Verhaltens vom azidophilen zum baso- philen Charakter durchmachen.

Bleiben wir zunachst einmal beim tinktoriellen Verhalten der KSrner. Vorausgeschickt sei, dass W e i d e n r e i c h als letzte Kernresiduen die in polychromatophilen roten BlutkSrperchen haufig zu findenden KSrnchen und Doppelk6rnchen zugibt. ~) Diese ,Chromatinst~ubchen ~, die nach W e i d e n r e i c h manchmal ,,strichfSrmig" sind und stets in der aussersten Peripherie des

~) Zuerst wohl yon A. Plehn, selbst schon in ihrem wechselnden tinktoriellen Verhalten beschrieben, wenn auch anders gedeutet. Siehe A. Plehn, Weiteres tiber Malaria; Immunit~t und Lateuzperiode. Jena 1901.

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Blutki~rperchens liegen (siehe seine erwahnten ,Studien fiber das Blut" S. 403), farben sich nach W e i d e n r e i c h mit G i e m s a - LSsung bald , d u n k e l b l a u ~ (S. 402, leukamisches Blut), bald , d u n k e l v i o l e t t " (S. 403, gesundes Blut des erwachsenen Menschen, in ,sehr vielen, gelegentlich in den meisten Blut- kSrperchen"), bald , i n t e n s i v r o t v i o l e t t " . (S. 4.98 beim normalen Meerschweinchen).

W e i d e n r e i c h gibt nun B l o c h Recht, wenn er sagt, dass sich Kernfragmente mit G i e m ~a-LSsung ,mehr violett", K(irner dagegen , b l a u " fiirben, , o h n e a b e t a u f d i e s e D i f f e r e n z a l l z u g r o s s e s G e w i c h t zu l e g e n " . An eineranderenStelle (S. 428) legt W e i d e n r e i c h aber doch offenbar Gewicht auf diesen tinktoriellen Unterschied, denn er sagt w(irtlich : ,Nun sieht man aber gelegentlich in manchen gek0rnten Elementen ein et~vas grOsseres Korn, das sich v o n d e r c h a r a k t e r i s t i s c h e n blauen basophilen KOrnelung d e u t l i c h durch einen r6tlichen Farbenton unterscheiden lasst." --

Da mOchte ich einmal fragen, was wunderlicher ist, wen,~ sich Ausscheidungen aus dem Httmoglobin im Gegensatz zum azidophilen Httmoglobin pl0tzlich basophil farben, oder wenn sich Ausscheidungen bezw. Derivate aus dem Kern, der mit Gi e m s a- Farbung rotviolett erscheint, blau fttrben ? - -

Den Blochschen Einwand habe ich schon 1902 widerlegt, indem ich ausdrticklich betonte, ich hi~tte hie postuliert, die basophilen KOrner best~tnden aus unverandertem Chromatin (Nukle'/n). Als ob es ausser Chromatin gar keine andere fttrb- bare Substanz im Kern gabe! z.B. die sich mit Giemsa-LOsung blau farbende Nuk[eoiarsubstanz.

Yon dem oben erw~thnten, durch ,,rOtlichen Farbenton deutlich unterschiedenen" gr0sseren Korn sagt W e i d e n r e i c h welter: ,Nun ist nicht daran zu denken, dass dieses Korn den noch nicht in feinere KOrnchen zerfallenen Kernrest darstellt: denn man findet nur sehr spftrlich basophil gekOrnte Elemente, in denen dieses Korn kleiner ist als in den schon stark granulierten, und andererseits kommen sowohl stark wie sparlich granulierte Elemente vor, in denen es ganz fehlt oder in gteicher Gr(isse vorhanden ist." Bei dieser Betrachtung scheint die Er- wagung ffir W e i d e n r e i c h massgebend zu sein, dass GrOsse des Kornes und Zahl der KOrner in einer Relation stehen mfissten,

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sodass das Korn um so gr6sser ist, je weniger Ktirner vorhandea sind und umgekehrt, und dass man bei spi~rlicher K6rnelung wenigstens immer ein gr6sseres Korn vorfinden mtisste. Diese Anschauung wird sofort hinfi~llig, wenn man bedenkt, dass man ja hie beurteilen kann, wie viele solche gr(issere K0rner ursprtinglich nach der Kernfragmentierung vorhanden und wie gross sie waren. Es ist ferner klar, dass der Prozess der Aufl6sung in K~rnchen bei den verschiedenen Fragmenten verschieden rasch vor sicb gehen kann, so dass ein grtisseres tibrig bleiben kSnnte, wahrend alle anderen schon zerfallen waren

Die sich mit G i e m s a - L 6 s u n g rot farbenden KSrner wurden yon E. S c h w a l b e und S o l l e y bei mit Toluylendiamin ver- gifteten Tieren gefunden und mit Recht ftir Kernreste gedeutet, dem W e i d e n r e i c h widerspricht. .Wirkliche Kernreste seien mehr abgerundete, tropfenartige Gebilde, die sich rOtlich ft~rbende ~[asse hat aber unregelm~ssige Konturen und verschwommeae Grenzen." Ich ttberlasse dem Leser die Kritik tiber diese neuerliche Charakterisierung der K6rner nach solch t~usseren schwankenden Merkmalen um so mehr, als W e i d e n r e i c h seine ,,Chromatinsttiubchen" bald als ,K6rnchen", bald als ,strich- f6rmig" beschreibt.

Aus meiner eigenen Erfahrung muss ich konstatieren, dass man unter den basophilen KSrnern der Erythrocyten bei G i e m s a- F'~trbung alle Farbnfiancen zwischen rotviolett und blau finden kanu; man findet sie so verschieden, wie sie W e i d e n r e i c h tatsachlich an mehreren Stellen seiner Abhandlung beschreibt. Je langer man fhrbt, desto mehr verschwindet der rote Ton; u n d e s gibt gewiss K6rner, wo man eine scharfe farberische Differenzierung einfach nicht mehr treffen kann. Das k0nnten die Stadien sein, wo sich die Umwandlung in ein chromatinfreies Kernderivat vollzieht. Solche Ubergangsformen hat W e i d e n - r e i c h offenbar auch gesehen, denn er spricht yon einer .Ver- schmelzung yon Chromatinstaubchen mit basophilen K6rnchen ~. Dass es bedenklich ist, etwaige Farbntiancen dieser kleinen Gebilde bei Giemsa-Fi~rbung zu weitgehenden Schliissen auf ihre Herkunft zu verwenden, hat schon N o c h t 1902 in den Sitzungsberichten der biologischen Abteilung des 'arztlichen Vereins in Hamburg vom 8. Dezember betont. Zur weiteren Orieutierung fiber dieses farberische Verhalten yon Kernsubstanzen

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verweise ich auf eine Blutstudie des Zoologen v. P r o w a z e k , der bei Schlangenblut alle Farbtibergange bei abgeschntirter Kernsubstanz im Hamoglobin bei Gi e m sa- Farbung feststellen konnte. ,Bei einer genauen Untersuchung findet man, dass die lappenartigen, zentrifugalen Aussackungen sich immer mehr und mehr an der Kernoberiiache abheben und schliesslich, ihrer wohl zahfitissigen Natur entsprechend, in Tropfenform abgeschnfirt werden. Sie wandern sodann gegen die Peripherie, zerfallen mitunter in mehrere Teile und btissen, im peripheren Zellleib- gebiet ruhend, ihre Aziditat zu der Rotkomponente des G i e m s a - Farbstoffs ein, farben sich zunachst rotviolett, dann blaulich, um sich schliesslich zu verkleinern und unsichtbar zu werden." ~)

Schliesslich m0chte ich hier. noch auf eine andere Studie desselben Forschers hinweisen, in welcher yon den mit Gi e In sa - LSsung blau farbbaren ,Plastinkernen ~ der beim Gecko studierten Hiimogregarinen die Rede ist, die sich bei Vergr0sserung der Zellen in Plastinnetze und chromidienahnliche Balkenwerke auf- liisen und schliesslich unsichtbar werden. ~)

Als Endresultat der ,kSrnigen Degeneration" sieht W e i den - r e i c h , wie oben erwahnt, verkleinerte Blutk0rperchen an, die eine kbrnige, klumpige, basophile Masse darstellen sollen. Auch diese Auffassung ist verfehlt. Es scheint W e i d e n r e i c h ent- gangen zu sein, class es auch Mikroblasten und Mikrocyten gibt, die nattirlich auch gekSrnt sein k0nnen, so dass man gar nicht nStig hat, erst auf die basophil gek0rnten roten Elemente als Vorstadien zu rekurrieren. Sodann ware es doch sehr zu ver- wundern, dass diese k0rnigen, verkleinerten roten Elemente so sehr selten im Blute anzutreffen sind, in Fallen, wo es sonst yon vollausgebildeten gek0rnten roten Blutk0rperchen geradezu wimmelt. Aus den jugendlichen, gek0rnten Elementen werden eben nach Eliminierung der Kernsubstanz normale orthochromatische rote BlutkSrperchen, die dann roll und ganz ihrer Funktion als Sauerstofftrager dienen.

Ich wilt hier eine Statistik einschalten, die mir Schluss- folgerungen allgemeiner Art fiber den Zusammenhang der K0rner

1) v. Prowazek: Ein Beitrag zur Kenntnis des Blutes der Reptilien. Zoolog. Ariz., Bd. 31, :No. 26.

'~) Derselbe: Untersuchungen fiber H~mogregarinen. Arbeit. aus dem Kaiserl. Gesundheits-Amt, Bd. 26, Heft 1.

Jugendstadien der roten BlutkSrperchen. 507

und der Polychromatophilie mit dem Kern zuzulassen scheint. Von 83 roten kernhaltigen oder doch einen gr(isseren Kernrest beherbergenden BlutkOrperchen (Blutausstriche eines neugeborenen Kaninchens, G i e m s a- Farbung) waren 18, also rund 22~ basophil gek6rnt, wahrend sonst in den Blutausstrichen nur 1/20/o der ent- kernten roten Blutki~rperchen K6rner ffihrten. Ferner zeigten 77, also rund 93% Polychromatophilie, 7 nur waren orthochromatisch. In einer meiner friiheren Arbeiten habe ich einen Fall erwahnt, wo samtliche kernhaltigen roten Elemente, die sich in den Praparaten fanden, gekSrnt waren. 1) Solche Befunde kSnnen kein blosser Zufall mehr sein, sondern beweisen an sich schon, dass KOrner sowohl wie Polychromatophilie in einem ursachlichen Zusammenhang zum Kern stehen. Zudem babe ich Bilder gesehen, wo die AblSsung der K(~rner yon dem an der Peripherie wie gezahnelt und ange- nagt aussehenden Kern in geradezu iiberzeugender Weise zu verfolgen war und andere, wo die Polychromatophilie schicht- weise vom Kern nach der Peripherie voranschritt.

Ein andrer Einwand, den zuerst E. Grawi tz gegen die Ab- stammung vom Kern erhoben und den neuerdings auch W e i d e n- r e i c h zu dem seinigen gemacht hat, ist der, dass man die gek(irnten roten Elemente und Ubergangsformen nicht im Knochenmark finde, auch wenn die gekSrnten Erythrocyten im zirkulierenden Blute vorhanden sind. Gesetzt, es ware dies eine Tatsache, so wtirde sie nur beweisen, dass die Bildung der KOrner vom Kern im strSmen- den Blute erfolgt, wo man die (Jbergangsbilder ja oft tatsachlich zu Gesicht bekommt. Jedenfalls aber sind genug Falle in der Literatur beschrieben, wo die gekiirnten Elemente auch im Marke gefunden worden sind ( A r n o l d , P a p p e n h e i m , P. Schmid t ) . Besonders interessant und beweisend ist ein Fall yon N a e g e l i , bei welchem im zirkulierenden Blute gar keine Veranderungen, im Knochenmark dagegen sehr reichlich basophil gekSrnte Erythro- cyten und Erythroblasten gefunden wurden. 2)

Durch meine Abschniirungsversuche am Kaninchenohre habe ich schon 1902 gezeigt, dass die Kommunikation mit dem Knochen- mark often sein muss, denn im abgeklemmten und unter Gift-

1) p. S chmidt:: Uber Bleivergiftungen und ihre Erkennung. Archly f. Hygiene, Bd. 63, 1. Heft. 1907.

2) O. N a e g el i: Lehrbuch der Blutkrankheiten und der Blutdiagnostik. Leipzig 1907, S. 93.

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wirkung yon Phenylhydrazin stehenden Blut sind irgendwelche Veranderungen nicht eingetreten. Ich k6nnte mir sogar denken, dass die im Knochenmark schon fein verteilte Kernsubstanz in der Zirkulation unter den veranderten chemischen und physikalischen Bedingungen wieder zu gri~sseren Tr0pfchen zusammenflSsse. Die Frage, warum in dem einen Fall yon Blutneubildung K(irner auf- treten, in dem andern nicht, wird vermutlich solange often bleiben, als man den zeitlichen Verlauf dieses biologischen Prozesses und den Einfiuss chemischer Reaktion und Salze des Plasmas auf den- selben nicht kennt.

Befunde yon basophiler K~rnelung und Polychromatophilie bei Embryonen

und neugeborenen Tieren,

Wenn alle die bisher aufgeiiihrten Grtinde noch nicht gentigt batten, die Degenerationstheorie zu widerlegen, so miisste es die Tatsache, dass basophile Kbrnetuug und Polychromatophilie ein haufiger Befund im Blute yon Embryonen und neugeborenen Tieren sind. Erst in der jtingsten Zeit habe ich sie unter sechs Wiirfen Kaninchen wieder zweimat gefunden, und zwar bei samtlichen neun beziehentlich acht Tieren des Wurfs. In den Ausstrichen des ersterwahnten Wurfs konnte ich wiederum alle ~Jbergangsformen der Kernaufbr0ckelung und der KernaufiSsung feststellen. Die basophit gek(irnten roten Elemente schwanden allmahlich in dem Mal~e, wie die kernhaltigen sparlicher wurden. iNach 18 Tagen waren in dem einen Falle nur noch reichlich polychromatophile rote BlutkOrperchen vorhanden. Im Blute tier Tiere des zweiten Wurfs waren die basophil gek0rnten Elemente und auch die kernhaltigen yon Anfang an wesentlich sparlicher. Sie nahmen an Zahl allmahlich ab his zu ihrem Verschwinden bereits am 14. Tage.

Die Zahl polychromatophiler toter Blutk0rperchen betragt bei den neugeborenen Tieren oft 10 - -20% aller roten Blut- k0rperchen uud geht im Laufe einiger Wochen auf ca. 1--2 % herunter, so zwar, dass ein fortgesetztes Schwanken ihrer Zahl zu konstatieren ist je nach der Menge der diskontinuierlich neu- gebildeten roten Elemente. In bezug auf die Polychromatophilie tritt E. G r a w i t z in seiner ,klinischen Pathologie des Blutes"

Jugendstadien der roten Blutk(irperchen. 509

3. Aufl. 1906 der Ansicht bei, dass man dieselbe bei den zirku- lierenden Erythrocyten in der Mehrzahl der FMle als Zeichen der Jugendlichkeit der Zellen, also als ein regeneratives Phanomen betrachten muss, ein Standpunkt, den ich schon im Jahre 1902 eingenommen habe. 1) Daftir abel dass die Polychromatophilie auch durch direkte Einwirkung yon Giften in der Zirkulation entstehen kann, hat G r a w i t z noch keinerlei zwingende Beweise erbracht, wahrend ich durch meine Abschntirungsversuche am Kaninchenohr bewiesen habe, dass bei der Phenylhydrazinvergiftung zum Erscheinen auch yon polychromatophilen Elementen die Ver- bindung mit dem Marke often sein muss.

Dass W e id e n r eic h die polychromatophilen roten Blut- k6rperchen, in denen er ganz besonders haufig seine ,Chromatin- staubchen" fand, die sich also dadurch als jugendliche dokumen- tierten, dennoch als gealterte, degenerierte auffasst, ist ein innerer Widerspruch. Der Umstand, dass manche Meerschweinchen normalerweise basophil gek6rnte rote Blutk6rperchen haben, beweist nur, dass die Entfernung der Kernsubstanz sich in dell Fallen unvollkommen im Marke vollzieht. W e i d e n r e i c h schreibt w6rtlich in den Fol. haematol. 1906, No. 4, Seite ]88: ,,G~nstiges Material fiir meine Untersuchungen bot sich mir in dem Blute vom Meerschweinchen, bei dem, s o w e i t ich es b i s h e r v e r - fo lg e n k o n n t e, die basophil gek6rnten Blutk6rperchen einen a u s s e r o r d e n t l i c h z a h l r e i c h e n und normalen Anteil der Erythrocyten des strSmenden Blutes ausmachen, eine Tatsache, die bisher fibersehen wurde." - - Zu diesem physiologischen Vorkommen der basophil gek6rnten roten Elemente im Meer- schweinchenblut m6chte ieh bemerken, dass es mich ebensowenig fiberraseht wie das Vorkommen yon polychromatophilen roten BlutkSrperchen ; bei drei anseheinend v611ig gesunden und wahrend einer Beobaehtung yon zwei Monaten gesund und fresslustig ge- bliebenen Meerschweinchen konnte ich sogar kernhaltige rote Blutk6rperchen im strSmenden Blute, das eine Mal sogar in grosser Zahl feststellen. In dem einen yon den drei Fallen waren zahlreiche Erythroblasten gek6rnt. W e i d e n r e i c h gibt leider nicht an, wie gross die Zahl der yon ihm untersuchten Tiere gewesen ist. - -

~) P. S c h mi dt: Experimentelle Beitr~ge zur Pathologie des Blutes. Gust. Fischer, Jena 1902.

510 P. S c h m i d t :

Ich selbst untersuchte 101 gesunde Meerschweinchen, welche aus ffinf verschiedenen, vortrefflich eingerichteten Stailen hiesiger Universitatsinstitute stammten, und konnte bei folgenden Prozent- satzen basophil gek(irnte rote Elemente feststellen:

Stall

I II

III IV V

Sa.

Zahl der untersuchten Tiere

10 15 54 10 12

101

Zahl der positiven Befunde

4 12 15 8 3

42

Prozentsatz

40 ~ 80 0/0 28 ~ S0 ~ 25 ~

42 ~

Bei 12 im Jahre 1902 im Hamburger Institut ffir Tropen- krankheiten yon mir untersuchten Tieren, die gleichfalls v6llig gesund waren, konnte ich sie zweimal, also bei rund 17% konstatieren, i) Von einem ,,ausserordentlich zahlreichen" Vor- kommen, wie W e i d e n r e i c h annimmt, kann gar keine Rede sein. Durchschnittlich konnte ich bei Auszahlung nicht mehr als etwa 100 bis 400 basophil gekiirnte rote BlutkSrperchen auf die Million, nut bei sehr wenigen, namlich 5 % fiber 1000 feststellen. C h a r a k t e r i s t i s c h i s t , d a s s d ie B e f u n d e auch be i den T i e r e n d e s s e l b e n S t a l l e s s c h w a n k e n , ohne d a s s hy - g i e n i s c h e E i n f l f i s s e i r g e n d w i e a n g e s c h u l d i g t w e r d e n k0 n n t e n. Ein Tier, welches heute zahlreiche basophil gekSrnte Elemente aufweist, kann 14 Tage spater v611ig frei davon sein. Ftir alle, welche diese Elemente ffir Produkte der Blutneubildung ansehen und beachten, dass diese Blutneubildung nicht kontinuier- lich, sondern diskontinuierlich schubweise erfolgt, hat diese Tat- sache nichts (Yberraschendes. Das Meerschweinchen geh0rt vielleicht zu den Tieren, welche in der Phylogenie ein Obergangs- stadium darstellen zwischen den Tieren, welche zeitlebens kern- haltige rote Blutk0rperchen bewahren, und solchen, die sie nur in den jfingsten Entwicktungsstadien in gr0sserer Menge ffibren, dann aber in kernlose umwandeln. - - Bemerken m0chte ich noch, dass ich unter sechs neugeborenen Meerschweinchen bisher nur

1) p. Schmidt: Experimentielle Beitr~ge zur Pathologie des Blutes. Gust. Fischer, Jena 1902, S. 6.

Jugendstadien der roten BlutkSrperchen. 511

in einem Falle basophil gekSrnte rote Blutk~rperchen gefunden habe und zwar 600 pro Million.

Die Ausf~ihrungen W e i d e n r e i c h s m~chte ich also nach meinen eigenen Beobachtungen dahin berichtigen und pr~tzisieren, dass die basophil gekSrnten roten Blutk~rperchen bei 101 an- scheinend ganz gesunden Tieren 42mal gefunden wurden und darunter 37 mal sparlich, 5 mal zahlreich, worunter vielleicht 2 mal ,ausserordentlich zahlreich'; ferner, dass dieses Vorkommnis, wie meine frfiheren Angaben yore Jahre 1902 beweisen, keineswegs ~ibersehen wurde.

Auch fiir das Studium einzelner letzter Kernreste, der W e i d e n r e i ch schen , Chromatinstaubchen" ist Meerschweinchen- blut recht geeignet, da die polychromatophilen roten BlutkSrperchen des Meerschweinchens dieselben recht oft zeigen, was bei dem physiologischen Vorkommen yon kernhaltigen roten und yon basophii gekSrnten roten Elementen kaum Wunder nehmen wird. Was diese Kernsthubchen anlangt, so m6chte ich nebenbei be- merken, dass ich in vorgeschrittenen Stadien der Phenylhydrazin- vergiftung beim Kaninchen die ,Kernzertrfimmerung bis zu den feinsten Staubchen" in zusammenh~ngender Reihe bei G i e m s a - Pr,~paratea verfolgen konnte. ~) Desgleichen habe ich sie im Blute neugeborener Ratten besonders haufig in polychromatophilen roten BlutkSrperchen nachweisen kSnnen (s. ebenda Seite 12).

Wenn E. G r a w i t z in seinem Lehrbuche ,Klinische Patho- logie des Blutes" auf Seite 122 schreibt, dass die basophil gekSrnten roten Elemente bei reiner Blutregeneration infolge Blutung nach aussen nicht auftreten, so verweise ich auf eine Mitteilang B l o c h s , der sie nach Abortblutungen beobachtete'-'), ferner auf einen Fall, den ich im Hafenkrankenhause in Hamburg verfolgen konnte, bei welchem die gekOrnten Elemente nach profuser Blutung infolge komplizierter Fraktur auftraten. 3) Das Gleiche konnte M. C ohn bei Kaninchen nach Aderlassen fest- stellen. ~)

i) p. S chmidt: Experimentelle Beitr~,ge zur Pathologie des Blutes. Gust. Fischer, :lena 1902. S. 8.

2) Bloch: Deutsche Mediz. Wochenschrift 1899, l~'r. 46. 3) p. S ehmidt: Ein Beitrag zur Frage der Blutregeneration. Miinchen.

Mediz. Wochenschrift 1903, 1~r. 13. ~) 1~I. C ohn: Einige Bemerkungen fiber die basophilen KSrnchen in

den roten Blutscheiben. Miinchen. :Mediz. Wochenschrift 1900, l~r. 6.

512 P. S c h m i d t :

Darauf, dass W e i d e n r e i c h die basophilen K6rner mit den R o s i n - B i b e r g e i l s c h e n vital farbbaren KSrnchen identifi- ziert, naher einzugehen, erscheint mir unnOtig. Die Sache ist definitiv als erledigt zu betrachten. 1)

V e r h a l t e n y o n K e r n e n u n d K e r n r e s t e n i m u l t r a - v i o l e t t e n L ichte .

G r a w i t z und G r t i n e b e r g haben festgestellt, dass nach K 6 h 1 e r i m ultravioletten Lichte hergestellte Mikrophotogramme deutlich Kerne und Protoplasma der Leukocyten und Erythro- blasten unterscheiden lassen, so zwar, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Kernen der Lymphocyten und polynuklearen Leuko- cyten bestehen. Die letzteren sind wesentlich durchlassiger ftir ultra- violette Strahlen und die grossen Lymphocyten-Kerne wiederum mehr als die der kleinen Lymphocyten. G r a w i t z und G r i i n e - b e r g schreiben in ihrer Abhandlung ,Die Zellen des mensch- lichen Blutes im ultravioletten Lichte", Leipzig 1906: ,Die Struktur der roten Blutzellen erscheint absolut homogen". ,Gelegentlich punktf6rmige dunklere Flecken auf den Zellen sind u n z w e i f e l h a f t als Aufiagerungen anzusprechen, da sie in ganz gleicher Weise auch im umgebenden Medium des Plasmas frei angetroffen werden, und da an einzelnen Stellen deutlich ihr Anhaften an tier Peripherie zu sehen i s t . " - Von diesen punkt- fSrmigen dunklen Flecken behauptet dagegen W e i d e n r e i c h, dass sie , o f f e n b a r " mit den von ihm beschriebenen und sicher als letzten Kernrest zu deutenden Chromatinstaubchen identisch seien.

Weil G r ti n e b e r g die basophilen K6rner mit ultraviolettem Licht nicht darstellen konnte, folgert W e i d e n r e i c h ohne weiteres, dass sie keine Kernsubstanz sein k(innen. Diese Schtuss- folgerungen W e i d e n r e i c h s sind jedoch nicht zutreffend. G r a w i t z und G r t i n e b e r g haben die Flecken mit Recht als Auflagerungen betrachtet, da sie ja auch im Plasma vorhanden waren. Im normalen Blutplasma diirften aber solche freien Kern- reste tiberhaupt zu den Seltenheiten gehSren. Und selbst wenn das Plasma in dem mikrophotographierten Falle mit solchen Ptinktchen angeftillt gewesen ware, hatte es W e i d e n r e i c h schwer fallen diirfen, einen exakten Beweis zu liefern, dass es sich um Kernstaubchen handelte.

1) E. @rawitz: Klin. Pathologie des Blutes. Leipzig 1906, S. 123.

Jugendstadien der roten BlutkSrperchen. 513

Wie steht es mit der anderen Schlussfolgerung W e i d e n - r e i c h s betreffend die basophilen K0rner? Zunachst ist festzu- stellen, dass feine Staubchen auf den ziemlich stark ultraviolette $trahlen absorbierenden Hamoglobinscheiben, auch wenn sie aus Chromatin bestanden, tiberhaupt nicht dargestellt werden k6nnten. Die roten Blutk0rperchen sind kleinen Lichtfiltern vergleichbar, uad daher riihrt es, dass die Erythrocyten im Gegensatz zu dem durchsichtigen farblosen Protoplasma der Leukocyten im ultra- violettem Licht so homogen erscheinen. Sodann m6chte ich auch an dieser Stelle wiederum ausdriicklich betonen, dass die baso- philen K0rner aus irgend einem anderen EiweisskSrper des Kerns als Nuklein bestehen k0nnen. In meinem ,Beitrag zur Frage der Blutregeneration" habe ich auf Seite 10 w0rtlich ausge- sprochen: ,,Es ist ja nicht gesagt, dass die basophilen K0rner gerade aus Nukle~n und nicht vielleicht aus einem anderen Bestandteil des Kerns bestehen sollten ". Alle diese Feststellungen anderer Autoren werden yon W e i d e n r e i c h nicht berticksichtigt.

Ich kann v. S c h r S t t e r nur beipfiichten, wenn er sagt: ,Es . muss erst eine methodische Untersuchung der chemisch differenten Gewebsbestandteile vorgenommen werden, bevor all- gemeine Schlfisse etwa auch in der Richtung erlaubt sind, ob der Grad der Durchlassigkeit ftir ultraviolettes Licht mit der .~[enge und einer bestimmten Konstitution der Eiweissk(irper zusammenhangt,. 1)

Ferner m6chte ich hier noch auf einen Punkt besonders hinweisen. Es ist his jetzt in keiner Weise entschieden, ob nicht Strukturverhaltnisse, Verteilung des Chromatins und der andern Kernbestandteile, also rein p h y s i k a l i s c h e F a k t o r e n yon ebenso oder vielleicht noch gr0sserem Einflusse sind auf die Durchlassigkeit der Kerne ftir ultraviolette Strahlen als die chemische Konstitution. Mit einem Worte, die Studien der Mikrophotographie der Zellen mit dunklem ultravioiettem Lichte sind zurzeit noch so unvollkommen und unsicher, dass man es ftir gewagt erklaren muss, auf diese Weise gewonnene Bilder zu weitgehenden Schlussfolgerungeu zu verwenden.

W e i d e n r e i c h hat ftir Blutstudien die yon J o l l y und M a l a s s ez eingeftihrte Fixierung mit Osmiumsauredampf be-

1) v. S c h r i i t t e r : Ein Beitrag zur hlikrophotographie mit ultra- violettem Licht nach K 5 h le r. u Archiv, Bd. 183. 1906.

Archiv L mikrosk. A, nat. Bd. 72. 35

514 P. S c h m i d t :

sonders warm empfohlen. - - Wenn es nicht darauf ankommt, besonders dfinne zarte Ausstriche zu bekommen, und wenn beabsichtigt ist, ursprtingliche Gestali und Form der roten Blut- kSrperchen zu erhalten, mag die Methode gewiss Vorztige vor der Trocknungs- und Alkoholfixierungsmethode besitzen. Ftir die Zwecke, um die es sich bei dem einzelnen BlutkSrperchen hier handelt, die Darstellung und Differenzierung yon Granulationen, Kernkonturen etc. ist die Methode ungeeignet. Ich habe eine grosse Zahl von Praparaten nach W e id e n re i chs Vorschrift mit peinlicher Einhaltung der Zeitangabe angefertigt und nach G i e m s a mindestens eine Stunde gefarbt. Ich muss konstatieren, dass diese Pri~parate durchaus schlechter gefi~.rbt waren als die Purallelpraparate mit gewbhnlicher Alkoholfixierung. Es tritt stets eine Uberfarbung nach blau hin ein und eine feinere Differenzierung von Granulationen und KernbrSckeln durch die F~rbnuance wird schlechterdings oft unm6gtich. Die Osmium- saurefixierung eignet sich einfach nicht flu" F~trbungen nach G i e m s a .

~'ach diesen schlechten Erfahrungen wandte ich reich an Herrn G i e m s a pers(inlich mit der Bitte, um Mitteilung seiner eigenen Erfahrung in der Angelegenheit. Herr G i e m s a hatte die Liebenswtirdigkeit, mir in der Sache eingehend zu antworten, wof~ir ich ibm hiermit verbindlichst danke. Er hat die gleichen Erfahrungen wie ich gemacht und schliesst seine Kritik mit den Worten: , , E i n e t y p i s c h e R o m a n o w s k y - G i e m s a - F a r b u n g l a s s t s i c h n a c h O s m i u m h a r t u n g t i b e r h a u p t n i c h t e r - z i e I e n . " - - Bemerkt sei nur, dass W e i d e n r e i c h seine Schluss- folgerungen aus Befunden in Praparaten zog, welche mit dieser unsichern und ungeeigneten Fixierungsmethode und nachfolgender G i e m s a- Farbung hergestellt waren.

5ugendstadien der roten BlutkSrperchen. 515

Erkl~rung der bei Dunkel fe ldbeleuchtung g e w o n n e n e n Mikrophotogramme auf Tafel XXV. ~)

I. Blutausstrich yon einem gesunden Meerschweinchen. Ft~rbung mit Azur II, Giemsa,.desgleichen II--IV.

a) Erythroblast (polychromatophil, feinste K5rnchen im Ht~moglobin und an der Kernmembran).

b) Basophil gekSrnter Erythrocyt. II. Derselbe Ausstrich.

a) Erythroblast (basophil gekSrnt). c) Erythrocyt (polychromatophil~ mit grt}berem Korn).

III. Blutausstrich yon einem Kaninchen mit chronischer Bleivergiftung. b) Erythrocyt (basophil gekSrnt, grobe KSrner). d) Erythrocyt mit vereinzelten Kt}rnchen.

IV. Derselbe Ausstrich. b) Erythrocyt (basophil gekSrnt). c) Erythrocyt (polychromatophil). e) Erythrocyt mit ,DoppelkSrnchen ~.

~) Die Mikrophotogramme wurden mit dem Leitzschen Dunkelfeld- Condensor, 0kular 12 und Apochromat 2 mm Leitz (abgeblendet!) gewonnen.

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