17
Utrecht und Westminster Abbey Author(s): Leonhard Helten Source: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 22. Bd. (1989), pp. 35-50 Published by: Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg Stable URL: http://www.jstor.org/stable/1348624 . Accessed: 16/12/2014 14:25 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. http://www.jstor.org This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Utrecht und Westminster Abbey

Embed Size (px)

Citation preview

Utrecht und Westminster AbbeyAuthor(s): Leonhard HeltenSource: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 22. Bd. (1989), pp. 35-50Published by: Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität MarburgStable URL: http://www.jstor.org/stable/1348624 .

Accessed: 16/12/2014 14:25

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg is collaborating with JSTOR todigitize, preserve and extend access to Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

UTRECHT UND WESTMINSTER ABBEY

Leonhard Helten

?t

-1 i I

BIJ i. c ,If

C u!i-; '' t- s. i I Y*'' c. ir4

1 ?? .. d.; rsl!

I . 6 " i

ti; 1 ,, It " F'?'*

,Q i ,irt i .:,. :...- i. ;ah

1. Utrecht, Dom. Langhaus und Domturm von 0. Aquarell von H. Saftleven, 1675

Durch einen Wirbelsturm stiirzte am 4. August 1674 das Langhaus des Utrechter Domes ein.1 Bis zum Jahre 1826 blieb das Triimmerfeld so liegen, wie es uns H. Saftleven in einem Aquarell aus dem

Jahre 1675 vorstellt (Abb. 1). Die Aufraumungsar- beiten des 19. Jahrhunderts schufen einen Freiraum zwischen Querschiff und Turm, formten jedoch keinen Platz im stadtebaulichen Sinne. Diese Situa- tion laigt Ost- und Westteil des Domes als jeweils eigenstandige Monumente erscheinen (Abb. 2). Ei- ne vergleichbare Ansicht bot der Utrechter Dom bereits im Mittelalter, da der Domturm in den Jah-

ren 1321-1382 ohne bauliche Verbindung zum Chor errichtet wurde, bevor Ende des 15. Jahrhun- derts unter der Leitung des Baumeisters Cornelis de Wael der Bau des Langhauses einsetzte.

Der Utrechter Domturm, das Symbol der lan- desherrlichen Macht des Utrechter Bischofs2, gab das Vorbild fur zahlreiche Rezeptionsbauten. Die Tiirme der Liebfrauenkirche in Amersfoort und der Cunerakirche in Rhenen wiederholen das offe- ne Oktogon iiber den beiden quadratischen Ge- schossen. Schon friih begegnet uns der Domturm in der Malerei. In der Darstellung der Anbetung des Lammes auf dem Genter Altar (1426-1432) der Gebriider Hubert und Jan van Eyck weist die En-

gelslanze zwischen Kreuz und Lamm exakt auf die siidwestliche Ecke des Domturmes. Der Utrechter Domturm geh6rt heute zu den haufigst abgebilde- ten Bauwerken der Niederlande.

Der Utrechter Domchor nimmt hingegen eine

Sonderstellung ein (Abb. 3, 4). Vermeulen konsta- tiert, dafi der Domchor, ,... der mit einem Schlag die voll erbliihte franz6sische Gotik in das Herz der kirchlichen Niederlande hineinpflanzt, ... hier nicht zu jener reichen Bliite [fiihrte], welche Frank- reich, England und Deutschland mit einer Vielzahl

machtiger Gotteshauser schmiickte".3 Ter Kuile

spricht von einer ,... aristokratischen Gotik ... die in den n6rdlichen Niederlanden wenig Zukunft hatte".4 Ozinga schliegflich sieht im Utrechter Domchor das ,erste wahrhaft gotische Monu- ment" in den Niederlanden, dessen Einflufi sich erst in spaterer Zeit geltend machte.5 Dieser ,Man- gel" an regionalen Vorstufen und regionalen Nach-

folgebauten wurde von der Forschung immer wie- der hervorgehoben. Als konkretes Vorbild fur die

Grundrifigestaltung des Utrechter Domchores wurde die Kathedrale von Tournay angefiihrt, fur die Kleinformen der Kolner Dom, die Metropoli- tankirche des Bistums Utrecht.6 Eine Analyse der

Gewolbeorganisation und des Aufrisses im Chor-

umgang steht dagegen noch aus. Die nachfolgende

35

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

2. Utrecht, Dom. Ansicht von SW. Stich von C. Adler, 1850

'4

3. Utrecht, Dom. Chor von 0. (Foto: H. Sibbelee) 4. Utrecht, Dom. Chor nach 0. (Foto: H. Sibbelee)

36

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

5. Utrecht, Dom. Grundrig

Untersuchung wird aufzeigen, daf der Baubeginn des Utrechter Domchores erst im Jahre 1288 unter dem Electen Jan van Nassau und dem hollandi- schen Grafen Floris V. erfolgte und daf das ent- scheidende Vorbild fir die Aufrifgestaltung von der Forschung bisher iibersehen wurde: die West- minster Abtei in London.

Der kurze, aus drei queroblongen Jochen beste- hende Langchor des Utrechter Domes schlieft im Osten mit fiinf Seiten eines regelmaiig gebroche- nen Zehnecks und einem Halbjoch (Abb. 5). Die

Rippen des Halbjoches setzen die Richtung der

Apsisrippen fort. Daher iibertrifft die Breite des

Halbjoches jene der Polygonseiten.7 Pfeilerbreite

Scheidbogen trennen den Binnenchor von den

Chorumgangsjochen und den Seitenschiffen des

Langchores mit den anschliefenden rechteckigen Kapellen.

In der Verlangerung der Apsisrippen liegen die

Gurtbogen des Chorumgangs, die in Profil und Breite den Rippen angeglichen sind. Sie trennen

sechsteilige Gewolbefelder, welche je ein Um-

gangsjoch und eine flache dreiseitige Kapelle unter einem gemeinsamen Schlugstein zusammenfassen. Dieser Schlufstein ist zum Binnenchor hin ver-

schoben, so dag die Rippe des Apsispfeilers und die

Rippe des Kapellenpfeilers im rechten Winkel auf- einanderstogen und die mittleren Kapellenrippen parallel zu den Gurtbogen der Umgangsjoche ver- laufen. Die Konstruktion der Chorumgangsjoche mit rechtwinklig aufeinanderstofienden Rippen wiederholt somit die rechtwinklig gefiihrten Rip- pen der quadratischen Seitenschiffsjoche, die in der ersten Planung wahrscheinlich auch die gleiche Jochbreite besessen haben. In dieser Grundrigkon-

zeption wird der Chorumgang von den quadrati- schen Seitenschiffsjochen des Langchores be- stimmt, die um den Chor herumgefiihrt werden. Die Kapellen erscheinen nicht als eigenstandige Raume, sondern als flache Nischen der Umgangs- joche.8

Die Pfeiler- und Wandvorlagen des Chores sind unterschiedlich gestaltet:

37

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

6. Utrecht, Dom. Gewolbefeld im Chorumgang. (Foto: E. Zieser)

7. Utrecht, Dom. Chorumgang nach NO. (Foto: E. Zieser)

- Im Chorpolygon, dem iltesten Bauabschnitt, umstellen runde Dienste den zur Umgangsseite hin runden Pfeilerkern (Abb. 6, 7).

- Birnstabprofile, welche ohne Kapitell in das Ge-

wolbeprofil iibergehen, bestimmen die Biindel-

pfeiler im siidlichen Seitenschiff des Langchores. - Zwei Runddienste fur die Gewolberippen flan-

kieren einen polygonalen Dienst fur den Gurt-

bogen im n6rdlichen Seitenschiff und im Mittel- schiff des Langchores.9

Auffilligerweise kennzeichnen diesen jiingsten Bauabschnitt (ca. 1325-1360)1? die altertiimlichsten Bauformen. So ist dieses Vorlagensystem -polygo- naler Gurtdienst flankiert von runden Rippendien-

38

rt;il ct?Ir;

r, P fi 1ki

'ig",*'q

a-?nd?. :,... i;%

.. fl 1

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

sten - bereits an der Mittelschiffswand der Kathe- drale von Chartres (1194 beg.) vorgebildet! Daraus

folgt, dafi die unterschiedliche Gestaltung des Utrechter Domchores nicht stilgeschichtlich, aus verschiedenen Entwicklungsstufen erklart werden kann, sondern vielmehr unterschiedlichen Kon-

zeptionen mit unterschiedlichen Vorbildern folgte, welche der jeweilige Baumeister umzusetzen und zu verbinden verstand. Eine Untersuchung des Utrechter Domchores erfordert daher eine genaue Determinierung dieser verschiedenen Konzeptio- nen. Die folgende Analyse will die Vorbilder auf-

zeigen, die fur die Konzeption des ersten Bauab- schnittes, des Chorhauptes, konstitutiv waren.

Die Grundrifllsung des Utrechter Chorhauptes kennzeichnen, wie oben dargelegt, folgende Eigen- tiimlichkeiten: Der Binnenchor schliefit mit fiinf Seiten eines regelmai3ig gebrochenen Zehnecks und einem Halbjoch; die Breite der Chorumgangsjoche entspricht der Seitenschiffbreite des Chores; die

Radialkapellen erscheinen als flache Nischen der

Chorumgangsjoche und werden mit diesen unter einem gemeinsamen Schlufistein zusammengefafit. Diese Grundrifllosung erscheint zuerst in der Ka- thedrale von Soissons. Aber auch die konigliche Stiftskirche Saint-Quentin und die Kathedrale von

Tournay werden durch diese Chorlosung gekenn- zeichnet.1

Die Apsispfeiler des Utrechter Domchores sind zum Binnenchor hin als Biindelpfeiler gestaltet, zur Chorumgangsseite dagegen als kantonierte

Rundpfeiler (Abb. 8). Ein breiter Scheidbogen mit einem wandstiickartigen Unterzug trennt beide Teile.12 Das trapezf6rmige Pfeilerprofil mit drei Rundstaben an der Binnenchorseite ist ungewohn- lich und erscheint m.W. in Utrecht zum ersten Mal an einem Apsispfeiler. Auch verweist die ,,Ikono- graphie" dieses Profils weniger auf ein Pfeiler- als vielmehr auf ein Fensterlaibungsprofil. An der Umgangsseite erscheint der Apsispfeiler dagegen als kantonierter Rundpfeiler, ebenso der mit ihm

korrespondierende Kapellenkopfpfeiler. Den Chorumgang des Utrechter Domchores bestim- men somit kantonierte Rundpfeiler. Jeweils drei schmale Runddienste tragen die fast gleich breiten Rippen und Gurtb6gen der sechsteiligen Gew6lbe- felder.13 Diese Dienste werden aber nicht zu einem Dienstbiindel zusammengefafit, sondern in weitem

iC

. I G ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~I

C~~~~~~~'i

I

L Ir

-.- ,- _I

L- -

0 1 2m

8. Querschnitt von Apsispfeiler, Kapellenkopfpfeiler und Chorkapellendiensten im Dom zu Utrecht (links) und im Dom

zu Koln (rechts)

Abstand voneinander dem runden Pfeilerkern vor-

gelegt, sie erscheinen wie angeheftet.14 Weder in der Kathedrale von Tournay noch im

K6lner Dom ist diese Pfeilerform vorgebildet. Der Chor in Tournay wird durch Biindelpfeiler in der Apsis und durch Dienstbiindel zwischen den Ka- pellen bestimmt. Die Chorschlufipfeiler in K6ln sind auf ein Gewolbe mit schmalen Rippen und breiten Gurtbogen ausgerichtet, die Breite des Gurtbogens entspricht dort der Breite des Scheid- bogenunterzugs. Diese Systematik wird in den Pfeilervorlagen vorbereitet: Vor einem elliptischen Pfeilerkern tragen drei starke ,,alte" Dienste den Gurtbogen und die Unterziige der Scheidb6gen, die schlanken ,,jungen" Runddienste tragen die

Gewolberippen und die aufieren Profile der Scheidb6gen. Den Utrechter Chorschlufipfeiler kennzeichnen dagegen ein zur Umgangsseite hin runder Pfeilerkern sowie annahernd gleich starke

39

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Dienste fur Rippen und Gurte. Trotz der Uberein-

stimmung in der Sockelbildung und der Kapitellor- namentik15 scheidet somit der Kolner Pfeiler, ebenso wie der Chorpfeiler der Kathedrale von

Tournay, als direktes Vorbild fur den Utrechter Gurtbogen Rippe Dom aus.

Die Pfeilerbildung und die Organisation der Ge-

wolbeglieder des Utrechter Domchores sind in ei- nem Sakralbau vorgebildet, der von der Forschung bisher nicht fiir Utrecht herangezogen wurde: der Westminster Abtei von London (Abb. 9, 10)! Un- ter dem englischen Konig Henry III., der simtliche Baukosten trug, wurden in den Jahren 1245-1259 der Chor, die Querschiffe und das Kapitelhaus der

koniglichen Abtei in Westminster errichtet.16 Der

dreijochige Langchor dieser Kirche schliefit mit fiinf Seiten eines regelmai3igen Neunecks. Den

Umgang bilden trapezformige Joche, deren Gurte die Richtung der Apsisrippen fortsetzen. Daran schliefen Chorkapellen mit sechs Seiten eines re-

gelmai3ig gebrochenen Neunecks. Die Kapellen

l _w_

10. London, Westminster Abbey. GrundriB der Chorsiidseite; Querschnitte von Gurt- und Rippenbogen im Chorumgang

wiederholen somit - wie in der Kathedrale von Reims - das Polygon des Binnenchores.

Um den kantonierten Rundpfeiler des Chores von Westminster legen sich vier schmale Rund- dienste, die durch Schaftringe an den Pfeilerkern

gebunden werden. Wie in Utrecht sind die Gurte zwischen den Umgangsjochen in Profil und Breite den Rippenbogen angeglichen und trennen pfeiler- breite Scheidbogen den Umgang vom Binnenchor. Anders als in Utrecht werden die Rippen im Chor-

i: . ......umgang von Westminster Abbey nicht von einem : i

' ...... Dienst vorbereitet, sondern ruhen - wie in der Ka-

thedrale von Reims - auf der Deckplatte der Pfei- lerkapitelle (Abb. 6, 9).17 Woraus resultiert diese Abweichung? In Westminster treffen am Kapellen- kopfpfeiler zwei unterschiedlich geordnete Riume

9. London, Westminster Abbey. Chorumgang nach NW. aufeinander: der Chorumgang, in dem die Rippe (Foto: Bildarchiv Foto Marburg) keine eigene Vorlage erhilt, und die Radialkapelle,

40

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

in der die Gewolberippen durch Wandvorlagen vorbereitet werden (Abb. 10). Ein breiter Scheid-

bogen trennt beide Raume. Am Kapellenkopfpfei- ler, der sowohl auf den Chorumgang als auf die Ra-

dialkapelle ausgerichtet ist, erscheinen beide Vorla-

gensysteme: An der Kapellenseite dieses Pfeilers erhalt die Gewolberippe einen Dienst, der vor ein flaches Wandstiick gesetzt ist, in Angleichung an die iibrigen Wandvorlagen der Kapelle; an der Um-

gangsseite fehlt eine entsprechende Vorlage. In Utrecht dagegen sind Umgangsjoche und Radial-

kapellen nicht geschieden, sondern unter sechstei-

ligen Gewolbefeldern zusammengefagt (Abb. 5, 8). Innerhalb dieser Gewolbefelder erhalten alle Rip- pen einheitlich eine entsprechende Vorlage, so als sei die Radialkapelle von Westminster Abbey bis an den Binnenchorschlufi herangeriickt. Folgerich- tig werden nun auch am Apsis- und Kapellenkopf- pfeiler die Rippen von Runddiensten vorbereitet

(Abb. 6). Die scheinbar abweichende Gestaltung der Apsispfeiler resultiert somit aus der Ubertra-

gung der Systematik der Radialkapellen von West- minster Abbey auf die sechsteiligen Chorumgangs- gewolbe der Utrechter Domes. Da Rippendienste und Gurtdienst in Utrecht nicht zu einem Dienst- biindel zusammengefafit werden, sondern in wei- tem Abstand voneinander auf dem runden Pfeiler- kern liegen, erscheint der Utrechter Chorpfeiler wie der Chorpfeiler von Westminster als ein kanto- nierter Rundpfeiler (Abb. 7).

Das direkte Vorbild fur den Chorumgang des Utrechter Domes bildete somit die Abtei von Westminster mit ihren kantonierten Rundpfeilern, den rippengleichen Gurten und den pfeilerbreiten Scheidb6gen.18 Auch am Aufienbau des Utrechter Chores ist in der Gestaltung der Chorkapellenfen- ster die Abhingigkeit von der Abtei in Westmin- ster evident.

Die Strebepfeiler des Chores werden zwischen

Sockelgeschofi und Kranzgesims in gleichen Ab- standen durch zwei Wasserschlige gegliedert (Abb. 3, 11). An den Strebepfeilern des Kapellen- kranzes, die in der Verlingerung der Kapellenrip- pen liegen, wird der oberste Wasserschlag schrag weitergefiihrt und trifft auf einen pilasterartigen Absatz, der dort endet, wo er die iaufere Archivolte des Fenstergewindes schneidet. Uber dieser Schri-

ge wird der Strebepfeiler mit reduziertem Quer-

11. Utrecht, Dom. Chor von SO. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg)

schnitt bis zum Kranzgesims hochgefiihrt und von einer Fiale bekront. Die Strebepfeiler des Kapellen- kranzes, die in der Verlangerung der Gurtbogen des Chorumgangs liegen, behalten dagegen ihre voile Breite und reichen bis ins obere Geschof hin- ein. Das Motiv der schrag weitergefiihrten Wasser- schlage fehlt bei diesen Strebepfeilern.

Diese Strebepfeilergestaltung erscheint zum er- sten Mal an den Chorkapellen der Kathedrale von Soissons. Dort wurde sie aus der Strebepfeilerge- staltung des Langhauses der Kathedrale von Chart- res entwickelt (Abb. 12, 13). Beide Bauten waren eng mit dem franz6sischen K6nigshaus verbun- den.19 In Soissons stoBen die hochgefiihrten Schri- gen der Wasserschlige auf den aiuferen Bogen des Kapellenfensters; wie in Utrecht fehlt dieses Motiv bei den geschoBiibergreifenden Strebepfeilern, welche die Kapellen trennen. In Chartres iiberla- gern sich an der Seitenschiffswand des Langhauses zwei eigenstaindig hochgefiihrte Strebepfeiler: Der

41

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

untere stoi3t an den iufieren Bogen des Fensters20 und reicht nicht iiber das Seitenschiff hinaus; der zweite ist auf das Strebewerk des Obergadens be-

zogen und iiberdeckt den unteren Strebepfeiler dergestalt, dafi dieser nur als schmales, das Fenster rahmendes Wandstiick erscheint. In Soissons er- scheint dieses chartreser Motiv in der Modifikation auf ein Geschofi, das der Chorkapelle: Nur ein

Strebepfeiler wird hochgefiihrt, dessen oberer

Wasserschlag seitlich weitergefiihrt wird und am

Bogenansatz der Kapellenfenster endet; auf diesem

Wasserschlag ruht ein weiterer Strebepfeiler mit verkleinertem Querschnitt, der in keinem sinnvol- len Zusammenhang zu den iibrigen Bauteilen steht und nur als Zitat der doppelten Langhausstrebe- pfeiler der Kathedrale von Chartres verstindlich wird.21

Die Strebepfeilergestaltung an den Chorkapellen des Utrechter Domchores ist somit vom Vorbild der Chorkapellen in Soissons bestimmt.22 Diese waren am Langhaus der Kathedrale von Chartres

vorgebildet. Weder vor noch nach Utrecht wird diese Strebepfeilergestaltung mit einem pilasterar- tigen Zwischenstiick verbunden. Daf diese eigen-

'.S s Kahi............: d''rl. . ...... ::'aee vo ON

12. Soissons, Kathedrale. Achskapelle von ONO

timliche Losung aus der Verbindung des Strebe-

pfeilers der Kathedrale von Soissons mit einer iden- tischen Gestaltung aller Kapellenfenster resultiert, soil im folgenden durch einen Vergleich von Innen- raum und Aufienbau der Utrechter Domchores

aufgezeigt werden. Die Strebepfeiler des Utrechter Chorhauptes

setzen am Aufienbau die Richtung der Gewolbe-

glieder fort (Abb. 5). Die Strebepfeiler in der Ver-

langerung der Gurte sind nur wenig breiter als jene in der Verlingerung der Rippen. Entsprechend war auch die grofiere Breite der Gurte gegeniiber den

Rippen im Chorumgang mefbar, aber nicht visua- lisiert. Ebenso sind die horizontalen Gliederungen des Aufienbaus in ihrer H6he exakt auf den Innen- raum des Chores abgestimmt. Die Schrige des obe- ren Wasserschlages beginnt in Hohe der Gewolbe-

kimpfer und endet in H6he der Schildbogenkimp- fer. Der konstruktive Teil des Strebepfeilers endet mit dieser Schrage, das daraufliegende Mauerstiick bildet im strengen Sinne keine reduzierte Fortfiih-

rung des Strebepfeilers, sondern ist vielmehr als ,Substruktion" der dariberliegenden Fiale zu ver- stehen. Ebenso enden die Strebepfeiler, welche die

Chorkapellen trennen, in H6he der Gewolbe-

kampfer des hohen Mittelschiffs und die Strebebo-

gen in H6he der Schildbogenkampfer im Oberga- den. Wie der Schildbogen im Chorinneren vermit- teln die durchgezogene Schrage des Wasserschlages bzw. die Strebeb6gen am Aufienbau zwischen Ge- wolbe und Wand. Die Gliederung der Strebepfeiler folgt somit exakt den Bogenansitzen der Chorge- wolbe.23 Im Vergleich zu Utrecht zeigt die Elisa- bethkirche in Marburg eine andere Abstimmung von Innenraum und Aufienbau. Die Abtreppung der Strebepfeiler an der siidlichen Langhauswand erfolgt im unteren Geschofi exakt in H6he der Fen-

sterkimpfer, im oberen Geschofi in H6he des Bo-

genansatzes der vorgeblendeten Schildwand und nicht etwa wie in Utrecht in Hohe der Bogenansat- ze der Gewolbeglieder. Nicht die Gewolbe, son- dern die Wand bestimmte hier die Gliederung des Aufienbaus.

In Utrecht waren somit die H6he der Wasser-

schlige sowie die Richtung und Breite der Strebe-

pfeiler durch den Innenraum determiniert. Da der

durchgezogene Wasserschlag noch unterhalb der aufieren Archivolte des Fenstergewandes auf die Wand gestofgen wire, waren zwei Probleme zu 16-

42

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

_....- :** : '-: . 1' . - . ' * ". . .

'* A :. ?t

1 *

3 ..3-. C,,_ ., . _ ...e ? . . L : ... g ...

j SOA. 3o.o B 'h Fot :* tebu.g ').'

.%?; ~ ~ ~ **'. -..: . ??r .. . .? _.? ... ;

13. Chartres, Kathedrale. Langhaus von SO. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg)

sen: der Anschlufi des Wasserschlages an die Ar- chivolte sowie bei den beiden seitlichen Kapellen- fenstern die asymmetrische Gestalt des iufgeren Fensterbogens, dessen eine Seite um die Breite des

pilasterartigen Absatzes weiter ausgefallen ware. Der Baumeister des Utrechter Domchores loste dieses Problem, indem er den Strebepfeiler vor dem Anschlufi an die aufiere Archivolte des Kapellen- fensters abtreppte. Der schmalere Aufsatz des Stre-

bepfeilers verdeckt diese Abtreppung dergestalt, dafi sie zu beiden Seiten nur als schmaler pilasterar-

tiger Absatz erscheint. Auf diese Weise erhalt jede Radialkapelle trotz unterschiedlicher Strebepfei- lergestaltung drei identische Fenster.

Der obere Abschluf des pilasterartigen Absatzes ist jedoch weder durch den Innenraum noch durch die Strebepfeilergestaltung determiniert. Da die pi- lasterartigen Absatze genau dort enden, wo sie die aufiere Archivolte des Kapellenfensters schneiden, erscheinen sie als flankierende Stiitzen des grofien Bogendreiecks im Fenstermagfwerk der Radialka-

pellen. Dieses Mafiwerk besteht aus zwei direkt

43

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

- i i 1 j t I 14 5 1, D2 50 ME E

14. Utrecht, Dom. Langsschnitt durch Querschiff und Chor

aufeinanderliegenden Ebenen (Abb. 6, 11): Die vordere Ebene wird von einem Bogendreieck iiber zwei Lanzettb6gen gebildet; die zweite, dahinter- liegende Ebene von einem grofien Dreipafi iiber zwei kleineren Dreipassen, die ihrerseits wieder auf zwei Lanzettbogen ruhen. Das Vorbild fir die ge- stapelten Dreipasse der Utrechter Kapellenfenster gaben die gestapelten Dreipasse der Chorkapellen- fenster des Kolner Domes, der Metropolitankirche des Bistums Utrecht.24 Die vordere Ebene des Mafwerks hingegen, das von zwei pilasterartigen Zwischenstiicken flankierte Bogendreieck, zitiert das Emporenfenster der Abtei von Westminster (Abb. 15). Zwei kleine Saulchen mit Kapitell und Basis flankieren in Westminster das Bogendreieck des Emporenfensters, in das ein stehender Achtpafi eingeschrieben ist. In Utrecht erscheinen diese Saulchen in Gestalt der pilasterartigen Zwischen- stiicke und reichen auch dort bis zur halben H6he des Bogendreiecks. In einer einzigartigen Synthese verstand es der Utrechter Baumeister, die Fenster von Koln und Westminster zu verbinden, indem er die Fensterform des Bogendreiecks von Westmin- ster in die Mafiwerkform des Utrechter Kapellen- fensters hineinnahm und sie dem K6lner Mafiwerk vorblendete.

Das Bogendreieck des Utrechter Kapellenfen- sters wurde demnach nicht aus einer bestehenden Mafwerkform entwickelt, sondern aus einer be- sonderen Fensterform, dem Emporenfenster der Abtei von Westminster. Friihere Beispiele von Bo-

gendreiecken im Mafwerk eines Chorfensters, die der Utrechter Mafiwerkfigur als Vorbild gedient haben k6nnten, sind mir nicht bekannt. Etwa

gleichzeitig und unabhangig vom Utrechter Chor- fenster entstanden im letzten Viertel des 13. Jahr- hunderts das Scheitelfenster des Verdener Dom- chores und die gestapelten Bogendreiecke im Chorfenster der Stiftskirche St. Ursula in Koln.25 Der Entstehungsprozeg dieser Innovation ist in Utrecht genau nachvollziehbar. Die Einfiihrung der neuen Mafgwerkform resultierte nicht aus einer

eigendynamischen Entwicklung der Mafgwerkfor- men heraus, auf die Lottlisa Behling ihre Untersu-

chungen zur Gestalt und Geschichte des MaB- werks stiitzte.26 Vielmehr resultierte die neue Mag- werkform im Chorkapellenfenster des Utrechter Domes aus der konkreten Obernahme eines genau bestimmbaren Vorbildes, des Bogenfensters der Abtei von Westminster.

Motivisch gehen die Emporenfenster von West- minster auf die Rosetten iiber den beiden Seiten-

44

''_

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

portalen der Westfassade der Kathedrale von Amiens zuriick: ein stehender Achtpafi in einem

regelmiafigen Bogendreieck. In der Sainte-Chapel- le in Paris erscheint dieses Bogendreieck in ge- driickter Form mit stehendem Sechspafi an der

Langhauswand der Unterkapelle (Abb. 16).27 Die beiden flachen seitlichen Zwickel zwischen dem unteren Bogen und dem gerade abschliei3enden Sockel sind hier durchbrochen und mit einem

Dreipafibogen besetzt, der weder auf die Rosette noch auf die Sockelarkatur im Innenraum abge- stimmt ist. Das gedriickte Bogendreieck der Unter-

kapelle ist daher nicht integrierter Teil eines Mafi- werkfensters, sondern bleibt wie bei den Westfas- sadenrosetten der Kathedrale von Amiens Rah- menform des Fensters.28 Der hohere Grad der

Wanddurchbrechung in der Sainte-Chapelle konn- te die Vermutung nahelegen, dafi die Sainte-Cha-

pelle ein Bindeglied zwischen der Fensterform in Amiens und der Mafiwerkform in Utrecht bilde, so als wiichse das Bogendreieck langsam aus der Wand heraus. Doch fehlen in der Sainte-Chapelle

die fur Utrecht charakteristischen, das Fenster flankierenden Stutzen. Dieses Motiv erscheint vor dem Utrechter Domchor nur an den Emporenfen- stern von Westminster Abbey und wurde von dort direkt auf die Utrechter Chorkapellen iibertragen.

Die Vorbilder fur die Gestaltung des ersten Bauab- schnittes des Utrechter Domchores bilden somit die Abtei von Westminster sowie die Kathedralen von Soissons und K1on. Auf Westminster verwei- sen die kantonierten Rundpfeiler im Chorumgang, die pfeilerbreiten Scheidbogen, die rippengleichen Gurte und die Fenster der Chorkapellen. Die Stre-

bepfeiler der Chorkapellen mit den seitlich weiter-

gefiihrten Wasserschlagen erscheinen zum ersten Mal in dieser Weise an der Kathedrale von Sois- sons. Schlief3lich verweisen die gestapelten Drei-

passe der Chorkapellenfenster sowie die Gestal-

tung der Piscinen und der Kapitelle auf den Dom in Koln.

Die erste Konzeption des Utrechter Domchores orientierte sich somit an Bauten, die eng mit dem

".Ks .4

i i

. B.s: *': . I

15. London, Westminster Abbey. Chor von SO. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg)

, ';*: . . ' ':: s

16. Paris, Sainte-Chapelle. Blendfenster der Unterkirche nach N. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg)

45

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

jeweiligen K6nigshaus der englischen, franz6si- schen und deutschen Herrscher verbunden wa- ren.29 Welche Bedeutung aber sollte das englische Konigshaus fiir die Konzeption der Utrechter Ka- thedrale besessen haben?30 Was beinhaltet das Zitat der Abtei von Westminster im Utrechter Dom- chor?

Hendrik van Vianden, Bischof von Utrecht in den

Jahren 1249-1269, wird in den schriftlichen Quel- len als Griinder der gotischen Kathedrale in Utrecht genannt.31 Beka berichtet in seiner Chro- nik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, Hendrik van Vianden habe ,,ad fundamentum novae fabri- cae Traiectensis" den ersten Stein gelegt.32 Die so-

genannten ,,Domtafelen", die nach 1274 entstan- den und ehemals im Dom aufgehangt waren, besta-

tigen dies: ,,Denique praesul Henricus coepit hanc renovare suam Ecclesiam Regis Gulielmi tempo- re".33 Hendrik van Vianden war zuvor Dompropst in K6ln34, bis ihn Papst Innocentius IV. am 7. Juli 1249 zum Bischof von Utrecht ernannte.35 Noch vor dieser Ernennung war mit Gozewijn van Ran- derath ein Anhanger der staufischen Partei von den fiinf Kapiteln der Stadt zum Bischof gewahlt wor- den. Gozewijn folgte jedoch ein Jahr darauf dem Urteil einer Synode in Liittich und trat zuriick.36 Noch im gleichen Jahr, 1250, zog Hendrik van Vianden in die Stadt Utrecht ein und erhielt 1252 die Bischofsweihe.37 ,,De benoeming door de paus, het spoedig contact met de Rooms-koning doen hem [gemeint ist Hendrik van Vianden] kennen als

tegenstander der Staufen en aanhanger van Willem II en aartsbisschop Konrad van Keulen."38

Der Utrechter Domchor soil also nach den schriftlichen Quellen unter Bischof Hendrik van Vianden und K6nig Wilhelm II. von Holland be-

gonnen worden sein. Da Bischof Hendrik im Jahre 1252 die Bischofsweihe erhielt und K6nig Wilhelm II. von Holland bereits am 28.1.1256 bei einem

Feldzug gegen die Friesen fiel, miifte der Baube-

ginn zwischen 1252 und 1256 erfolgt sein. Der Stadtbrand vom 29.4.1253, der grofie Teile der Stadt Utrecht zerst6rte und auch den Dom bescha-

digte, beschrankt diesen Zeitraum auf die Jahre 1254 und 1255.39 Zwar weisen ein Ablafi des Pap- stes Clemens IV. aus dem Jahre 126540 und ein Ab- lafi von Bischof Gerard von Miinster aus dem Jahre 126741 auf Bauarbeiten am Utrechter Dom hin.

Diese Urkunden lassen aber offen, ob es sich dabei um Wiederherstellungsarbeiten oder um den Chorneubau handelt.

Erst in einer Ablafiurkunde aus dem Jahre 1288 ist zum ersten Mal vom ,,novo opere" die Rede.42 Im gleichen Jahr erklart der Elect Jan van Nassau, der Bischof Hendrik nach dessen Tod im Jahre 1267 auf dem Bischofsstuhl folgte43, dafi er, Jan van Nassau, der ,,fundator" des neuen Domes sei.44 Im

Jahre 1303 werden bereits sechs ,,vicariae in Novo

opere" gestiftet.45 Zu diesem Zeitpunkt mufi dem- nach der Bau des Chorumgangs weitgehend abge- schlossen gewesen sein. Fur den Baubeginn aber bleiben nach den schriftlichen Quellen zwei M6g- lichkeiten: 1254/55 unter Hendrik van Vianden oder 1288 unter Jan van Nassau. Eine Unterschei-

dung zwischen einem unter Bischof Hendrik und einem unter Jan van Nassau errichteten Teil aber ist am Bauwerk selbst nicht m6glich, denn das Mauer- werk ist vollkommen homogen. An keiner Stelle des Chorumgangs finden sich Spuren einer Bau- naht.46 Daraus resultiert, dafi der Grundsteinle-

gung 1254/55 durch Hendrik van Vianden allen- falls die ersten Fundierungsarbeiten gefolgt sein

k6nnen, der gesamte Aufbau des Utrechter Chor-

umgangs aber unter Jan van Nassau im Jahre 1288

begonnen wurde.47

Lag dieser Gestaltung des Utrechter Domchores aber die alte Planung unter Bischof Hendrik zu-

grunde, oder folgte sie einer neuen Konzeption un- ter dem Electen Jan van Nassau? Die Vorbilder So- issons (um 1200 beg.), Westminster Abbey (1245 beg.) und der Dom zu Koln (1248 beg.) datieren samtlich vor 1254. Der Utrechter Chorumgang hatte also nicht erst 1288, sondern bereits dreifiig Jahre zuvor unter Bischof Hendrik in dieser Form

konzipiert werden k6nnen. Umgekehrt scheint die

Rezeption ,,k6niglicher Architekturformen" fur

Konig Wilhelm II. von Holland zwar naheliegend, aber historisch kaum haltbar. Erst unter seinem Sohn Floris V. (1256-1296) erhalten die Verbin-

dungen zum englischen K6nigshaus entscheidende

Bedeutung.

Im Spatjahr 1247 stellten die rheinischen Erzbi- sch6fe einen neuen Gegenk6nig, den Grafen Wil- lem II. von Holland, den Staufern entgegen.48 Wie sein Vorganger Heinrich Raspe war er machtlos und auf die Hilfe der klerikalen Partei angewiesen,

46

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

,,die ihn gekauft und dann erhoben hatte".49 Die

Grabplatte Siegfrieds III. von Eppstein im Mainzer Dom, die bald nach seinem Tode im Jahre 1249 ent- stand, zeigt die beiden Gegenkonige an der Seite dieses Mainzer Erzbischofs, der ihnen die K6nigs- krone auf ihr Haupt setzt.50 Tatsachlich aber hatte er keinen der beiden ,,Pfaffenk6nige"51 gekront. Heinrich Raspe verstarb, bevor er gekront wurde, am 16.2.1247, und Wilhelm II. wurde nicht vom Mainzer, sondern vom Kolner Erzbischof Konrad von Hochstaden 1248 in Aachen gekr6nt. Die Hei- rat Wilhelms II. mit der Herzogin Elisabeth von

Braunschweig, einer Enkelin Ottos IV., ,,... so daf3 er als Symbol der Welfischen Partei gelten konn-

te...",52 erm6glichte eine Nachwahl im Jahre 1252, die ihm auch die Stimmen der weltlichen Fiirsten sicherte.53 Wilhelm II. war nun in der Lage, eine ge- geniiber dem Kolner Erzbischof eigenstandige Po- litik zu verfolgen.54 Im Jahre 1254 versuchten die

geistlichen Fiirsten, allen voran Konrad von Hoch- staden, Wilhelm II. abzusetzen und einen anderen

K6nig zu wahlen, ohne Erfolg.55 Durch den Tod des letzten Stauferkonigs Konrad im gleichen Jahr war die Macht Wilhelms II. entscheidend gewach- sen.56 In einem Schreiben vom 28. April 1255 kiin-

digt der Papst die Kaiserkr6nung Wilhelms II. an und fordert Konrad von Hochstaden auf, hieran teilzunehmen.57 Doch bereits im Januar 1256 fillt Wilhelm II. bei einem Feldzug gegen die Friesen.

Bischof Hendrik van Vianden konnte an einem

machtigen Holland kaum gelegen sein. Er unter- stutzte die Reichspolitik Wilhelms II. bis zu dessen Bruch mit dem Kolner Erzbischof, also bis zu den Jahren 1252/53. Ab 1254 kann er kein Bauvorha- ben gef6rdert haben, das die k6nigliche Herrschaft Wilhelms II. dokumentiert hatte, da im gleichen Jahr Konrad von Hochstaden die Absetzung Wil- helms II. verfolgte. Die Planung und Grundsteinle- gung des Utrechter Domchores durch Hendrik van Vianden hatte daher nur in den Jahren 1252/53 er- folgt sein k6nnen. Auf keinen Fall aber war diese Planung identisch mit dem spater ausgefiihrten Chorumgang, da Wilhelm II. keine entscheidenden politischen Verbindungen zum englischen K6nigs- haus unterhielt. Das Zitat der Abtei von Westmin- ster im Utrechter Domchor ist nicht aus der politi- schen Situation der Jahre 1252/53 abzuleiten, die Konzeption des Utrechter Chorumgangs geht nicht auf eine altere Planung unter Hendrik van

Vianden zuriick, sondern erfolgte erst unter dem Electen Jan van Nassau und dem hollindischen Grafen Floris V.

Unter dem Electen Jan van Nassau (1267-1290), ei- nem Neffen des Grafen Otto II. von Geldern, ge- riet das Nedersticht, das landesherrliche Gebiet des Utrechter Bischofs, v6llig in die Abhangigkeit des hollandischen Grafen Floris V. (1266-1296).58 ,,Na 1285 was het Nedersticht praktisch bij Holland in-

gelijfd. Behalve het kerkelijke gezag had Jan van Nassau er slechts sporadische bevoegdheden over-

gehouden... Voor Holland was het van het grootste politiek belang om een dergelijke satelliet-bisschop te handhaven."59 Entscheidend fiir die Politik Flo- ris' V. war das Biindnis mit dem englischen K6nig Edward I. (1272-1307). Am 5. Juli 1281 verlobte Floris V. seine Tochter Margaretha mit Alfons, dem Sohn Edwards. Als Alfons noch vor der Voll-

ziehung der Ehe 1284 starb, wurde Jan, der Sohn Floris' V., mit Edwards Tochter Elisabeth verlobt. Neben dieser Buindnispolitik mit dem englischen Konigshaus verbanden Floris V. mit Edward I. die

Auseinandersetzungen um den schottischen Thron nach dem Tode Konig Alexanders I. im Jahre 1286.60 Mit Margareth, genannt ,,The Maid of Nor- way", verstarb im Jahre 1290 die letzte Thronfolge- rin in direkter Linie. Edward I. wurde von den dreizehn Thronpratendenten in den daran an- schliefienden Streitigkeiten als Richter anerkannt. Als Abk6mmling von Ada, der Schwester des Gra- fen David of Huntingdon (1185-1219), dessen bei- de Briider Malcolm IV. (1153-1165) und William (1165-1214) das schottische K6nigreich regierten, gait Floris V. als aussichtsreichster Kandidat, da Graf David seine Rechte auf den schottischen Thron wohl an seine Schwester Ada abgetreten hatte. Gegen eine grofie Geldsumme zog er aber am 15. November 1292 seine Anspriiche zuriick, und Konig Edward I. wies noch am gleichen Tage John Balliol den schottischen Thron zu.61

Sichtbaren Ausdruck fanden die Anspriiche Flo- ris' V. auf den Konigsthron und das Biindnis mit dem englischen Konigshaus durch das Zitat der Westminster Abbey im Utrechter Domchor. Westminster wurde durch die Ubernahme der kan- tonierten Rundpfeiler, der rippengleichen Gurte und der Bogendreieckform in das Mafwerk der Kapellenfenster wiedererkennbar in Utrecht auf-

47

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

gehoben. Ebenso dokumentieren die Zitate der

,,k6niglichen" Kathedralen von Soissons und K6ln die souverinden Anspriiche des Grafen Floris V. Die Prasenz ,,koniglicher Architekturformen" am Utrechter Domchor dokumentiert zugleich die Macht Floris' V. ilber den schwachen Electen Jan van Nassau. Die Stiftung eines Altars durch den weiter oben bereits genannten Lambert Frese, des Bankiers Floris' V., in der wichtigsten Chorkapel- le, der dem hi. Kreuz geweihten Achskapelle, un- terstreicht ein weiteres Mal die Macht des hollandi- schen Grafen im machtlosen Nedersticht.62

Als Floris V. im Jahre 1296 das Biindnis mit Eng-

land brach, wurde das Zitat der Abtei von West- minster gegenstandslos.63 Diesem politischen Wechsel folgte ein Konzeptionswechsel. In den

rechteckigen Kapellen der Chorsiidseite fehlt jegli- cher Hinweis auf Westminster. Vielmehr zitieren die Biindelpfeiler, die ohne Kapitell in das Gew6l-

beprofil iibergehen, die Erdgeschofghalle des Sid- turmes der Kathedrale in Koln. Doch werde ich hieriiber an anderer Stelle handeln. Das Ziel der

vorliegenden Untersuchung war eine Analyse des Utrechter Chorhauptes, des ersten Bauabschnittes, des sogenannten ,,Beginns der Hochgotik" in den Niederlanden.

Anmerkungen

Der vorliegende Text ist eine verbesserte und erweiterte Fas-

sung meines Vortrags ,,Het koor van de gothische Dom", den ich auf dem Congres Medievistiek ,,Utrecht kruispunt van de Middeleeuwse kerk" im August 1988 in Utrecht gehalten habe.

Vgl. Ank C. Esmeijel, A. M. Koldeweij u.a. (Hrsg.), Utrecht.

Kruispunt van de Middeleeuwse kerk (= Clavis kunsth. Mon.

VII), Zutphen 1988. 1 E. J. Haslinghuis u. C.J.A.C. Peeters, De Dom van Utrecht,

(= De Nederlandse Monumenten van Geschiedenis en Kunst II, 1,2) 's-Gravenhage 1965, S. 332.

2 M. P. van Buijtenen, Contra turrim Traiectensem, in: C. A.

Rutgers (Hg.), De Utrechtse Bisschop in de Middeleeuwen, Den Haag 1978, S. 1-17. Eine kommentierte Bibliographie zu den Utrechter Bischofen als Landesherren, ebenda, S. 184f. Bau und Geschichte des Utrechter Domturmes wer- den ausgezeichnet dokumentiert bei T. Haakma Wagenaar, Memorandum Domtoren, Utrecht 1975; Haslinghuis/Pee- ters (wie Anm. 1), S. 404-460; J.E.A.L. Struik, De Utrechtse

Domtoren, Utrecht 1982. Die Rezeptionsbauten des Ut- rechter Domturms behandelt M. D. Ozinga, De gothische kerkelijke bouwkunst, (= De Schoonheid van ons land) Amsterdam 1953, S. 21-27, mit zahlreichen Abbildungen. Eine kritische Untersuchung zur Bedeutung und Rezeption des Utrechter Domturmes von A.J.J. Mekking wird voraus- sichtlich im Jahre 1990 ver6ffentlicht werden.

3 F.A.J. Vermeulen, Handboek tot de Geschiedenis der Ne- derlandsche Bouwkunst, 1, 's-Gravenhage 1928, S. 376f.

4 S. J. Fockema Andreae und E. H. Ter Kuile, Duizend jaar bouwen in Nederland, 1, Amsterdam 1948, S. 196. Ter Kuile fiihrt weiter aus, dafg die iibrigen grof3en gotischen Bauwer- ke der Niederlande - wie St. Jan in 's Hertogenbosch oder die Bovenkerk in Kampen - dagegen ein ,,provinzieller Cha- rakter" kennzeichne. Ebenda, S. 196f.

5 Ozinga (wie Anm. 2), S. 19. 6 Ebenda, S. 14; Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 337.

7 Von Rippendienst zu Rippendienst gemessen. Durch die

Verbreiterung der westlichen Halbjochpfeiler bleibt jedoch die Arkadenweite identisch.

8 Zwei verschiedene Konzeptionen sechsteiliger Chorum-

gangsjoche miissen hier unterschieden werden: die oben be-

schriebene L6sung des Utrechter Domchores, die auf Sois-

sons und Tournay verweist und eine zweite Konzeption, die

in der Liibecker Marienkirche vorgebildet ist. Die sechsteili-

gen Gewolbefelder sind in Liibeck gleichseitig, und die Sei- tenschiffsbreite iibertrifft die Breite des Chorumgangs. Dies verstarkt den Kapellencharakter im Gegensatz zu der Aus-

bildung der Kapelle in Utrecht als flache Nische des Chor-

umgangsjoches. Zur Konstruktion des Chorumgangs der Liibecker Marienkirche vgl. Hans-Joachim Kunst, Die Ma- rienkirche in Liibeck, Die Prasenz bisch6flicher Architek- turformen in einer Biirgerkirche, Worms 1986, S. 9-13.

9 An den Verbindungsstellen dieser Abschnitte, wie etwa am siidwestlichen Pfeiler des Halbjoches, treffen die unter- schiedlichen Konzeptionen so aufeinander, daf3 an einem Pfeiler alle beschriebenen Vorlagensysteme konsequent an-

geordnet sind - Abb. bei Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 317, Fig. 32 -: zum Chorumgang hin runde Dienste, zum siidlichen Seitenschiff hin Birnstabprofile und zum Mittel- schiff des Langchores hin den polygonylen Dienst fur den

Gurtbogen. Dieser Pfeiler zeigt oberhalb der Basis gleichen Steinschnitt und gleiche Fugenh6he, wurde also in dieser

zusammengesetzten Form errichtet und resultiert nicht aus

nachtraglichen Anstiickungen. Auch Vroom konstatierte

,,drei unterschiedliche aufeinanderfolgende Baukonzeptio- nen" am Utrechter Domchor. W. H. Vroom, De financie-

ring van de kathedraalbouw in de Middeleeuwen, Maarsen

1981,S. 237. 10 Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 339. 11 Zur Ableitung des Chorgrundrisses vgl. Haslinghuis/Pee-

ters (wie Anm. 1), S. 337. Fiir die genaue Analyse und Ablei-

tung des Binnenchorschlusses des Utrechter Domes miifte

iiberpriift werden, ob der heutige Chorschlufi bereits im er-

sten Bauabschnitt angelegt war. AufschlufS hieriiber k6nnte eine Untersuchung der Fundamente der beiden westlichen

Halbjochpfeiler geben. 12 Ahnlich ist der Scheidbogenunterzug der Apsispfeiler im

Chor der Marienkirche zu Liibeck gebildet. Vgl. Max Hasse, Die Marienkirche zu Liibeck, Miinchen 1983, S. 27, Abb. 18.

Die Beobachtung Geimers, dafi in Utrecht ,,der Grundrii3 der Pfeilerbiindel wie bei den Chorschluipfeilern des K6l-

ner Domes elliptisch" sei, kann ich dagegen nicht nachvoll-

ziehen. Vgl. Maria Geimer, Der Kolner Domchor und die

rheinische Hochgotik (= Kunstgeschichtliche Forschungen des rheinischen Vereins fur Denkmalpflege und Heimat-

48

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

schutz, 1), Bonn 1937, S. 90f. 13 Der Durchmesser des Gurtdienstes iibertrifft den Durch-

messer der Rippendienste nur geringfiigig. Wie bei den Ge- wolbegliedern ist die Differenz megbar, aber nicht visuali- siert.

14 Die Dienste am Kapellenkopfpfeiler sind en-delit gearbeitet. Fur die Apsispfeiler wurden jedoch Einzelschablonen ver- wendet. Zu den verschiedenen Versatztechniken in der mit- telalterlichen Architektur vgl. Dieter Kimpel, Die Entfal- tung gotischer Baubetriebe. Ihre sozio6konomischen Grundlagen und ihre isthetisch-kiinstlerischen Auswirkun- gen, in: Friedrich M6bius und Ernst Schubert (Hrsg.), Ar- chitektur des Mittelalters, Weimar 1984, S. 246-272.

15 Zu den Ubereinstimmungen zwischen Utrecht und Koln in der Detailbildung vgl. Geimer (wie Anm. 12), S. 90f.

16 Uber die Bedeutung der Abtei von Westminster fur das eng- lische Konigshaus vgl. zuletzt Christopher Wilson, The English Response to French Gothic Architecture, c. 1200- 1350, in: The Age of Chivalry, Art in Plantagenet England 1200-1400, London 1987, S. 74-78. Die umfangreiche Lite- ratur zur Abtei von Westminster ist zusammengestellt bei Eva-Andrea Wendebourg, Westminster Abbey als konigli- che Grablege zwischen 1250 und 1400 (= Manuskripte zur Kunstwissenschaft, 11), Worms 1986, S. 253-258.

17 Zur Rezeption der Reimser Organisation von Vorlagen und Gewolbegliedern vgl. Hans-Joachim Kunst, Der Chor von Westminster Abbey und die Kathedrale von Reims, in: Zeit- schrift fiir Kunstgeschichte 31 (1968), S. 122-142; ders., Die Entstehung des Hallenumgangschores, Der Domchor zu Verden an der Aller und seine Stellung in der gotischen Ar- chitektur, in: MarburgerJahrbuch 18 (1969), S. 49-56. Einen Vergleich der Apsis- und Kapellenkopfpfeiler von Reims und Westminster bei W. R. Lethaby, Westminster Abbey and the Kings Craftsmen, London 1906, S. 120, Fig. 42.

18 In der Grundrifform unterscheiden sich beide Kirchen. Auch die dreiseitigen flachen Nischen der Chorumgangsjo- che lassen sich nicht zu einem regelmafSigen Neuneck ergin- zen.

19 Zur Datierung und zur politischen Stellung beider Kirchen vgl. Bruno Klein, Chartres und Soissons, Uberlegungen zur gotischen Architektur um 1200, in: Zeitschrift fur Kunstge- schichte 49 (1986), S. 437-466; Dieter Kimpel u. Robert Suk- kale, Die gotische Architektur in Frankreich: 1130-1270, Miinchen 1985, S. 236-253 sowie S. 261-266.

20 Die Jochbreite nimmt vom Querschiff aus nach Westen hin ab. Daher trifft der Strebepfeiler im Osten auf den vorge- blendeten Fensterbogen, im Westen schlief3lich auf die inne- re Laibung der Seitenschiffsfenster.

21 Da die Gestaltung des Strebepfeilers in Chartres, nicht aber in Soissons folgerichtig aus dem tektonischen Kontext her- aus entwickelt wurde, kann es nur eine Abhangigkeit Sois- sons von Chartres geben, nicht umgekehrt. Daraus resultiert die zeitliche Prioritit des Chartreser Langhauses gegeniiber den Chorkapellen in Soissons. Der Friihdatierung von Sois- sons durch Bruno Klein (wie Anm. 19), S. 465, kann ich da- her nicht folgen.

22 Die Rezeption dieses Strebepfeilermotivs reicht von St. Quentin (nach 1210) bis zur Wernerkapelle in Bacharach (1337 Weihe). Bis auf ganz wenige Ausnahmen bleibt dieses Motiv auf Bauteile beschrankt, die nicht iiber das GeschofS hinausgreifen.

23 Eine weitere Abstimmung besteht zwischen Apsisarkade und Kapellenfenster: Die Kimpferhohe ist bei beiden iden-

tisch; die Schildbogendienste der Radialkapellen entspre- chen in Querschnitt und Durchmesser den iufieren Rund- stiben des Scheidbogenunterzuges;der Scheidbogenunter- zug ist - entsprechend der Kapellenwand - als stehengeblie- benes Mauerstiick formuliert. Die Apsisarkaden erscheinen daher als in den Binnenchor hineingezogene Fenster. Bin- nenchor, Chorumgang und Aufienbau sind somit exakt auf- einander abgestimmt.

24 Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 337. Das Motiv der drei gestapelten Dreipasse tritt in Frankreich in den Jahren 1240-1250 in den Chorkapellenfenstern der Kathedrale von Amiens, in den Chorschlufifenstern der Sainte-Chapelle in Paris und in den Obergadenfenstern der Kathedrale von Le Mans auf. Die gestapelten Dreipisse in den Chorkapellen- fenstern des Kolner Domes gehen wohl auf die Sainte-Cha- pelle zuruck. ,,Dafiir sprechen die Nasen in den Bahnen, die in dieser Zeit in Deutschland noch nicht vorkommen, und die auch in Amiens und Le Mans noch nicht vorhanden sind." Gottfried Kiesow, Das Maf3werk in der deutschen Baukunst bis 1350, (Diss.) G6ttingen 1956, S. 130f. In Ut- recht umstanden wie in Koln Chorpfeilerfiguren den Bin- nenchor, die ihrerseits wieder auf die Sainte Chapelle zu- riickgehen.

25 Kunst (wie Anm. 17), S. 22; nach Geimer (wie Anm. 12), S. 82, hatten die dreiteiligen Chorschluflfenster von St. Ursula ,,urspriinglich drei pyramidenartig gestellte Bogendreiecke ohne Nasen, die auf die Anordnung der Dreipaflpyramiden in den Domchorkapellen zuriickgehen kinnen." Im Jahre 1642 wurde bei Erneuerungen der Kirche u.a. das Mafiwerk der Chorfenster entfernt, im Jahre 1767 die Chorschluflfen- ster vermauert. Ebenda. Das in der ilteren Literatur hiufig mit der Chorvollendung in Verbindung gebrachte Datum 1287 ist durch Quellen nicht bestitigt. Vgl. K. Kiinstler, St. Ursula, in: Stadtspuren 1, H. Kier u. U. Krings (Hrsg.), Koln 1984, S. 531f. Kunstler datiert den Chor in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts. Ebenda, S. 531. Zu den Bogen- formen am Kolner Dom vgl. A. Wolff, Mittelalterliche Plan- zeichnungen fur das Langhaus des Kolner Doms, in: Kolner Domblatt 30 (1969), S. 146-151. Vor dem Straflburger Rifi B (um 1275) erscheinen Bogenformen im Mafiwerk nur an un- tergeordneter Stelle. Kiesow (wie Anm. 24), S. 186, erkannte die fruheste Verwendung von Bogenvielecken in Deutsch- land in den Obergadenfenstern des Freiburger Minsters, den er um 1310 datierte.

26 Lottlisa Behling, Gestalt und Geschichte des deutschen Mag3werks, Halle a.d. Saale 1944. Diese als Abhandlung zu einer allgemeinen Morphologie erschienene Arbeit basiert auf ihrer Dissertation: Das ungegenstindliche Bauornament der Gotik, Berlin 1937.

27 Vgl. zuletzt Kimpel/Suckale (wie Anm. 19), S. 403. 28 Zur Ubernahme Amienser Formen in der Sainte-Chapelle

vgl. ebenda, S. 403f. Als Baumeister wird dort Robert de Lu- zarches genannt, dem die Amienser Chorkapellen zuge- schrieben werden.

29 Die Abtei von Westminster lag aufierhalb der Stadt London in der Nihe des k6niglichen Palastes. Sie beherbergte die Gebeine des heiligen Eduard des Bekenners. Vgl. Robert Branner, Westminster Abbey and the French Court Style, in: Journal of the Society of Architectural Historians, Bd. 23, 1 (1964), S. 3-18; zur Verbindung von Soissons zum fran- z6sischen K6nigshaus vgl. Bruno Klein (wie Anm. 19), S. 241-243; der Kolner Dom beherbergte den Schrein der Hei- ligen Drei K6nige, der ersten christlichen Konige. Der deut-

49

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

sche Konig wurde durch den Kolner Erzbischof in der Stadt Aachen, die zum Erzbistum K61n geh6rte, gekront. Nach der Kronung reiste der deutsche K6nig zum Dreik6nigs- schrein nach K6ln.

30 Die Orientierung am englischen K6nigshaus ist ungew6hn- lich. In England bleibt die Rezeption der Abtei von West- minster auf eine Anzahl kirchlicher Neubauten beschrankt, ,... die in einer engen personellen Beziehung zum K6nigs- haus standen..." Hans-Josef B6ker, Englische Sak- ralarchitektur des Mittelalters, Darmstadt 1984, S. 198.

31 Die Quellen zur Baugeschichte des Utrechter Domes sind bei Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 171-176, zusam-

mengestellt. 32 Joannes de Beka, Chronica ed. Buchelii, S. 88. 33 Zitiert nach Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 171. Der

grofie Stadtbrand vom 29. April 1253, der auch den romani- schen Dom beschadigte, kann m.E. nicht der Anlaf3 fiir den Chorneubau gewesen sein, sondern nur fur den Wiederauf- bau der durch den Brand zerstorten Bauteile. R. Meischke wies darauf hin, daif ,... in de meeste gevallen waarvan ons de gegevens bekend zijn ... men in de middeleeuwen na een brand het kerkgebouw niet vernieuwd doch hersteld

[heeft]". R. Meischke, Drie kerken van Rutger van Kampen, in: Opus Musivum, Assen 1964, S. 116. Der romanische Dom in Utrecht blieb noch Jahrhunderte zwischen Chor und Westturm der gotischen Kathedrale bestehen. Diesen Zustand zeigt ein Triptychon (ca. 1460), das im Centraal Museum in Utrecht aufbewahrt wird. Abgebildet bei Has-

linghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 168, Abb. 120. 34 Vgl. R. R. Post, Geschiedenis der Utrechtsche Bisschops-

verkiezingen tot 1535, Utrecht 1933, S. 69. 35 Ebenda. 36 F. Ketner, De elect Jan van Nassau en zijn tijd, in: Bijdragen

voor de geschiedenis der Nederlanden 12, Utrecht 1957, S. 2; R. R. Post, Kerkgeschiedenis van Nederland in de Midde- leeuwen, 1, Utrecht 1957, S. 174f. Post relativiert hier Goze-

wijns Zugehorigkeit zur staufischen Partei: ,,Waarschijnlijk was Gozewijn een meer gematigd man, die eventueel de an- dere kant opkon." Ebenda, S. 175.

37 Post 1933 (wie Anm. 34), S. 69. 38 Post 1957 (wie Anm. 36), S. 175. 39 So brannte u.a. der ,,maior turris apud S. Martinum" fast

vollig nieder. Vgl. Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 171. 40 OkbU III, Nr. 1660. ,,Cum itaque cathedralis ecclesia

Traiectensis in honorem beati Martini episcopi et confesso- ris constructa esse dicatur..."

41 OkbU IV, Nr. 1722. ,,... quod evidentem et urgentem neces- sitatem operis Maioris ecclesie Traiectensis, cui ad ipsius operis reedificationem proprie nondum suppetunt facultates

42 OkbU IV, Nr. 2364. 43 Ketner (wie Anm. 36), S. 2. 44 OkbU IV, Nr. 2349. ,,Cum venerabilem matricem ecclesiam

nostram Traiectensem, omnium ecclesiarum civitatis et dyo- cesis Traiectensis matrem primitivam, nobis specialem et pre cunctis aliis dilectam, cuius divina nobis favente clemencia fundator esse dicimur, ad honorem gloriosissime virginis Marie et plissimi nostri patroni beati confessoris Martini, pre nimia sui vetustate a fundamento omnino honorifice oporte- at renovari ..." Vgl. hierzu G. Brom, De stichter van den

Dom, in: Verslag van de Sint Bernulphus-Gilde, Utrecht

1889/90, S. 39-42, der in Jan van Nassau den Griinder des

gotischen Domchores erkennt.

45 OkbU IV, Nr. 2364. 46 In den Pfeilersockeln des Chorumgangs wurde roter Weser-

sandstein verarbeitet. Th. Haakma Wagenaar, De bouwge- schiedenis van de Buurkerk te Utrecht, Utrecht 1936, S. 108. Diese Teile fiigen sich aber nahtlos in den Mauerverband aus Tuff und Trachyt ein, der den ganz aus Backstein errichteten Domchor einfafit. Die am Utrechter Domchor verwendeten Baustoffe sind bei Haslinghuis/Peeters (wie Anm. 1), S. 193- 199 zusammengestellt. Die Verwendung unterschiedlicher Baustoffe ist demnach nicht die Ausnahme, sondern die Re-

gel. Jede Deutung dieses Materialwechsels in bezug auf die

Baugeschichte bliebe spekulativ. 47 Eine genaue Bestimmung von m6glicherweise vor 1288 aus-

gefiihrten Arbeiten ist zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht

m6glich, da eine detaillierte Untersuchung iiber den Aufbau und den Verlauf der Fundamente im Bereich des Halbjochs noch nicht vorliegt.

48 K. E. Demandt, Der Endkampf des staufischen Kaiserhau- ses im Rhein-Maingebiet, in: Hess.Jb. f. Landesgeschichte 7

(1957), S. 145. Zu Willem II. vgl. O. Hinze, Das K6nigtum Wilhelms von Holland, (Diss.) Berlin 1884; A. Gerlich, Rheinische Kurfiirsten und deutsches K6nigtum im Inter-

regnum, in: Geschichtliche Landeskunde, 3 (1967), S. 44- 126; H.P.H. Jansen, Holland, Zeeland en het Sticht 1100- 1433, in: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 2, Haar- lem 1982, S. 282-323.

49 Demandt (wie Anm. 48), S. 145. 50 G. Kniffler, Die Grabdenkmaler der Mainzer Erzbischbfe

vom 13. bis zum friihen 16. Jahrhundert, Koln 1978, S. 1-6. 51 ,,Rex clericorum". Demandt (wie Anm. 48), S. 132. 52 Jansen (wie Anm. 48), S. 296. 53 Ebenda. 54 Gerlich (wie Anm. 48), S. 51. 55 Hinze (wie Anm. 48), S. 1. 56 Ebenda, S. 12. 57 Ebenda, S. 13. 58 Jansen (wie Anm. 48), S. 299-303. Zu Floris V. vgl. F.W.N.

Hugenholtz, Floris V., Bussum 1966. 59 Ketner (wie Anm. 36), S. 15. 60 In einer Studie zum sog. Ridderzaal in Den Haag hat A.J.J.

Mekking die Relevanz des schottischen Erbfolgestreits ne- ben der Biindnispolitik mit England herausgearbeitet und die Literatur hieriiber zusammengestellt. A.J.J. Mekking, Die Aula Palatii in Den Haag. Versuch einer Analyse ihrer

Bedeutung, in: F. M6bius u. E. Schubert (Hrsg.), Deutsche und Europiische Kunst im 13. Jahrhundert, Weimar 1989.

61 Melis Stoke, der mehrere Amter in der Hofhaltung der Gra- fen von Holland bekleidete, berichtet hieriiber: ,Oec hadde de grave van Hollant / Te voren gheweest in Ingelant: / Want Scotlant was hem an verstorven. / Dit heeft de Coninc so

verworven, Edewaert, dat hi dat gaf / einen anderen, de daer af / Den grave gaf penninghe vele". W. G. Brill (Hg.), Rijm- kroniek van Melis Stoke (= Werken van het Historisch Ge-

nootschap, 40), Utrecht 1885, S. 248f. 62 Haslinghuis/Peeter (wie Anm. 1), S. 173. J.E.A.L. Struik,

Utrecht door de eeuwen heen, Utrecht 1968, S. 61. 63 Ausschlaggebend war wohl der Konflikt zwischen Holland

und Vlaanderen uber die Lehnshoheit in Zeeland-bewester-

Schelde, in dem der englische K6nig aus Riicksichtnahme auf das reiche Vlaanderen eine Entscheidung zu Gunsten Hollands unterliefi. Vgl. H.P.H. Jansen, Geschiedenis van de middeleeuwen, 6. Aufl., Utrecht 1986, S. 237.

50

This content downloaded from 128.235.251.160 on Tue, 16 Dec 2014 14:25:05 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions