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Ueber L sion des Labyrinthes. Von Dr. Adam Politzer. Zu den interessantesten Versuchen~ welche am Gehiirorgane lee bender Thiere gemacht wurden~ ziihlt die yon Flourens zuerst vorge- nommene Abtragung' der halbzlrkelfiirmigen Kaniile bei Viigeln. D~e Erscheinungen, welche nach diesem Versuche elntreten, zeigen grosse Aehnliehkeit mit jenen Symptomen: welehe man nach Durehsehneidung' elnes ttirnschenkels beobaehtet. Sofort naeh dem Versuche nemlich erfolgt eine auf~allige St(irung in der Coordination der Bewegungen des Thieres, und zwar schwankende, Dreh- und Sttirzbewegungen welche weehse|n, ie nachdem der obere, hintere oder horizontale Cirkelgang abgetragen wird. Die Versuche yon Flourens wurden yon Prof. Czerma]¢ an Tauben wiederhoit und die Resu]tate im Wen senttichen bestiitigt. Es ergaben dlese Experimente jedenfalls~ dass die halbzirkelfiirmigen Caniile zur Coordlnatlon der Bewegungen in Beziehung stehen, doch glauben wir e dass Flourens zu welt ging, wenn er die Cirkelgiinge als Organe der Coordination betraehtet, we]ehe mit dem Lumen der sehallpereipirenden ~heile: dem Vorhofe und der Schnecke zwar zusammenhiingen~ aber nicht streng zum Geh(irappa- rate gehiiren.

Ueber Läsion des Labyrinthes

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Ueber L sion des Labyrinthes.

Von

Dr. Adam Politzer.

Zu den interessantesten Versuchen~ welche am Gehiirorgane lee bender Thiere gemacht wurden~ ziihlt die yon Flourens zuerst vorge- nommene Abtragung' der halbzlrkelfiirmigen Kaniile bei Viigeln. D~e Erscheinungen, welche nach diesem Versuche elntreten, zeigen grosse Aehnliehkeit mit jenen Symptomen: welehe man nach Durehsehneidung' elnes ttirnschenkels beobaehtet. Sofort naeh dem Versuche nemlich erfolgt eine auf~allige St(irung in der Coordination der Bewegungen des Thieres, und zwar schwankende, Dreh- und Sttirzbewegungen welche weehse|n, ie nachdem der obere, hintere oder horizontale Cirkelgang abgetragen wird. Die Versuche yon Flourens wurden yon Prof. Czerma]¢ an Tauben wiederhoit und die Resu]tate im Wen senttichen bestiitigt. Es ergaben dlese Experimente jedenfalls~ dass die halbzirkelfiirmigen Caniile zur Coordlnatlon der Bewegungen in Beziehung stehen, doch glauben wir e dass Flourens zu welt ging, wenn er die Cirkelgiinge als Organe der Coordination betraehtet, we]ehe mit dem Lumen der sehallpereipirenden ~heile: dem Vorhofe und der Schnecke zwar zusammenhiingen~ aber nicht streng zum Geh(irappa- rate gehiiren.

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Die Anomalien der Coordination bei diesem Versuehe sind um so auf~alliger~ als es sich hiebei nicht um dis Verletzung nervenreicher Gebilde hande]t, da an den membraniisen Ha]bzirkelg~ngen, m l t Aus- nahme der ampul]~iren Anschwellung an ihrem Anfange~ 'durch das Microseop bisher keine Nervenfasern entdeckt worden sind. - : Das Ausfliessen der Gehiirfliissigkeit ist nlcht das Bedlngende der Erschei- nungen, denn wenn man die Zirkelg~inge bloss 5finer, ohne sie zu durchschneiden, so treten die genannten Bewegungserscheinungen nicht ein. Ob die Symptome auf einern auf's Kleinhirn iibertragenen Reflex beruhen, bleibt noch dahingestellt.

Wenn uns daher vorderhand eine Deutung der Erscheinungen bei Abtrsgung der halbzirkelfiirmigen Caniile fehtt, so hat das genannte Experiment in der Patho]ogie des Gehih'organs doch eine diagnostische Bedeutung er]angt~ insoferne man aus bestimmten in des Folge n~her zu schildernden Symptomen~ welehe mit den oben genannten Erschelnungen bei Abtragung der halbzirkelfSvmlgen Caniile viel Aehnlichkeit darbieten, in einzetnen F~lfen den Sitz des Ohren- leidens mit grosset Wahrscheinlichkeit zu bestimmen vermag.

Menidre gebtihrt das Verdlenst zuerst auf eine der interessantesten Krankheitsformen des GehSrorgans auflnerksam gemacht zu haben, ~on der his dahin J) yon den Spezialisten kelne Erwiihnung geschleht. In einer Reihe yon M. bekannt gemachter F~tlle trat nemllch unter den Erseheinungen elner apoplectiformen Hirncongestion oder eines ffirmlichen apoplectisehen Anfalles pl~tzlieh hochgradige Sehwerhiirig- keit ein, so dass des Symptomencomplex in der ersten Zelt dem einer

t

plStzlich entstandenen Hirnaffection glich. Dis Krankheit, welche vorzugsweise krifftige robuste Individuen be{rifft, beglnnt ptiitzlich mit Schwindel, Ohrensausen, Neigung zum Erbrechen, Ohnmacht~ tau- melnder Bewegung, der bald hoehgradlge Schwerh~rigkeit folgt; oder es stiirzt das Indlviduum ohne dass irgend welehe Vorl:,infer beobachtet worden wiiren~ plStzlieh wie Yore SchIage geriihrt bewusstlos zusammen, das Bewusstsein kehrt naeh einlgen Stunden wiede,', aber es bleibt eine in der Regel hoehgradige Sehwerh(irlgkeit zuriick, und in der Mehrzahl der F~tlle eln taumelnder unsieherer Gang, wie bei eineIh stark Berausehten. Diese Unsleherheit im Gehen nnd Stehen dauert manchmal nur kurze Zelt, manehmal .jedoeh mehrere Monate, die Vernichtung des GehSrve~:mSgens ist in elnzelnen Fitllen ffir ira-

1) Gazette m6dicale de Paris 1861,

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mer eine volIstiindige~ in andern Fi~IIen tr[t~ sine Besserung ein~ welche bleibend sein kann oder naeh mehreren Monaten oder Jahrea einer abermaligen Verschlimmernng weicht.

Die ~Untersuchung des Geh(irorgans bei diesen Individuen erwies keine nachweisbare Veriinderung im schallleltenden Apparate, da so- wohl am Trommelfelle als aueh in der TrommelhShle und der Tuba Eustachii keine materielle GrtmdIage ftir die Funktionsstiirun,o' aufge- funden werden konnte. Menldre kommt daher zu dem Schlusse, dass es sich in den genannten Fgllen um eine Affection des Labyrinthes handelt, und zwar speeiei] urn eine Affection der balbzlrkelf6rmigen Cangle. Er sttitzt seine Ansicht auf das geschilderte Experiment yon Flo~rens und fernerhin auf die Section sines wghrend des Lebens yon ihm beobachteten Falles, bei welchem unter den angefiihrten Erschei- nungen pl~itz]iehe Taubheit und n~ch einigen Tagen der Tod eintrat, und die Zergllederung des Ohres in den Zirke]g~ngen ein Extravasat nachwies~ welches his in den Vorhof sieh erstreekte~ in der Sehnecke Mngegen fehlte. Die Annahme einer Hirnaffection in diesen ,Fiillen sei nach M. deshalb nicht zuliissig, well an keinem andern Organe als im Gehiirapparate L~hmungserscheinung'en eintreten~ was nicht mSglich wiire~ wenn die Urspriinge des Acusticus afficirt w~iren, da dabei gewiss auch dis nahe an elnander gelegenen Centren anderer Hirnnerven auch in das Bereieh der Lgsion gezogen wiirden.

v. Tr6ltsch, der in cine n~here Analyse der Menidre'schen Beob- achtungen eingeht ~)~ tr~igt mit Reeht Bedenken gegen die exclusive Annahme einer prlmiiren Labyrinthlgsion in allen jenen Fallen~ wo eine hochgradige Schwerh5rigkeit unter den angef~ihrten mehr weniger ausgesproehenen Symptomen eintritt. Schwindelanf~II% Be- fiiubung and Eingenommenheit des Kopfes werden nicht selten auch bei Trommelh~ihlcnaffectionen beobachtet~ und lassen sich aus dem Drucke ableiten, den die Produete der TrommelhShlenaffection auf das runde und ovule Fenster somit auf den Labyrinthinhalt ausiiben. Der Mangel des Naehwelses einer Ver~inderung am Trommelfelle und in der Tuba Eustachii sehl]esst noeh nicht eine TrommeIhShlenaffec- tlon aus~ da erfahrungsgem~ss der TrommelhShlenprozess sieh munch- real vorzugsweise auf die inhere Trommelh~ihlenwand~ auf das runde und ovule Fenstcr loca]isirt und bei raseher Entwicklung der Affec- tion lelcht dutch Druck und Reizung Erseheinungen eintreten kSnnen, welche denen elner prim~iren Affection dcr Zirkelgii, nge ithm lieh sind.

l) Krankhei~en des Ohres. ~, Aufl, 1863.

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Einen werthvollen Beitrag zur Pathologic dieser Affeetionen verdanken wir Moos 1). Derselbe kommt naeh der Sehilderung einer Reihe yon ibm beobaehteter Fiille zu dem Resultate, dass in den F~illen yon plStzlieh entstandener Taubheit tier FunetionsstSrung ent- weder eine primitre LSsion des Labyrinthes oder eine Lithmung des Aeustieus zu Grunde liege, es erhellt abet aus der Beschreibung ein- zelner Fitlle, dass aueh bei bereits bestehenden Catarrhen der Trom- melhShle eine plbtzliehe Abnahme des Geh~irs eintreten kSnne, wenn auch nieht unter so exorbitanten Erseheimmgen wie sic Meni~re in einzelnen seiner F~ille beobachtet hat.

Naeh den yon uns fiber diesen Gegenstand gemaehten Erfahr- ungen stimmen wir mit v. Tr~ltsch darin [ibereln, dass man bcider Beurtheilung yon F~illen, weiehe die Symptome der Menidre'sehen Erkrankungsferm zeigen, iiusserst vorsiehtig sein nmss. Es gilt dies namentlieh yon Fiillen, bei welehen sehon einige Zeit vet der plStz- lichen Abnahme des H~rvermggens Symptome einer Ohraffeetion, also: Ohrensausen, ein Gefiihl yon Druek und VSlle in den Ohren, 5ftere Sehwindelanfiille und BetSubung, oder ein leiehterer Grad van Schwerhbrigkeit vorhanden waren, oder wenn die F~ille erst lange Zeit naeh dem Eintreten der apopleetiformen Taubheit zur Beobachtung kommen. Dass die eatarrhalischen Affeetionen der T:'ommelbShlen- sehleimhaut nieht selten mit gleiehzeitigen Ver~inderungen im Laby- rinthe verbunden sind, liisst sich aus den pathologisch-anatomischen Untersuehungen und tier klinisehen Beobaehtung nieht bezweifeln. Die Gefgssc der innern TrommelhShlcnwand stehen nemlich dureh Anastomosen, welche die elastischen Verschliisse des ovalen und run-- den Fensters passiren, mit den Labyrlnthgef~issen in Verbindung und werden daher manehmal hyperiimisehe Zustiinde und in deren Gefolge aueh nutritive StSrungen gleiehzeitig in der TrommelhShle und im Labyrinthe auftreten, dies beweisen die pathologiseh-'matomisehen Untersuehungen yon Toynbee, v. Trgltsch, Voltolinl und mir, die Seetionen bei Typhus yon Passava~t (Blutextravasate im Vorhof bei gleichzeitigem Catarrh und Eechymosen in der Tromme]h8hle), und die Ergebnisse der Untersuehungen, welche Schwarlze in einer veto treffliehen Arbelt fiber die pathologisch-anatomlschen Veritnderungen des GehSrorgans beim Typhus niedergelegt hat.

Ergibt sieh aus der Uebereinstimmung der pathologisch-anatomi- schen und tier klinisehen Beobachtung, class in einer Reihe yon

~) Ueber pl~tzlich entstandene Taubheit. Wiener medlz. Wochenschrift. 18~3.

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Fiillen die Symptome der Menigre'schen Krankheitsform in verschle- denem Grade bei Catarrhen d er TrommelhShle dutch secund~re Affection des Labyrinthes hervorgerufen werden kSnnen, so ist man andererseits manchma] doeh im Stande, elne TrommelhShlenaffection auszusehliessen und eine Labyr]nthaffeetiou zu dlgnosticiren. Es sind dies jene Falle, bel denen die Menigre'sche Affection ohne Yorlaufer und im hohen Grade auftritt~ und der ~_rzt kurze Zeit nach dem Anfalle die Untersuehu~g des Ohres vornebmen kann. Tritt also bei einem friiher vollkommen normalhSrendcn Individuum plStzHch unter den Erscheinungen elnes apoplectlschen Anfalle, hochgradlge Sehwer- hSrlgkeit oder Tanbhcit e]n, dabei unsicherer und taumelnder Gang~ in andern Nervenbezirken aber keine L~thmungserscheinung~ und er- gibt die ]furze Zeit darauf vorgenommene Untersuchung normales Trommelfell and vollkommen wegsame Tub~ Eustachii~ so kann man mit grosser WahrscheinHchkeit annehmen, dass e]ne Labyrinthaffectlon vorliegt. Denn eine Tromraelh~hlenerkrankung, welehe plStz]ich mlt hochgTadiger SehwerhSrigkeit und den angeffihrten exorbitanten Erscheinungen auftritt~ ist dutch e~nen raschen und reiehllchen plasti- schen oder schlelmigeitr]gen Erguss charakterisirt und es werden dann stets deutHeh wahrnehmbare Vergnderungen am Trommelfelle und in der Wegsamkeit der Tuba vorhanden sein. }gaeh ]angerer Zelt jedoeh wird die Diagnose sehr schwieEg, da die Producte der acuten TrommelhShlensff~ction ohne eine Anoma]ie am Trommelfel]e oder in der Tuba zu hinterlassen, schwinden k~nnen und die hoch- gradige FunctionsstSrung durch eine Ynittlerweile einget]'etene Fixi- rung der GehSrknSchelehen bedingt sein kann (v. Trgltsch). Wir gehen nun zur Mittheilung elnes Falles [iber, wo die Diagnose auf elne Lab),rinthaffection gestelIt wurde~ und die nach dem Tode vor- genommene Section der GehSrorgane sine Lgslon des L~byrinthes naehwies, jedoch in einem ~ndern Verh~Itnisse, wie sie wahrend des Lebens vorausgesetzt wurde.

Am 14. Febr. d. J. stellte sieh uns der 40 Jahre alte, krgftlg gebaute Peter K.~ Gastwirth aus St. Johann in N.-0.~ als ~ollstgndig taub vor. Derselbe gibt an, am 2. Januar d. J., also vor 6 Woehen (his zu weleher Zeit er vollkommen gesund und nornmlhgrend war), w'~hrend er slch um d is Mittagszeit ~m Hofraume befand, plStzlieh yon einer Ohnm~eht befallen worden za seln~ und stiirzte auf dem hartge- frornen Boden naeh r[ickw~trts zusammen. Nach mehrerea Stunden kehrte das Be- wusstsein wieder, aber es war vollstgndlge Taubheit eingetre~en und ebenso fehlte ihm trotz ~Iler Anstrengung die F~hlgkeit zu sprechen. Patient ~usserte heftige Sehmerzen im l=linterkopfe, der Pals war klein and ]angsam~ und noeh am selbea Nachmittage tra~ eii~gemale Erbrechen eiu Am andern Tage kehrte die Bpraehe wleder, die Taubhelt jedoeh blieb uuvergndert, und hlezu kam noch ein sehr her-

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tiges beiderseitiges 0hrensausen, Befiiubung und Schwindel: welehe den Kranken hinderten das Beet zu verlassen. Die Therapie bestand in; der Application elner gr~ssern AnzahI yon Blutegeln in der Umgebung der Ohren~ kalten Ueberselfl~gen auf den Kopf, inner]ich Ableltungen auf den Darmkanal. Taffs darauf wurde eine Venaesection gemaeht und zwischen den Schultern wurde eine Empl cantharld. appIicirt. ~Nach 4 Wochen konnte tier Kranke das BetL vcrlassen, er ging zwar im Zimmer herum, sein Ganff war jedoc:h taume]nd, unsicher. Das Bewusstseln war ungetrfibt, Appetlt gut, Taubhelt, Ohrensausen und Schwlndel jedoeh unver~tndert. Nach 14 Tagen fiihlte er slch bereits so gekr:,iftigt, dass er sich entschliessen konnte, in Begleltung seir~es Schwagers naeh Y~rien zu relsen~ um Hilfe gegen seine Schwerhtkigkeit zu suehen.

Die lJntersuehung erffab Fo]~em]es: Die ~iusseren GehUrff~nge und ebenso belde Trommelfe]le ~'o]lkommen normal Der Catheterlsmus tier Eustachisehen Ohrtrompeten ge]ingt mlt dem si~rksten Hartcautchoueeatheter sehr leleht, und hurt man bei der Auscultation des ~t~ssern Geh~;rganges die dureh den Catheter in die Tuba eings- presste Luft mlt elnem frelen brelten Ger~usche in die Trommelhi~hlen strSmen. Di~ Hi~rfunction ist sdbst fiir die st~rksten TSne in der N~he des Ohres erlosehen, und eben so mangelt jede Scha]lempfindung yon den Kopfknochen aus. Die eigene Stimme hSrt der Kranke aueh nlcht.

Die Museulatur des K~rpers ist stark entwickel¢, dle Bewegungen der Ex~remi- t~ten erfolgen ganz leicht und ungehindert, der Kranke fiihlt keine Schw~ehe in

denselben, l~sst man ihn jedoeh durch das Zimmer gehen, so bekommt man den Eindruek, als wenn man elnen Betrunkenen vet sigh h~.tte. Die Bewegungen der Zunge, die Stellung des Gaumensegels normal, im Bereit'he des Faclalis, des Ocu- lomotorius und tier iibrigen Hirnnerven keine StSrung. An den iiussern Theilen des Kopfes sind keine Spuren einer Verletzung wahrnehmbar.

Nach dam fi'tiher Gesagtan konnten wir in diesem Falle mit grossar Wahrschelnlichkcit eineLabyrinthaffection diagnosticiren. Eina Trommelhtihlanaffaction konnten wir deshalb nlcht annehmen, well vorerst keine Yeranderungen am Trommelfelle uud in der Tuba vor- handen waren und man nicht leicht voraussatzen konnte, dass eine so intensive Exsudatian, welche mlt Taubheit aufgetreten, in dam Zeitraum yon seehs Woeben, 0bne irgend welehe Spuran am Trom- melfelle und der Tuba zu hlnterlassan, abgelaufen sei. Doch voraus- gesetzt dass in der [['hat die Produete der Trommelhtihlanaffeetion so rasch gasehwundan sind, so mtisste man zur Erkliirung der vollsti~n- digen Taubheit elne zuriickgebliebene Ankylose aller GehtirknSehel- then odar dos Steigbtigels atlein annehmen. Doch abgesehen davon, dass dis Annahme einer Ankylosanbildung in so kurzer Zeit als sehr gawagt erscheinen muss, wiirda die Ankylose allein noch nicht die voltst~ndige Taubhelt erklitren, da wir wissen, dass selbst bei vei l kommenar Ankylose des Steigbiigels (Voltolini), ferner, wie elne Beob- aehtung van mir (Archly f. Ohrenheilk.) zeigt, bei Fixirung s~mmt- ticher Geht~rkn~ehelehen zwar hoebgradige Sehwarhbrigkeit: doeh

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keine vollst~indige Taubheit vorhanden zu sein braucht. Die Anky- tosen der Geh~JrknSehelehcn sind nur dann mi~ Taubheit verbunden, wenn sie l~ingere Zeit bestehen, da in Folge der mangelhaften spcei- fischen Erregung der Acusticusausbreitung allm~ttlich ein atrapbiseher Zustand derselben mit den retrograden Met~morphosen d~r Verfettung and colloiden Ent~rmng sich entwlekelt. Diess konnte bei der kurzen I)auer des Leidens in unserm Falle ausgcsehlosscn werdcn; wenn man also die M(~gliehkeit elner ursprfingt~ch in der TrommelhShle aufgetretenen Affection zugeben wollte, so musste auch ~ngenommen werden, d~ss gMehzeitig eine intensive Ex.~udation oder Bluterguss ins Labyrinth au~etreten se~, deren Symptome s~ch nan in a usge- prSgter Welse z e i g e n . -

Obwohl bei so ~ehwerem Ergriffensein des GehSrappara~es, d% Frognose Ms ungiinstlg ges*.ellt werden musste, versuchten w i r e s doeh mit der innerliehen An- wendung des Kali hyd.rojodienm~ val~ welebem wir t~/glieh 8 Gran nehmen llessen, ausserdem empfahlen w~r rnhiges Verha.l~en and elne leichte Di~t. - - Der Zus~and des Kranken blieb dureh die n~ehsten 6 Tage unver~,ndert Am 20. Febmmr Nach- mittags trat eln Frostanfall aul', dem Mnlge Stunden spiiter starke Hitze, Erbreeben Mner g'_rfinliehen FlfisMgkeit, Irrereden und grosse Unruhe fol~en. Am 2l. Morgeus trat. Mac Remission ein, das Bewusstsein kehrte wieder, doeh Nhlte er sieh matt una ,dedergescb]agen. Ge~.:en Ahead g~ellten Meh abermals stfirmisehe Erseheinun- gen Mn and zwar h~.ftige Dellrien. Herumsehlagen mit H~inden und Fiissen, zMt- weillg starkes Aufsebreien. Gegen Fri:ih llaltm die Aufi'egung ab and der Kranke konnte t~un auf die KUnik des Herrn Prof. Oppolze~' gebraeht werdem Wit Nnden hier den Kranken bewusstlos, die Augen waren bMbgesehlossen, die Pupi!len gleL~h- m~.sslg wMt, die reeh~;e obere Extremlt~it war ~.ollstgndig gel~hm~, die untere Ex- trem~tg.t derselben Sei~e paret~seh; alas Athmen war sgShnend, langsam, der Pals welt, el;was besehlem'dgt, zeitweilig eonvulsivisehe Bewegun~en des g'anzen Kbrpers. Gege~ Abend ~r~t tier Ted elm

Die am folgenden Tage vorgenommene Seclibn ergab:

Der K~Jrper gross, gut gen~,hrt, am Rfieken mlJ; violetten Todtenfleeken ver- ~ehen. Die Pupillen eng, der I:IMs kurz and diek, der Thorax gewi~lbt~ der Unter- lelb m~.sslg ausgedehnt. Das Seh~deldaeh diinnwandig~ dureIt glatte, grnbi~e Yer- t,]efun~en an tier Innenfi~iehe, vorzfiglleh am reehten Seltenwandbelne~ ,rod am reeh~en Stirnbelne sowie de~i ttln~erhauptsehuppe, d~rehsehelnend. D~e harte H}rn- haul. s~raff g'espann~, ~m obern SiehelblutlMter fliissJges and locker geronnenes Blut;. Die harte I-Iirnhaut isl; besonders fiber der Con~'ex]~g.t; tier linken Grosshirn- hem~sph~.re ~erdiinnt. Die im~ern t~irnhEut;e an tier Basis eerebri ~.on der TeIa ehoroidea ventrieuli quarti bls zum CbJasma nervor, optic, sind ~,on einem starren, gelben eltrJgen Exsudate infiltrirt; ale Nerv~ aeustlel und Faeiales glMeb de~_ fibrlgen Nerven veto Exsud~te umgeben. In den Gef~ssen der Pi~ m~ter und den ~dlnus ttunkles fliissiges Blug, die Gehirnwlndungen abg~plattet, alas tI~rn ziemlieh blutreieh, mS.ssig weieh un~ feueht, hn Centrmn semiova]e dextrum iiber dera Hinterhirne, sowie ferner im vordern, mittlern und hin'~ern Antheile des Ce~trum semiovale sinis~rum eine bohnengrosse S~elle, die yon zahlreiehen~ frisehen, eapil-

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l~ren Apoplexlen durehsetzt ist, das Ep~ndym sKmmtlieher HirnhShlen die :Eiter enthatten, yon zahlreichen frisehen, mohnkorngrossen Ecehymosen darchsetzt~ Septum

and ~Fornix erweieht.

l~ach der Entfernung des Hirnes at~s der Sehiidelhbhle fa~-zd man die die 8ch~delbasis auskleidende 1)ura mater bei der genauesten Untersuchung unveq'letzt. i~lach Entfernnng derselben Yon der kn~chernen Unterlage fund man jedoeh fol- gende ¥e~nderungen: Von der reehten H~|fte des Querbalkens der Eminentia ¢ruc]ata interna ziebt eln zackiger, nnr bel genauer Beslchtigung wahrnehmbarer, d6n I~interhauptsk~oehen durehsetzender Sprung an den seitlichen Theilen des Hinterhauptsknochens gegen beide Foramina ]acer~ postlca, an ~deren hinterer unterer Peripherie die Spriinge zu enden schelnen. Verfolgt man jedoeh die Rich- tung der Sprfinge gegen dle obere Peripherle der genanntcn Oeffnungen, so finder man, dass sie sieh belderselts in der Riehtung nach oben und aussen fortsetzen und beide Pyramlden in ihrer ganzen Dicke durchsetzen, und zwar in fotgender Weise: Auf der linken Seite zieht der Sprung yore Foramm ]aeerum an der hintern Wand der Pyramidc etwa 4 "~ hinter der Oeffnuug des ianernGehSrganges, erreieht die obere Wand and zieht bier etwa 3'" vor dem obern Halbzlrkelgange nacb aussen his knapp an die Deeke der TrommelhShle, we der ~prung unhurt. Nach Entfernung der obern Tromme]hShlenwand finder man dis Tro~nmelh6hle yan~ un- versehq't, ihre Ausklelduny g~att u~d blase, T~'ommelfell und Geh6r~ngehelchen vo~t-

kommen norm, al, desgleichen di~ Tuba Eustaehii. ,

An der innern TrommelhShlenwand konnte bei der genauest~n Prfiflmg keln Sprung nachge~vlesen werden, es musste also der Sprung, welcher an der hintern und obern Wand der Pyramide siehtbar war~ in die ]%l~enmasse gedrangen seln~ ohne die Labyrinthwand der TrommelhShle zn erreiehen. Um nan die Ver&nde- rungen sehen zu kSnnen: welehe dcr in die Felsenbeinmasse gedrungene Sprang verursaehte, musste dutch Auseinanderdr~ngen der ~pmngr~nder die Fissur his zur innern TrommelhShlenwand fortgesetzt werden, wodurch die nun in ihrer ganzen Dieke durehtrennte Pyramide in tin vorderes kleineres und ein hinteres grosses Stiiek getrennt wurde. Man konnte jetzt an der rSthlh;h tlngirten Sprungfl~iehe sehen, class dieFissur bls knapp an dieLabyrinthwand derTrommelh~hle gcdrungen war, da die frische kiinstliehe Bruehfi~ehe in Form eines sc, hmalen, Iiehtgelben Streifens an der &ussern Labyrlnthwand yon der rSthlichen Bruchflgehe des urspriiag- lichen Bruehes sebarf abstach.

Auf ihrem Wege yon der Oberfigche der Pyramide drang d.ie Fis~ur in die Tiefe derart, dass vorerst der Anfang des Fallo2i'sehen Canals ohne Yerletzung des tgerven durehtrennt war, der Sprung giug welter dareh das ~ussere Ende des innern Geh~Srganges~ und drang etwas schr~Ig in die den ¥orhof amgehende Knochenmasse bis zur Labyrlnthwand der TrommelhShle vet. Das Labyrinth war somlt bis auf seine TrommelhShlenwand mieteu dureh dan Vorhof entzwei gesprengt.

Der Vorhof war mit elnem griinliehen~ steilenwelse mit BIut ting~irten Eiter erfiillt, desglelcben die Zirkelggnge und die Sehneeke. Man konnte sehr leieh~ den Zusammenhang des in dem Yorhofe befindlichen Eiters m]t dem eitrigen Exsudate in der SehKdell0asls naehweisen, indem der yon der SehKdethiShle in den innern Geh~Srgang eindringende, den HSrnerven und Faeialis umspiilende Eiter nnunter- broehen dureh den frfiher beschrlebenen Sprung im innern GehSrgang mit demEiter im ¥orhofe im Zusammenhange stand. Der HiSrnerv selbst war nach der Entfernung

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des ihn umgebenden Eiters yon nermMem Aussehen, und an der Stelle we der Sprung durch den innern GehSrgang ging, stErker gerSthet.

Die genauere Untersuohung der membran[iscn Gebilde des Labyrinthes ergab: Der Saeeulus communis morseh~ leicht zerrelsslieb~ ebense die membrnni~sen ttatb- zirkelg~nge~ untcr dem Mikroskope erschien das Gewebe tri:ibe und undurchsiehtig, mlt Detritus, Blur- und Eiterze]len bedeckt, stcllenwelse dunkelroth tinglrt, des Nervenmark an dcr Nervenausbreltung der Ampullen ersehien krtimellg; die Lamina spira]is membranaeea zerfliess~ bel der Herausnahme at~s dem Schneekengeh~i.us% unter dem Mikroskope lessen sieh nut stellenweise einzelne Elemente des Corti'sehen Organs auffinden.

Wle erw~ihnt: ging yon der rechten H~lfte des QuerbMkens der Eminentla erucigt, int. auch gegen das rechte Foremen lacerum posticum ein Sprung. Ebenso wie links fund man seine ].%rtsetzung an der obern Perlpherle des Locbes uncl der Sprung ging aueh hlor wie links dutch die ganze Dicke der Pyramide, mlt dem Untersehiede, dass hier tier Sprung etwas mehr nach hlnten zog~ so dass zwar der Vorhof durchgetrennt war, der inhere GehSrgang jedoch unversehrt blleb. Aueh hier ~in~" der Sprung rmr his zur Labvrlnthwand der TrommelhShle; die Trommel- hShle selbst und ihre @ebilde waren wie links ganz normal. 1N'aehdem behufs Untcrsuehung des Labyrinthinhaltes die,getrennten St{ieke der Pyramide aus einan- der genommen wurden~ sah man den ¥orhof yon einer dunkelrotheu, an elnzelnen Stel]en fleisehfarbigen, elnem B!utcoagulum ~.hnlichen Masse ausgefiillt. Der ebere Halbzirkelganff yon elner dunkelrothen, der hlntere und untere yon einer mehr gelbrothen Masse erfiillt. Bei genauer Untersaehung dieser Massen finder man die= selben z~he, und ziemlich stark an den Wandunffen des ¥orhofs und der Zirkel- g~ngo haf~end, so dass sle nut mit Miihe mit der Pr~parirnadel herausgehoben werden kSnnen.

Dutch Zerfasern der heransgenommenen Masse bekam man unter dem Mikro- skope, jedoeh nur in einzelnen Fragmenten, Theile des Saeculus communis und der H~lbzirkelgEnge zu sehen~ diese]ben waren dutch kSrnigen Detritus getriibt, an einze]nen hafteten grosse Pigmentschollen, des Uebrige ergab sieh als amorphe oder streifige, ~on Blutfarbs~off getr~nkte Masse. Die Sehneeke war yon elner rSthliehen, fleischwasser~ihnlichen Fliissigkelt erfiillt, die Co¢ti'sche Membran war sehr dick, die Cort$'sehen Fasern stellenwelse deutlich, an andern gar nicht sieht- bar, dam Vas spirale und seine Seitenitste auffallend erweitert, an dor Uebergaugs- stelle der Lamina splralis ossea und membranaeea formloses Pigment in grosser Menge.

Der Seetionsbefund hat in diesem Falle sowohl die Erscheinungen wabrend des Lebens, a ls auch die Todesursache geniigend aufgekl~r~. In Folge des Falles auf den Hinterkopf entstand ein Sprung, weleher sieh nach beiden Seiten bin dureh die Pyramiden fortpflanzte. In Folge des Sprunges, der dutch beide 3rorh~ife ging, kam es zum Blutaustritt ins Labyrinth: und wi~hrend rechts das Coagulum noch als solches nut in gerlngem Grade verandert vorgefunden wurde, war dasselbe im linken Vorhofe eitrig zerfallen, tier Eiter ergoss sich in den letzten Tagen yon hier aus durch den Sprung im innern Geh6rgang fangs desselben an erie Sch~detbasis, wodurch

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die eitrige Meningitis basilaris veranlasst wurde~ welche den Tod herbeiffihrte.

Vor dem Eintreten der sti~rmisehen Itirnerscheinungen in den letzten Lebenstagen hatten wir, gesti~tzt auf die ausgesproehenen Er- seheinungen der Menidre'sehen Krankheitsform, eine Blutaustretung im Labyrinthe beiderseits, als Ursache des pl~;tzliehen Zusammen- sti~rzens, der mehrere S~unden andauernden Bewusstlqsigkeit, der hochgradigen Taubheit and des taumelnden,' unsiehern Ganges, ange- nommen. Es fr~gt sich nun: war eine prim~re Blutaustretung im Labyrinthe die Ursache des Zusammensti~rzens und g'ing erst nach- tr5glich der in Folge des Falles entstandene Sprung (lurch die Pyra- miden, oder ist d~e Blutaustretung im Labyrinthe erst durch die Fel- senbeihspriinge entstanden? Obwohl sieh diese Frage nicht mit roller Precision beantworten tasst, so muss man doch aus Wahrseheinlieh- keitsgriinden annehmen, dass erst durch die Spriinge im Felsenbeine die Blutung im Labyrinthe erfolgt ist. Natiirlieherweise liessen sich die Spriinge im Leben nicht vermuthen, da man weder bei der Unter- suchung des K0pfes eine Verletzung wahrnahm, noch eine Blutung in die TrommelhShle oder aus dem Ohre erfolgte, wie dies in der Regel bei Felsenbeinfissuren beobachtet wird. Abgesehen hievon, waren die naeh der Riiekkehr des Bewusstseins beobachteten Ersehei- nungen: die Taubheit, tier taumelnde unsiehere Gang, das heftige Ohrensausen,. durch die Blutung im Labyrinthe verursaeht, Erschei- nungen wie sic aueh der Menidre'sehen Form eigen sind. Der tau- metnde unsichere Gang w~hrend der Dauer des Leldens bis zum Auf- treten der Meningitis war keineswegs durch eine eentrale Affection bedingt, da die Meningitis ganz acut in der siebenten Woche der Erkrankung auftrat, dieselbe sowie die cireumseripten Entziindungen der Hirnsubstanz an der Leiehe die Charaktere eines acuten Pro- cesses zeigten, und auch bis zum Eintreten der Meningitis in den letzten Lebenstagen weder Reizungs- noeh L~hmungserscheinungen an der Peripherie bemerkbar waren.

Der gesehitderte Fall z~hlt gewiss zu den interessantesten yon den bisher verSffentlichten, dutch Fall oder Schlag entstandenen Schadel-und Felsenbeinfraeturen. Fast in allen Fallen nemlich, welche in der Literatur aufgezeiehnet sind, war mit dem Sprunge im Felsen- heine ein blutiger oder sergser Ausfluss aus dem Ohre verbunden. Die Hamorrhagie aus dem Ohre stammt entweder aus dem gleich- zeitig verletzten Trommetfelle und der Trommelhghle, oder es ftiesst das Blur dureh den Riss im Trommelfelle yon den fiefer gelegenen

~ r e h i v f. Ohrenheilkunde. I I . Bd. 7

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h'acturlrten Parthien aus. Es kann abei" aueh eine Fractur im Felsen- beine mit Blutung aus dem Ohre verbunden sein, ohne Verletzung des Trommelfells (Zaufat, 5~ed[z. X~c~oehensehrlft. 1865), nemlich durch einen Sprung, welcher sic h ~TOn der obern Wand derPyramide gegen die obere Trommelh~;hlenwand und die oberc Wand des kn~chernen Gel~(irganges fortpflanzte, ohne das Trommelfell in das Bercich der Li~sion zu ziehen. Ueber die ser~isen Ausflfisse aus dem Ohre bel Schadelfracturen finden sich'mehrere Fi~lle (vrgl. v. Trb'ltsc£, Ana- tomic des Ohres, S. 99), in Bruns' chirurg. Handbuche (I., S. 324) und in Luschka's Abhand!ung .dle 2/dergeflechte des menschiichen G~ehirns" (S' 78) zusammengcsteilt. Den dort angefiihrten Fallen reihen sich fei'nere BcobacI~tunge a yon T/wmas (Dissertatlo inauguralis~ Jenae 1855), yon Pitha (Prager Vierteljahresschrift. 1858) und eln Fall yon Fedi (Canstatt!s Jahresbericht 1458) an. Der seriise Aus- fluss au s dem Ohre war b¢i einigen dieser F~lle sehr copiiis, enthielt wenig Eiwelss nnd v!e! Koeh~a!z, das umgekehrte Verh~ltniss fand sich in dem Falle yon Fedi, bei welchem die 3 Jahre nach der Ver- !etzung des H~r0rgans vorgenommene Section eine lineare Narbe am Trommelfel!e, ferner eine Fractur des Stapes mit nicht vereinigten Bruchenden und eine offene Communication zwischen TrommelhShle und Labyrinth~ jedoch keine Spur einer vorhergegangenen Seh~del- Verletzung naehwles. W~hrend es sich also in diesem Falle urn den Ausfluss yon Labyrinthfliissigkeit aus dem Ohre handelte, welche in Fo]g'e des Aufgehobenseins des starken Druekes, unter welchem bei unverletztem Labyrinthe dessen Gefasse stehen, in so grosset Quan- tlti~t ausgeschieden wurde; spricht sieh die 3Iehrzahl der iibrigen Beobachter dahin aus, dass man es bei ser(isen Ausfliissen aus dam Ohre ~ welche nach Schi~delverle~zungcn entstehen, mit dem Ausfliessen yon Cerebrospinalfliissigkeit zu thun habe. tlyrtl hat in seiner Zer- gliederungskunst eine anatomische Thatsaehe angefiihrt, welehe hier jedenfalls erw~hnenswerth erscheint. :Nachdem er nemlich yore Riiekenmarkscanale aus (bei ldndlichen Leichen) die Cerobrospinal- fliissigkeit enffernte und den Raum, den dlese einnahm, mit elner Injectionsmasse fiillte, land er~ class die Injectionsmasse his in die LabyrinthhShle gedrungen sei. Er ist also der Ansicht, dass die Labyrinthfliissigkelt, durch Lticken~ welche neben den eintretenden Nervenbiindeh~ des Aeusticus im innern GehSrgange bestiinden, in Verbindung stehe mit der Cerebrospinalfltissigkeit. Es ware also denkbar i dass bei Verletzungen des Labyrinthes, ohne Sprung an tier Seh~delbasis die Cerebrospinalfliissigkeit dureh alas Labyrinth auf diesem Wege in griisserer Menge ausfliessen k~inne. Dass im Foetal-

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lcbcn Labyrinthh~ihte und Cerebrospinalraum communieiren, wurde dutch die Untcrsuchungen yon K611iker constatirt; ob iedoch auch bei Erwachsenen diese Communication, wie sie Hyrtl bel ~euge- bornen dutch Injectioncn festgcstellt hat, bestehe~ ist noch nicht erwiesen. Versuche, welche ich in dleser Richtung angestellt babe, liefcrten bisher kcin sicheres Resultat, da an Pr~tparaten Erwach- scner die Injectlonsmasse yore innern Gehiirgange nut manchmal und dann nur unCer einem sehr starken Druck in die Labyrinth- hiihle eindrang.

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