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Uber medizinische Seifen. Von H. Kionka. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Univel~i~t Jena.) (Einffeganqen am 5. Februar 1923.) 3Iedizinische Seifen werden von jeher angewandt, doch ist das Wesen ihrer Wirkung bisher nur wenig erforscht, und es bestehen darfiber vielfach unklaxe Vorstellungen. Wir mfissen unterscheiden zwischen den Wirkungen der Seifen und den Wirkungen, welche yon den in den Seifen als ,,Fiillungsmittel" enthaltenen Substanzen ausgefib~ werde~. Seifen werden, fuBend auf den Untersuchungen yon ChevreuP), als krystallwasserhaltige normale fettsaure Salze angesehen. Jedoch zeigte es sich bald, daf3 sich Seifen in ihren L6sungen nieht genau so verhalten, wie andere in Wasser gelSste Stoffe, und namentlieh waren es die Ungersuchungen yon Kra//t 2) und seinen Mitarbeitern, welehe Unstimmigkeiten in den Gefrierpunktserniedrigungen und Siedepunkts- erh6hungen bei Seifen naehweisen koimten. Franz Ho/meister 3) war wohl der erste, der im Jahre 1.888 die kolloide Natur der Seifen richtig erkannte. Inzwisehen ist die Kolloidehemie der Seifen dureh zahlreiche Untersueher, namentlich Goldschmidt 4) und seine Schiller, LeimdOr/er ~) und ganz neuerdings Martin, H. Fi.scher ~) sehr ausffihrlieh erforseht worden, so daft wir heute schon ein recht klares Bild fiber die Vorgiinge bei der Seifenherstellung und vor allen Dingen fiber das Wesen der Seifenzusammensetzungen haben. Man unterseheidet bekanntlieh vor allen Dingen zwischen Natron- seifen und Kaliseifen. Die letzteren, die sog. Schmierseifen, unter- seheiden sich durch eine weiehere schmierige BesehMfenheit wesentlich yon den mehr oder weniger harten Natronseifen. Medizinische Seifen werden wohl fast aussehlieBlieh aus Nratronseifen hergestellt. Wi~hrend man frfiher zur Gewinnung yon Seifen einfach die mehr oder weniger gereinigten Fette dureh Koehen mit starken Basen zur Verseifung braehte, wobei sieh Glycerin und fettsaure Salze der betreffenden Alkalien bildeten, benutzt man jetzt zur Seifengewinnung das sog. Twitchellsehe Verfahren, um die Fette vor der Verseifung zu spMten, und verseift erst dann, nachdem das Glycerin abgeschieden ist, die gewonnenen freien Fettsi~uren mit den Laugen. Es sind vor allen

Über medizinische Seifen

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U b e r m e d i z i n i s c h e Se i fen .

Von H. Kionka.

(Aus dem Pharmakologischen Institut der Univel~i~t Jena.)

(Einffeganqen am 5. Februar 1923.)

3Iedizinische Seifen werden von jeher angewandt, doch ist das Wesen ihrer Wirkung bisher nur wenig erforscht, und es bestehen darfiber vielfach unklaxe Vorstellungen. Wir mfissen unterscheiden zwischen den Wirkungen der Seifen und den Wirkungen, welche yon den in den Seifen als ,,Fiillungsmittel" enthaltenen Substanzen ausgefib~ werde~.

Seifen werden, fuBend auf den Untersuchungen yon ChevreuP), als krystallwasserhaltige normale fettsaure Salze angesehen. Jedoch zeigte es sich bald, daf3 sich Seifen in ihren L6sungen nieht genau so verhalten, wie andere in Wasser gelSste Stoffe, und namentlieh waren es die Ungersuchungen yon Kra//t 2) und seinen Mitarbeitern, welehe Unstimmigkeiten in den Gefrierpunktserniedrigungen und Siedepunkts- erh6hungen bei Seifen naehweisen koimten.

Franz Ho/meister 3) war wohl der erste, der im Jahre 1.888 die kolloide Natur der Seifen richtig erkannte. Inzwisehen ist die Kolloidehemie der Seifen dureh zahlreiche Untersueher, namentlich Goldschmidt 4) und seine Schiller, LeimdOr/er ~) und ganz neuerdings Martin, H. Fi.scher ~) sehr ausffihrlieh erforseht worden, so daft wir heute schon ein recht klares Bild fiber die Vorgiinge bei der Seifenherstellung und vor allen Dingen fiber das Wesen der Seifenzusammensetzungen haben.

Man unterseheidet bekanntlieh vor allen Dingen zwischen Natron- seifen und Kaliseifen. Die letzteren, die sog. Schmierseifen, unter- seheiden sich durch eine weiehere schmierige BesehMfenheit wesentlich yon den mehr oder weniger harten Natronseifen. Medizinische Seifen werden wohl fast aussehlieBlieh aus Nratronseifen hergestellt. Wi~hrend man frfiher zur Gewinnung yon Seifen einfach die mehr oder weniger gereinigten Fette dureh Koehen mit starken Basen zur Verseifung braehte, wobei sieh Glycerin und fettsaure Salze der betreffenden Alkalien bildeten, benutzt man jetzt zur Seifengewinnung das sog. Twitchellsehe Verfahren, um die Fette vor der Verseifung zu spMten, und verseift erst dann, nachdem das Glycerin abgeschieden ist, die gewonnenen freien Fettsi~uren mit den Laugen. Es sind vor allen

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Dingen die h6heren Fetts~iuren, in der gegel Stearin-, PMmitin-, und 01s~ture, die zur Verseifung verwandt werden. Dutch den dann folgenden ,,AussMzungspr0zeg" gewinnt man je nachdem ,,Kernseifen': , ,,ab- geschliffene Seifen", ,,Eschweger Seifen" und andere. Es wiirde zu welt fiihren auf die Einzelheiten dieser Herstellungsmethoden hier welter einzugehen*).

Medizinische Seifen und ebenso Toiletteseifen werden aus den harten Kernseifen, die also m6glichst reine Natronseifen der oben genannten Fetts~uren sind, in der Weise gewonnen, dal~ die Seifenstiieke in sehmale Strei~en versehnitten und diese dann getrocknet werden. Diese getrock- neten Seifenspi~ne werden nachher in verschiedener Weise mit dem betreffenden Arzneistoff oder Geruchsstoff ,,gefiillt". Je nach der Herstellung der als AusgangsmateriM benutzten Kernseiien und je nach dem Fiillungsmittel besitzen die verschiedenen medizinischen Seifen verschiedene physikMisehe und chemische Eigenschaften.

1. LSslichkeit der Seifen in Wasser.

Jede Seife besitzt ein bestimmtes WasserbindungsvermSgen, fiir welches sowohl das metMlische RadikM wie auch die Fetts~ure yon Wichtigkeit ist. Das Wasserbindungsverm6gen n immt nach Fischer 6) bei Seifen, die aus verschiedenen Fetts~uren hergestellt werden, in den hSheren Gliedern einer gegebenen I%eihe zu.

Wenn man Seife in Wasser 16st, so haben wi res mit einem kolloiden System Seife-Wasser zu tun. Es handelt sich dabei stets um eine ultra- mikroskopische Dispersion zweler Stoffe, die gegenseitig ineinander 15slich sind, denn es ist nicht mlr Seife im Wasser 16slich, sondern auch umgekehrt Wasser in Seife. Die feste Kernseife stellt also an sich schon eine kolloide LSsung von Wasser in Seife dar, oder richtiger gesag% da ja ein Teil der Seife in dem in ihr enthMtenem Wasser seiner- seits gel6st ist, eine Dispersion yon Seifenl6sung in Seife. Bei Zunahme der Wasserkonzentration riicken die das Dispersionsmittel bildenden Seifenteilchen welter auseinander, und es entsteht sehlieBlich ein Seffen- gel, das bei noch weiterem Wasserzusatz schliel~lich tibergeht zu einem System: Seife in Wasser, wo Msdann Sei%nteilchen in feiuster Disper- sion in Wasser oder richtiger gesagt., Seifenl6sung sich befinden.

Dieser ProzeB wird in erheblichem Mal~e yon der Temperatur be- einflul]t, und deswegen zeigt eine SeiZe bei der LSsnng im Wasser ein verschiedenes VerhMten bei verschieden hoher Tcmperatur. Es gibt Seifen, welche erst bei Temperaturen nahe der Siedehitze in LSsung

*) Die Angaben iiber technische Einzelheiten der Seifenherstellung verdanke ich der Firma Obermeyer & Co., G. m. b. H. Hun~u (MMn), yon welcher mir fiir meine Untersuchungen auch fertige Seifen und Zwisehenprodukte, die bei de~ HersteUung gewonnen werden, liebei~swiirdigerweise zur Verfiigung gestellt wurden,

Lrber medizinische Seifen. 377

gehen, w/ihrend andere Seifen schon bei niederen Temperaturen voll- sti~ndige LSsungen im Wasser geben. Ytir den praktischen Gebrauch unterscheidet man daher Heil3wasser- und K~ltwasser-Seifen. Wir werden yon einer medizinisehen Seife, die auf der Haut zur Anwendung kommen soll, verlangen miissen, dag sie sehon bei einer Temperatur in L6sung geht, welche f/Jr die Haut noeh nieht sehgdigend ist.

Diese Vorggnge werden aber, wie wir unten sehen werden, dutch d~s ~iillungsmittel der Seife beeinflugt. Bei medizinischen Seifen spielt als maBgebend fiir die physikalischen Vorg~nge bei der L6sung z .B . die Anwesenheit anderer kol]oider Stoffe eine Rolle, vor allem abet sind in der Seife enthaltene Elektrolyte von erheblichem Einflul3 auf die Vorg~nge der Gelbildung und der LSsung.

Die L6sung einer Seife im ~Vasser ist iiberhaupt kein eir~f~cher ProzeB. Wenn man Seife in Wasser 15st, so sieht man zun~chst ein Gallertigwerden der Seife und eine Verteilung der gebildeten Gal]erte unter Schlierenbildung. Bei den ftir uns nur in Frage kommenden Seifen der h5heren, ges/~ttigten, festen Fetts/iuren t r i t t nur bei sehr hoher Tem- peratur eine mehr oder weniger Mare LSsung ein. Bei niederen Tempera- turen entsteht vielmehr eine ,,ttydrolyse" der Seife, wobei in kaltem Wasser unl6sliehe saure Seife abgesehieden wird. 5Ian sieht diese in solchen LSsungen hls kleine, ziemlich fest erscheinende, weil3e Flocken sieh zu Boden setzen. Dieser Vorgang ist dureh die Anwesenheit des Wassers selbst bedingt. Dureh Wasseraufnahme tr i t t eine Sp~ltung der Seife ein in freies Alkali und freie Fetts~ture, und letztere vereinigt sich sodann mit einem zweiten ~olekiil noch unzersetzter Seife zu einem sauren Salz.

Dieser L6sungsvorgang wird nach dem oben Gesagten bei den ver- schiedenen Seifen in verschiedener Weise verlaufen, und da derseibe yon Wichtigkeit ist fiir die Wirkungen der Seife, verglieh ieh die L5slieh- keit einer Reihe yon Seffen untereinander.

Zu diesen vergleiehenden Untersuehungen sowie zu den anderen in Folgendem mitgeteilten Versuehen wurden stets dieselben Seifen- arten benutzt.

]~s mugte fiir meine Untersuchungen yon besonderem Wer~ sein, das ehemisehe oder physikalische Verhalten versehiedenen Einflfissen gegeniiber vergleichend bei Seifen feststellen zu kSnnen, yon denen mir ihre Zusammensetzung genau bek~nnt war. Deswegen benutzte ieh in erster Linie dazu einige Seifen, die mir yon der Firma Obermeyer & Co., G. m. b. It. Hanau (Main) zur Verfiigung gestel]t waren, und die sich voneinander nut dutch das Fehlen oder Vorhandensein eines be- st immten Zusatzes unterschieden. Es waren dies: getroeknete Seifen- spine (1), d. h. in Streifen zersehnittene besonders rein hergestellte Kern- seife, und zwei aus diesem Ausgangsmaterial dureh Zusatz yon ver- sehiedenen ~engen eines Pflanzenextraktes hergestellte medizinische

Archly f, Dermatologie u. Syphilis. Bd. It3. 25

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Seifen, die sog. ,,Herba-Seifen" (3, 4). Es wurden ferner zum Vergleieh zu den Untersuehungen herangezogen eine aus dem Handel genommene gewShnlich e Waschkernseife (2), aul~erdem noeh als Vertreter einiger anderer Typen medizinischer Seifen solehe mit besonders wirksamen pharmakologischen Zusi~tzen: eine Minera]salz- (5), eine Iehthyol- (6) und eine Sehwefelseife (7). Leider standen mir fiir diese dem Handel ent- nommene Seifen nieht die entsprechenden Ausgangsprodukte zum Ver- gteieh zur Verfiigung.

Zun~ehst wurden LSsungsversuehe dieser Seifen bei Zimmertem- peratur (20 ~ C) angestellt, Und die Seifen hierzu in ganz g]eiehgrol~en und gleiehweiten Reagensgli~sern in Konzentrationen yon 1--8% jedes- real mit der gleichen Menge Wasser angesetzt. Nach 24stiindigem Stehen wurde die LSsung gepriift. Dabei zeigte sich in den meisten F~llen, dall sieh am Boden in der Kuppe des l~eagensglases eine verSehieden hohe, weille, ungelSste Seifenschicht - - wahrseheinlieh in der tlauptsaehe aus sauren fettsauren Salzen bestehend (siehe oben) - - abgesetzt hatte. Die darfiber stehende Fliissigkeit war bl~iulich opalescierend~ in einigen Fallen gelb oder br~iunlich gefiirbt.

Bei manehen Seifen zeigte diese tiberstehende, w~sserige LSsung eine beginnende Gelierung.

Da diese Versuche s~mtlich in ganz gleiehgrol~en mid gleichgeformten Reagensgl~sern vorgenommen wurden, so konnte die ttShe der am Be- den abgesetzten Seifenschicht ein direktes Mall ftir die L6sung der Seife im Wasser abgeben. Die betreffenden Zahlen sind auf der folgen- den Tabelle eingetragen. Jedoeh ist dabei zu bemerken, dab die Aus- flockung bei den versehiedenen Seifen eine verschiedene war, teils fester, tells lockerer, so dall ein Vergleieh der versehiedenen Seifen untereinander nieht ohne weiteres statthaf~ ist.

Bei Zimmertemperatur blieben yon den Seifen 1--7 in 1--8proz. LSsung ungelSst: Seife Nr. 1 2 3 4 5 6 7

1% / 0,6 o,6 o,7 1,~ o,4 o,4 1 , :5[r

2,, 1,o 1,p_6 1,_2_2 i,s 1,1 3 ,, 1,0 1,5 1,0

1,4 - - - ~ - - 1 1 ~ 2,1 4,, o,6 2,~, 3,o I , ,

6 ,, 1,6 1,8

1,8 2,2 7 , , - ,V,U

Uber medizinische Seifen. 379

Im einzelnen zeigte sieh noch folgendes: 1. Getrooknete Spine: Keines der RShrehen zeigte vSllige L6sung, Der fiber

dem Bodensatz stehende R6hreheninhalt el~cheint durchweg bl~ulich opMes- cierend, von 3% an mit deutlieh gelbliehem Schein. In allen 8 Konzentrationen sehwaehe Gelie~ang.

2. Kernseife: Nirgends vSllige L6sung. Durehweg sehwaehe Geliernng. Die 1 und 2 proz. L6sung erseheint fast durehsiehtig bli~ulieh. Yon 3~o an trJtt eir~ gelber Ton zunehmend, in der 7 und 8 proz. L6sung ein beinahe bri~unlieher Ton in der opaleseierenden LSsung auf.

3. Obermeyers Medizinal-Herbaseife extra stark: Nirgends v611ige L6sung, durehweg sehwaehe Gelierung. 1--3~ blitulieh opaleseierend, yon 4o/0 an milehig- weiB gegrfibt.

4. Obermeyers Nedizinal-Herbaseife normal stark: Nirgends vSllige L6sung der Seife, yon weleher besonders in der 1 und 2 proz. L6sung ungel6ste Teilehen herumsehwimmen; durehweg sehwaehe Gelierung, und bl~uliehe Ol0aleseenz.

5. Mineralsalzseife: Nirgends v611ige L6sung, durehweg sehwaehe Gelierung. I--3 proz. bl&ulieh opaleseierend, yon 4~ an milehig-weiB, bei 80/o ist das ganze Glas mit einer milehigen floekigen Masse erffillt, aus der sieh kein :Bodensatz abzusetzen scheint.

6. Iehthyolseife: Nirgends v611ige L6sung, durehweg schwache Gelierang. 1 und 2proz. gelbbraun-trfibe, yon 3% an br~unlieh undurehsichtig; es ist ein deutlieh abgesetzter Bodensatz nieht mehr zu erkennen.

7. Sehwefelseife: Nirgends v611ige L6sung, durchweg nur sehr schwaehe Gelierung. 1--3% durehscheinend, yon 4~o an undurehsichtig gelb bis braunlieh, jedoch ist der Bodensatz gut differenziert.

Aus diesen Beobachtungen kann man folgende SehliJsse ziehen: Die getroekneten Spine und die Kernseife verhalten sich, in Bezug

auf L6slichkeit ziemlich gleich. Die beiden Obermeyerschen Herba- Seifen, bei denen der Seife erhebliche Mengen vegetabiliseher Extrakte , also pflanzliche kolloide Stoffe sehleimiger Art, "zugefiihrt sind, unter- scheiden sich in ihrer LSsliehkeit seheinbar so, dab die extra-starke, also kol]oidreichere Seif6 besser ]Sslich ist als die normale ko l lo ida rme . Wie jedoch der Augenschein zeigte, ist die Ausfloekung bei letzteterr_ Seife eine viel loekerere, so dal3 man auf die gemessenen grol3en Unt~er~ schiede in der H6he des Bodensatzes nieht allzuviel geben daft ,

Die ~ineralsalzseife verh~lt sich ganz anders als die ersten 4 Seifem Es entsteht sehon yon 4% an in den LSsungen eine floekige milehige Triibung, welehe die LSsungen, ohne sic zu gelieren, undurehsichtig maeht.

Dasselbe ist der ~all bei der Ichthyolseife, deren LSsungen den Eindruek machen, als wenn das zugesetzte Iehthyol zur Ausscheidung, k~me.

Die Schwefelseife zeigt bei weitem die schleehteste L6slichkeig~ dabei ist sie in den h6heren Konzentrat ionen in den L6sungen ebelffalls undurehsiehtig.

Je naeh der Zusammensetzung der Seife bieten also die L6sunger~ ein ganz versehiedenartiges Aussehen.

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380 H. Kionka:

Ebenso zeigt sich Gin groller Unterschied in den LSsungen dieser SeifGn, dig bei gleieher Konzentration im Wasserbade bis auf 100 ~ e r h i t z t und nachher allmihlich auf Zimmertemperatur abgekiihlt wurdGn.

Zuniichst gingen si~mtliehe Seifen in der KonzGntratlon yon 1--8~o i n der I-Iitze in LSsungen, die zum Teil klar, zum Tell milchig und undurehsiehtig waren. Bei der Abkfihlung t ra t in den meisten F~i]]en vollstiindige Ge]ierung tin, so dab diese SeifenlSsungen nachher bei ZimmertempGratur ein ganz anderes Bild zeigten, uls die oben bespro- ehenen LSsungen derselben Seifen in denselben Konzentrationen, welehe 24 Stunden lang gleichbleibend bei Zimmertemperatur gehalten waren.

Im einzelnen ergab sich folgendes" 1. Getrocknete Spine: 1--5% v611ig klare L6sung, yon 6% an unldar; nach

dem E~kalten durchweg v6Uige Gdierung. 2. Kernseife: Durchweg vSllig klare L6sung und Gelierung nach dem Erkalten. 3. Obermeyers 1Kerbaseife extra stark: Stets milehig-weiBe LSsung, die naeh

dem Erkalten e~st yon 3% an zu gelieren beginnt.. Erst yon 6% an wircl die Gelierung vollstindig. Von 4~ an zeigt sich nach dem Erkalten am Boden eine weniger durehsiehtige Sehieht, die mit stgrkerer Konzentration gr61~er und diehter wird.

4. Obermeyers Herbaseife normal stark. Durchweg undurchsichtige weille L6sung, naeh dem Erkalten v611ige Gelierung.

5. ~{inemlsalzseife: Durehweg klare L6sung, die abet naeh dem Erkalten nieht geliert. Von 2% an entsteht nach dem Erkalten in den klaren L6sungen ein Bodens~tz.

6. Iehthyolseife: Durehweg klare L6sung yon brauner Farbe mit gelbem Bodensatz. Nach dem Erkalten erst yon 3% an v6Uige Gelierung.

7. Sehwefelseife: Durehweg ldare gelbgef~rbte L6sung mit weiBem Bodensatz, naeh dem Erkalten ersf yon 3% an v611ige Gelierung.

Der Unterschied der Seifen in heili hergestelltGn oder in kalt her- gestellten LSsungen ist ~uffallend. Es f i l l t besonders auf, dal~, wo iibGrhaupt, eine v611ige Ge]ierung nur nach LSsung ~n der Hitze eintritt. Wir k6nnen sehon jetzt den SchluIl da raus ziehGn, dal~ H~utseifen, bei dGnen, wit wir unten sehen werden, das GelierungsvermSgen yon Wichtigkeit ist, in der Regel mit heil~em Wasser zur Anwendung kern- men miissen. Auff~llend ist alas Verhalten der Mineralsalzseffe, bei we]chef der starke GGhalt an Elektrolyten offensiehtlieh die GeliGrung verhindernd wirkt, Aueh der Zusatz yon grol~en Mengen Ko]loiden, wie in der extrastarken tierbaseife und in der Iehthyolseife ersehwert sichtlieh die GGliGrung. Bei den beidGn letztgenannten Seifen sowie bei dGr Mineralsalzseifen fallen aus den LSsungen, wenn dureh I-Iitze ~lle Fiillmittel der Seife in LSsung gebraeht wurden, diese beim Erkalten derselben wiedGr ~us. Auch digs ist yon Bedeutung fiir die Wirkungen dieser Seifen auI der Haut.

Lrber medizimsche Seifen. 381:

2. Reaktion der Sei/en. Rein hergestellte Seifen sind mehr oder weniger reine Neutralseifen.

Ffir medizinische Seifen wird yon jeher ein groBer Wert hierauf gelegt; well sowohl durch eine st~trkere ~lkalisehe wie sam'e Reaktion eine l%eizung der Haut gesehehen kann. Es sind abet bei Seifen je naeh ihrer gerstellungs~r~ ~lle drei Reaktionen z. B. gegen Phenolphthalin mSg- lich. Dies h~ngt in der H~uptsaehe yon dem Wassergehalt des Systems Seife-~Tasser ab.

Die Re~ktion eines Seifenstiiekes Pheno]phthalein gegeniiber ver- ~nder~ sich auch. :Betupft man ein Stiick reiner Kernseife oder guter Toi]etteseife mit einem Tropien Phenolphth~lein]Ssung, so tritt zun~chst keine Rotfgrbung ein. Naeh einiger Zeit fangt aber der Tropfen an sich sehwach zu rSten, namentlieh wenn man die vielleieht etwas weiehe Seife pre•t. Die Rotf~rbung n~mmt immer mehr zu und schliel~lich besteht eine starke positive Reaktion.

Dieselbe kann man abet sofoi~ erzielen, wenn man zu der Indikator- 16sung au~ der Seife ein [[u Wasser gibt.

Wie ist dieser Vorgang zu erklaren ? Wie wir oben gesehen h~ben, stellt feste Seife eine kolloide LSsnng yon Wasser bzw. SeifenlSsung in Seife dar. In dieser dispergierten SeifenlSsung im Seifenstfick ist die Seife nach dem oben Gesehilderten hydrolisiert, und es befinden sieh freie OH-Ionen neben den Molekfilen saurer fettsauer Salze. Je nach dem Wsssergehalt der Seife wird nun eine grS~ere oder kleinere ~enge yon O~-Ionen mit Phenolphthalein an der Seifenoberf]~che in Beriihrung kommen und den Indikator dementspreehend schneller oder langsamer fgrben. Durch Wasserzusatz tri t t dieser Prozel3 naturgemgl] schneHer ein. Man sieht ~uch an frisehen Schnittflgchen, da diese noeh nieht so ausgetroeknet sind wie die Oberfl~chen des Seifenstiicks, den Vorgang meist sieh sehneller entwiekeln.

An den oben besprochenen 7 Sorten Seifen wurde diese Priifung vorgenommen. Zun~chst zeigte sich auf keiner tier Seffen eine Rot- f~rbung. Nach 3 ~in. begann diese]be bei den beiden Herbaseifen, nach 4 Min. bei den trocknen Seifensp~nen. ~ Bei den iibrigen Seifen trat sie nieht ein, jedoeh sofort nach Zusatz eines Tropfen Wassers. Nur die )[inera]salzseife und Ichthyo]seife zeigten auch jetzt keine Rotf~.rbung des Indikators.

Diese Untersehiede im Verhalten sind, wie gesagt, zum Tell durch den verschiedenen Wassergehalt der Seifen zu erkl~ren. Um diesen EinfluB ~uszusehalten, wurden l~roben angestellt mit diinnen L~smlgen dieser Seifen. Es warden 0,5proz. L5sungen mit einem Tropfen Phenol- phthalein versetzt. Bei der normalen Herbaseife und der Ichthyolseife trot sofort, bei den Sp~nen und der extra starken Herbaseife nach einigen ~inuten Rotf~rbung ~u~, die besonders bei Umschfitteln der

b) bei ~c) bei ~d) bei

B82 U. Kionk~ :

LSsung deutlich wird. Sie bleibt abcr vollkommen aus bei der Kern- seife, der MinerMsMzseife und dcr Schwefelseife, erfolgt bei diesen auch nieht nach Zusatz yon 2 weiteren Tropfen PhenolphthMein.

Diese drei letztgenannten Proben wurden darauf im Wasserbade erhitzt . Bei 60 ~ begannen Kernseife und Schwefelseife sieh intensiv r o t zu f~rben. Bei der MinerMsMzseife begann diese Verf~rbung erst bei 80 ~ and stieg nut ganz sehwach.

Man sieht also aus diesen Versuchen, dM~ neben dem WassergehMt ~uch die LSslichkeit der betreffenden Seife yon Bedeutung ist dafiir, ob sich bei L6sungen best immten Grades eine mehr oder weniger starke MkMische Rcaktion zeigt.

Besonders auffMlend war der Untersehied im VerhMten gegenfiber PhenolphthMein als Indikator bei den getrockneten Seifensp~nen und den beiden Herbaseifen, welch letztere doch, wie oben gesagt, aus solchen Sp~nen hergestellt waren: Es wurde daher durch Titrat ion yon 10 cem 1 proz. LSsungen einmM gegeniiber PhenolphthMein die Ireie, zum zweiten gegeniiber Methylorange als Indikator die freie und ge- bundene AlkMeseenz festgestellt. Zum Vergleieh gesehah dies aueh mi t einer l proz. LSsung der zu diesen Versuchen benutzten Kernseife. Es ergab sich folgender Befund:

1. Freie AlkMescenz: PhenolphthMein Ms Indicator. % HC1-Verbrauch

~) bei getrookneten Sp~nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,2 ccm normMer Obermeyers tterbaseife . . . . . . . . . . . . . . . . 1,2 ccm extra starker Obermeyers Herbaseife . . . . . . . . . . . . . 0,9 ccm Kernseife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0,9 ccm

2. Freie und gebundene Alkalescenz: Methylorange Ms Indicator. ~) bei getrockneten Spgnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4,0 ccm b) bei normMer Obermeyers Herbaseife . . . . . . . . . . . . . . . 4,0 corn c) bei extra starker Obermeyers I-Ierbaseife . . . . . . . . . . . 3,7 ccm *l) bei Kernseife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6,8 ccm

Die Kernseife enthF~lt Mso .erheblich mehr gebundenes~ Alkali Ms die drei anderen Seifen. Dies ist offenbar dureh den AussMzungslorozeB zu erkl~ren, durch den die aus dem Handel entnommene Kernseife gewolmen war, und der in anderer Weise durchgeffihrt war, Ms bei den besonders sorgf~ltig hergestellten drei anderen Seifen. Eine solehe s t a r k sodahMtige Seife wiirde keine brauehbare Grundlage ffir eine medizinische oder Toiletteseife abgeben.

Von Interesse in therapeutischer Hinsicht ist es auch, dM~ durch den Zusatz der Kr~tuterextrakte die urspriingliche geringe AlkMescenz der Ausgangsseife (getrocknete Spine) bei der fertigen Herbaseife herab- gedriickt wird.

Uber medizinische Seifen. 383

3. Schaumbildung der Sei/en. Schaum is t e ine Ver te i lung yon Gas in Fl i i ss igkei t . W e n n m a n Seifen

in Wasser 15st und umschf i t te l t , so en t s t eh t bekann t l i ch e in Schaum yon versch iedener Menge und verschiedener Ha l tba rke i r N a n m u g un te rsche iden zwischen Schaumbi ldung und Schaumha l t igke i t . Auch le tz te re is t yon groger W i c h t i g k e i t fiir d ie therapeut~sche ~Tirkung der Seifen. ~ u n dai~ die Schaumbi ldung wohl ident i f iz ie ren m i t der Emuls ionskra f t . Diese i s t wiederum abh~ngig yon dem hydroph i l en und kol lo iden Cha rak te r der Seifen. D~s Wasse rb indungsve rm5gen der Seifen i s t also yon Wich t igke i t . Dieses i s t verschieden je nach der Zusammense tzung der Seifen. So b i lden z. B. Seifen n iedr igerer F e t t - s~uren bloBe L6sungen in ~rasser, zeigen keine hydroph i l en Eigenschaf- t en und sch~umen daher n icht , aber auch Seifen hSherer :Fetts~uren sch~umen m a n c h m a l n icht , well sic zu schwer 16slich sind, und daher nu t zu wenig yon ihnen in LSsung geht . Da die Tempera tu r , wie oben gezeigt , auf die LSsl ichkei t der Seifen yon Einf lu~ is~, is t sie es auch auf die Schaumbi ldung . Ebenso k a n n auch das , ,F i i l lungsmi t t e ] " die Schaum- b i ldung und v e t a l len Dingen die S c h a u m h a l t u n g s t a rk beeinflussen.

U m den EinfluB des l e t z tgenann ten F a k t o r s auf das Verha l ten der Schaumbi ldung und Schaumha l tung zu beobachten , wurden yon mi r ge t rockne te Seifensp~ne und die aus demselben Mate r ia l gewonnene e x t r a s t a r k e Herbase i fc gepri if t .

Es wurden j edesmal 5 • ccm einer 1 proz. LSsung der be t re f fenden Seife in ganz gieich grogen und wei ten t~eagensgI~sern 1/2 Min. lang geschi i t te l t , durauf d ie H6he des i ibers tehenden Schaumes gemessen und durch in b e s t i m m t e n Zwischenri~umen wiederhol te Messungen der SchaumabfM1 festgeste l lL

Dabei ergab sieh folgendes: Die LSsungen der getroekneten Sei~ensp~ne

ergaben im Durchsehnitt . . . . . . . . . . . . . . . Schaum Nach 5 Minuten war noeh vorhanden . . . . . . . . . . .

,, 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . ,,

,, 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . ,, ,, 210 . . . . . . . . . . . . . . . . . ,, ,, 360 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,, 24 Sturtden ist der ganze Schaum verschwunden.

Die LSsungen der extra starken Obermeyerschen Herbaseife ergaben im Durchsehnitt . . . . . . . . . . . . . . . Schaum Nach 15 Minuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

,, 60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,, 210 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,, 360 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,,

24 Stunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , Erst nach 48 Stunden ist der ganze Schaum versehwunden.

19,6 ccm 19,1 ccm 18,8 ccm 17,3 ccm 12,1 ccm

7,9 ccm 3,9 cem

21,0 ccm 20,5 ccm 19,2 cem 15,8 ccm 12,1 cem 8,7 ecru

381 H : Kionka:

Der Schaum f~llt also bei beiden Seifen nut sehr langsam ab, und h~lt sieh namentlieh bei der extra starken Herbaseife aul~erordentlich lange. Der hohe KolloidgehMt derselben verleiht also der Seife eine hShere SehaumhMtigkeit, die wohl durch die vermehrte Emuls~onskraft bedingt ist.

4. Die reinigende und desin]izierende Wirkung der Sei]en. Diese Wirkungen sind yon allen den bisher besprochenen Eigen-

schaften der Seifen abhi~ngig. Die desinfizierende W~rkung der Seifen deckt sieh zum grol~en Teil mit ihrer reinigenden Wirkung. Diese glaubte man frfiher dem Freiwerden yon AlkMi bei AufiSsung der Seifen in Wasser zuschreiben zu mfissen. Diese Ausicht ist jetzt fast voll- kommen verlassen. Wir miissen abet bedenken, dM.~ erfahrungsgem~[t selbst welches Wasser, dutch Zusatz yon Natriumcarbonat oder Borax Mkalisch gemaeht, besser zum W~schen brauchbar ist als Wasser a.llein. Andererseits kann aber das Alkali Mlein nicht die Haupt.rolle beim Reinigungsprozel~ spielen, denn gerade solche Seifen, die bei der Hydro- lyse am meisten freies Alkali abspalten, wie die Seifen der hSchsten ~etts~uren, sind oft recht schlechte Waschmittel. Hingegen kSnnen Seifen, welche bei ihrer Verwendung nur ganz wenig alkMisch, fast streng neutral reagieren, yon ideal reinigender Wirkung sein. Man muff vielmehr wohl eine ParMlele ziehen mit der Fi~higkeit der Seife Sch~tume zu bilden und emulgierend zu wirken. Es wiirde also auf das Emulsions- verm6gen der SeifenlSsungen hinauskommen, welches eine Funktion der Oberfli~chenspannung ist und unmittelbar nichts mit dem bei der 1-Iydrolyse abgespMtenem Alkali zu tun hat. Im Sinne dieser Theorie wirkt die Seife Mso n~ch Art eines Schmiermittels, indem sie die Ad- hesion zwischen dem Reinigungsobjekt und den darauf haftenden Verunreinigungen vermindert und dureh Emulsion eine Entfernung der Schmutzteflchen bewirkt. Die fettsauren Salze, die ~ in Seifen- 15sungen, wie sie beim Waschen auch au~ die t tau t einwirken, in ~ui~ersr feiner Dispersion enthalten sind, besitzen ebenso wie die fettsauren Giyeeride, d .h . die Yette, die Eigenschaft sieh auf anderen KSrpern capillar auszubreiten und sie zu benetzen, und fremde Substanzen, die auf ihnen haften, ohne mechanische Kraf t oder chemisehe Einwir- kung, lediglich bei tier Beriihrung mit dem veru~reinigten KSrper zu verdr~ngen, Die Adhesion, welche die vorhandene Verunreinigung mit dem I~einigungsmittel verbindet, ist grSl~er, als diejenige, welche his dahin zwischen dem Reinigungsobjekt und der Verunreinigung bestanden hat, und ~uch grS~er Ms die Koh~sion der SeifenlSsung selbst. Je grSgter die W~sserlSslichkeit einer Seife ist, in umso feinerer Vertei- lung sind d ie fettsauren SMze in den zur Anwendung kommenden L6sungen enthMten, und die reinigende Wirkung wird noeh um so

Uber medizinische Seifen~ 385

grSBer sein, wenn der SeifenlSsung infolge des hydrophilen und kolloi- den Charakters der betreffenden Seife eine besonders grebe Seh~um- f~higkeit und SehaumhMtigkeit zukommt.

Wenn nach dem bisher Gesagten die ttydrolyse der Seife in dem Sinne, dal~ dureh sie Alkali frei wird, ffir die reinigende und desinfizie- rende Wirkung der SeifenlSsung nut yon untergeordneter ~edeutung ist, so kommt ihr andererseits vielleieht ein gewisser Wert zu, da die bei diesem Vorgang entstehenden sauren fettsauren SMze Ms in der SeifenlSsung sehwer 15sliehe, ~uBerst rein dispergierte fettartige Sub- stanzen selbst reinigende Kraft besitzen. Man kann sieh denken, dM~ die w~sserige SeifenlSsung selbst lediglieh die aus der l~ettsubstanz und den Sohmutzstoffen gebildete Emulsion yon dem l%einigungs- objekt entfernt.

Alle diese Uberlegungen sind anzustellen, wenn man eine Vorstellung fiber das Wesen der desinfizierenden Wirkung der Seifen gewinnen will. Uber die Desinfektionskraft der Seifen ist auBerordentlieh viel gearbeitet worden. Besonders sind die Untersuchungen yon Reichenbach ~) yon grol~em Weft fiir die Kenntnis dieser Wirkungen geworden. I)anach scheint eine Seife eine umso hShere I)esinfektionskraft zn besitzen je starker sie in w~sseriger L6sung hydro]ysiert wird. Es zeigte sieh n~mlieh, dal~ die Deslnfektionswirkung der fettsauren AlkMien ent- spreehend der hydrolytisehen Sl0Mtung mit verringertem ~Ioleknlar- gewioht der Fetts~ure abnimmt. Ferner sinkt die Desinfektionskraft einer SeifenlSsung bei zunehmender Verdiirmung nioht in entsioreohendem ~M]e. ]:)as l~Bt sieh erklgren, da die ttydrolyse einer SeifenlSsung mit s~eigender Verdiinnung zunimmt, die relative zunahme der S10alt- produkte also bei der Desinfektion die Verdiinnungswirkung aufhebt.

Wir mfissen also annehmen, dab die Desinfektionskraft der Seifen auf der Wirkung der bei der Hydrolyse entstehenden sauren fettsauren Salze beruht die, wie ~eichenbach ~) zeigen konnte, dureh die Wirkung der gleiehzeitig freiwerdenden AIkMimengen erheblieh verst~rkt wird. Es tritt nieht nur eine Addition, sondern eine Potenzierung der Desin- fektionskraft ein.

Ganz besonders ist zu beriicksiehtigen, dab die sauren fettsauren Salze in erheblichem MM~e lipoidlSslieh sind und daher leieht und sehnell in Affinitttt zu den Lipoiden der Bakterienzelle treten k6nnen.

Abet die mechanische Entfernung tier Keime yon der Haut ist wohl bei der Seifenwirkung wichtiger Ms die direkten keimtStenden Eigenschaften der betreffenden Seifen. Letztere kann man wohl er- h5hen, wenn man, wie es in vielen medizinischen Seiien der Fall ist, der Seife besonders starkwirkende Desinfektionsmittel zusetzt. Be- dingung dabei ist nur, dab dieses ~it tel auch in gugerst feiner Ver- teilung bei der LSsung der Seife auf der I-Iaut in Wirkung tritt, bzw.

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wenn es unlSslich ist, zur Ausf~llung auf der Haut gebraeht wird. Da as sich bei den nunmehr entstehenden Desinfektionswirkungen der in der Seife enthaltenen Desinfizienten stets um Oberfli~chenwirkungen handelt, so wird die Desinfektionskraft eine besonders hohe sein, wenn die betreffenden wirksamen Stoffe in der Seife und deren LSsungen in kolloidem Zustande feinst dispergiert sind.

Einen solchen Zustand diirfen wir unter den 7 yon mir untersuehten Seifen fiir die Substanzen der in der Seife enthaltenen Pflanzenextrakte bei der Herbaseife annehmen. Ich priffte daher in Desinfektionsver- suehen die desin/izierende Kraf t der extra starken Obermeyersehen ]-Ierbaseife im Vergleich zu ihrem Ausgangsmaterial, den getrockneten Seifensp~nen.

Im einzelnen ergaben diese Versuche folgendes: Die entwicklungshemmende Wirkung auf Staphylokokken, die in der be-

karmten Weise gepriift wurde, war bei den getrockneten Seifensp~nen, also dem Ausgangsmaterial der Herbaseife, nur sehr gering, Sie zeigte sich in einer 1 proz. LSsung erst nach 60 Minuten langer Einwirkung. Im Gegensatz dazu war derselbe Effekt dutch eine I proz. LSsung der starken Herbaseife schon nach 5 Minuten zu erzielen. Die Wirkung nahm mit der Konzentrat~on und mit der Dauer der Einwirkung nattirlich zu. Sie wurde jedoch bei 3 proz. LSsungen wieder geringer. Der Grund hierfiir war in dem Umstand zu suchen, dal~ LSsungen yon dieser Konzentration nach langerem Stehen bereits teilweise Gelierung zeigen, wodurch nattirlich die Einwirkung auf die in der LSsung verteilten Bakterienzellen stark beeintrgehtigt wird.

...... Wir sehen aus diesen Versuchen, daf~ tatsgchlich der Gehalt an Pflanzenextrakten der Herbaseife gegeniiber ihrer Seifengrundlage eine erhShte Desinfektionskraft verleiht. Da entspreehende Versuche, die mi t den Pflanzenextrakten selbst angestellt wurden, jede keim- tStende oder entwieklungshemmende Wirkung derselben vermissen lieSen, so mu$ man annehmen, da$ aueh hier eine Potenzierung der Wirkung zustande kommt, Vielleieht dutch den Einflul~ der zugesetzten Kolloide auf den Dispersi t~tsgrad in dem System Seife-SeifenlSsung.

5. Die Vertriiglichkeit der Sei]en. Fiir medizinische Seifen spielt ihre Vertr~g]ichkeit fiir eine gesunde

und kranke Hau t fiir die Praxis eine grol]e Rolle. Wit wissen, dal~ ,,schlechte Seifen" mannigfache Gesundheitssch~digungen auf der Hau t oder yon der Haut aus herbeifiihren kSnnen. Wir linden aber auch h~ufig Individuen, die fiberhaupt Seife, besonders im Gesieht, schleeht vertragen und mi t I~eaktionserseheinungen auI ihren Gebrauch antworten. Dureh viele Hautkrankhei ten oder nach ~berstehung soleher, gelegentlich auch naeh l~ngeren die Hau t treffenden therapeutischen Prozeduren, besitzt die Hau t nicht mehr die normale Widerstandskraft, so dal] es fiir eine therapeutisch anzuwendende Seife yon grSSter Wiehtigkeit ist, da$ sie auch von einer empfindliehen Haut gut vertragen wird.

Uber medizinische Seifen. 387

Wir haben oben gesehen, dal] die reinigende und die desinfizierende Wirkung sich bei den Seifen zum grol~en Tell deeken. Man mu$ die MSgliehkeit haben, bei der t~glichen Waschung an allen KSrperstellen Seife verwenden zu kSnnen, ohne fiirchten zu mfissen, dadurch eine zu starke Reizwirkung auf die Haut auszuiiben. Dies ist eine wichtige hygienische Forderung, die aber nur bei Gebrauch gut vertr~glicher Seifen erftillt werden kann. Von Seiten der Haut~rzte hat man daher schon immer auf diese Eigensehaft groi3es Gewicht gelegt und dutch alle mSgliche Mal~nahmen versucht Seifen besonders gut vertr~glich zu machen, ieh erinnere nur an die bekarmten ,,iiberfetteten Seifen" naeh Unna und die ,,Eiweil~- bzw. Caseinseifen".

Etwas Khnliches wird auch yon der Obermeyersehen Herbaseife �9 behauptet*), und naeh den obigen Versuchen, die doeh einen deutlichen EinfluB der in dieser Seife enthaltenen pflanzliehen Ko]loide auf die Sehaumhaltigkeit und, wie wir zuletzt gesehen haben, aueh auf die Desinfektionskraft ausfiben, erscheint das woh] mSglich. Ich priifte daher die Herbaseife (extra stark) im Vergleieh zu ihrem Ausgangs- material, den getroekneten Seifensp~nen, auf ihre l~eizwirkungen. Es warde das bekannte Objekt der Konjunkt iva des Kaninehenauges gew~hlt:

0,005 proz. LSsungen beider Seifen waren noch v511ig reiz]os. 0,01proz. LSsungen der getrockneten Sp/~ne erzeug~e bereits ein leichtes

Tr/~nen des Auges, w~hrend dieselbe Konzentration der L6sung der fertigen Seife noch nicht reizte.

Auch die 0,05 proz. L6sung der letzteren reizte das Auge noch nicht, w/ihrend diese Konzentration einer LSsung der Ausgangsseife nach 10 Minuten leichte t~6tung hervorrief, die etwa 30 Minuten anhielt.

Diese ]etztgenarmte Konzentration ist also fiir die LOsungen der getrockneSen Seifenspane als Schwellenwert zu bezeiehnen. Mit steigender Konzentration nimmt die ~qrkung an Intensit/~t und Dauer zu.

Im Gegensatz dazu ist der Schwellenwert fiir die fertige extra starke Herba- seife auf etwa 0,4% festgestellt.

Es besteht also in der Herbaseife eine bedeutende Verminderung der Reizwirkung gegeniiber der sehr empfindlichen gepriiften Schleim- haut.

Weiter wurden Versuche folgender Art angestellt : Wollfi~den yon gleicher St/~rke und L~inge wurden mi t 0,3proz.

L6sungen der Seifensp~ne und der fertigen Herbaseife getr~nkt. Nach- dem diese F~tden sich genfigend vollgesogen hatten, wurden sie einem Kaninehen in eine dutch einen Schnitt dutch die Hau t und die Fascie freigelegte Tasehe eingelegt, der mit der einen Seife getri~nkte Faden an dem einen, der mit der anderen Seife getr~nkte Faden an dem anderen Obersehenkel, und der Sehnitt dutch Naht gesehlossen. Bei verschie- denen, de r a r t i g behandelten Tieren wurden nach 24 und 48 Stunden

�9 ) Siehe C. Siebert (8).

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die l~'~den wieder entfernt. Es zeigten sigh regelmi~gig die F~den mit einer mehr oder weniger dieken Schicht yon grauen, schleimigen, ziehen- den Massen umgeben. Die Wundfli~chen sahen nach 24 Stunden noch vollkommen ungereizt aus. Erst nach 48 Stunden war fiber der Faseie etwas sehmieriger Eiter vorhanden.

Die aus der Wunde entnommenen Fi~den wurden sof0rt, in 70 proz. Alkohol gelegt, am ni~ehsten Tage durch steigenden Alkohol ufid Xylol in Paraffin fiberfiihrt und eingebettet. Sie wurden alsdann mittels des ~ikrotoms gesehnitten und gefi~rbt. Dabei zeigte sieh fiberein- stimmend in allen F~]len in und an den mit Herbaseife getr&nkt gewe- senen ridden eine grSgere Leukocytenansammlung, Ms an den mit gewfhnlicher Seife getr~nkten ]?~den.

~r geht wohl nieht fehl, wenn man diese Erscheinung erkl~rt durch eine chemotaktische Wirkung der pflanzlichen Extraktivstoffe in der HerbaseJfe. Vielleicht dtirfen wir mit dieser aueh die oben ge- schilderte VerstBrkung der Desinfektionskraft dieser Seife gegenfiber ihrem AusgangsmateriM in Zusammenhang bringen. Von Wiehtigkeit ist es aber, dab tro~z dieser Vermehrung der Leukocyten eine makrosko- pisch erkennbare l~eizwirkung, wenigstens innerhMb der ersten 24 Stunden, auch an den Wundfl~chen noch nieht festzustellen war.

Ich habe in Vorstehendem versucht eine Darsteilung zu geben, wie man nach unseren heutigen Kenntnissen, namentlich auf physi- kMiseh-ehemischem Gebiet, eine wissensehaftliche Beurteilung einer medizinischen Seife durchffihren kann. Ich habe gezeigt, daI3 das AusgangsmateriM und dessen Herstellungsart yon grol~er Wichtigkeit ffir das physikMiseh-chemische Verhalten und die Wirkungen der Seife ist, und wie durch die verschiedenen medizinischen Zus~tze Veri~n- derungen in gfinstigem oder auch ungfinstigem Sinne bei Seifen bewirkt werden kSnnen. Ich habe den Vergleich gezogen zwischen dem Ver- hMten yon Seifen ganz verschiedenartiger Zusammensetzung, babe aber im besonderen meine Untersuehungen an den Obermeyerschen Herbaseifen durchgefiihrt. Der Grund hierfiir war ein mehrfaeher. EinmM ist die Herbasei/e eine l~ngst eingeffihrte medizinische Seife yon bekannten therapeutischem Wert. Zweitens stellt diese Seife im Gegensatz zu anderen Arzneiseifen (Mineralsalzseifen, Teerseifen, Schwefelseifen u. a.) einen besonderen Typ yon medizinisehen Seifen dar. Es sind n~mheh die der urspriinglichen Seife zugesetzten pflanzlJchen Extrakte an sieh yon nur untergeordneter pharmakologischer Wirksam- keit, wenigstens wohl in den bei der Verwendung der Seife in Frage kommenden Konzentrationen. Dieselben sind aber andere~seits von EinfluB auf die Wirkungen, welehe der Seife Ms so]che zukommen, d .h . die verschiedenen Eigenschaften der Ursprungsseife, die ich

~s medizinische Seifen. 389

gleichfal ls zu pri ifen die M6gl ichkei t ha t te , werden in versehiedenem Sinne ver i inder t . Dadu rch wird die Gesamtwi rkung der t t e rbase i fe b e s t i m m t : ve rmehr t e Schaumha l t igke i t , ges te iger te Des infek t ionskraf t , chemotak t i sche Wirkung , durch ve rmehr t e Hydro ly se ges te iger te Alkalescenz der Seife, Vergnderung der L6s l ichkei t und des Gelierungs- vermSgens.

Durch alle diese Eigenschaften wird die Vertr~glichkeit der IIerba- seife wesentlich gesteigert, und es k6nnen die erwiinschten reinigenden und desinfizierenden Wirkungen der als Ausgangsmaterial verw~ndten besonders re inen Kernsei fe auf der H a u t bei Verwendung der Obermeyer- schen t I e rbase i fe zur vol len E n t f a l t u n g komme n . Hierin is~ wohI ihr b e k a n n t e r hoher the rapeu t i sche r W e r t begr i indet .

Literatur. 1) Chevreul, Recherches ch6miques sur le corps gras d'origine animal. Paris

1823. - - ~) KraHt, 1~. und Wiglow, Berichte der Deutschen chemischen Gesellschaft 28, 2573. 1895. - - a) Hofmeister, Franz, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 25, 6. 1888. - - 4) Goldschmldt, F., Kolloid-Zeitschr. 2~ 193, 227. 1908. - - Gold~ schmidt, 1~. und/5. Wei[3mann, Kolloid-Zeitschr. 12, 18. 1913. - - 5) LeimdSr/er, J., Bei~ragc zur Technologic der Seife auf kolloidchemischer Grundlage. Kolloidchem. Beih. 2, 343. 1911. - - 8) Fischer, Martin H., Die Kolloidchemie der Seifen und dcr Seifenfabrikation I. Tell. Kolloidchem. Beih, 15, l: 1922. - - 7) l?elchenbach, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 59, 296. 1908. - - s) Siebert, C., ~rber die Rcizwirkungen yon Waschseifen und deren Beseitigung. Mcd. Klinik Jahrg. 1922, Nr. 33.