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Aus dem Chemischen Institut der Tieriirztlichen Hochschule in Briinn. (Vorstand: Prof. Dr: phil. et reed. Jan BeSka.) Veriinderungen der pn-Zahl des Blutes und des Mineralstoffwechsels wiihrend der Narkose. III. Mitteilung: Der Einflul~ der Alkalose und Azidose auf den Verlauf der 57arkose. Von Jan BeSka. (Eingegangen am 18. X. 1933.) In meinen frtiheren Arbeiten I beschrieb ich die Ver~tnderungen des Ca- und P-Spiegels und der aktuellen Reaktion des Blutes bei Kaninchen w~thrend der Narkose; es wurde festgestellt, da[.~ alle Narkotika auBer )~orphium eine grSBere oder geringere Herabsetzung der pH-Zahl ver- ursachen. Es war nun wichtig, zu erfahren, wie bei Applikation derselben ~Iarkotika die Narkose einerseits bei der Alkalose, andererseits bei Azidose verl~uft. Angaben hiertiber liegen bisher nicht vor. Die Versuche wurden an Kaninchen und teilweise an Hunden ausgefiihrt. Da sich aus meinen Versuchen ergeben hatte, dal~ die ]~arkose den pn-Wert derart erniedrigt, dab sogar Azidose entstehen kann, ein Zustand, tier verschiedene Naehteile fiir den Organismus mit sich bringen kann, so ergab sich die Frage, wie man vor und nach der Narkose eine Alkalose hervorrufen und aufrechthalten kann. Es bestehen iiberhaupt auch wenige Arbeiten iiber Methoden, wie man sicher und mit absoluter Unsch~tdlichkeit fiir den 0rganismus eine lgngere Azidose, eventuell Alkalose hervorrufen kann. Die Alkalose wurde bisher dutch orale oder parenterale Verabrei- chung yon ~atriumhydroxyd oder yon Carbonaten hervorgerufen. Die Behauptung, auch durch bestimmte ~ahrungs~tnderung Alkalose erzeugen zu kSnnen, war durch Blutanalysen nicht zu bestgtigen. 1 BeSka: Arch. f. exper. Path. 170, 4/5 u. 171, 2/3 (1933).

Veränderungen der pH-Zahl des Blutes und des Mineralstoffwechsels während der Narkose

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Page 1: Veränderungen der pH-Zahl des Blutes und des Mineralstoffwechsels während der Narkose

Aus dem Chemischen Institut der Tieriirztlichen Hochschule in Briinn. (Vorstand: Prof. Dr: phil. et reed. J a n BeSka.)

Veriinderungen der pn-Zahl des Blutes und des Mineralstoffwechsels wiihrend der Narkose.

III. Mi t t e i lung : Der Einflul~ der Alka lose und Azidose auf den Ver lauf der 57arkose.

Von

Jan BeSka. (Eingegangen am 18. X. 1933.)

In meinen frtiheren Arbeiten I beschrieb ich die Ver~tnderungen des Ca- und P-Spiegels und der aktuellen Reaktion des Blutes bei Kaninchen w~thrend der Narkose; es wurde festgestellt, da[.~ alle Narkotika auBer )~orphium eine grSBere oder geringere Herabsetzung der pH-Zahl ver- ursachen. Es war nun wichtig, zu erfahren, wie bei Applikation derselben ~Iarkotika die Narkose einerseits bei der Alkalose, andererseits bei Azidose verl~uft. Angaben hiertiber liegen bisher nicht vor. Die Versuche wurden an Kaninchen und teilweise an Hunden ausgefiihrt.

Da sich aus meinen Versuchen ergeben hatte, dal~ die ]~arkose den pn-Wert derart erniedrigt, dab sogar Azidose entstehen kann, ein Zustand, tier verschiedene Naehteile fiir den Organismus mit sich bringen kann, so ergab sich die Frage, wie man vor und nach der Narkose eine Alkalose hervorrufen und aufrechthalten kann.

Es bestehen iiberhaupt auch wenige Arbeiten iiber Methoden, wie man sicher und mit absoluter Unsch~tdlichkeit fiir den 0rganismus eine lgngere Azidose, eventuell Alkalose hervorrufen kann.

Die Alkalose wurde bisher dutch orale oder parenterale Verabrei- chung yon ~atriumhydroxyd oder yon Carbonaten hervorgerufen. Die Behauptung, auch durch bestimmte ~ahrungs~tnderung Alkalose erzeugen zu kSnnen, war durch Blutanalysen nicht zu bestgtigen.

1 BeSka: Arch. f. exper. Path. 170, 4/5 u. 171, 2/3 (1933).

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Suzuk ie stellte lest, da6 sich nach parenteraler Verabreichung yon Natriumhydroxyd die pE-Zahl stark erhiiht, dal~ es aber gleichzeitig zu tetanus- artigen Konvulsionen kommt, ftir die er vorwiegend die Natriumionen (TNa") verantwortlich macht, da es auch nach Verabreichung anderer Natriumsalze ohne Hydroxyl zu ~hnlichen Kr~mpfen kommt. B our n e 3 versuchte die Azidose bei der Nark0se dadurch zu erniedrigen, da{] er vor und naeh der Operation per os oder als Klysma 65- -80 ccm L6sung A (100 g sautes Kaliumhydro- carbonat und 358 g/sec 5~atriumphosphat in 2 1 Wasser) verabreichte. J e d - l i~ka r appliziert vor den Operationen intravenSs Magnesiumhydroxyd coll. (Polysan), damit nach tier Operation das azidobasische Gleichgewicht im Blur- serum mSglichst wenig gestSrt wtirde; solche StSrungen hu~ern sich im Liquor- system dutch erhShte Reizbarkeit der Meningealgewebe. Bar to l l 5 s chreibt der Konstitution und der Art der Erkrankung keinen Einflu6 aul die Senkung der Alkalose sowie auf die Dauer der Narkose zu; denn die grSl]te Erniedrigung erfolgt gleich in den ersten Minuten der Narkose. Seiner Ansicht nach ist daher der Patient, der schon vor der Narkose eine Azidose hat, besonders bedroht. A m b a r d u. S c h m i d 6 beobachteten thermische Polypnoe und ihren Einflul~ auf die Alkalireserve im Blute w~ihrend der Chloroformnarkose. Es ergab sich, daft die Atmung nicht nut die Zusammensetzung des Blutes, sondern auch die Temperaturregulation beeinfluBt. Thermische Polypnoe erniedrigt zwar die Alkalireserve im Blut, j edoch nicht besonders stark. Auch Ben o m o 7 beobachtete bei Chloroform- und Athernarkose keine Erniedrigung der p~-Zahl, wohl aber eine Senkung der Alkalireserve. Die ~'arkoseazidose betrachtet er als die Prim~razidose hhmatogenen Ursprungs, wenigstens im Anfang der Narkose, solange nicht die durch andere Ursachen bedingte Gasazidose ent- steht. Seiner Ansicht nach ist aueh die Gasazidose bei der Morphinnarkose als Folge der verminderten Reizbarkeit des Atmungszentrums anzusehen. K i n o s h i t a s land nach Chloroformnarkose beim Kaninchen eine Senkung des C02 im Blute, die sich whhrend 24--48 Stunden ausglich. Die H'-Kon- zentration war iiberhaupt nicht oder nur schwach gestiegen. Gleiche Verh~lt- nisse waren bei der Athernarkose nachweisbar. H o v o r k a 9 studierte diese Frage eingehender in einer selbsthndigen Arbeit tiber langfristige Alakalose und Azidose bei Kaninchen. Die Azidose erzeugte er dutch Hunger, dutch Salmiak per os, durch Thiosulfat per os und durch Injektionen yon n/10 Salz- s~ure. Im Hunger trat die Azidose am 4.--6. Versuchstag auf, abet gleich darauf kam es zu einer schwankenden Alkalose mit erhShter Temperatur unter �9 gleichzeitiger KSrpergewichtsabnahme, bis am 23. Tag des Versuches die pE-Zahl auf 6,96 sank und das Tier verendete. 5Tach Verabreichung yon 0,3 g Salmiak pro Kilogramm t~glich entstand am 4. Tag Azidose (pH 6,30), dann schwankte die p~-Zahl bei ungiinstiger Kondition des Tieres, und der Versuch wurde am 14. Tag beendet, an dem Alkalose konstatiert wurde. 5Tach Zufuhr

2 Suzuki Kohji, Suzuki Kozi: Bet. Physiol. 39, 218 (1927) u. 43, 677 (1928). - - 3 Bourne, W.: Ber. Physiol. 39, 147 (1927). - - 4 JedliSka, V.: (~as. 5es. l~k. 1929, Nr49. - - 5 Bartoli, G.: Giorn. di chim. reed. 1927, Nr13. - - ~ Ambard, L. u. F. Schmid: C. r. Biol. Soc. Paris 99, 21 (1928). - - 7 Benomo: Bet. Physiol. 49, 554 (1929). - - s Kinoshita: Ber. Physiol. 65, 316 (1932). - - 9 Hovorka, J.: Diss. d. Tier~irztl. Hochschule 1930.

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yon 0,3 g Thiosulfat t~glich trat in den ersten Tagen Alkalose auf, wonach die pH-Zahl zur Norm sank. Nach einer Injektion yon n/10 Salzs~ure wurde nach 4 Stunden eine Azidose (p~ 7,25) erzielt; am hiichsten war sie nach 8 Stunden mit p~ 7,08; am nhchsten Tag war jedoch eine schwach alkalische Reaktion nachweisbar. Die Alkalose erzeugte H o v o r k a durch subkutane Injektionen yon Natriumbicarbonat und intravenSse sowie perorale Verabreichung von Polysan. Das erzielte Maximum war pH 7,98 am 10. Tage bei einem Kaninchen ~on 2,68 KSrpergewicht, das sechs ]eden 2. Tag durchgefiihrte intravenSse Injektionen yon Polysan (1 ccm Emulsion mit 1% Mg(OH)2 pro Kilogramm) erhalten hatte. Der Vergleich der Tabellen und Diagramme dieser Versuche und der mit Natriumbicarbonat durchgeffihrten zeigt, da~ nach Polysan die Alkalose regelm~iltiger und schneller stieg, obzwar dieses in kleiner Dosis und seltener verabreicht wurde. Der Vergleich der gramm~quivalenten Mengen beider Verbindungen ergab, dal~ Magnesiumhydroxyd (Mg(OH).,) vierzigmal wirksamer ist als Natriumbicarbonat (NaHC03). Nach der letzten Dosis Poly: san halt die Alkalose noch 3--4 Tage an, nach Natriumbicarbonat dagegen nur 1 Tag. Nach Polysan sank zwar ein wenig das KSrpergewicht des Ver- suchstieres, aber die Kondition des Tieres war besser. Die Alkalose mittels Polysan ist als eine katalytische, den Organismus schonende Reaktion anzu- sehen. Er stellte auch die Grenzdosen der azidotisch, sowie der alkalotisch wirkenden Mittel lest. ~onka lo tiberprtifte zuerst die Angaben yon H o v o r k a und besthtigte, da6 intramuskuliire und intravenSse Injektionen yon Polysan eine Alkalose (p~ 8,0) ohne irgef]dwelche Kr~impfe und Indispositionen er- zeugen. Die Vene wird nicht beschiidigt uud paravenSse Aplikatiou ruft blo6 ein 0dem hervor, das rasch verschwbldet. Die optimale Dosis betriigt ] ccm Emulsion mit 1% Mg(OH)2 pro Kilogramm KTrpergewicht. Rozsyp~lek 11 erzeugte die Alkalose dutch carbaminsaueres Calcium- und Magnesiumsalz. Dutch parenterale Verabreichung der ~quimolaren Mengen dieser Salze erh~ilt man eine Alkalose yon derselben Art wie mit Polysan; sie stieg allmi~hlich, das Maximum war ungefhhr 4 Stunden nach der Applikation erreicht und noch nach 36 Stunden war ein schwacher alkalotischer Ausschlag nachweisbar. R o s e n z w eig 1~ iiberpr tifte an Kaninchen die verschiedenen Arten der Azidose, wie sie in der Literatur zu finden sind. Die Angabe SkOlds ~3, dal~ Glnkose die Alkalireserve des Blutes erhSht, erwies sich als unrichtig; denn die pH-Zahl sinkt immer nach der Glukoseapplikation. Nach einer subkutanen Injektion yon 5 ccm 25%iger Glukose entsteht bei einem Kaninchen (2 kg Gewicht) eine Azidose, die fast 12 Stunden andauert. Welter priifte er die Azidose nach D e]~nig ~4 mittels des Ammoniumchlorides (Salmiak): 5 ccm 15%iges Salmiak mittels Schlundsonde viermal in ]e 12 Stunden verabreicht, rufen eine sichere Azidose hervor; doch verendeten dabei 4 yon 10 Tieren. Nach H e i n s h e i m e r ~ erzeugen intravenSse Injektionen verdtinnter Salz- und Phosphors~iure bei Tieren Azidose. Diese Azidose haben wit nicht nachgefiihrt, nachdem sie P~ibyl bereits tiberprtift und festgestellt hatte, dal] es dabei zu einem Kollaps

lo ~onka, J.: Diss. 1933.- 11 Rozsyp's K.: Diss. 1933.- 1~ Rosen- zweig, A.: Diss. 1933. -- la SkSld, E. G. W.: Arch. klin. Chir. 1928, 1 5 1 . - 1~ Dennig, H.: Verh. dtsch. Ges. inn. Med. 1931. -- 15 Heinsheimer, S.: Frankf. Z. Pathol. 39 (1930).

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kommen kann. Die perorale Applikation der Phosphors~ure verursachte einen wesentlichen azidotischen Aussehlag. Die Optimaldosis der l~eriode beim Kaninchen ist: 5 cem 10%ige Phosphorsiiure mit 20 ccm Wasser viermal in 48 Stunden mittels der Schlundsonde in den Magen verabreieht, l~euer 16 land bei Versuehen an Hunden das Optimum ffir eine Alkalose bei einer intra- venSsen Injektion von 2 cem Emulsio Polysani pro Kilogramm KOrperge- wichtes ; die Injektion mul~ sebrlangsam ausgeffibrt werden (zwischen je 1/2 ccm 15 Sekunden Intervall). Weiter stellte 1N e u e r beim Hund, ebenso wie R o s e n- zweig bei Kaninchen fest, dab sehon 2 ccm 10%ige Glukose pro Kilogramm Tier intravenSs injiziert binnen i Stunde nach der Applikation eine Erniedrigung der p~-Zahl au[ 7,2 verursachen. Diese Azidose hhlt noch 3 Stunden nach der Injektion an, erst nach 12 Stunden kehrt die p~-Zahl zur ~orm zuriick. Auch Phosphors~ure (1 ccm einer 1%igen LOsung pro Kilogramm mittels 8chlund- sonde fiinfmal in je 12 Stunden oral verftittert) fiihrt zur Azidose. Diese zwei Artender Azidose h~lt ebenso wie Rosenzweig auch Neuer als die geeignet- sten ftir experimentelle Studien.

Eigene Versuche fiber den Einflufl von Alka lose und Az idose auf die Narkose .

Im Jahre 1930 ftihrte T o m a n 17 auf meine Veranlassung eine Reihe yon Vorversuchen mit den Vertretern verschiedener Narkosetypen durch. Er prtifte, wie die 5Tarkose dutch Morphin, Chloralhydrat, ~ther, Mg-Sul- phat normal, wie bei Azidose und bei Alkalose verl~uft. Diese Unter- suchungen ergaben, da$ die Narkose im Stadium der Azidose meistens schneller eintritt und l~tnger dauert als bei normalen und alkalisierten Tieren. Dagegen ist der Allgemeinzustand der Tiere nach der ~arkose bei der Azidose sehr schlecht, bei der Alkalose immer gut. Inhalations- narkotika Chloroform und Xther verursachen beim Kaninchen in der Alka- iose und in der Azidose leicht Atem- und Herzstillstand. Die narkotische )Iagnesiumionwirkung kann durch Magnesiumhydroxyd gesteigert werden.

In weiteren Versuchen habe ich gemeinsam mit S o n k a , Rosen- zweig u. Neue r die verschiedenen Narkotika, in Gruppen nach ihrer chemischen Verwandtschaft geteilt, untersucht. In der Malonyl-Harn- stoffgruppe wurde das bisher noch nicht geprtifte Evipan-STa mitunter- sucht (Natriumsalz des 5~-methyl-cyclohexenylmethylmalonylureids); da- gegen wurden die Magnesiumnarkotika ausgelassen, nachdem sich gezeigt hatte, da$ hier weder Alkalose noch Azidose einen-wesentlichen EinfluB austiben.

Die Alkalose wurde bei Kaninchen und Hunden nfittels Polysan, die Azidose mittels Glukose, Phosphorsaure, und bei Kaninchen auch mit

16 Neuer, J.: Diss. d. Tierih'ztl. Hochschule 1933. -- 17 Tomani L.: Biologische Schriften d. Tier~irztl. Hochschule 9 (1930).

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Salmiak in den oben angegebenen Dosen erzeugt. Bei jedem Tier wurde zuerst die normale pi~-Zahl mittels der Chinhydronmethode gemessen 1. Dann wurde die Alkalose bzw. die Azidose erzeugt, worauf die zweite Mes- sung und die Applikation des Narkotikums folgte. Nach der Narkose win'de die dritte Messung der pH-Zahl durchgefiihrt. Der Zustand der Tiere wurde dauernd kontrolliert.

Versuchsergebnisse. 1. Morphin.

Alkalose: Die pH-Zahl stieg im Verlaufe der Narkose ebenso wie beim Normaltier um 0,4, obwohl vor der Narkose die pH-Zahl mittels Polysan um 0,3 erhSht wurde. Diese weitere Erhiihung der Alkalose kann durch die voriibergehende Erniedrigung des C02-Gehaltes des Blutes be- dingt sein. Der Zustand des Tieres nach der Narkose ist sehr gut, was auch daraus hervorgeht, dag das Tier bald nach dem Erwachen trinkt.

Azidose: Alle azidotischen Kaninchen zeigten bei der Narkose eine typische Kgrperhaltung: die vorderen Gliedmagen sind welt nach vorn yore KSrper weggestreckt, der Rtieken ist schlaff und der Kopf wird nach vorn geneigt gehalten. Die Tiere liegen sich nicht aus dieser Lage bringen. Die Schmerzempfindlichkeit war wohl vollkommen aufgehoben, aber voile Narkose in keinem Falle eingetreten. 1)ie i)~l-Zahl stieg im Laufe der Narkose nur bei der mittels Glukose erzeugten Azidose; in den anderen Fallen iinderte sie sieh nieht. Es ergibt sieh, dab die Azidose die narko- tisehe Wirkung des ~{orphins wesentlieh absehwiieht.

S e h o e n 18 stellte test, dal3 bei Miorphinvergiftung die Einatm ung v on Kohlens/~uregemisehen erregend wirkt, leh ftige dazu, dag die Einatmung des C02 die Azidosis hervorruft und dag aueh jede andere Art der Azidose, was dureh unsere Versuehe bewiesen wird, denselben Phiinomen, wie yon S e h o e n festgestellt, zur Folge hat.

2. Inhalationsnarkotika: Chloriithyl, )[ther, Chloroform. Alkalose mit Polysan erzeugt: Jedes Narkotikum wurde an zwei

Kaninehen geprtift. Narkotikumverbraueh gleieh grog wie beim Normal- tier. Aueh die pn-Zahl sinkt nur um einige Hundertstel, wie bei der nor- malen Narkose, aber das Tier erwaeht sehneller, ist taunter und frigt gut.

A zid o s e dureh Glukose, Phosphorsi~ure und Salmiak erzeugt: Jedes Narkotikum wurde bei allen drei Azidosearten an einem oder zwei Kanin- chert gepriift. Die azidotisehen Tiere, insbesondere naeh Glukoseinjek- tion, kommen sehr sehwer in die Narkose. Sehon eine geringe Narkoti-

is Sehoen, R.: Arch. f. exper. Path. 128, 150 (1928). Archiv f. expe r imen t , Pa th , u. Pharmako l . Bd. 174. 12

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kumdosis li~hmt das Atmungszentrum. Die Glukose seheint eine be- stimmte Art von l~berempfindlichkeit gegen die Inhalationsnarkotika hervorzurufen. Auf die kleinste Dosis (5 Tropfen Narkotikmn) reagierte das Kaninchen mit Atemstillstand, beim Chlor~thyl sogar mit tonischen Kriimpfen. Die pH-Zahl des Blutes sank nach der Narkose noch tiefer als beim Anfange; nur dreimal stieg sie ein wenig, ohne dal~ jedoch die Azidose verschwand. Der Zustand nach der Narkose war immer un- giinstig; die Erholung der Tiere erfolgte erst nach 1--2 Tagen.

3. ) Ia lony l=Harns tof fgruppe /Barb i tu rs i tu regruppe : Veronal , Luminal , Pernocton, Evipan-Na.

Alkalose: Die Narkotika dieser Gruppe zeigen sich durch die Alka- lose sehr deutlich in ihrer Wirkung beeinflu~t; denn Veronal und Luminal ftihren in den sonst narkotisch wirkenden Dosen whhrend der Alkalose keinen Schlaf herbei. E r s t in toxischer Dosis erzeugt Veronal eine an- dauernde Narkose, welehe selbst wieder eine starke Azidose und Sehlaff- heit zur Folge hat. Sobald jedoeh der Organismus alkalisiert wird (eine subkutane Injektion yon Polysan), versehwinden die sehweren Symptome binnen 10 Minuten. Bei Pernoeton und Evipan-Na sind diese Unter- sehiede nieht so auffallend; nur der postnarkotisehe Zustand zeigt sieh

- be/influgt, da das Tier sehneller wieder normal wird. Dieser auffallende Untersehied zwisehen der Veronalgruppe, deren Wirkung dureh Alkalose gehemmt und den iibrigen Narkotieis, deren Wirkung gefSrdert wurde, ist dureh die Untersuehungen yon Klim e s e h 19 versti~ndlieh geworden. Diese bewiesen, dal~ die Sehnelligkeit des Eintritts der Narkose der Be- st~ndigkeit der Alkalisalze der Narkotika indirekt proportioniert ist. Die des Veronals und Luminals sind weit bestiindiger als die anderer Sehlaf- mittel. Dadureh wird die Bildung der freien lipoidlSsliehen Si~ure er- sehwert.

A zi d o s e: Die Wirkung des Pernoetons ist ebenso vor wie wi~hrend der Narkose und aueh im postnarkotisehen Stadium von sehweren Symptomen begleitet, insbesondere bei der Sahniakazidose, wo sieh aueh noeh einige Tage naehher Appetitlosigkeit und starke Abmage- rung zeigten. Zum Untersehied yon Pernoeton, das sehon an sieh Azi- dose un.d sehwere Symptome bewirkt, fiihrt Evipan in den angegebenen Dosen in der Azidose keinen Sehlaf herbei, sondern nnr eine Sehlaffheit und Sehwiiehe der Rtiekenmuskulatur, die aueh noeh am ni~ehsten Tage naehweisbar ist.

19 Klimesch: Arch. f. exper. Path. 172, 10 (1933).

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4. Gruppe des Chloralhydrats, Hypnals, Avertins, Amylenhydrats ~md Urethans.

Alkalose: Die Narkose durch die oben genannte u Narkotika wird durch Alkalose verstarkt; denn am alkalotischen Tiere wirken auch sonst unterwirksame Dosen narkotisch. Durch normale Dosen erzeugter Schlaf dauert hier langer an als am Normaltiere. Ganz anderseitig verlauft die Narkose mit Urethan; denn hier dauert der narkotische Zustand nicht so- lange wie bei Normaltieren, die die gleiche Dosis des Schlafmittels er= halten batten. Auf der H6he der Narkose sowie nach dem Erwachen, welches nach 15 bzw. 16 Stunden erfolgt (gegeniiber dem Normaltiere, das 36 Stunden lang schlief), war eine starke Azidose festzustellen, ~hnlich wie bei normaler Narkose; doch erholten sich diese Tiere frtiher, besonders jene, welehe nach der Narkose noch Polysan injiziert erhielten.

Azidose: Alle oben erwi~hnten ~arkotika rufen sowohl in den tiblichen Dosen als aueh bei Zufuhr geringerer N engen Narkosen mit sehwerem Verlaufe hervor, dies insbesondere bei der dureh Salmiak er- zeugten Azidose. Die mit Amylenhydrat und Urethan narkotisierten Kaninehen gingen bei den Versuehen zugrunde. Die Hypnalnarkose war dutch Salmiakazidose tiberhaupt verhindert worden, und es gelang aueh nieht, mit einer gr(i6eren Hypnaldosis Sehl~/f herbeizufiihren. ])er Zu- st;rod dieser Tiere abet war, obwohl keine N,rkosen eintr~ten, sehr sehleeht. ])ie Narkose mit Amylenhydr~t wurde m~eh dureh Phosphor- si~ureazidose verst~trkt. Den verhiiltnism~i6ig geringsten Finflul3 zeigte (lie Azidose a uf die Avertinnarkose.

Versuche an Hunden.

Bei diesen Versuehstieren war der Einflu[,~ der Alkalose ~mf den Ver- l~mf der Narkose besonders deutlieh, wii.hrend Azidose nieht so starke Aussehl~ige zeigte wie beim Kaninehen. Dies wird dadureh verst~tndlieh, da[,~ der ttund als Fleisehfresser eine griSgere Alk~flireserve besitzt als d~s Kaninehen und dadureh zwisehen Pflanzenfresser und Menseh steht. An 28 normalen Hunden wurden mit gleicher Methodik wie beim Kaninehen Pernoeton, Evipan-Na und Avertin gepriift. Die angewendeten I)osen waren, pro Kilogr~mm Ktirpergewieht bereehnet, geringer als beim Ka- ninehen, und zwar yon Evipan 0,5 ecru gegentiber ] ecru in den Kaninehen- versuehen, yon Pernoeton 0,03 g gegeniiber 0,075 bzw. 0,09 g. Nur yon Avertin waren gr(i6ere ])oxen notwendig, und zwar 0,5 gegentiber 0,4 bzw. 0,45 g.

Aueh bei den Versuehen an Hunden zeigte sieh durehwegs die pH-Zahl wfihrend der Narkose erniedrigt. Die aueh bier dureh Polysan-

12.

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injektion erzeugte Alkalose war ~m sti~rksten 2--4 Stunden naeh der Applikation und erwies sich durehwegs f6rdernd ftir die Tiefe der Narkose. Wi~hrend normalerweise nach Evipan-bTa an Hunden 5fter Krihnpfe be- obaehtet wurden, blieben diese bei den alkalotisehen Tieren aus. Ebenso trat kein Exzitationsstadium auf. Herz und Atmung wurden in keiner Weise in Mitleidensehaft gezogen. Der Zustand naeh der 5Tarkose war bei den alkalotischen Tieren wesentlich besser als bei den 5{ormaltieren.

Azidose, die teils durch Glukose, teils dureh Phosphorsi~ure hervor- gerufen wurde, versehlimmerte aueh hier deutlich den Verlauf der Narkose. Besonders deutlieh war auch hier der Einflul~ auf das postnarkotisehe Stadium. Am besten w~r der Verlauf der ~arkose mit Avertin, das sowohl an den 5}ormaltieren als auch an den alkalotischen und, was besonders wichtig ist, selbst bei den azidotischen Tieren die geringsten Narkose- stSrungen aufwies. Dagegen zeigten sich die schwersten Nebensymptome bei den mit Evipan-5~a narkotisierten Hunden. Hier war das Einschlafen erschwert und sowohl das narkotische als auch das postnarkotische Sta- dium durch starkes I-Iervortreten der erwi~hnten 5~ebenwirkungen charak- terisiert.

Zusammenfas sung .

In Fortsetzung friiherer Untersuchungen fiber die Beziehungen yon Alkalose und Azidose zur Narkose wurde der Verlauf der 5{arkose an alkalotischen sowie an azidotischen Tieren nach Anwendung folgender Arzneimittelgruppen untersucht:

I. Morphin, II. Chlor~thyl, ~ther, Chloroform,

III. Barbiturs~uregruppe (Luminal, Veronal, Pernocton, Evipan), IV. Gruppe des Chlorhydrats, Hypnals, Avertins, Amylenhydrats

und Urethans. Mit Ausnahme yon Morphin, welches immer eine Alkalose hervorruft,

ist die pu-Zahl des Blutes w~hrend der Narkose bei allen anderen geprfiften Stoffen erniedrigt. Parenterale Verabreichung von kolloidalem Magnesiumhydroxyd in Form von Polysan e~ tuft starke Alkalose hervor und wirkt der durch ~arkose bedingten Azidose entgegen. Eine solche Alkalose verbessert weitgehend die nachfolgende Narkose, die tiefer wird und z. B. die narkotische Dosis von Mitteln der Chloralhydrat- gruppe und iihnlichem auf die H~lfte oder zwei Drittel herabdrtickt; :NarkosestSrungen, insbesondere im postnarkotischen Stadium, werden durch die Alkalose vermieden.

eo Deutsches Reichs-Patent Nr. 577363 und 579843, Erzeuger Aktienfabriken zur Erzeugung yon Chemikalien Kolin R~S.

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Ver~inderu~gen der p~-Zahl des Blutes und des ~Iine~alsto~twechsels. 181

Die Verabreichung des Polysans erfolgt am zweckmi~i~igsten 2 bis 3 Stunden vor der 57arkose.

W~hrend so die Alkalose die 5~arkose im allgemeiner vertieft, wirkt sie der Veronalnarkose entgeger; denn Veronal wirkt selbst in der sorst sicher narkotischen Dosis beim alkalotischen Tiere nicht schlaferzeugend. Dies wird durch die yon Kl imesch mitgeteilten Befunde verst~ndlich, welcher nachweisen konnte, daft Veronal und auch Luminal um so schneller narkotisch wirken, je mehr freie lipoidlSsliche Di~thylbarbitur- siiure im KOrper gebildet werden kann, Da run bei der Alkalose ein Uberwieger des niehtdissoziierten Veronal-Alkalisalzes entsteht, mu6 da- dureh die Schlafwirknng des Veronals aufgehoben werden.

Erst in toxiseher Dosis ruft das Veronal eine leta] ausgehende Nar- kose hervor, die anch mit einem starker Herabsirken der p~-Zahl des Blutes verbunden ist.

Da die l~arkose an sieh schon eine Azidose erzeugt, die auf den Ver- lauf der Narkose ungtinstig wirkt, werden diese ungtirstigen Neben- wirkungen durch eine Steigerurg der Azidose roch verstiirkt. Solche Azidose wurde durch Glukose, Phosphorsi~ure urd Salmiak hervorgerufen. Am mildesten wirkt die durch Glukose, stark die dutch Phosphorshure urd am schwersten die dutch Salmiak erzeugte Azidose, die die Alkali- reserve des Organismns am sthrksten herabsetzt. Bei dieser Azidose gehen fast alle Tiere w~hrerd der :Narkose zugrunde.

Die Versuchsergebnisse regen dazu an, vor jeder Narkose eine Alkalose hervorzurufen, zu deren Erzeugung sich am bester das Polysan (intra- muskuliir) oder auch Ligacid (orale 6--10 Tabletten) eignet.