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Ulrich Kro ¨ ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

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Page 1: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Ulrich Kroll

Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

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Page 2: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

agenda

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Page 3: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Ulrich Kroll

Die GeschichteNordrhein-Westfalens

agenda VerlagMunster

2014

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Page 4: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Dieses Werk wurde gefordert durch:�

�Deutsche Gesellschaft fur Westfalische Kultur e.V. seit 1962

Umschlagbild im Uhrzeigersinn (mit Kapitelhinweisen): Die Klevischen Herzoge (16), EssenerTrummerfrauen (42), Karl der Große (7), Johannes Rau (Kap. Haus der Geschichte fur Nord-rhein-Westfalen), Paulinenfahne (27), Zeche Consolidation (33), Plakat gegen Ruhrbesetzung (37),„Die schone Mansfelderin“ (15), Arbeiter vor dem Dusseldorfer Magistrat (31).

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 agenda Verlag GmbH & Co. KGDrubbel 4, D-48143 MunsterTel.: +49(0)251-799610, Fax: +49(0)251-799519www.agenda.de, [email protected]

Lektorat: D. Bittner; P. KuhlmannLayout, Satz: Peter Kramer Buch & Satz, MunsterUmschlaggestaltung: F. Hattich

Druck & Bindung: Standartu Spaustuve, Vilnius, Litauen

ISBN 978-3-89688-518-0

Trotz großer Sorgfalt ist nicht auszuschließen, dass Rechteinhaber von Abbildungen ubersehenworden sind. Berechtigte Anspruche werden im Rahmen der ublichen Satze abgegolten.

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Page 5: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Inhalt

Vorwort 9

Zeitleiste 11

1 Neandertaler: Erste Bewohner der Region 23

2 Veranderte Lebensformen: Die Menschen werden sesshaft 29

3 Varusschlacht: Wie eine romische Provinz zwischen Rhein und Weser ver-hindert wurde 35

4 Romische Provinz „Niedergermanien“: Schaufenster antiker Kultur 45

5 Volkerwanderungszeit: Untergang der romischen Rheinlande 53

6 Ubergangszeit: Franken und Sachsen 59

7 Aachen und Paderborn: „Hauptstadte“ Karls des Großen 67

8 Duisburg 883: Die Wikinger am Rhein 81

9 Anno-Aufstand und Schlacht bei Worringen: Wie die Stadt Koln ihre Frei-heit errang 85

10 Im Schutz der Heiligen: Von Stadtpatronen, Reliquien und Wallfahrten 93

11 November 1225: Ermordung des Kolner Erzbischofs 101

12 Entstehung der Stadte: „Die“ Innovation des Mittelalters 107

Museumslandschaft 121

13 Soest: Hansestadt und mittelalterliche Großstadt 135

14 Die Juden: Zwischen Pogrom, Randexistenz und Holocaust 143

15 Reformation: Ende der Glaubenseinheit 151

16 Schicksalsjahr 1609: Vom Aussterben einer „Landesdynastie“ 163

17 Katharina Henot aus Koln: 1627 als „Hexe“ verbrannt 175

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6 Inhalt

18 Dreißigjahriger Krieg 1618–1648: Wechselnde Schicksale in Stadt undLand 185

19 Westfalischer Frieden von 1648: Als Munster im Mittelpunkt Europasstand 195

20 Barocke Hofhaltung: Das (furstliche) Leben als Gesamtkunstwerk 203

21 Zeitalter der Aufklarung: Kulturfruhling in Dusseldorf, Bonn und Muns-ter 215

22 Begehrte Waren und geschaftstuchtige Handler: Leinen, Bier, Klingen, Sei-de 225

23 Bildungsreformen vor 1789: Neue Universitaten und bessere Lehrer 237

24 Die Franzosische Revolution am Rhein: Von der ersten Begeisterung biszur Besetzung durch Revolutionstruppen 247

Geschichtskultur 257

25 „Franzosenzeit“ im Rheinland: Aufbruch in die moderne Gesellschaft 271

26 Großherzogtum Berg: Ein Musterstaat von Napoleons Gnaden? 285

27 Pauline zur Lippe: Diplomatisches Geschick und Frauenpower retten dasFurstentum Lippe 297

28 Staatliche Neuordnung unter den Preußen: Die Geburt der Westprovinzen 303

29 Der Karneval: Lebensfreude, Narrenspiegel und Spiegel der Gesellschaft 317

30 Fruhindustrialisierung: Erste Industriezentren und Eisenbahnbau 327

31 Revolution von 1848/49: Freiheitsbegehren, „Reichsnostalgie“ und Sozi-alprotest 341

32 Innere Konflikte: Von den „Kolner Wirren“ bis zum „Kulturkampf“ derBismarckzeit 353

33 Die Schwerindustrie: Das Ruhrgebiet wird zum Herzstuck der Region 365

34 Die Arbeiterschaft: Vom Proletarier zum geachteten Industriearbeiter 381

35 „Grunderzeiten“: Wachstum der Stadte und Aufstieg des Burgertums 401

36 Letzte Friedensjahre .. . und Erster Weltkrieg 415

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Inhalt 7

„Kult“ 429

37 1918–1923: Kriegsende, Revolution, Ruhrkampf, Ruhrbesetzung und In-flation 441

38 Weimarer Aufbaujahre: Die „goldenen Zwanziger“ in Westdeutschland 455

39 1929–1933: Rheinland, Westfalen und Lippe auf dem Weg ins Dritte Reich 467

40 1933–1945: Schauseite und Kehrseite einer Diktatur 479

41 Kriegsjahre 1939–1945: Die Heimatfront an Rhein und Ruhr 497

42 Trummergesellschaft: Vom Uberleben, vom Aufraumen und vom Verdran-gen 509

43 Juli-August 1946: Die Grundung Nordrhein-Westfalens durch die briti-sche Besatzungsmacht 521

44 Harte Nachkriegsjahre: Von der Demontage bis zum Start ins Wirtschafts-wunder 529

45 Von Fluchtlingen, „Gastarbeitern“ und Einwanderern: Neue HeimatNordrhein-Westfalen 539

46 Jahrzehnte der Bewahrung: „Goldene Funfziger“, Krise von Kohle undStahl, Strukturwandel 549

47 Kulturelle Zeitenwende: Vom „alten“ Ruhrgebiet zur „neuen“ Kultur-landschaft 563

48 Aufbruch ins 21. Jahrhundert: Selbstvertrauen und Zuversicht 577

Ein Haus der Geschichte fur Nordrhein-Westfalen 585

Literatur & Links 599

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Vorwort

Unter der Geschichte Nordrhein-Westfalens verstehe ich nicht nur die wenigen Jahr-zehnte seit der Grundung des Landes im Jahr 1946, sondern auch die vielen davor liegen-den Jahrhunderte, in welchen die Region an Rhein, Ruhr, Lippe und Weser, in den Gren-zen des heutigen Bundeslandes, sich geschichtlich entwickelte und gepragt wurde.

Eine eigenstandige historische Wurdigung in dieser chronologisch umfassenden undmit Bild- und Kartenmaterial illustrierten Form hat Nordrhein-Westfalen bisher nichtgefunden. Diese Veroffentlichung hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die „gesamte“Geschichte Nordrhein-Westfalens in einem Band und aus einer Feder darzustellen, son-dern auch bei der querschnitthaften Betrachtung herausragender Ereignisse und Entwick-lungen die jeweils besonderen Belege aus der Region zum Sprechen zu bringen. Nichtgeplant war eine Addition von Stadtgeschichten oder Geschichten einzelner Landesteile.Leitlinie war, die historischen Ereignisse nicht nur verlasslich und anschaulich zu schil-dern, sondern auch handelnde Personen bzw. ereignisnahe Chronisten in Quellenaus-zugen zu Wort kommen zu lassen. Auch historische Orte und Erinnerungsstatten sindvon diesem Werk aufgesucht worden. Historische Bilder und Objekte, vielfach Schmuck-stucke sowohl der großen wie der etwas stilleren Museen des Landes, illustrieren die Dar-stellung.

Die insgesamt 48 Kapitel dieses Werkes - von den Neandertalern als ersten Bewohnernder Region bis zu einem Ausblick ins 21. Jahrhundert – sind durch funf Zwischenkapitelin vier Blocke geteilt worden. Die ersten 12 Kapitel fuhren bis ins Hochmittelalter, dasnachste Dutzend Kapitel erreicht mit dem Vorrucken der Franzosischen Revolution anden Rhein eine nicht nur fur Europa, sondern auch fur die Region bedeutsame Zeiten-wende. Der dritte Block, mit den Kapiteln 25 bis 36, endet mit den letzten Friedensjahrenvor 1914 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Der vierte Block widmet sich zunachstden Folgen der Kriegsjahre 1914–1918, der Zeit der Weimarer Republik in Westdeutsch-land und den Jahren des Nationalsozialismus, um dann der Grundung des Landes unddem politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Werdegang bis heute nachzuge-hen.

Die erwahnten funf Zwischenkapitel, die sich im Buchschnitt erkennen lassen, dieneneinerseits einer leserfreundlichen Gliederung der Fulle der historischen Themen. Anderer-seits sind sie mit Bedacht gestaltet: eine „Zeitleiste“ mit etwa 100 Eintragen soll einen chro-nologischen Uberblick erleichtern; die „Museumslandschaft“ stellt aus der Sicht des Ver-fassers besonders besuchenswerte Museen, Gedenkstatten, Industriedenkmaler und his-torische Landmarken geordnet vor. Unter der „Geschichtskultur“ findet sich eine bunteZusammenstellung von Aktivitaten und Initiativen, die ein breit verankertes burgerschaft-liches Geschichtsinteresse im Land widerspiegeln. Das Zwischenkapitel „Kult“ versuchtsich an einer Zusammenstellung von historischen Firmen, Produkten, Traditionen undGewohnheiten, die unverwechselbar mit dem Land und seinen Menschen verbunden sind.

Eine besondere Erlauterung verdient das abschließende Zwischenkapitel „EinHaus der Geschichte fur Nordrhein-Westfalen“: es reflektiert einen Vorstoß der Jahre2011/2012, ein landesgeschichtliches Museum – eben ein „Haus der Geschichte furNordrhein-Westfalen“ – auf die politische Agenda zu setzen. Beim genauen Hinsehenerwies sich, dass dieser Ansatz einer Identitatsstiftung fur das junge Bundesland ebenfallseine bemerkenswerte Vorgeschichte hat, an der die Ministerprasidenten Amelunxen,Meyers und Rau mitgewirkt haben.

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10 Vorwort

Dieses Werk zu erstellen, war einerseits leicht, da jedes Kapitel aus der reichhaltig vor-liegenden, gediegenen Fachliteratur erarbeitet werden konnte. Deren Autoren finden sichim Literaturanhang verzeichnet und gewurdigt. Auf die verwirrenden Fußnoten habe ichjedoch verzichtet und nur die unumganglichen Herkunftsnachweise in den laufenden Texteingearbeitet.

Auf der anderen Seite war die Komposition der 48 Themen fur diese „GeschichteNordrhein-Westfalens“ und die Suche nach Elementen einer historischen Identitat eineHerausforderung. Es war mein Bestreben, in einem uberschaubaren Band das Besonderevon mehr als 2000 Jahren Geschichte dieser Region darzustellen, durchaus unter Setzungvon Akzenten, zu denen ich mich bekenne. Nicht alles von der Uberlieferung her Mogli-che konnte dabei berucksichtigt werden. Dafur bitte ich meine Leserinnen und Leser umNachsicht.

Außerordentliche Hilfe fand ich in den Museen und Archiven des Landes. Die Dau-erausstellungen in vielen von mir besuchten Museen vermittelten mir wertvolle Anregun-gen bzw. bestatigten mich in meiner Themensetzung. Das Fachpersonal der Archive undMuseen hat mir geholfen, aussagekraftiges Bildmaterial zu finden. Ihnen sage ich dafurDank, ohne sie im Einzelnen namentlich erwahnen zu konnen. Ein solcher Dank gilt auchden vielen Institutionen und Einzelpersonen, die mir Illustrationen zur Verfugung gestellthaben. Auch die Presse-, Werbe- und Verkehrsamter vieler Stadte waren mir eine großeHilfe.

Dr. Bernhard Schneeberger und dem Team des agenda Verlages habe ich fur die ver-legerische und redaktionelle Betreuung herzlich zu danken, ebenso wie Peter Kramer furdie Gestaltung des Werkes.

Meinen Lesern und Kritikern bleibt es uberlassen, uber die von mir getroffene Aus-wahl und die darin versteckte Akzentsetzung zu urteilen. Nachfolgende Autoren sind auf-gefordert, das Panorama einer Gesamtgeschichte Nordrhein-Westfalens aus ihrem Blick-winkel zu entwerfen und fortzuschreiben.

Munster, im September 2014 Ulrich Kroll

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Page 11: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Zeitleiste

Etwa 100 Eintrage mit historischbedeutsamen Entwicklungen und Ein-zelereignissen umfasst diese Zeitleistezur Geschichte der Region zwischenRhein und Weser, in den Grenzen desheutigen Landes Nordrhein-Westfa-len. Das verlockt zu der Frage nachWeichenstellungen, evtl. sogar nachSchlusseldaten, wo die Geschichteauch einen anderen Verlauf hattenehmen konnen. Einigen Jahreszahlenwird man diese Qualitat – mit allergebotenen Zuruckhaltung – zuordnendurfen.

Ein fur die Romer siegreicher Aus-gang der Varusschlacht im Jahre9 n. Chr. hatte moglicherweise dasGermanengebiet bis zur Weser wie dasRheinland romanisiert. Der Ausgangder Schlacht bei Worringen 1288 ord-nete die Machtverhaltnisse neu, mitder Stadt Koln, dem Grafen von Bergund seiner Stadt Dusseldorf auf derSiegerseite.

Das Aussterben des HerzoghausesJulich-Kleve-Berg im Jahre 1609brachte auswartige Fursten an Rheinund Ruhr, fur die ihre geerbten Besit-zungen nur Nebenlande waren. Die20 Jahre „Franzosenzeit“ – 1794bis 1814 – bescherten dem linkenRheinufer eine Pragung durch dieEntwicklungen der FranzosischenRevolution. Die staatliche Zusammen-fassung der Region in den preußischenProvinzen Rheinland und Westfalen1815 legte einen Grundstein fur das1946 von den Briten gegrundete LandNordrhein-Westfalen.

Zahlen = Ausschnitte aus einer Schulwandkarte der 1950er Jahre (Neugestaltung: U. Kroll)

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12 Zeitleiste

Vor 80 000 bzw. Neandertaler: Jager und Sammler40 000 Jahren Teilstuck eines Schadels, auf ein Alter von 80 000 Jahren datiert, bei

Warendorf gefunden; fast vollstandiges Skelett, Alter ca. 40 000 Jahre,im Neandertal bei Dusseldorf entdeckt.

5500 v. Chr. Sesshafte Menschen am Rhein: Koln-LindenthalFeste Siedlungen, so in Koln-Lindenthal, vor ca. 7500 Jahren; Lebenvon Ackerbau und Viehzucht.

1700 v. Chr. BronzezeitNutzung des Metalls Bronze, einer Mischung aus Kupfer und Zinn.

700 v. Chr. EisenzeitVerhuttung und Verarbeitung von Eisenerzen.

58–51 v. Chr. Eroberung Galliens (bis zum Rhein) durch CasarRomer und Germanen rechts des Rheins werden Nachbarn. Casaruberschreitet zweimal mit Truppen den Rhein als Machtdemonstration.

38 v. Chr. Festsetzen der Romer am linken RheinuferStatthalter Marcus Vipsanius Agrippa siedelt den romfreundlichenrechtsrheinischen Stamm der Ubier an Stelle der von Casar ausgerotte-ten Eburonen auf dem linken Rheinufer an. Entstehen des „OppidumUbiorum“ (spater Koln). In Folge dauerhafte Stationierung romischerTruppen am Rhein.

9 n. Chr. VarusschlachtDie Romer versuchen, Germanien zwischen Rhein und Elbe zuerobern. In der sog. Varusschlacht, benannt nach dem romischen Feld-herrn Varus, besiegen vereinte Germanenstamme der Cherusker, Bruk-terer und Chatten unter der Fuhrung des Cheruskers Arminius 3 romi-sche Legionen. Die Herrschaft Roms bleibt auf die Gebiete westlich desRheins beschrankt.

50 n. Chr. Koln wird zu einer Kolonie (Stadt) romischen RechtsDie in Koln geborene Agrippina, Gemahlinvon Kaiser Claudius und Mutter von Nero,erreicht, dass ihre Geburtsstadt zur romi-schen Kolonie (=Stadt) erhoben wird und denNamen „Colonia Claudia Ara Agrippinen-sium“ (CCAA) erhalt. Folge: die (ubischen)Einwohner erhalten romisches Burgerrecht.Die Stadt wird spater Haupststadt der links-rheinischen Provinz Niedergermanien.

69/70 Bataveraufstand unter Iulius CivilisNach Neros Tod (68) sog. „Vierkaiserjahr“ (69) mit Kampfen mehrererPratendenten. Iulius Civilis, ein adeliger Bataver und Prafekt von Hilfs-truppen, nutzt die Gelegenheit zu einem Aufstand am Niederrhein, mitdem Ziel der Unabhangigkeit fur seinen Stamm. Der neue Kaiser Ves-pasian erobert die Rheinlande zuruck.

Bis ca. 250 Blutezeit der Provinz Niedergermanien („Germania inferior“)

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Zeitleiste 13

255–257 Einfalle der FrankenImmer wieder Angriffe uber die Rheingrenze. Schwere Kampfe zwi-schen Franken und Romern bei Krefeld-Gellep 259.

306–318/19 Jahrelange Kampfe Kaiser Konstantins gegen die Franken310 Bau einer festen Brucke von Koln uber den Rhein zum Kastell Divi-tia (Deutz). Zeitweilige Friedenssicherung. 355 kurzfristige Eroberungvon Koln und Bonn durch die Franken.

313 Maternus als erster Bischof von Koln erwahntDas Christentum im Rheinland profitiert vom Toleranzedikt KaiserKonstantins.

455 Ende der romischen Epoche am Rhein.Eroberung durch die FrankenNach erneuten Kampfen gegen Franken und Hunnen bricht die Rhein-grenze zusammen. Die Franken nehmen linksrheinisches Gebiet inBesitz. Koln wird belagert und erobert.

496 Schlacht bei Tolbiacum (Zulpich)Sieg des Frankenkonigs Chlodwig uber die Ala-mannen. Das Rheinland wird Teil des Franken-reichs der Merowinger. Chlodwig wird Christ.

Um 600/700 Sachsen und FrankenDie heidnischen Sachsen, so benannt nach iher Waffe „Sax“, siedeln aufEinzelhofen im Gebiet zwischen Rhein und Weser. Sudlich der Ruhrtreffen sie auf die Franken. Die Sachsen kamen ursprunglich aus Schles-wig-Holstein. Keine staatliche Organisation, im Kriegsfall sammeln siesich unter einem Heerfuhrer.

772–804 Sachsenkriege des Frankenkonigs Karl785 Der Sachsenherzog Widukind unterwirft sich Karl und wird getauft785 Koln wird Erzbistum799 Papst Leo III. in der Pfalz Paderborn beim Frankenkonig Karl800 Karl wird vom Papst in Rom zum Kaiser gekront

Um 800 Bistumer Minden, Munster und PaderbornNach Niederwerfung der heidnischen Sachsen durch den Franken-konig Karl (spater Karl der Große genannt), wird das Sachsenlanddem Frankenreich einverleibt. Aus den Missionierungszentren werdenBistumer und die heidnischen Sachsen christianisiert.

Nach 800 Aachen „Hauptstadt“ Karls des GroßenSeine Lieblingsresidenz baut Kaiser Karl zum Herrschaftszentrum aus.Hier stirbt er 814 und wird in der Aachener Pfalzkapelle bestattet.

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14 Zeitleiste

799; 852 Werden und Essen entstehenDer spatere Bischof von Munster, Liudger, grundet die Benediktiner-abtei Werden (799). 852 entsteht das Essener Damenstift.

883/884 Uberfall der Wikinger auf DuisburgRund 40 Jahre lang uberfallen die Wikinger mit ihren schnellen BootenJahr fur Jahr die schlecht befestigten Stadte am Rhein und im rheini-schen Hinterland.

1074 Aufstand der Kolner Burger gegen den Stadtherrn,Erzbischof Anno II.

1096 Judenpogrom anlasslich des Ersten KreuzzugesGewaltexzesse gegen Juden in Koln und in anderen Stadten.

1164 Uberfuhrung der Reliquien der Heiligen Drei Konige nach KolnSie waren dem Kolner Erzbischof Rainald von Dassel von KaiserFriedrich Barbarossa nach der Eroberung Mailands als Kriegsbeutegeschenkt worden. Koln wird ein bedeutender Wallfahrtsort.

1180 Entstehung von territorialen HerrschaftenDas Herzogtum Sachsen wird nach dem Sturz Heinrichs des Lowenaufgelost und aufgeteilt. Der Erzbischof von Koln und die Bischofe vonMunster, Paderborn und Minden werden Landesherren ihrer Bistums-gebiete. Auch weltliche Herren werden jetzt Landesherren.

Um 1185 Lippstadt von Bernhard II. zur Lippe gegrundetGrundung vieler Stadte in Westfalen und im Rheinland durch Landes-herren in den folgenden 1 1/2 Jahrhunderten.

1220 Dortmund wird Freie ReichsstadtDortmund mit etwa 7000 Einwohnern wirdals einzige Stadt Westfalens Freie Reichsstadt,damit rechtlich selbstandig und nur dem Kai-ser untertan. Schon gut 2 Jahrhunderte ist dieStadt ein bedeutender Handelsort, wird mehr-fach von Kaisern aufgesucht und mit Privile-gien ausgezeichnet.

1225 Ermordung des Kolner Erzbischofs Engelbert in einer Adelsfehde1246 Ladbergener Vertrag

Die Stadte Munster, Osnabruck, Coesfeld, Herford und Minden schlie-ßen einen Bundnisvertrag zur Sicherung des Landfriedens und treffenAbsprachen uber den Handel.

1248 Grundsteinlegung zum (heutigen) Kolner Dom1253 Werner Vertrag

Die Stadte Munster, Dortmund, Soest und Lippstadt schließen an derLippebrucke von Werne einen ahnlichen Bundnisvertrag wie 1246.

1254 Rheinischer StadtebundIhm gehorten mit dem Schwerpunkt im Rheinland bis zu 70 Stadte an,aber auch Bischofe und weltliche Landesherren. Ziel war, fur Sicherheitim Handelsverkehr zu sorgen.

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Page 15: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Zeitleiste 15

1288 Schlacht bei WorringenDer Kolner Erzbischof unterliegt einer Koalition, zu der auch der Grafvon Berg und die Stadt Koln gehoren. Koln lost sich dadurch von derweltlichen Stadtherrschaft des Erzbischofs. Der Graf von Berg grundetdie Stadt Dusseldorf.

1349 Judenverfolgung nach PestepidemieIn Koln und in anderen Stadten werden die Juden fur die Pest verant-wortlich gemacht. Sie werden vertrieben, haufig auch ermordet.

1388 Kolner Universitat mit Zustimmung des Papstes gegrundetSie ist nach Bologna, Paris und Prag die viertalteste Universitat inEuropa und die erste durch Burger gegrundete.

1388 Dortmunder FehdeDortmund halt der Belagerung durch den Erzbischof von Koln und denGrafen von der Mark stand.

1396 Kolner VerbundbriefNeue Verfassung fur die Stadt Koln. 22 Gaffeln, Zusammenschlussevon Handwerkern und Kaufleuten, stellen fortan den Rat der Stadt.

1444–1447 Soester FehdeDie Stadt Soest, eine erfolgreiche Hansestadt, sagt dem Kolner Erzbi-schof die Fehde an, um sich aus dessen Herrschaftsbereich zu losen.Soest kann sich bei der Belagerung erfolgreich behaupten.

1450–1456 Munsterische Stiftsfehde – Schlacht bei VarlarAuseinandersetzung von zwei Bischofsanwartern um das BistumMunster. Die Stadt Munster ergreift Partei und unterliegt 1454 in derSchlacht von Varlar (bei Coesfeld).

1475 Koln wird durch Kaiser Friedrich III. offiziell zur Freien Reichsstadterhoben

1521 Vereinigte Herzogtumer Julich-Kleve-BergSie gehoren zusammen mit den Grafschaften Mark und Ravensberg inPersonalunion dem Herzoghaus Kleve.

1521 Erste Anzeichen der Reformation in Minden1529 Lippe wird Reichsgrafschaft

1534–1535 Tauferherrschaft in MunsterHerrschaft der Taufer in Munster; Ausbreitung in andere Stadte (z. B.Coesfeld, Billerbeck) misslingt; Wiedereroberung Munsters durch denBischof; Ende der reformatorischen Entwicklung; Munster und dasMunsterland bleiben katholisch. Im Januar 1536 werden drei fuhrendeTaufer offentlich hingerichtet und ihre Leichname in Kafigen am Turmvon Lamberti in Munster zur Schau gestellt.

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Page 16: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

16 Zeitleiste

1555 Augsburger ReligionsfriedeFrieden zwischen lutherischer und katholi-scher Konfession. Untertanen mussen demBekenntnis ihres Landesherrn folgen.

1569 Grafin Anna von Tecklenburg begegnet Dr. Weyer, dem Kritiker derHexenverfolgungenDer beruhmte Arzt Dr. Johannes Weyer behandelt die erkrankte Gra-fin. Unter seinem Einfluss erfolgen im Herrschaftsbereich der Grafinkeine Hexenverfolgungen.

1583–1589 Truchsessischer oder Kolnischer KriegGebhard Truchsess von Waldburg, Erzbischof von Koln, wird luthe-risch und heiratet. Sein Versuch, das Erzbistum Koln als weltlicheHerrschaft zu behalten, fuhrt zum Krieg.

Ab 1587 Ubergreifen des spanisch-niederlandischen KriegesHeerhaufen beider Parteien bekriegen sich in den folgenden Jahrzehn-ten auch im Munsterland und am Niederrhein, ziehen raubend durchdas Land und besetzen und plundern die Stadte. 1609 sorgt ein spa-nisch-niederlandischer Waffenstillstand fur ein Abflauen der Uber-griffe.

1609–1614–1666 Julich-Klevische ErbfolgeNach dem Tod des letzten Herzogs von Julich-Kleve-Berg (1609) tei-len sich auf Grund ihrer Anspruche Brandenburg-Preußen und Pfalz-Neuburg den Gesamtbesitz zunachst in einem Vorvertrag von Xanten(1614) und endgultig 1666 in einem Erbvertrag: Brandenburg-Preußenerhalt das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark und Ravens-berg; Pfalz-Neuburg die Herzogtumer Julich und Berg.

1618–1648 Dreißigjahriger KriegWechselnde Heerhaufen besetzen und plundern immer wieder Dorferund kleinere Stadte. Munsterland, Paderborner Land, Sauerland, Nie-derrhein besonders betroffen. Wirtschaftlicher Niedergang und Dezi-mierung der Bevolkerung.

1623 Schlacht am Lohner Bruch bei StadtlohnIn der Schlacht am Lohner Bruch bei Stadtlohn besiegt der katholischeHeerfuhrer Graf Tilly die Truppen des Herzogs Christian von Braun-schweig. Rund 8000 Soldaten fallen.

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Page 17: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

Zeitleiste 17

1648 Westfalischer Friede in Munster und Osnabruck geschlossenAm 24. Oktober wird nach jahrelangenVerhandlungen sowohl in Munster wie inOsnabruck Frieden geschlossen, der denDreißigjahrigen Krieg beendet. Zuvor hat-ten am 15. Mai 1648 im Ratssaal zu Munster(darum spater: Friedenssaal) spanische undniederlandische Gesandte einen Separatfriedenbeschworen, der den Niederlanden die Aner-kennung als souverane europaische Machtbrachte.

1719–1761 Clemens August – „Herr Funfkirchen“Der junge Clemens August (geb. 1700) aus dem bayerischen HauseWittelsbach wird 1719 Furstbischof von Munster. In der Folge wirder noch Erzbischof von Koln, Bischof von Osnabruck, Paderborn,Hildesheim und Großmeister des Deutschen Ordens. Man nennt ihndarum „Herrn Funfkirchen“. Clemens August residierte meist in Bonn,seiner Residenzstadt im Erzbistum Koln. So halten es auch seine bei-den Nachfolger als Furstbischofe von Munster und Erzbischofe/Kur-fursten von Koln. Die Regierungszeit der drei Bischofe (insgesamt von1719 bis 1801) gilt als Glanzzeit des 18. Jahrhunderts.

1756–1763 Siebenjahriger Krieg: Westdeutschland als Neben-KriegsschauplatzKriegsgegner sind die Verbundeten Osterreich und Frankreich auf dereinen und Preußen unter Friedrich II. auf der anderen Seite, das mitEngland, Hannover und Braunschweig verbundet ist. Fast die gesamteRegion wird in den Krieg hineingezogen. Wechselseitige Besetzungendurch franzosische bzw. braunschweigsche, englische und hannover-sche Truppen. Stadte wie Minden, Munster, Arnsberg, Wesel, Kleve,Krefeld und Dusseldorf erleiden Belagerungen, Eroberungen und Zer-storungen. Hohe wirtschaftliche Schaden. Bei Krefeld (1758) und beiMinden (1759) finden großere Schlachten statt.

1792 Asyl in Hamm fur franzosische Hochadelige;Zentrum der GegenrevolutionNach Ausbruch der Franzosischen Revolution (1789) erhalten zweiBruder des franzosischen Konigs vom preußischen Konig Asyl inHamm. Sie agitieren fur eine Gegenrevolution.

1794 Asyl fur verfolgte franzosische GeistlicheZustrom von vielen Bischofen, Priestern, Monchen und Nonnen ausFrankreich in die Furstbistumer Munster und Paderborn. Sie sind aufder Flucht vor der Gewaltherrschaft der Franzosischen Revolution undvor den Revolutionsheeren, die bis zum linken Rheinufer vordringenund auch die Niederlande erobern.

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Page 18: Ulrich Kro¨ll Die Geschichte Nordrhein-Westfalens

18 Zeitleiste

1794 (bis 1814) Rheinlande mit Aachen, Koln und Bonn durch franzosischeRevolutionstruppen besetztDie Rheinlande verbleiben 20 Jahre unter franzosischer Herrschaft.Starke Pragung durch die Errungenschaften der Revolution und durchNapoleon.

1795–1797–1801 Basel – Campo Formio – Luneville: FriedensschlusseDer Sonderfriede von Basel zwischen dem Konigreich Preußen und derFranzosischen Republik (1795), der Friede von Campo Formio zwi-schen Osterreich und Frankreich (1797) und der Friede von Lunevillezwischen dem Reich und Frankreich (1801) anerkennen die Abtretungdes linken Rheinufers an Frankreich und sehen die Entschadigung welt-licher Fursten mit linksrheinischen Besitzungen aus geistlichen Territo-rien rechts des Rheins vor. Das Munsterland als ehemaliges Furstbistumwird unter mehrere Fursten aufgeteilt.

1802–1820 Furstin Pauline zur Lippe RegentinSie schließt sich mit dem Furstentum Lippe dem Rheinbund an, einemBundnis von Napoleon abhangiger Staaten. 1815 erreicht sie auf demWiener Kongress die Anerkennung der Souveranitat Lippes.

1806–1813 Großherzogtum BergEin von Napoleon geschaffener Staat des Rheinbunds mit Dusseldorfals Hauptstadt. Kaiser Napoleon wird in Personalunion Großherzogvon Berg.

1815 Rheinland und Westfalen preußische ProvinzenNach der Besiegung Napoleons erhalt das Konigreich Preußen auf demWiener Kongress das Rheinland und Westfalen.

1826 Provinziallandtage treten erstmals zusammenStandevertretungen der Standesherren, Rittergutsbesitzer, Stadte undLandgemeinden mit Beratungs-, Petitions- und Beschwerderecht. Sitzin Munster (fur Westfalen) und in Dusseldorf (fur das Rheinland).

1837 „Kolner Ereignis“Konflikt der preußischen Regierung mit dem Kolner Erzbischof uberdie Anerkennung konfessionsverschiedener Ehen. Der Erzbischofwird amtsenthoben und inhaftiert.

1847 Koln-Mindener EisenbahnEisenbahnnetz im Rheinland und in Westfalen mit den wichtigstenLinien fertiggestellt.

1848–1849 Revolution von 1848/49Revolutionare Spannungen auch in den preußischen Westprovinzenund im Furstentum Lippe. Blutiger Ausklang 1849 in Iserlohn undElberfeld.

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Zeitleiste 19

Ab 1850 Montanindustrie – Aufstieg des RuhrgebietsStarke Ausbreitung des Bergbaus und derStahl- und Eisenindustrie. Zuzug von Arbeits-kraften, dadurch Verstadterung und Bevolke-rungszunahme.

1870–1871 Deutsch-Franzosischer Krieg – Grundung des Kaiserreiches1885 Katholikentag in Munster – Ende des Kulturkampfes

Seit 1872 Konflikte des preußischen Staates mit der katholischen Kir-che. Eskalation zum sog. „Kulturkampf“. Die Bischofe von Munster,Paderborn und Koln gehen ins Exil. Abflauen des Kulturkampfes nacheinem Kurswechsel Bismarcks.

1889 Großer Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet1899 Dortmund-Ems-Kanal eingeweiht

Der Dortmund-Ems-Kanal wird eroffnet. Erverbindet das Ruhrgebiet mit der Nordsee.Eisenerzimport aus Schweden und Kohleex-port uber die Nordsee.

1914–1918 Erster WeltkriegDie anfangliche Begeisterung weicht bald der Ernuchterung, als derKrieg sich hinzieht und viele Opfer fordert. Frauen mussen dieArbeitsplatze der Manner ubernehmen. Ein harter Winter 1916/17fuhrt zu knappen Zuteilungen: sog. „Steckrubenwinter“.

1918–1920 RevolutionswirrenNach dem Waffenstillstand und der Abdankung des Kaisers und preu-ßischen Konigs im November 1918 ubernehmen Arbeiter- und Solda-tenrate vorubergehend die Macht. Nach dem sog. Kapp-Putsch rechts-gerichteter Krafte bildet sich als Gegenwehr im Marz 1920 eine „RoteRuhr-Armee“. Es kommt zu heftigen Kampfen.

1923–1925 Besetzung des Ruhrgebietsdurch franzosische und belgische TruppenZwecks Erzwingung von Leistungen zur Reparation von Kriegsscha-den. Passiver Widerstand, d. h. Arbeitsverweigerung der Deutschen.

1923 InflationOktober 1923 Hohepunkt der Inflation erreicht. Mitte November 1923Einfuhrung der neuen Wahrung „Rentenmark“: 1 Rentenmark = 1 Bil-lion (alte) Reichsmark.

1924–1929 „Goldene Zwanziger“Wirtschaftsaufschwung auch im Westen Deutschlands.

1933–1945 Zeit des Nationalsozialismus1939–1945 Zweiter Weltkrieg – Bombenkrieg

Ab 1940 erste Bombenabwurfe auf rheinisch-westfalische Stadte; ab1943 zunehmende Zerstorung besonders der Großstadte, mit vielenzivilen Opfern.

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1945 (Marz/April) Kriegsende und BesetzungNach dem Vorstoß britischer und amerikanischer Truppen bis zumRhein Zangenbewegung durch das Munsterland bzw. Sauerland mitEinkesselung des Ruhrgebiets („Ruhrkessel“). Bodenkampfe, letzteZerstorungen durch Artillerie und Bomben. Westfalen, Lippe und dasnordliche Rheinland gehoren zur britischen Bestzungszone. Gesamt-kapitulation Deutschlands am 8./9. Mai.

1945 TrummergesellschaftDie Stadte sind weitgehend entvolkert. Die Menschen hausen in Trum-mern. Schwierige Versorgungslage. Evakuierte kehren in die Stadtezuruck. Fluchtlinge aus dem Osten stromen ins Land. Trummerbesei-tigung beginnt. Erste Regungen eines politischen Neubeginns mit Wie-dergrundung bzw. Neugrundung von Parteien.

1946 (Juli/August) Land Nordrhein-Westfalen entsteht – Landesregierung ernanntDie britische Regierung beschließt die Grundung des Landes Nord-rhein-Westfalen, das aus den (ehemals preußischen) Provinzen West-falen (Regierungsbezirke Minden, Munster und Arnsberg) und Nord-rhein (Regierungsbezirke Koln, Aachen und Dusseldorf) besteht. Ein-setzung einer Landesregierung unter Ministerprasident Dr. RudolfAmelunxen.

1946 (23. August) Verordnung der britischen Militarregierung uber die Grundungdes LandesGilt als Geburtstag von Nordrhein-Westfalen

1946 (2. Oktober) Der von den Briten ernannte Landtagdes Landes Nordrhein-Westfalen tritt in Dusseldorf zusammen

1946 (Oktober) Kommunalwahlen in Nordrhein-WestfalenErste demokratische Kommunalwahlen seit 1933. Beherrschende Parteiwird die neugegrundete CDU.

1947 (Januar) Lippe wird Teil des Landes Nordrhein-WestfalenGrundlage war eine Verordnung der britischen Militarregierung. Derlippische Politiker Heinrich Drake hatte mit den neuen Landesregie-rungen Niedersachsens wie Nordrhein-Westfalens verhandelt. Dortnahm man die lippischen Forderungen auf: u. a. Detmold wird Sitz desRegierungsbezirks (vorher Minden); lippische Rose Teil des nordrhein-westfalischen Landeswappens.

1947 (Februar) Ahlener Programm der CDUUnter Federfuhrung von Konrad Adenauer (ab 1949 Bundeskanzler)beschließt die CDU in Ahlen ein Parteiprogramm, das noch die Ver-staatlichung wichtiger Industriezweige vorsieht.

1947 (20. April) Erste Landtagswahl in Nordrhein-WestfalenDie CDU wird die starkste Partei, gefolgt von der SPD.

1947 (Juni) Karl Arnold (CDU) erster gewahlter Ministerprasident

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1948 (20. Juni) Wahrungsreform – Einfuhrung der Deutschen Mark (DM)1948/49 Parlamentarischer Rat und Grundgesetz

Der Parlamentarische Rat berat seit dem 1. September 1948 in Bonnuber ein Grundgesetz, das am 8. Mai 1949 verabschiedet wird. Bonnwird zur vorlaufigen Bundeshauptstadt bestimmt.

1949 „Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland“ verkundet(23. Mai)Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag (14. August)Theodor Heuß zum ersten Bundesprasiden-ten gewahlt (12. September)Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzlergewahlt (15. September)

1950 (18. Juni) Landtagswahl und Volksentscheid uber die LandesverfassungNordrhein-Westfalens

1953 Landschaftsverbande Westfalen-Lippe und RheinlandSie entstehen in Nachfolge der (preußischen) Provinzialverbande. AlsDachverbande der Kommunen und Kreise sind sie fur uberortlicheAufgaben des Gesundheitswesens, des Straßenbaus und der Kulturzustandig. Sitz des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ist Munster;Sitz des Landschaftsverbandes Rheinland Koln.

1956 (1. Januar) WDR mit Sitz in Koln entstandenDurch Teilung des NWDR in NDR und WDR; dadurch ein Landes-sender.

1958 (1. Januar) Ruhrbistum Essen entsteht; Franz Hengsbach 1. BischofEs entsteht aus Teilen der Bistumer Koln, Munster und Paderborn.Die historische Munsterkirche in Essen wird Kathedralkirche. BischofFranz Hengsbach (1910–1991) wurde 1988 zum Kardinal ernannt.

1958 EuregioAls erste „Europaische Region“ (EUREGIO) entsteht jene um Gro-nau und Enschede. Als freiwilliger Zusammenschluss von Stadten undGemeinden beiderseits der deutsch-niederlandischen Grenze soll dieVerstandigung der Menschen gefordert werden.

1970 (1. Januar) Ruhrkohle AG (RAG)Ihre Grundung soll die Kohlekrise entscharfen. In ihr gehen die meistenZechenbetriebe auf. Ziele der „konzertierten Aktion“ von Unterneh-mern, Gewerkschaften und Politik: planvolle Reduzierung des Koh-leabbaus, Sicherung des Kohleabsatzes durch langfristige Lieferver-trage.

1975 Kommunale NeuordnungDurch Zusammenlegung mit großeren Stadten und Gemeinden ver-schwinden viele bis dahin selbstandige Kommunen. Auch die Land-kreise werden neu zugeschnitten und zahlenmaßig verringert. Ziel: eineeffektivere Verwaltung.

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1978 Erfolgreiches Volksbegehren gegen „Koop-Schule“Gegen einen Gesetzentwurf auf Bildung von „Kooperativen Schulen“,d. h. Zusammenfassung von Hauptschule, Realschule und Gymnasiumin den Klassen 5–10, formiert sich breiter Widerstand. Vorwurf der„sozialistischen Einheitsschule“. Die Eintragungen fur ein Volksbegeh-ren sind so erfolgreich, dass der Plan von der Landesregierung aufgege-ben und auf einen Volksentscheid verzichtet wird.

1987–1988 Kampf um das Stahlwerk Duisburg-RheinhausenMassive Proteste der Beschaftigten gegen die geplante Schließung desKrupp-Stahlwerks in Duisburg-Rheinhausen. Vorangegangen warenschon Fusionen anderer Stahlkonzerne und Arbeitsplatzverluste.Rheinhausen wird zum Symbol der Stahlkrise.

2010 Essen (und das Ruhrgebiet) Kulturhauptstadt EuropasDas Ruhrgebiet prasentiert sich als eine euro-paische Modellregion, die sich von einemIndustriegebiet zu einer Kulturlandschaftgewandelt hat.

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1 Neandertaler:Erste Bewohner der Region

Das Neandertal (fruhere Schreibweise: Neander-thal) nahe Dusseldorf gab den ersten nachweisba-ren menschlichen Bewohnern der Region an Rheinund Ruhr ihren Namen. 1856 fand man in einerHohle des Tals der Dussel bei Mettmann Skelett-reste, die ein aufmerksamer Heimatforscher alsKnochen eines Urmenschen deutete. Diese wur-den im Rheinischen Landesmuseum in Bonn auf-bewahrt. Am Fundort entstand vor wenigen Jahrenein ganz dem Neandertaler gewidmetes Museum,das „Neanderthal Museum“.

Ein Jahrhundertfund im Neandertal und warum Warendorf denAnspruch erhebt, Heimat des altesten „Nordrhein-Westfalen“ zu sein

1856 wurden in einer Hohle des Neandertals bei Mettmann Knochenreste gefunden,die ein aufmerksamer Heimatforscher nicht als Relikte eines heutigen Menschen odereines Hohlenbaren erkannte, sondern offensichtlich einem Urmenschen zugehorig. Dankmoderner Methoden kann man heute festhalten, dass es sich um einen 50–60 Jahre altenMann handelte. Die Skelettteile kamen in das heutige Rheinische Landesmuseum in Bonn.Sie erhielten die wissenschaftliche Bezeichnung „Homo neandertalensis“, gleich: Menschdes Typs, der im Neandertal gefunden wurde.

Mit heutigen wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden kann man das Alter dergefundenen Knochen auf etwa 42 000 Jahre vor unserer Zeit datieren. Ahnliche Kno-chenfunde von Neandertalern hat man auch anderswo in Europa und Kleinasien geta-tigt und weiß daher, dass Menschen des Neandertal-Typs etwa in dem Zeitraum von200 000/150 000 bis 30 000 v. Chr. lebten. Das Herkunftsgebiet dieser Urmenschen, dienach und nach uber Kleinasien nach Europa einsickerten, war Afrika, wo sich noch fru-here Menschenrassen entwickelt hatten, aus denen dann der Neandertaler hervorgegan-gen war.

Bei einer Nachsuche im Neandertal in den Jahren 1997–2000 stieß man auf weitereSkelettreste, die zu dem 1856 gefundenen Neandertaler gehorten. Das gab vor wenigenJahren mit den Ausschlag, nahe der Fundstatte der Neandertaler-Knochen ein Museumeinzurichten, das sich ausschließlich der Geschichte dieses fruhen Menschentyps widmet,die in der heutigen Region Nordrhein-Westfalen lebten: das „Neanderthal Museum“.

Dabei sind die erwahnten Knochenfunde keineswegs die altesten, die in der Regiondes heutigen Nordrhein-Westfalens gefunden worden sind. Bei Warendorf im Munster-land fand man im Jahr 1995 das Schadelstuck eines Menschen vom Typ Neandertaler, das

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man auf ein Alter von maximal 80 000 Jahren datierte – ohne sich dessen aber ganz sicherzu sein. So erhebt nun Warendorf den Anspruch, „Heimatort“ des altesten „Nordrhein-Westfalen“ gewesen zu sein. Ubrigens: wahrend Knochenfunde von Neandertalern sel-ten sind, hat man Geratschaften von ihnen bei Ausgrabungen in der Region schon haufigentdeckt: Faustkeile, Steinklingen, steinerne Speerspitzen, Steingerate und Werkzeuge ausKnochen von Tieren.

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Im Neanderthal Museum sind Nachbildungen der 1856 gefundenen Skelettreste ausgestellt;die Originale befinden sich im Rheinischen Landesmuseum in Bonn

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Bei Warendorf gefundener Schädelrest eines Neandertalers,jetzt im LWL-Archäologie-Museum in Herne

Dermoplastisch nachgebildeter „alter“Neandertaler; Neanderthal Museum

Wer waren die Neandertaler und wie lebten sie?

Die Neandertaler sind eine Entwicklungsstufe, die noch nicht dem heutigen modernenMenschen entsprach. Sie waren kleiner, kraftiger und muskuloser als heutige Menschen,mit starkem Knochenbau und einer zuruckfliehenden Stirn.

Sie „wohnten“ in Hohlen oder zeltartigen Hutten, die sie aus Asten, Zweigen und Fel-len herstellten. Sie lebten als Jager von Wildtieren und Sammler von Beeren, Fruchten undWurzeln, wobei letztere Aufgabe wohl Sache der Frauen war. Ihre Werkzeuge waren ausStein, Holz oder Knochen gefertigt. Sie lebten unter sehr harten außeren Bedingungen: esherrschte noch das Eiszeitalter mit wechselnden Kalte- und Warmeperioden. Ihre Umweltwar eine Steppe mit Grasbewuchs und niedrigen Geholzen. Sie waren imstande, Feuer zunutzen und spater auch zu entfachen, um wilde Tiere abzuschrecken, sich selbst zu war-

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Erste Bewohner der Region 25U

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Neandertaler bei der Steinbarbeitung;Neanderthal Museum

Neandertalerpaar beim Zerlegen der Jagdbeute;Neanderthal Museum

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Neandertaler jagen einen Höhlenbären; in der Vorstellung eines Schulwandbildes, 1950er Jahre

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Alte Neandertalerin und Kind; Neanderthal Museum

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Kleiner Faustkeil, Balver Höhle Feuersteinspitze, als Messer oderSpeerspitze, etwa 70 000 Jahre alt;

gefunden bei Bielefeld

Klinge, Balver Höhle

Schaber, Balver Höhle Sichelförmiger Schaber, BalverHöhle, 125 000–40 000 v. Chr.

Abschlaggeräte, Balver Höhle,125 000–40 000 v. Chr.

Geräte und Waffen der Neandertaler aus Stein(o l., o. r. und u. l.: LWL-Museum für Archäologie, Herne;

o.M.: Historisches Museum Bielefeld; u. M. und u. r.: Ruhrmuseum Essen)

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Erste Bewohner der Region 27

men und Fleisch zu braten. Sie lebten in kleinen Gruppen; die Manner verstanden es, auchgroße Tiere wie z. B. das Mammut oder den Hohlenbaren zu jagen. Man kann annehmen,dass sie sich durch Sprache verstandigten.

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Neandertaler mit modernem Haarschnitt, ohne Bartund im Straßenanzug. Würde er so heute auffallen? –Neanderthal Museum

Inzwischen sind europaweit Reste von rd. 300Neandertaler-Individuen gefunden worden, so dassman sich ein recht genaues Bild von ihrem Korper-bau und ihrem Aussehen machen kann (Schrenk/Muller, S. 63). Andere Fragen zu den Neanderta-lern lassen sich noch nicht abschließend beantwor-ten: Sorgten sie fureinander? Offensichtlich wurdenaltere und behinderte Neandertaler von den gesun-den mit versorgt (Schrenk/Muller, S. 100f.). Hattensie religiose Vorstellungen? Es gibt Indizien, die einesolche Vermutung zulassen. Begruben sie ihre Totenoder bahrten sie diese auf? Zwar wurde noch kein„Grab“ gefunden, aber Knochenfunde im naturli-chen Verbund weisen zumindest in diese Richtung.Das Begraben in Gruben muss aber keine religiosenHintergrunde gehabt haben.

Aussterben der Neandertaler undAuftreten des „modernen“ Menschen

Etwa 30 000 bis 25 000 Jahre vor unserer Zeit starbendie Neandertaler aus und wurden durch einen ande-ren Menschentyp abgelost. Das wirft die Frage auf,warum sie ausstarben. Ob sie durch diese „neuen“Menschen verdrangt wurden und dadurch zugrunde-gingen oder Gewalttaten zum Opfer fielen oder sich mit ihnen vermischten und schlichtzahlenmaßig keine Rolle mehr spielten oder sich aus biologischen Grunden nicht mehrfortpflanzen konnten, ist fur die Forschung eine offene Frage (Bolus/Schmitz, S. 175–186).Negativ beantwortet ist dagegen die Frage, ob wir moderne Menschen von den Neander-talern abstammen: die Neandertaler-DNA weicht in ihren Merkmalen um ein Mehrfachesstarker von der DNA des modernen Menschen ab, als es DNA-Unterschiede unter denheutigen Menschen gibt (Bolus/Schmitz, S. 160).

Diese Neuankommlinge – sie heißen nach einer Fundstelle in Sudfrankreich Cro-Magnon-Menschen oder werden auch als Menschen des Typs „Homo sapiens“ (lateinischfur: kluger Mensch) bezeichnet – waren wiederum von Afrika her nach Europa eingesi-ckert. Sie sahen außerlich so aus wie die heutigen Menschen; sie waren großer und schlan-ker als die Neandertaler. Ihre Werkzeuge bestanden immer noch aus Stein, Tierknochenoder Holz, waren aber schon viel geschickter verarbeitet. Ihre Lebensweise als umher-schweifende Jager von Wildtieren und Sammler von Fruchten, Beeren und Wurzeln unter-schied sich noch nicht gravierend von jener der Neandertaler.

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Original-Schädel des „Mannes von Warburg“ Rekonstruierter Kopf des „Mannes von Warburg“

Aussehen des modernen MenschenIn einem Grab bei Warburg (Kreis Höxter) wurde das Skelett eines 30–40 Jahre alten Mannes gefunden,

das man auf ein Alter von 5000 bis 5500 Jahren datieren konnte.Mit heutigen Methoden gab man ihm sein Gesicht wieder.

LWL-Museum für Archäologie, Herne

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2 Veranderte Lebensformen:Die Menschen werden sesshaft

An die Stelle der Neandertaler waren in der Regionan Rhein und Ruhr ca. 30 000 Jahre vor ChristiGeburt andere Menschen getreten, solche vom Typ„Homo sapiens“. Sie lebten zunachst auch als Jagerund Sammler, ganz wie die Neandertaler. Um 5500v. Chr. setzte ein bemerkenswerter Wandel ein: dieMenschen gaben ihre bisherige Lebensweise aufund wurden sesshaft, d. h. sie siedelten sich an undbetrieben Ackerbau und Viehhaltung. Reste einersolchen Siedlung hat man 1930–34 in Koln-Lin-denthal ausgegraben und so ein genaues Bild derersten sesshaften Menschen hier gewonnen.

Sesshaftigkeit: Die „Revolution“ in der Jungsteinzeit

Nach und nach gaben die Menschen – und das sind jetzt die modernen Menschen vomTyp „Homo sapiens“ – in der Region an Rhein und Ruhr ihre Lebensweise als Jager undSammler auf und wurden sesshaft, sicher nicht von einem Tag auf den anderen, sondern ineinem langsamen Ubergang, wahrend dem sie beide Lebens- und Wirtschaftsformen mit-einander verbanden. Moglicherweise drangten auch Menschen, die die neuen Technikenbeherrschten, in die Region ein und vertrieben die Jager und Sammler.

Am Ende dieser Phase betrieben sie Ackerbau und Viehzucht, d. h. sie bauten auf Fel-dern Getreide an und nutzten Tiere, die sie an sich gewohnt hatten: Rinder, Schafe, Zie-gen, Schweine. Diese Tiere lieferten ihnen Fleisch, Milch, Felle, Knochen, Wolle, Sehnen.Nach und nach wurde auch die Arbeitkraft von Tieren genutzt: Rinder zogen den Haken-pflug oder einen Wagen, denn auch das Rad war inzwischen erfunden worden. Außerdemhatten diese sesshaften Menschen einen treuen Freund und Helfer gefunden: den Hund,der sich aus dem wild lebenden Wolf entwickelt und den Menschen angeschlossen hatte.Sie wohnten in festen Hausern, die wie in einem Dorf zusammenstanden. Offenbar bilde-ten diese Menschen schon eine Art Gemeinschaft. Die Hauser bestanden aus Holz, hat-ten Lehmwande mit Flechtwerk, waren rund 25–30 Meter lang und 6–7 Meter breit. Siedienten Wohnzwecken, aber auch zur Aufbewahrung von Ernten. Mit Ernteuberschussenbegann man Handel zu treiben.

Ihre Werkzeuge waren immer noch aus Stein, aus Knochen oder aus Holz, darum spre-chen wir von der ausgehenden Steinzeit, der „Jungsteinzeit“, aber inzwischen konnten sieweben, d. h. aus Schafwolle einen Faden spinnen und zu Stoffen weben, und sie konntenTongefaße herstellen, indem sie aus Ton Schusseln und Topfe formten und im Feuer hartbrannten. Mit unendlicher Ausdauer bohrten sie Locher in Steinbeile, die dann „geschaf-tet“ und viel zielsicherer benutzt werden konnten.

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30 2 Veranderte Lebensformen

Koln-Lindenthal: Prototyp einer jungsteinzeitlichen Siedlung

Bei der Ausgrabung eines solchen jungsteinzeitlichen Dorfes westlich von Koln-Linden-thal wahrend der Jahre 1930–34 konnte man diese Erkenntnisse gewinnen, denn es wur-den Knochenreste von Tieren, Pflanzenreste, Keramik und Werkzeuge gefunden; dort,wo die Holzpfosten der Hauser eingegraben waren, konnte man Erdverfarbungen fest-stellen und so die Große der Hauser ausmessen. Dabei fanden sich Rundbauten, unre-gelmaßige und rechteckige Bauten, die unterschiedlichen Zwecken dienten. Die Gesamt-große der Siedlung betrug 340 mal 200 Meter, war mit Wall und Graben umgeben und inmehrere Abschnitte gegliedert: einen Teil zum Wohnen und Handwerken, einen Pferchfur das Vieh und einen Bereich mit Vorratsgebauden. Der umgebende Landstrich ist vonfruchtbarem Loßboden gezeichnet. Die Siedlung, deren Holzbauten immer wieder erneu-ert werden mussten, bestand uber einen Zeitraum von ca. 300 Jahren. Sie bot Platz fur biszu 350 Menschen. Nach der Art der Verzierung der Keramik bezeichnete man die Men-schen als Bandkeramiker (nach: Buttler/Haberey). Das Alter dieser Siedlung datiert manauf die Zeit um 5500 v. Chr.

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Bandkeramische Siedlung bei Köln-Lindenthal mit Wohn- und Handwerkerbauten (links),Viehpferch (mittig) und Vorratsbauten (rechts)

Auch an etlichen anderen Stellen im heutigen Nordrhein-Westfalen sind von den sess-haften Menschen der Jungsteinzeit Gerate, Keramik und teilweise auch Graber gefundenworden, allerdings keine Siedlungen, die nach Große und Funddichte mit Koln-Linden-thal vergleichbar waren. Die Art der Graber wechselte im Laufe der Zeit: es gab Bestattun-gen in Großsteingrabern oder in Einzelgrabern bzw. Brandbestattungen in Gruben oderUrnenbeisetzungen mit Beigaben. Bestattungen sind ein sicheres Indiz dafur, dass man

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