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Untersuchung eines Falles yon halbseitiger Farbensinnst rung am linken Auge. (Aus dem physiolog. Institute der deutschen Universitit in Prag.) Yon Dr. Carl Hess, Assistenten am Institute. Die ausfiihrliche Mittheilung des FaUes, welcher den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, ist wohl geniigend gerechtfertigt durch das Interesse, alas derselbe in klinischer sowohl als insbesondere in physiologisoher ttinsicht bietet. In kliniseher Hinsieht, weft F~ille yon halb- seitiger, nur auf ein Auge besehr~inkter FarbensinnstSrung iiberhaupt verhiltnissm~ssig se]ten zur Beobachtung kom- men, in physiologiseher, well eingehendere Untersuchungea einer solchen StSrung kaum vorliegen und weil unser Pa: tient mit Hiilfe yon Methoden untersucht werden konnte, welche his dahin in ~hnliehen F~llea noch nicht zur An- wendung gekommen sind und welche es gestatten, ein klareres Bitd yon der Art und Weise der Abnahme des Farbensinnes zu gewinnen, als dies bisher mSgllch war. Herr Professor Sattler hatte die grosse Freundlich- keit uns den Fall zu [iberlassen; bei der Ausfiihrung der Untersuehungen hat reich Herr Professor Hering jederzeit mit Ruth nnd That unterstiitzt. Es ist mir ein Bedfirfniss, meinen verehrten Lehrern fiir die mir erwiesene Giite reel- hen aufrichtigen Dank zu sagen.

Untersuchung eines Falles von halbseitiger Farbensinnstörung am linken Auge

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Untersuchung eines Falles yon halbseitiger Farbensinnst rung

am linken Auge. (Aus dem physiolog. Institute der deutschen Universitit in Prag.)

Yon

Dr. Carl Hess, Assistenten am Institute.

Die ausfiihrliche Mittheilung des FaUes, welcher den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, ist wohl geniigend gerechtfertigt durch das Interesse, alas derselbe in klinischer sowohl als insbesondere in physiologisoher ttinsicht bietet. In kliniseher Hinsieht, weft F~ille yon halb- seitiger, nur auf ein Auge besehr~inkter FarbensinnstSrung iiberhaupt verhiltnissm~ssig se]ten zur Beobachtung kom- men, in physiologiseher, well eingehendere Untersuchungea einer solchen StSrung kaum vorliegen und weil unser Pa: tient mit Hiilfe yon Methoden untersucht werden konnte, welche his dahin in ~hnliehen F~llea noch nicht zur An- wendung gekommen sind und welche es gestatten, ein klareres Bitd yon der Art und Weise der Abnahme des Farbensinnes zu gewinnen, als dies bisher mSgllch war.

Herr Professor S a t t l e r hatte die grosse Freundlich- keit uns den Fall zu [iberlassen; bei der Ausfiihrung der Untersuehungen hat reich Herr Professor H e r i n g jederzeit mit Ruth nnd That unterstiitzt. Es ist mir ein Bedfirfniss, meinen verehrten Lehrern fiir die mir erwiesene Giite reel- hen aufrichtigen Dank zu sagen.

Carl Hess, Untersuch. yon halbseitiger Farbensinnst~rung etc. 25

Herr S., ein 31j~hriger Techniker~ war friiher stets ge, sund und hat bis ,~or zwei Monaten gut gesehen. Seit dieser Zeit maeht sich eine ±bnahme des Sehverm~gens am linkeu Auge bemerkbar. Patient klagt, dass er die Gegenst~nde we- niger seharf, die Farben nieht mehr so schSn sehe wie frtiher. Insbesondere sei dies bei den griinen und rothea Farben auff~llig.

Status praesens. Beiderseits hIyopie ~ 4,0 D. Mit corrigirenden Gl~sern ist die Sehsch~rfe des rechten Auges ~--- 616 ~ jene des linkeu ~ 6/1 ~. Bei der ophthalmoskopischen Untersuchung findet sieh eine sehmale Sichel auf der tempora- len Papillenhalfte. Die Papille selbst zeigt die gew~hnliche F~rbung, die Iqetzhautgef~sse sind normal, am tibrigen Augen- hintergrunde sieht man keiuerlei krankhafte Ver~nderungen. Die Pupille des linken Auges ist etwas weiter als jene des reehten und zeigt ausgesprochenen Hippus.

Das rechto Auge ist in jeder Hinsicht vollst~ndig normal. Yon anderweiten krankhaften StSrungen bei dem Patien-

ten ist nur das fast vollst~ndige Fehlen des Patellarreflexes zu erw~hnen.

U n t e r s u c h u n g mit P igmenten .

Eine vor]gufige Untersuchung zur Orientirung fiber den Farbensinn der verschiedenen .Netzhautstellen bei dem Patienten wurde ill tier folgenden Weise vorgenommen. P. blickte bei fixirtem vorwKrts geneigtem Kopfe aus einer Entfernung yon 43 cm yon oben auf eine grosse mit einem gleichmKssig schwarzen Tuche iiberspannte horizontale Flgche. Senkreeht unter dem zu untersuchenden Auge befand sieh eine kleine Marke als Fixationsobject. W~hrend Patient diese (bei geschlossenem gesundem Auge) fixirte, wur- den farbige Scheiben yon 3 cm Durchmesser erst an die Stelle des directen Sehens, dann auf verschiedenen Meri- dianen an etwas indirect gesehene Ste]len des Sehfeldes gebracht. Dabei zeigte sich, class auf alien Stellen der nasalen Sehfeldh~ilfte die Scheiben in der ,,richtigen" Farbe erschienen, d. h. so, wie dem normalen Auge auf den ent- sprechenden Stellen, w~hrend auf allen Stellen tier tempo- ralen Sehfeldh~lfte s~mmtliche Pigmente mehr oder weniger

26 Carl Hess.

deutlich ver£ndert gesehen wurden, auch wenn die Scheiben bis dicht an den Fixationspunkt herangesehoben waren. Die Trennungslinie zwisehen den beiden H£1ften fiel anniihernd mit tier vertikalen Trennungslinie tier Netzhaut zusammen, bis auf die Stelle des directen Sehens, welche ganz in das erkrankte Gebiet einbezogen war. An diese Stelle schloss sieh nasalwgrts unmittelbar gesundes Netzhautgebiet an. Wenn also Patient Objeete yon nieht allzu geringem Durch- messer fixirte, so konnte leicht ihr Bild, zum Theile wenig- stens, auf gesunde Netzhaut fallen. Zur ausschliesslichen Untersuchung des Farbensinns der erkrankten Parthieen musste man also entweder sehr kleine 0bjeete verwenden, deren Bild auch bei direeter Fixation nur auf kranke Par- thieen fiel, was indessen aus verschiedenen Griinden un- zweekm~ssig erschien, oder man musste bei Benutzung grSsserer 0bjecte den Patienten diese etwas exeentriseh betraehten ]assen, so dass ihr Bfld auf der nasalen Netz- hauthglfte entworfen wurde.

Die folgende Zusammenstellung giebt eine Uebersicht fiber die Aenderungen des Tones und der S£ttigung, welehe die mit den nasalen Netzhautparthieen gesehenen Pigment- lichter erfuhren. Es wurde dabei so verfahren, dass, wiSh- rend Patient die Marke auf dem schwarzen Grunde fixirte, eine farbige Scheibe auf eine 2 cm nasalw~rts, eine zweite ganz gleiche Scheibe auf eine ebensoweit temporalwi~rts gelegene Stelle des Grundes gelegt wurde. Patient sah jetzt die erstere immer in ihrer ,,richtigen" Farbe (d. i. so wie mit seinem gesunden Auge), die andere mehr oder we- niger versehieden, und zwar in der folgenden Weise: Sattes Spectralroth ersehien ,,schmutzig dunkelgelb", Sattes Orange erschien ,,schmutzig schwefelgelb", Sattes Chromge]b ,,Gelb, matter als die andere Seheibe", Sattes Gelbgriin ersehien ,,schwach gelbtichgrau", Ein dem Urgriin nahestehendes ziemlieh ges~ttigtes Griia

erschien ,,griinliehgrau",

Untersuchung eines Falles yon halbseitiger Farbensinnst6rung. 27

Sattes Blau ,,Blau, etwas matter als die andere Scheibe", (mit einem ,,violetten" Tone),

Sattes Vie]eft erschien ,,violett, aber mehr bliiulich als die andere Scheibe",

Sattes Blauroth ,,grauviolett" Weiss, Hellgrau und Dunkelgrau wurden auf beiden Seiten

gleich gesehen.

H e r s t e l l u n g yon Gle i chungen mit P i g m e n t l i e h t e r n .

Um einen genaueren Aufsehluss fiber die Art der Aen- derungen zu erhalten, welche die mit der kranken Netz- hauth~lfte gesehenen farbigen Liehter erfuhren, insbeson- dere, um yon den veto Patienten gebrauchten Benennnngen dieser Liehter unabh~ngig zu sein, wurden nun Gleichun- gen hergestellt zwisehen zwei Lichtern, yon welchen das eine auf der erkrankten, das andere auf der gesunden Netz- hauth~lfte zur Wirkung kam, beide aber auf einer nur we- nige Grade yon der Fovea eentmlis entfernten, also beim gesunden Auge no& vollkommen farbentfi&tigen Stelle. Das hierbei efngesehlagene Verfahren war das folgende:

Patient bliekte aus einer Entfernung yon 30 em auf eine gleiehmiissig graue Fli~ehe, in weleher zwei kreisrunde LScher yon 3 em Durehmesser so ausgeseMagen waren, dass ihre medialen ttiinder 3 em yon einander abstanden. Ia der Mitte zwisehen beiden LSchern befand sich ein feiner l)'ixationspunkt. Es bildete sieh demnaeh, wenn alas Auge diesen lest fixirte, was vom Patienten stets gewissenhaft befolgt wurde, yon den LSehern das eine auf einer ca. 5 o temporalwiirts, das andere auf einer ebensoweit nasalw~rts gelegenen, jedes also auf einer beim Gesunden noeh voll- kommen farbentiiehtigen extramacularen Netzhautsteile ab. Unterhalb dieser LSeher liessen sieh ganz in der gleiehen Weise, wie an dem in der Abhandlung yon Herrn Professor H e r i n g 1) besehriebenen Apparate zur Herstellung binoeu-

~) Vgl. Hering. Dieses Archly Bd. XXXVI, 3, S. 1.

28 Carl Hess.

larer Farbengleichungen verschiedene farbige Platten an- bringen, welchen farbloses oder dureh bunte Gl~ser gef~rb- tes Licht durch Splegelung zugemischt werden konnte. Dutch das rechte Loeh in der grauen Fl~che war die reehte Platte sichtbar, durch das linke Lech die linke Platte; beide er- sehienen als farbige Kreisflecke in der Fl~che; einem jedea der beiden konnte jede beliebige Farbe gegeben werden. (Ueber die Details ~ergl. die erw~hnte Abhandlung yon Hering.)

In der folgenden TabelIe sind die auf diesem Wege hergestellten Gleichungen angegeben. In der ersten Cohmne sind die Lichter verzeichnet, welche auf der kranken Netz- hauth~lfte zur Wirkung kamen, in der zweiten jene, deren Bild auf die gesunde Netzhauth~lfte fiel; bei den letzteren ist zugleich angegeben, in welcher Weise dieselben herge- stellt wurden. Dem gesunden Auge des Patienten erschie- hen die beiden LScher, wenn fiir das kranke die Gleiehung hergestellt war, ganz verschieden, und zwar ebenso wie uns.

Tabe l l e der G le i chungen zwischen zwei L i c h t e r n , yon welchen das eine auf tier gesunden, das andere auf der

kranken Netzhauth~Ifte zur Wirkung kam.

Kranke ~etzhauthhlfte Gestuade ~etzhauth~lfte

1) Sattes Spectralroth.

2) Sattes Orange.

3) Ges~ttigtes Chromgelb.

Dunkles, wenig ges~ttigtes Gelb~ mit einem leichtem Stich ins olivenfarbige, herge- stellt durch eine chromgelbe Platte, welche stark veto einfallenden Lichte weggeneigt war, und der noch weisses Lieht zugespiegelt wurde.

Wenig ges~ttigtes Gelb, mit leichtem Stich ins Olivenfarbige, hergestellt in hhnlicher Weise wie das vorige.

Weissliches Gelb, hergestellt durch Zu- mischung weissen Lichtes zur chromgelben Platte und leichtes Neigen derselben veto ein- fallenden Lichte weg.

Untersuchung eines Falles yon halbseitiger FarbeasinnstSrung. 29

Kranke Netzhauthi~lfte Gesunde Netzhauthi~lfte.

4) Ges~tt igtes Gelbgrtin.

5) Ein dem Ur- griin nahes te - hendes gesht- t igtes Griin.

6) Gesi~ttigtes I~lau.

7) Gesa~tigtes Violett .

~) Helles Blau- roth.

Le ich t grt inl iches Graugelb, hergestellt durch Zumischung weissen Lichtes zur gelb- griinen Platte und leiehte Nelgung derselben veto einfallenden Lichte weg.

Schwach grt inl iches Grau, hergestellt durch Zumischung yon viel weissem Lichte zur gra- nen Platte und Neigung derselben veto einfal- leaden Lichte weg. Welssl iches wenlg gesht t ig t es Blau, her- gestellt durch Zumlschung yon weissem Lichte zur blauen Platte und leichte Neigung dersel- ben veto einfallenden Lichte weg. Wenig ges~t t igtes Blau, in ~hnlicher Weise hergestellt wie clas vorige. Wenig ges~t t igte s Blau, in ~hnlicher Weise hergestellt wie das vorige.

War beiderseits ein Grau yon gleieher Helligkeit ein- gestellt, welches jedoch heller war, als das Grau der oberen Fl~che, so erschien dem Pat[eaten alas mit der krankea Netzhauthiilfte gesehene Loch um eia Geringes minder hell als das andere. Durch eine leichte Neigung der betreffen- den Platte zum einfallenden Lichte wurde die Gleichung zwischen be[den LSchern hergestellt. Uns ersehien dieses Loch jetzt um ein Weniges heller als das andere. War unten beiderseits ein dunkleres Grau eingestellt, so erschien alas mit tier kranken Netzhauthglfte gesehene Loch etwas weniger dunkel. Die Untersehiedsempfinclliehkeit fiir Hel-

ligkeiten war auf der kranken Netzhauth~lfte etwas kleiner als auf der gesunden.

U n t e r s u c h u n g mi t h o m o g e n e n L i c h t e r n . Das Gesichtsfeld eines kleinen Fernrohres, welches mit einem Spectralapparate verbunden war 1), wurde mit homogenem

1) Ueber die Einriehtung des Apparates vergl. Hering: Ueber individuelle Verschiedenheiten des Farbensinnes 8eite 20.

30 Carl Hess.

LiGhte erfiillt; Patient fixirte dieses kreisfSrmige Feld, dessert scheinbarer Durchmesser auf eine Entfernung yon 30 em projicirt, 3 cm betrug. Es wurde~l tier Reihe nach Lichter verschiedener Wellenliinge eingestellt. Als Licht- quelle diente das yon einem Spiegel rettectirte Tageslioht. Die Spaltbreite war fiir alle Lichter die gleiche.

Patient bezeichnet ein Licht you der mittlen Wellea- l~nge 690tttt (flit uns ein sehr dunkles Roth) als Gelb, ein Licht yon tier Wellenl~nge 656,2 tttt (Linie C) als Orange- gelb, ein Licht yon der Wellenl~nge 620 tt,u als Schwefel- gelb. £11e Lichter yon tier Wellenl~nge 620 ttg bis ungef£hr 525 tttt als mehr oder weniger schSnes Gelb, Lichter yon ungefahr 525 t~tt bis 500 tttt Ms griinliches Gelb.

Ein Lieht yon der WellenlKnge 495 tttt wird als schwach griinlich, bezw. als leicht griinliches Grau bezeichnet; es erseheint ,,weder gelb]ich noch bl~ulich". Licht yon der Wellen]~nge 496 /z,u und mehr wird r ege lm~ss ig als schwach gelbtich, Licht yon der Wellenl~nge 494/z/z und weniger als schwach bl~ul[eh bezeichnet.

Alle Lichter yon der Wellenl~inge 494 tttt bis ungef~hr 458 tttt werden mehr oder weniger deutlich blau, ein tier LiMe G entsprechendes Licht blau ,,mit schwach violettem Haueh" gesehen.

Die Untersuehung am continuirliehen Spectrum ergab, dass dasse]be fiir das kranke Auge, mit unserem Auge ver- glichen, am rothen Ende kaum merklich, am violetten Ende gar nicht verkiirzt erschien.

Bei diesen Beobaehtungen batten wir indessen nieht die volle Sieherheit, dass das homogene Licht wirklich aus- schliesslich auf der erkrankten Netzhaut zur Wirkung kam (vergl. oben S. 26). Es war daher nothwertdig, die Unter- suchung auch in tier Weise anzustellen, dass eine Wirkung der betreffenden Lichter auf die gesunden Netzhautstellen sicher ausgeschlossen war.

Um G l e i c h u n g e n zwisehen farbigen Lichtern, welehe

Untersuchung eines Falles yon halbseitiger Farbensinnstiirung. 31

ausschliesslich auf der nasalen uncl solehen, die auf der temporMen Netzhauth~lfte zur Wirkung kamen, auch mit homogenen Farben herstellen zu kSnnen, wurde die folgende Einrichtung getroffen.

In dem Fernrohre des erw~hnten Apparates wurde an passender Stelle ein kreisfSrmiges Diaphragma angebraeht, welches durch einen yon oben naeh unten gehenden brei- ten Steg in zwei seitliehe Hglften getheilt war. Der durch alas Fernrohr blickende Beobachter sah also zwei durch einen breiten dunklen Streifen yon einander getrennte nahezu halbkreisfSrmige Felder. Die scheinbare Breite des tren- nenden Steges betrug, auf eine Entfernung yon 30 cm pro- jieirt 3 cm, die seitlichen Gesichtsfeldhilften batten eine scheinbare HShe yon fast 7 cm und (an der breitesten Stelle) eine scheinbare Breite yon 2 cm. In tier Mitre des Strei- fens war ein kleines Loch angebraeht, durch welches etwas yon dem speetralen Lichte drang und welches als Fixations- punkt diente. Von den beiden leuchtenden Feldern bildete sieh demnach, wenn das Auge auf diesen Punkt gerichtet war, jedes auf einer yon der Fovea eentralis im horizon- talen Meridian ca. 5 o entfernten Netzhautstelle ab. Jede tier beiden HS.lften konnte fttr sich mit beliebigem homo- genen Lichte erftillt werden; der rechten (also bei Betrach- tung mit dem erkrankten linken Auge des Patienten auf dessert temporaler, gesunder Netzhauth~lfte sich abbilden- den) Gesiehtshilfte konnte ausserdem noch farbtoses, you einer mattgeschliffenen Milchglasplatte refleetirtes Tageslicht in beliebiger Menge zugemischt, die Helligkeit eines jedea der beideu Felder durch Regulirung der Breite des zuge- hSrigen Spaltes beliebig variirt werden. Die mittlen Wel- lenl~ngen tier jeweils eingestellten Lichter waren jederzeit genau zu bestimmen.

Es wurde nun zungchst auf der reehten (nasalen) Ge- siehtsh~lfte, (welche also mit der gesunden Netzhauthglfte gesehen wurde), homogenes reines Gelb yon tier Wellen-

32 Carl Hess.

l~nge 574,5/~tt eingestellt. Die tempor~le Gesichtsfeldh~lfte wurde der Reihe n~ch mit verschiedenen Lichtern grSsserer Wellenl~nge erffillt.

War in der letzteren ein Licht yon der Wellenl~nge 656,2 tttt (Linie C) eingestellt, so erschien dem P~tienten diese H~lfte ,,schmutzig gelb", die rechte schSn gelb. Dutch Zumischung farbl0sen Lichtes zu der letzteren und durch entsprechende Herabsetzung der Helligkeit des homogenea Lichtes liess sieh eine Gleichung zwischen beiden tt~lften herstellen. De m gesunden Auge erschien jetzt die linke Gesichtsfeldh~ilfte sehSn roth, die rechte schmutzig gelb.

In ~ihnlicher Weise wurde eine Gleichung zwischen einem gelblich rothen Lichte yon der Wellenl~nge 610/~tt nnd einem weisslich-ge]ben, endlich zwischen einem der LiMe D (589,7/~tt) entsprechenden und einem wenig ge- s~ttigten gelben Liehte hergestellt.

Wurde die linke Gesiehtsfeldh~lfte mit gelbgriinem Lichte yon der Wellenl~nge 551/Ltt oder mit einem Lichte aus tier Gegend zwischen den Linien E und b des Spec- trums erfiillt, so konnte wiederum durch Zumisehung farb- losen Lichtes zur rechten, mit homogenem Gelb yon 574,5/ql Wellenl~nge erfiillten H~lfte und durch entsprechende Aen- derung der Breite des Spaltes fiir dieses Licht eine Glei- chung zwisehen beiden Gesichtsfeldh~lften hergeste]lt wer- den. Dem gesunden Auge erschien jetzt die rechte Ge- sichtsfeldh~lfte als ein blasses Gelb, (die linke als schSnes Griingelb, bezw. gelbliches Griin).

Wurden beide Gesichtsfeldh~lften mit homogenem rei- hem Gelb yon der Wellenl~nge 574,5 tt/t erfiillt, so sah Pa- tient die linke H~lfte gelb, aber ,,nicht so rein" wie die rechte. Durch Zumischung yon farblosem Lichte ztt dieser letzteren und entsprechende Aenderung der Spaltbreite ffir d~s homogene Licht wurde leicht eine Gleichung erh~lten. Dem gesunden Auge erschien jetzt die rechte H~lfte ,,matt gelb" im Vergleich znm ges~ttigten Gelb der linken H~lfte.

Untersuchung elnes FaUes yon halbseitlger FarbensinnstSrung. 33

Eine zweite Re[he yon Gleichungen wurde hergestellt, indem die rechte Gesichtsfeldhglfte mit homogenem re[nero Blau (yon der Wellenl~nge 471 ,u,u) die andere der Re[he nach mit griinblauem, blauem und violettem Lichte erfiillt wurde. War auf tier linken Hglfte ein Griinblau yon de r Wellenl~nge 485 tt,u eingestellt, so liess sick durch Zu- mischung farblosen Lichtes zum re[hen Blau der anderen Seite und durch Regulirung der Spaltbreite fiir dieses Licht eine Gleichung herstellen. Das gesunde Auge sah dieses jetzt als ein sehr weissliches Blau. War die linke Gesichtsfeldh~lfte mit homogenem Violett (Wellenl~nge etwa 435t tit) erfiillt, so erschien jetzt dem Patienten diese letz- tere ,ges~ttigter blau" als die rechte H~lfte. Da unser Apparat es nicht gestattete, diesem ¥iolett farbloses Licht zuzumischen, so musste die zur Herstelluug einer Gleiehung nothwendige S~ttigungsmiaderung des homogenen Violett durch Zumisehung gelben Lichtss bewerkstelligt werden. Wir benutzten anstatt des reinen Gelb ein etwas ins Rothe gehendes Gelb. Fiir den vorliegenden Yersuch war dies ganz gleichgiiltig, well das benutzte rothgelbe Licht flit die kranke Netzhauth~lfte des Patienten keine rothe Yalenz besass (s. o.). Es liess sich auf diese Weise eine Gleichung :zwischen homogenem Blau, das auf der gesunden Netzhaut- h~lfte, und einem aus homogenem Violett uad Rothgelb ge- mischten r5thlichea Yiolett, das auf der kranken Netzhaut- h~lfte zur Wirkung kam, herstellen. (Dem gesunden Auge erschien das Rothviolett heller Ms alas homogene Blau.)

Waren be[de Gesichtsfeldh~lften mit homogenem, rei- nem Blau yon der Wellenl~nge 471/~tt erfiillt, so sah Pa- tient be[de blau, die iinke H~lfte etwas matter. Die Glei- chnng zwischen be[den wurde leicht durch Zum[schung farb- losen Liehtes zur rechten HgMte erzielt; dem gesunden Auge erschien diese jetzt im Vergleich zur linken weisslieh blau.

Be[ einer dritten Versuchsreihe wurde die rechte Ge- siehtsfeldh~lfte nut mit farblosem Tagesliehte, welches you

v. Graefe's Archly ffir Ophthalmologie. XXXVI. 3. 3

34 Carl Hess.

der mattgeschtiffenen Mflchglaspl~tte reflectirt ward, erfiillt, die linke tier Reihe nach mit Lichtern yon tier Wellenl~nge 500,utt bis 490/~tt.

War ein Licht yon der Wellenl~inge 495/l,u eingestellt, so konnte durch Regulirung der Helligkeit der mit farb- losem Lichte erftillten Gesichtsfeldhi~lfte eine genaue Glei- chung zwischen dieser und der mit griinem Lichte erfiillterL H~lfte hergestel]t werden. Patient sah jetzt beide ,,rein grau".

Es k(innte auff~llig erscheinen, dass Patient bei Bestim- mung der ,,neutralen Stelle" im Spectrum~ wean das gauze Ge- sichtsfeld mit homogenem Lichte erftillt war, das gleiche Licht einstellte, wie bei der Herstellung einer Gleichung zwische]~ dem Tageslichte und der ihm farblos erscheinenden Stelle des Spectrums, wi~hrend ein Yon Geburt Rothgriinblinder in diesem Falle in der Regel ein Licht yon etwas anderer Wellenli~nge einstellt. Die a~chstliegende Erkli~rung daftir diirfte wohl i~. dem Umstande zu suchen sein, dass auch das Vermiigen der Blaugelberapfindung bei dem Patienten etwas herabgesetzt war.

Die P e r i m e t e r u n t e r s u e h u n g an dem yon mir in meiner Abhandlung ,,Ueber den Farbensinn beim indirectea Sehen" 1) beschriebenen Hering 'schen Apparate lieferte das folgende Ergebniss.

Das auf den Kreiselscheiben hergestellte unver~nder- liehe Roth und Griin yon gleieher farbiger and gleicher weis- ser Valenz wurde bei directer Fixation und auf der ganzea nasalen Netzhauthiilfte nicht wahrgenommen. Das Loch ia der oberen grauen Fl~che erschien dem Patienten ganz gleioh mit tier grauen Fl~che selbst, wenn ich der ]etzteren fiir mein Auge bei geniigend indirectem Sehen die gleiche weisse ¥alenz mit dem rothen bezw. griinen Pigmente auf der Kreiselscheibe gegeben butte. Auf der temporalen ~etzhauth~lfte wurde das Roth und Griin gut wahrgenommen, bei zunehmend indirectem Sehen wurden beide an der gleichen Stelle farblos. Die Grenzen der Wahrnehmbarkeit stimmten anni~hernd

~) Dieses ArchN Bd. XXXV, 4. Abth.

Untersuchung eines Falles yon halbseitiger Farbensinnst~irung. 35

genau mit den ffir mein Auge in den entspreehenden Halb- meridianen gefundenen Grenzen iiberein.

Ein unver~nderliches Gelb und Blau yon gleieher fax- biger und gleicher weisser Valenz und yon verh~ltnism~ssig geringer S~ttigung wurden bei direetem Sehen richtig be- nannt. Auf der temporMen Netzhauth~lfte wurden beide bei zunehmend indirectem Sehen an der gleichen Stelle farblos; die gefundenen Grenzen waxen die gleichen, wie fiir mein Auge. Auf der nasalen EetzhauthKlfte wurde das Blau und das Gelb ebenfalls an der gleichen Stelle faxblos und zwar auf dem horizontalen inneren Meridian schon bei einer Entfernung yon 2 0 - - 2 2 o yon der fixirten Stelle, w~h- rend fiir mein Auge auf dem gleiehen Meridian die Gren- zen sehr viel weiter exeentrisch lagen. (Ich verzichtete auf eine genauere Bestimmung wegen allzu indireeten Sehens.)

Die Grenzen der Wahrnehmbarkeit fiir faxbloses Licht waxen auf der nasalen Netzhanth~lfte des erkrankten Au' ges, verglichen mit jenen auf den entsprechenden Meridia- hen des gesunden kuges, gleichfalls nicht unbetr~chtlich eingeschr~nkt. Genauere Messungen konnten nieht vorge- nommen werden.

Das Ergebniss, welches die Untersuchung des vorlie- genden Falles lieferte, l~sst sieh kurz zusammenfassen wie folgt:

An dem linken Auge des Patienten ist auf der nasalen ~etzhauth~lfte der Rothgriinsinn naheztt vollsti~ndig ge- schwunden, das Verm5gen tier Gelb- und das tier Blau- empfindung betr~chtlich herabgesetzt und zwar haben beide in gleichem Maasse gelitten, wie aus der perimetrischen Untersuchung (Zusammenfallen der Grenzen fiir gIeichwer- thiges Gelb und Blau) hervorgeht. Das YermSgen der Schwarzweissempfindung hat gleiehfalls, wenn aueh sehr viel we~figer gelitten. Patient sieht dementsprechend mit der erkrankten btetzhauthiilfte rein rothe und griine Pigment, lichter yon nicht zu grosser S~ttigung farblos, (hell- oder

3 *

36 Carl Hess, Untersuchung eines Falles etc.

dunkelgrau), gelbe und blaue Lichter in dem gleichen Tone wie mit der gesunden bTetzhauthi~lfte, nur minder ges~ttigt; farblose Lichter erscheinen auf tier gesunden und der kran- ken :Netzhauth~lfte farblos und in ihrer Helligkeit nicht wesentlich versehieden. In den Zwischenfarben Orange, Gelbgriin, Blaugriin und Violett sieht Patient nut das Gelb, bezw. Blau.

Ein analoges Resultat ergiebt die Untersuehung mit homogenen Lichtern; Patient ~ieht mit der kranken Netz- hauth~lfte alle homogenen Lichter weniger ges~ttigt als mit der gesunden. Ein griines Lieht yon der Wellenl~nge 495/~/~ erscheint ihm farblos. 1) Alle Lichter gr5sserer Wellenl~nge sieht er gelb, alle Lichter kleinerer Wellen- l~nge blau. Ein Gelb yon der mittleren Wellenl~nge 574,5/~/~ and ein Blau yon der mittlerea Wellenli~nge 471 /~/~ er- scheinen auf der kranken ~etzhauthi~lfte in dem gleichen Tone, wie auf der gesunden, nur minder gesi~ttigt, alle an- deren Liehter zeigen ausser der Aenderung der S~ttigung auch eine mehr oder minder deutliche Aenderung des Tones.

Aus alledem geht hervor, dass die ganze nasale iNetz- hauthi~lfte des Patienten sieh in Bezug auf den Farbensinn so verhi~lt, wie eine bestimmte, ziemlich weir exeentrisch gelegene SteIle eines normalen Auges.

Dieselbea Griinde, welche eine Erkl~rung des Farbeu- sinnes beim indirecten Seher~ nach der Dreifasertheorie un- mSglieh erscheinen lassen, haben in gleicher Weise Geltung fiir den vorliegenden Fall.

Nach der Theorie tier Gegenfarben erkliirt sieh der Fall in tier Weise, dass yon den beiden farbigen Variabeln des Farbensinnes die roth-griine fast ganz, die gelb-blaue zu einem Thefle ausser Function gesetzt ist, w~hrend die weiss-schwarze nur wenig gelitten hat.

~) Dieses Licht ist genau das gleiche wie jenes, welches ich friiher (vergl. dieses Arch. Bd. XXXV, 4, S. 20) far mein Auge als ,,unver~nderliches Gran" bestimmt habe~ ich faad damals 494--497 ~ .