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(Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Leipzig [Direktor: Prof. Dr. M. Bi~rger].) Untersuehungen fiber die respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruekes beim Mensehen. Von Karl Matthes und K. Schlaudraff*. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 19. Dezember 1942.) Seit eine fortlaufende Aufschrift des Blutdruckes im Tierexperiment mSglich ist, ist bekannt, da~ der Blutdruck, abgesehen yon den herz- synchronen Pulsschwankungen, nicht einen konstanten Weft hat, son- dern rhythmischen dauernden Schwankungen unterworfen ist, die tefls mit der Atemfrequenz iibereinstimmen, teils langsamere Perioden zeigen. Seit den ersten Untersuehungen aus dem Laboratorium von Ludwig 1, 2, die sehon eine weitgehende K1/~rung hinsiehtlieh des Verlaufs und der Ursachen der Atemschwankungen des Blutdruekes beim Hunde braehten, ist eine ausgedehnte Literatur entstanden, in der sich in bezug auf die Nomenklatur und Deutung der einzelnen Blutdruckwellen manche Widersprfiche finden. In dieser Abhandlung sollen im Ansehlu$ an die Ein~eilung yon Fredericq a und yon A. Fleisch 4 folgende Arten rhythmi- scher Blutdruckschwankungen untersehieden werden: 1. Wellen 1. Ordnung: Synchron mit der tterzaktion. 2. Wellen 2. Ordnung: Synehron mit der Atmung. 3. Wellen 3. Ordnung: Wellen mit langsamerer Frequenz als die Atmung. Unter den Wellen 3. Ordnung sollen die mit einer Frequenz von etwa 3--7 pro Minute naeh V. Aalk~aer s und R. Wagner e als Traube- Hering-Meyersche Wellen yon Blutdrucksehwankungen noeh niedriger Frequenz (1--2 pro Minute) unterschieden werden. Neben diesen bei nor. maler Atmung auftretenden Blutdruckwellen sollen rhythmische Sehwan- kungen des Blutdruekes, wie sie bei periodiseher Atmung (Cheyne-Stokes- sehes Atmen) auftreten, gesonder~ betrachtet werden. Die gegenw/~rtige Abhandlung befatt sich mit den Blutdruekwellen 2. Ordnung. Beim Menschen fehlte es bis vor l~urzem an geeigneten Methoden, mit denen rasch verlaufende rhythmische Blutdrucksehwankungen an einem gr61~eren Versuehsmateria] einwandfrei dargestellt werden konnten. Zwar erlauben besonders die Methoden yon Koch und Wachter ~ sowie die blutige Aufsehreibung des arteriellen Druekes (Bonsdor/s) eine ausreichende Registrierung auch raseh verlaufender Druckschwankungen. Es ist aber mit diesem Veffahren * Mib Unterstiitzung der Deutschen Forsehungsgemeinsehaf$.

Untersuchungen über die respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes beim Menschen

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Page 1: Untersuchungen über die respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes beim Menschen

(Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Leipzig [Direktor: Prof. Dr. M. Bi~rger].)

Untersuehungen fiber die respiratorischen Schwankungen

des arteriellen Blutdruekes beim Mensehen. Von

Karl Matthes und K. Schlaudraff*.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 19. Dezember 1942.)

Seit eine fortlaufende Aufschrift des Blutdruckes im Tierexperiment mSglich ist, ist bekannt, da~ der Blutdruck, abgesehen yon den herz- synchronen Pulsschwankungen, nicht einen konstanten Weft hat, son- dern rhythmischen dauernden Schwankungen unterworfen ist, die tefls mit der Atemfrequenz iibereinstimmen, teils langsamere Perioden zeigen. Seit den ersten Untersuehungen aus dem Laboratorium von Ludwig 1, 2, die sehon eine weitgehende K1/~rung hinsiehtlieh des Verlaufs und der Ursachen der Atemschwankungen des Blutdruekes beim Hunde braehten, ist eine ausgedehnte Literatur entstanden, in der sich in bezug auf die Nomenklatur und Deutung der einzelnen Blutdruckwellen manche Widersprfiche finden. In dieser Abhandlung sollen im Ansehlu$ an die Ein~eilung yon Fredericq a und yon A. Fleisch 4 folgende Arten rhythmi- scher Blutdruckschwankungen untersehieden werden:

1. Wellen 1. Ordnung: Synchron mit der tterzaktion. 2. Wellen 2. Ordnung: Synehron mit der Atmung. 3. Wellen 3. Ordnung: Wellen mit langsamerer Frequenz als die

Atmung. Unter den Wellen 3. Ordnung sollen die mit einer Frequenz von etwa 3--7 pro Minute naeh V. Aalk~aer s und R. Wagner e als Traube- Hering-Meyersche Wellen yon Blutdrucksehwankungen noeh niedriger Frequenz (1--2 pro Minute) unterschieden werden. Neben diesen bei nor. maler Atmung auftretenden Blutdruckwellen sollen rhythmische Sehwan- kungen des Blutdruekes, wie sie bei periodiseher Atmung (Cheyne-Stokes- sehes Atmen) auftreten, gesonder~ betrachtet werden. Die gegenw/~rtige Abhandlung befatt sich mit den Blutdruekwellen 2. Ordnung.

Beim Menschen fehlte es bis vor l~urzem an geeigneten Methoden, mit denen rasch verlaufende rhythmische Blutdrucksehwankungen an einem gr61~eren Versuehsmateria] einwandfrei dargestellt werden konnten.

Zwar erlauben besonders die Methoden yon Koch und Wachter ~ sowie die blutige Aufsehreibung des arteriellen Druekes (Bonsdor/s) eine ausreichende Registrierung auch raseh verlaufender Druckschwankungen. Es ist aber mit diesem Veffahren

* Mib Unterstiitzung der Deutschen Forsehungsgemeinsehaf$.

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aus methodischen Griinden eine systematisehe Untersuehung dieser Ph~nomene an gr6Berem Versuchsmaterial noeh nicht erfolgt. Die gebrauchlicheren Verfahren der fortlaufenden Blutdruekaufzeiehnung naeh dem Langeschen Prinzip yon einer Oberarmmanschette aus erlauben bisher nieht die einwandfreie Darstellung be- sonders tier respiratorischen Blutdrucksehwankungen fiber liingere Zeit. Trotzdem geht aus sphygmographischen, plethysmographisehen und oszillometrisehen Unter- suehungen beim Mensehen (Literatur bei Tigerstedt 9, Fleisch a und bei R. Wagner e) einwandfrei hervor, dal3 Blutdruckschwankungen 2. und 3. Ordnung, etwa in der- selben Art wie sie in Tierexperimenten beobaehtet werden, aueh beim Mensehen vorkommen. Unter den plethysmographisehen Methoden sind besonders die Unter- suehungen des Fingerplethysmogramms zu erw~hnen (Goetz 1°, Matthesn), die Volumensehwankungen 2. und 3. Ordnung besonders seh6n zeigen, die mit Reeht mit entspreehenden Schwankungen des Blutdruekes zusammengebracht wurden.

In ]etzter Zeit sind nun yon R. Wagner 6 und yon K. Matthes 12 Metho- den entwiekelt worden, die eine genfigend tr~gheitsarme Registrierung des Blutdruekes fiber l~ngere Zeit gestatten, um diese BluMrucksehwan- kungen einwandfrei darzustellen. Die Methode yon Wagner hat gegen- fiber unserer eigenen den grol~en Vorteil, auch die Schwankungen des diastolisehen Blutdruckes riehtig wiederzugeben, w£hrend nach Matthes nur eine Registrierung der systolischen Blutdruckwerte m6glich ist und damit auf eine exakt h~modynamisehe Analyse der Kurven verziehtet werden muB.

In bezug auf die Wiedergabe rhythmischer Blutdrueksehwankungen zeigen beide auf ganz verschiedenem Prinzip arbeitenden Methoden eine erfreuliche ~bereinstimmung 6, 1~, la

Aufgabe dieser Abhandlung und der folgenden soll es sein, die rhythmi- schen Schwankungen des Blutdruekes beim Menschen gleichzeitig aufzu- zeichnen mit den Schwankungen des Volumenpulses an verschiedenen K6rperstellen sowie bei den langsameren Blutdrueksehwankungen gleich- zeitig die ~nderungen der t tauttemperatur und der Sauerstoffsiittigung des Blutes aufzuzeichnen. Es war zu erwarten, die gleiehzeitige Auf- zeichnung yon Kreislaufgr61~en, die einen Schlui] auf das Verhalten der peripheren Vasomotorik erm6glichen, unsere Kenntnisse fiber das Zustandekommen der rhytbmischen Blutdruekschwankungen beim Menschen erweitern wfirde.

Methodik. Die fortlaufende Aufschrift des systolischen Blutdruckes erfolgte mit einer

von K. Matthes TM in einer vorliiufigen Mitteilung beschriebenen Methode, deren ausffihrliche Ver6ffentlichung spi~ter erfolgen wird. Das Prinzip der Methode besteht in der Aufzeichnung des Druckes in einer Giirnerschen Fingermanschette, der mit Hilfe einer Drucksteuerungsanlage, die sich der Volumenpulse der Finger- spitze bedient, in der N~he des systolischen Druekes der Fingerarterien gehalten wird. Der Volumenpuls der Fingerspitze bewirkt fiber Photozelle und Verst~rker die Einsehaltung eines tteizstromes, der durch Erw~rmung eines kleinen fort- laufend gekiihlten Luftvolumens den Druek in der Fingermanschette erzeugt. Die I)auer der Einsehultung des Heizstromes pro Puls hi~ngt dabei ab vonder Gr6Be des Pulses, die wieder yon der Druckdifferenz zwisehen Fingerarteriendruek und

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Mansehettendruck abh/~ngig ist. So kann eine schnelle Anpassung des Mansehetten- druekes an den Arteriendruck erfolgen, such ohne da$ bei einzelnen Pulsen der Schaltungsvorgang ganz ausf~llt, was nur vorkommt, wenn der Mansehetten- druek den Fingerarteriendruek iibersteigt. Be[ der gewbhnlichen Einstellung, bei der fast jeder Puls einen Sehaltungsvorgang auslt~st, bewegen sieh daher die FuBpunkte der Mansehettendruekkurve stets unmittelbar unterhalb des systolisehen Druekwertes in den Fingerarterien, der ~ansehettendruck folgt such schnellen Sehwankungen des Art~riendruekes, wie sie bei frequenter Atmung vorkommen, mit geniigender Treue. Die Kompression eines Fingers dutch die Manschette l~Bt sich im Gegensatz zur Kompression des Oberarmes stundenlang ohne jede Beschwerden aushalten.

Periphere Volumenpulse wurden mit Photozelle, Verst~irker und schnellsehwin- gendem Galvanometer aufgezeiehnet 14, die Registrierung der Sauerstoffs~ttigung, Hauttemperatur usw. erfolgte mi~ den in frtiheren Arbeiten is, 1~ besehriebenen Methoden.

Ergebnisse. Die mit unserer Methode aufgezeiehne~n Kurven des systolisehen

Blutdruekes beim Mensehen zeigen ebenso wie die in der Wagnersehen ~onographie 5 wiedergegebenen Blutdrueksehwankungen 2. und 3. Grades. Wenn Blutdrueksehwankungen 3. Grades vorhanden sind, sieht man meist auch solehe 2. Grades, die mit diesen interferieren. Ein sehr grol~er Tell unserer Versuehspersonen zeigt haupts/£chlieh Atemsehwankungen des Blutdruekes. Die Ausbfldung der Wellen 2. und 3. Ordnung zeigt bei versehiedenen Versuehsper~onen grol~e Unter~ehiede, so dab es meist mSglieh ist, wenn man einen besehrgnkten Personenkreis wiederholt untersueht, ohne weiteres der Kurve anzusehen, yon weleher Versuchs- person sie stammt. Bei tier einzelaen Versuehsperson l/~Bt sich der Typ der Blutdruckkurve, wie dies aueh Wagner und andere beschreiben, weit- gehend beeinflussen. So bewirkt st/~rkeres, besonders thorakales Atmen ein deutliches Hervortreten der respiratorisehen Druckschwankungen. Naeh Gem~tsbeweg~angen und such naeh kSrperliehen Anstrengungen pflegen Blutdruekwellen 3. Ordnung (THYf-Wellen) besonders deutlieh zu sein. Langsame Blutdruckschwankungen 3. Ordnung t re ten besonders unter Umst$nden ein, die periodisehes Atmen erzeugen, so in Versuchen mit O2-Mangel und CO~-Atmung und in Schlaf und tfalbsehlaf.

Atemschwankungen des Blutdruckes sind in gut regist.rierten Kurven bei normaler und m/~Big gesteigerter Atemfrequenz fast immer mindestens angedeutet zu sehen. Bei gleicher Atemfrequenz nimmt ihre Amplitude zu mit zunehmender Atemtiefe, besonders thorakale Atemzfige erzeugen starke B1utdruekwellen. Bei stark gesteigerter Atcmfrequenz kann die Amplitude der Blutdruekwellen abnehmen, doch sahen wit noch bei Atemfrequenzen bis zu 30 pro Minute deutliche respira~rische Wellen in der Blu~druckkurve. Bei noch h6herer Atemfrequenz sieht man den EinfluB der einzelnen Atemziige meist nur in geringfiigigen Form/~nde- rungen der Volumenpulskurve. Einzelne unserer Versuehspersonen hat ten besonders ausgepr/~gte Atemschwankungen des Blutdruckes. Bei

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ihnen sieht man schon bei ruhiger Atmung Schwankungen yon 10--15 mm Hg. Gleichzeitig zeigen die Volumenpulskurven st/~rkste respiratorisehe Sehwankungen des Volumens der Extremit~tenenden. Meist hatten diese Versuchspersonen nur geringfiigige Blutdrueksehwankungen 3. Ord- hung. Andere Versuchspersonen zeigen in der Ruhe nur eben angedeutete Atemwellen. Bei ihnen werden die Schwankungen bei vertiefter Atmung,

nach C02-Atmung und naeh 0,-

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~gO[ 115[ 110'.-

125[

1gO t"

110" Abb. 1. ~espirat , orische Schwankm~gen yon Blu td ruck und V o l u m e n k u r v e n bc im Men- schen. 1. A t m u n g , P n e u m o t a c h o g r a m m , In sp i r ium nacb oben, 2. Ohrvo lumen , 3. Fing- e rvo lumen , 4. Zehenvoh lmen , 5. systolischer Blu tdruck . Zeit in Sekunden. Ausschlag der V o l u m e n k u r v e n nach oben = Z u n a h m e des Blutgehal tcs . Unt~re K u r v e : Beschleunigung und Ver t ie fung der A t m u n g infolge A t m u n g

yon 7% Oz in N~.

Mangelatmung deutlich. Den Atem- schwankungen des Blutdruekes lau- fen stets v6Ilig parallel Schwan- kungen des peripheren Volumens, und zwar bewirkt Blutdruckanstieg eine Znnahme, Blutdruckabfall eine Abnahme des peripheren Volumens. Man sieht dies deutlieh in allen Kurven, in denen der Blutdruck gleiehzeitig mit einer Volumen- kurve gesehrieben wurde.

Abb. 1 zeigt den Blutdruek gleiehzeitig mit Ohr-, l~inger- und Zehvolumen ¢~owie die Atmung. Man sieht zungchst, dal] die Volumen- schwankungen an allen drei Regi- strierorten praktisch gleiehsinnig mit den Blutdruckschwankungen erfolgen. Das Minimum des Blut- druckes und des peripheren Blutge- haltes liegt am Ende der Inspiration (also auf der H6he der Insph'ations- stellung). ])as Maximum yon Blut- druck und peripherem Volumen liegt am Ende der Ausatmung 2--3 Pulse vor Beginn der neuen Inspiration. Gleichzeitig zeigt die Kurve eine

deutliehe respiratorische Arrhy~hmie. X)er Puls ist am langsamsten auf der H6he der Blutdruekwelle, also in der 2. H/~lfte der Exspiration. Er ist am sehnellsten am Tiefpunkt der Blutdruckwelle, also gegen Ende der Inspiration. Aehtet man auf die Form des peripheren Volumenpulses, so f/~llt auf, dab der dikrote Naehsehlag um so h6her an der Pulskurve ansetz~, je mehr der betreffende Einzelpuls in der H6he des Gipfels der Volumen- bzw. Druekkurve liegt. Dies ist nur teflweise eine Folge der ge/i, nderten Pulsfrequenz. Eine m/iBige Besehleunigung und Vertiefung der A~mung infolge 02-Mangela~mung /~ndert niehts Wesentliches an den Kurven.

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~ Mg /20 I

1101-

100 L-

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Abb. 2 zeigt tiefe thorakale Atmung einer Versnehsperson, die bei normaler Atmung nut geringe respiratorische Blutdrucksehwankungen zeigte. Die zeitliehe Beziehung der Blutdruckwellen zur Atmung er- seheint hier ver~ndert. Blutdruek- und Volumenkurven zeigen ihr maximum am Ende der Inspiration (auf der t t fhe der Inspirations- stellung). Mit Beginn der Exspiration sinkt der Blutdruek sehnell ab. um etwa bei Beginn der n/~ehsten Inspiration sein Minimum zu erreiehen. Die Druckschwankungen erseheinen also gegenfiber der Abb. 1 nahezu vSllig invers. Trotzdem folgen aneh in diesem Fall die Volumenkurven genau dsr Kurve des systolisehen Blutdruekes. Sogar die Form der Volumenkurven in Abb. 1 and 2 entsprieht genau der Blu~druckkurve. In Abb. 2 finder sieh nut eine geringe respiratorisehe Arrhythmie, diese

Abb. 2. Respiratorische Schwankung yon Blutdruck, Fingervo]nmen and Ohrvolumen beim Menschen. 1. Atmung, Pneumotachogramm, 2. Fingervolumen (weiB), 3. Ohrvolumen,

4. systolischer Blutdruck. Ze i t in Sekunden.

ist aber trotz der Inversion der Blutdruck- und Volumenkurve gegen- fiber Abb. 1 yon normalem Typ und zeigt eine inspiratorische Beschleuni- gung, exspiratorische Verlangsamung der Kerzsehlagfolge.

Im ganzen spreehen unsere Befunde (vflliges Parallelgehen der Volumenschwankungen an Ohr, Finger and Zehe untereinander and mit der Blutdruckkurve) dagegen, dab aktive vasomotorisehe Einflitsse in den untersuehten Teflgebieten des X_reislaufes einen naehweisbaren Ein- fluB auf die Entstehung der Atemsehwankungen des Blutdruckes haben. ])as Volumen dieser Absehnitte scheint vielmehr passiv dem Blutdruck zu folgen. Sis sprechen also im Sinne der alten Theorie s, die die respira- torisehen Schwankungen des Blutdruckes als vorwiegend atemmeehanisch bedingt auffaflt. In neuerer Zeit kam aueh O. Se l ler le zu dem glsiehen Ergebnis, indem er nachwies, dab die im Plethysmogramm naehweisbaren Volumensehwankungen yon Finger and Zehe gleiehsinnig erfolgen. A . C. B u r t o n z7 erhob zwar den gleiehen Befund (Gleiehsinnigkeit dsr Atemsehwankungen an Finger and Zehe), kam aber zu der Armahme, dab diese stets den A~emsshwankungen des Blutdruekes entgegen- gesetzt erfolgen, daher seien diese mindestens teflweise auf aktive

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Vasomotorenwirkung zuriickzuffihren. Nur beim sympathektomierten Menschen erfolgten die respiratorischen Volumen~nderungen der Ex- ~remit~tenenden passiv dem Blutda~uck. Diesen Ausfiihrungen kann jedoch, da die verwandte Methode zur Feststellung der Blutch'uck- schwankungen unzureichend ist, keine Beweiskraft zugesprochen werden. Auch den Ausfiihrungen yon Goetz 1° und Peters is, die auf Grund ihrer Beobachtung der Reaktion des Fingerplethysmogramms auf einen tiefen Atemzug geneigt sind, auch die gew6hnlichen respiratorischen Schwan- kungen des Fingervolumens auf aktive vasomotorische KI'/~fte der Peri- pherie (speziell der untersuchten Hautgebiete) zurtickzuftihren, kommt keine Beweiskraft zu, zumal in unserer Anordnung sich wohl die Reak- tion auf einen einzelnen *iefen Atemzug als mit Sicherhei$ dutch aktive vasomotorische Krgfte bedingt erweist, w/~hrend der gleiche Nachweis ftir die normalen respiratorischen Blutdruckschwankungen nicht gelingt. Andererseits hat die alte Theorie, nach der die respiratorischen Blut- druckschwankungen im groi~en Kreislauf durch atemmeehaniseh bedingte )~nderungen des Plerzschlagvolumens verursacht werden, in neuerer Zeit dutch die Untersuchungen yon Weltz 19 eine Bestgtigung erfahren.

Auch die Verschiedenheit der zeitlichen Beziehungen der Blutdruck- schwankungen zu den Atemphasen, die z .B. im Gegensatz zwisehen Abb. 1 und 2 zum Ausdruck kommt, finder ihre Parallele und Erkl£rung in Befunden, die am tIunde sehon im L u d w i g z c h e n Laboratorium erhoben wurdenL z. ~r~hrend beim langsam atmenden Hunde der Arteriendruck inspiratorisch ansteigt und am Ende der Inspiration oder kurz nach Beginn der Exspiration sein Maximum erreicht (vgl. Abb. 2), um wghrend der Ausatmung abzufallen, verschiebt sich der Einflul] der Inspiration auf das Schlagvolumen bei sehnellerer Atmung derart, dal~ der Druck noch w/~hrend eines Tefles oder w/~hrend der ganzen Exzpirationsphase ansteigt, so daI] das Druckmaximum am Ende der Exspiration, das Minimum am Ende der Inspiration gelegen ist (vgl. Abb. 1). Wit haben eine groBe Anzahl yon Atem- und Blutdruckkurven verschiedener Menschen durchgesehen und dabei gefunden, da$ bei weitem das h~ufigste Verhalten das in Abb. 1 dargestellte ist, wobei das Maximum des Blut- druckes mit der Exspirationsstellung, das Minimum mit der Inspirations- stellung zusammenfi£11*. ~ber die Erkl/~rung dieses Verhaltens dutch die StrSmungsbedingungen des Blutes im Herzen und in den grol~ea Gef/~Ben kann bier im einzelllen nichts ausge~agt werden, da eigene Befunde dariiber nicht vorliegen. Es sei auf die Dart~tellung von Weltz 19 ver- wiesen.

In der Literatur findet ~ich vei~chiedentlieh die Angabe, daf~ die Atemschwankungen des Volumens yon Arm und Bein entgegengesetzt erfolg~en. Gute Kurven dieser Air bildet Uhlenbruck 2° ab. Er registrierte plethysmographisch das Volumen des ganzen Armes und des ganzen Beines. Im Gegensatz zu unserer Versuchsanordnung (Durchleuchtung

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der Finger- bzw. Zehenspitze) sind in diesem Falle auch die groBen Venenst/£mme, die m6glicherweise bei respiratorischen _~nderungen des Venendruekes erhebliche Kapazit/~tsschwankungen erfahren, im Ple- thysmographen eingesehlossen. Uhlenbruck deutet seine Befunde aueh als respiratorische Variationen des ven6sen Abstromes. Demgegentiber spielen bei den kleinen und kleinsten Venen, die in der Fingerspitze mit yon der Durchleuehtung erfaBt weiden, vom zentralen Venendruck ab- h/ingige Ffillungs/inderungen nut eine geringe Rolle. Es 1/iBt sieh nach- weisen, dab die respiratorisehen Schwankungen des Venendruckes, die noeh in der Vena eubitalis deutlieh sind, sich ira allgemeinen nicht als Vohmensehwankung bis zu den Fingerspitzen fortpflanzen (Grofl und Matthes 21).

Die respiratorischen Volumenschwankungen der Finger- und Zehen- spitze sind in der Hauptsaehe dureh den weehselnden Blutgehalt des arteriellen Anteils der Gef/~Bbahn sowie (lurch den weehselnden Ein- strom aus den Arterien in das Capfllargebiet bedingt. Beides wird yon der tI6he des arteriellen Blutdruekes bestimmt. DaB die blu~druek- bedingten Sehwankungen de'~ Volumens der Arterien and Arteriolen nieht das allein Aussehlaggebende sein k6nnen, beweist der Vergleich mit den Vo]umensehwankungen 1. Ordnung, den eigentliehen Volumen- pulsen. Diese sJnd, wie ihre Form/~hn]iehkeit mit den Arterien- pnlsen (Matthes, Grofi and G6p]ert 14) beweist, vorwiegend als passive Ffillungsschwankungen des arteriellen Sehenkels der Gef/~Be anzusehen. GKlte das gleiche aueh fiir die Atemschwankungen der peripheren Volumerrkurve, so mtiBte der Unterschied des Volumens in In- und Exspirationsstellung zum Volumenunterschied zwischen dem systoli- schen und dem diastolischen Teil der Volumenpulskurve etwa im gleichen Verh/Lltnis stehen wie der Unterschied des Arteriendruckes in den Atem- phasen zur Pulsdruekamplitude. Dies ist aber keineswegs der Fall. W/~lu:end der Untersehied des systolisehen Blutdruekes zwisehen In- and Exspiration h6chstens 10% des systolisehen Druekwertes und die Btutdruekamplitude 30--50% des systolischen Druekwertes ausmacht, betragen die Volumenunterschiede zwischen In- und Exsph'ation oft ein Mehrfaehes der Volumenpulsamplitude. Dieses ist nut m6glieh, wenn in Zeiten hSheren arteriellen BIutdruckes aueh der Einstrom in das Capillargebiet vermehrt ist, so dab aueh dor$ eine gT6Bere Fiillung auf- tritt. Nach unseren Kurven ¢reten also bei ausgesproehenen respiratori- schen BluSdrueksehwankungen entspreehende Anderungen des Blut- gehaltes nicht nur der kleinen und kleinsten Ari erien, sondern aueh des Capfllargebietes auf. Ob und in welehem AusmaBe sich insbesondere Xnderungen der Ffillung des Capillargebietes an den Schwankungen des Blutdruckes beteiligen, h/~ngt yon den lokalen Zirkulationsbedingungen ab. So sahen wir h/~ufig deutliehe Atemsehwankungen der Blutdruek- kurve bei fehlenden oder nahezu fehlenden Atemsehwankungen in einer

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oder mehreren Vo]uraenkurven. Es ](ann z. B. vorkommen, da$ der am kleinen Finger registrierte Blutdruek deutliehe Schwankungen zeigt, denen synchrone Sehwankungen des Ohrvolumens entsprechen, w/ihrend das Volumen des ~aehbarfingers keine nennenswerten Atemsehwan- kungen zeigt. Dagegen kommt es bei einwandfreier Blutdruekregi- strierung kaum vor, dab atemsynehrone Sehwankungen des Blutdruekes fehlen, wenn sie in einer Volumenkurve deutlieh vorhanden sind. Auch dies spricht dafiir, dal3 Xnderungen des zentralen Blutdruekes bestimmt dureh das Verhalten des Herzens und der groBen Gef~I3e das Prim/~re bei den Atemwellen des Blutdruckes und der peripheren Volumenkurven sind. Es soll hiermit nieht ganz in Abrede gestellt werden, dal3 unter besonderen Bedingungen yon der Atmung aus eine reflektorische Beein- flussung der Kreislaufperipherie mSglieh ist, die auf die Atemwellen Einflul~ haben kann. Der erhebliche EinfluB eines einzelnen tiefen Atem- zuges auf die peripheren Vasomotoren seheint dies geradezu zu fordern. In unseren Experimenten liel3 sich jedoeh ein derartiger Einflufl bei den gewShnlichen regelm/~Bigen ])ruckschwankungen 2. Ordnung nicht nach- v~eisen.

Zusammenfassung. Bei der fortlaufenden Aufschrift des systolischen Blutdruckes beim

Menschen sieht man bei der Mehrzahl der Versuehspersonen regelm/il3ige Atemschwankungen des Blutdruekes, die oft mit Blutdruckschwan- kungen 3. Ordnung interferieren. ]:)as AusmaB der Atemschwankunge~ ist individuell sehr wechselnd, in der Ruhe werden an einzelnen Ver- suchspersonen Sehwankungen bis zu 15 mm Hg beobachtet. Vertiefte, besonders thorakale Atmung, CO2-Atmung und Sauerstoffmangel ver- st/irken die Atemschwankungen des Blutdruckes. Meist liegt das Mini- mum des Blutdruckes auf der HShe der InspirationssteUung, das Maxi- mum am Ende der Exspiration. Es wurde aber aueh besonders bei sehr langsamer Atmung eine Umkehr des Kurvenverlaufes mit exspiratori- sehem Absinken des Blutdruekes beobachtet. Atemwellen des Blut- druckes sind meist yon Atemschwankungen des Volumens der Extremi- t/~tenenden (Ohr, Finger, Zehe) begleitet. Diese Sehwankungen erfolgen stets unter sich und der Blutdruekkurve vSllig parallel, derart, dab dem Blutdruckanstieg eine Volumenzunahme entspricht. Es handelt sieh dabei nicht nur um druckpassive Ausweitungen des arteriellen Schenkels des Gef/iBnetzes, sondern auch um atemsynehrone Schwankungen der Fiillung des Capfllargebietes. Die Befunde sprechen dafiir, daB die Atem- schwankungen des Blutdruekes nieht reflektorisch durch aktive T/~tig- keit der Kreislaufperipherie bedingt sind, sondern ihre Ursaehe in dem Einflul3 der Atmung auf die Herzaktion und der StrSmung des Blutes in den zentralen Gef/~flen haben.

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R e s p i r a t o r i s c h e S c h w a n k u n g e n des a r t e r i e l l en B l u t d r u c k e s . 475

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