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HERAUSGEBER Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) Verantwortlich im Präsidium und Redaktion: Dr. Axel Kwet, Fellbach Kontakt: DGHT-Geschäftsstelle, N 4,1 D-68161 Mannheim Tel.: 0621 - 86 25 64 90 Fax: 0621 - 86 25 64 92 Mail: [email protected] Web: www.dght.de DGHT-Arbeitsgruppe Feldherpetologie und Artenschutz Richard Podloucky, Isernhagen, Arno Geiger, Recklinghausen Dirk Alfermann, Niedertaufkirchen, Daniela Dick, Leipzig Text: Dirk Alfermann, Dr. Axel Kwet Gestaltung: Darina Schmidt Bildnachweis: Dirk Alfermann (3), Axel Kwet (2), Jutta Podloucky (1), Richard Podloucky (5), Benny Trapp (3). Weitere Informationen und Lesetipps erhalten Sie unter www.dght.de und www.feldherpetologie.de. Wir danken unseren Sponsoren: © DGHT 2016 Die Blindschleiche zählt zu den häufigsten Kriechtieren unserer Heimat. In der Roten Liste Deutschlands wird die Art derzeit als „ungefährdet“ eingestuft. Dies gilt auch für die Schweiz und Liechtenstein sowie Luxemburg. In Ös- terreich wird die Blindschleiche als „potenziell gefährdet“ eingestuft. Betrachtet man den langfristigen Bestandstrend über die leꜩten hundert Jahre, so ist in vielen Gebieten von einem mäßigen Rückgang der Art auszugehen. Steckbrief der Blindschleiche Wissenschaftliche Bezeichnung: Anguis fragilis schlanke, schlangenähnliche Gestalt; Kopf verhältnis- mäßig klein Körper von kleinen, glaen, dachziegelartig übereinan- der greifenden Schuppen bedeckt, auch die Ohröffnung gut entwickeltes Auge, durch Augenlid verschließbar kann bei Gefahr den Schwanz oder Teile davon abwerfen (Autotomie) ausgewachsene Tiere erreichen im unversehrten Zustand eine Gesamtlänge von 40–45 cm, selten auch größer erwachsene Tiere oberseits in Grau- und Brauntönen, seltener rostrot; an den Flanken meist etwas heller ge- färbt, unterseits oft schwarzgrau Weibchen meist mit schwarzem Längsstreifen auf der Rückenmie, Männchen zeichnungslos, selten mit Blaufleckung Jungtiere an Bauch und Körperseiten tief schwarz, Oberseite silbergrau bis goldgelb mit schwarzem Rücken- streifen Neben der einheimischen Blindschleiche werden in Europa milerweile vier weitere, äußerlich sehr ähnliche Arten unter- schieden. Mit dieser Artaufteilung hat sich das Verbreitungs- gebiet der Westlichen Blindschleiche deutlich verkleinert. Sie kommt vom Norden der Iberischen Halbinsel über Großbri- tannien, weite Teile Mieleuropas und des Balkans bis an die Südküste von Norwegen und Schweden vor. Im Osten ist die Verbreitungsgrenze der Westlichen Blind- schleiche nicht klar definiert; es kommt von der Danziger Bucht bis in den Nordosten Griechenlands zu einer breiten Überschneidungszone mit der früher als Unterart geführten Östlichen Blindschleiche. Rot: Westliche Blindschleiche (Anguis fragilis); dunkelgrün: Östliche Blind- schleiche (Anguis colchica); orange: Italienische Blindschleiche (Anguis veronensis); türkis: Griechische Blindschleiche (Anguis graeca); schwarz: Peloponnes-Blindschleiche (Anguis cephallonica). Verbreitung in Europa Die Blindschleiche Reptil des Jahres 2017 Aktuelles Verbreitungsgebiet der Blindschleichen in Europa Männchen der Westlichen Blindschleiche mit Blaufleckung Biotop der Blindschleiche in der Osterheide (Niedersachsen)

Verbreitung in Die Blindschleiche HERAUSGEBER Reptil ......Nahrung und Feinde Die Blindschleiche ernährt sich vor allem von Regenwür-mern und kleinen Nacktschnecken, aber auch anderen

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Page 1: Verbreitung in Die Blindschleiche HERAUSGEBER Reptil ......Nahrung und Feinde Die Blindschleiche ernährt sich vor allem von Regenwür-mern und kleinen Nacktschnecken, aber auch anderen

HERAUSGEBER

Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT)

Verantwortlich im Präsidium und Redaktion: Dr. Axel Kwet, Fellbach

Kontakt: DGHT-Geschäftsstelle, N 4,1 D-68161 MannheimTel.: 0621 - 86 25 64 90Fax: 0621 - 86 25 64 92Mail: [email protected]: www.dght.de

DGHT-Arbeitsgruppe Feldherpetologie und ArtenschutzRichard Podloucky, Isernhagen, Arno Geiger, RecklinghausenDirk Alfermann, Niedertaufkirchen, Daniela Dick, Leipzig

Text: Dirk Alfermann, Dr. Axel KwetGestaltung: Darina SchmidtBildnachweis: Dirk Alfermann (3), Axel Kwet (2), Jutta Podloucky (1), Richard Podloucky (5), Benny Trapp (3).

Weitere Informationen und Lesetipps erhalten Sie unter www.dght.de und www.feldherpetologie.de.

Wir danken unseren Sponsoren: © DGHT 2016

Die Blindschleiche zählt zu den häufigsten Kriechtieren unserer Heimat. In der Roten Liste Deutschlands wird die Art derzeit als „ungefährdet“ eingestuft. Dies gilt auch für die Schweiz und Liechtenstein sowie Luxemburg. In Ös-terreich wird die Blindschleiche als „potenziell gefährdet“ eingestuft. Betrachtet man den langfristigen Bestandstrend über die letzten hundert Jahre, so ist in vielen Gebieten von einem mäßigen Rückgang der Art auszugehen.

Steckbrief der Blindschleiche• Wissenschaftliche Bezeichnung: Anguis fragilis• schlanke, schlangenähnliche Gestalt; Kopf verhältnis-

mäßig klein• Körper von kleinen, glatten, dachziegelartig übereinan-

der greifenden Schuppen bedeckt, auch die Ohröffnung• gut entwickeltes Auge, durch Augenlid verschließbar• kann bei Gefahr den Schwanz oder Teile davon abwerfen

(Autotomie)• ausgewachsene Tiere erreichen im unversehrten Zustand

eine Gesamtlänge von 40–45 cm, selten auch größer• erwachsene Tiere oberseits in Grau- und Brauntönen,

seltener rostrot; an den Flanken meist etwas heller ge-färbt, unterseits oft schwarzgrau

• Weibchen meist mit schwarzem Längsstreifen auf der Rückenmitte, Männchen zeichnungslos, selten mit Blaufleckung

• Jungtiere an Bauch und Körperseiten tief schwarz, Oberseite silbergrau bis goldgelb mit schwarzem Rücken-streifen

Neben der einheimischen Blindschleiche werden in Europa mittlerweile vier weitere, äußerlich sehr ähnliche Arten unter-schieden. Mit dieser Artaufteilung hat sich das Verbreitungs-gebiet der Westlichen Blindschleiche deutlich verkleinert. Sie kommt vom Norden der Iberischen Halbinsel über Großbri-tannien, weite Teile Mitteleuropas und des Balkans bis an die Südküste von Norwegen und Schweden vor. Im Osten ist die Verbreitungsgrenze der Westlichen Blind-schleiche nicht klar definiert; es kommt von der Danziger Bucht bis in den Nordosten Griechenlands zu einer breiten Überschneidungszone mit der früher als Unterart geführten Östlichen Blindschleiche.

Rot: Westliche Blindschleiche (Anguis fragilis); dunkelgrün: Östliche Blind-schleiche (Anguis colchica); orange: Italienische Blindschleiche (Anguis veronensis); türkis: Griechische Blindschleiche (Anguis graeca); schwarz: Peloponnes-Blindschleiche (Anguis cephallonica).

Verbreitung inEuropa

Die BlindschleicheReptil des Jahres 2017

Aktuelles Verbreitungsgebiet der Blindschleichen in Europa

Männchen der Westlichen Blindschleiche mit Blaufleckung

Biotop der Blindschleiche in der Osterheide (Niedersachsen)

Page 2: Verbreitung in Die Blindschleiche HERAUSGEBER Reptil ......Nahrung und Feinde Die Blindschleiche ernährt sich vor allem von Regenwür-mern und kleinen Nacktschnecken, aber auch anderen

Wichtige SchutzmaßnahmenIm Gegensatz zu anderen Reptilien gibt es für die Blind-schleiche keine gezielten Schutzprogramme. Vielmehr pro-fitiert sie von verschiedenen Schutzmaßnahmen, die für an-dere einheimische Arten durchgeführt werden.Wichtige Schutzmaßnahmen sind:

• Erhalt und Förderung strukturreicher Lebensräume, wie lichte Wälder mit breiten, sonnigen Waldrändern

• Vernetzung geeigneter Lebensräume im Offenland oder von Wald und Offenland durch Landschaftsstruk-turen wie Hecken und Wegraine

• Förderung extensiver Grünlandbewirtschaftung mit entsprechendem Strukturreichtum (Hecken, Wegraine und -säume, Lesesteinhaufen)

• Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung brach-liegender Sekundärlebensräume wie Steinbrüche oder Kies- und Sandgruben

• Reduzierung des Flächenverbrauchs und der Lebens-raumzerschneidung durch Straßen- und Wegebau

• Abstimmen von Pflegemaßnahmen in Heiden, Moo-ren oder auf Magerrasen auf die Aktivitätsphasen der Blindschleiche

• Mähen von Wiesen, Ruderalflächen und Böschungen außerhalb der Tagesaktivität der Blindschleiche sowie mit ausreichender Mahdhöhe; kein Einsatz von Kreisel-mähern

• Liegenlassen oder Neuanlage von Gehölz- und Stein-haufen, Wurzelstubben, Heu- oder Komposthaufen, auch im eigenen Garten

• Verzicht auf Tier- und Pflanzengifte

JahresaktivitätAbhängig von den äuße-ren Klimabedingungen verlässt die Blindschleiche meist Ende März/Anfang April ihr frostfreies Win-terquartier in Erdlöchern, Kleinsäugerbauen oder Wurzelhöhlen. Im offe-nen Gelände ist sie nur selten anzutreffen, lebt sie doch eher versteckt unter Rindenstücken und Steinen oder in der dichten Vegetation. Ab Mitte Oktober/Anfang November sucht sie ihr Winterquartier zu einer mehrmonatigen Winterruhe auf. Nicht selten überwintern Blindschleichen zu mehreren im selben Versteck, oft auch mit anderen Reptilien und Amphibien.

Fortpflanzung Die Paarung erfolgt meist im Mai, wobei sich das Männ-chen im Nackenbereich des Weibchens verbeißt und seine Kloake von unten an die des Weibchens presst. Während der Paarungszeit zeigen Männchen oft ein aggressives Ver-halten und führen mitunter Kommentkämpfe durch. Blind-schleichen sind ovovivipar, die Weibchen gebären also vollständig entwickelte Jungtiere. Diese werden nach einer

dreimonatigen Trag-zeit Ende Juli bis Mit-te September geboren. Im Durchschnitt sind es 6–12 Jungtiere, die etwa 6–9 cm lang und gut ein halbes Gramm schwer sind. Große Weibchen können auch mehr Junge zur Welt bringen. Blindschlei-chen werden mit dem dritten beziehungsweise vierten Lebensjahr ge-schlechtsreif.

Jahresaktivität und Fortpflanzung

Schutz undSchutzmaßnahmen

Nahrung und FeindeDie Blindschleiche ernährt sich vor allem von Regenwür-mern und kleinen Nacktschnecken, aber auch anderen Wir-bellosen wie Insekten, Asseln und Spinnen, ebenso von klei-nen Gehäuseschnecken. Blindschleichen haben eine Vielzahl natürlicher Feinde, in erster Linie Vögel und Säugetiere, wie Mäusebussard, Turm-falke, Fuchs, Steinmarder, Iltis oder Dachs, zunehmend auch Wildschweine und im Siedlungsumfeld Hauskatzen. Nicht zuletzt ist die Schlingnatter ein bedeutender Fressfeind der Blindschleiche.

LebensraumDie Blindschleiche besiedelt bevorzugt Lebensräume mit höherer Bodenfeuchte. Wichtig ist ein strukturreiches Mosa-ik an Sonnen- und Versteckplätzen. Typische Habitate sind lichte Wälder, offene Felsstandorte mit angrenzenden Gebü-schen und Bäumen sowie natürliche Geröllhalden, (degene-rierte) Moore, extensiv bewirtschaftete Kulturlandschaften und Weinberge. Ebenso Abgrabungsstätten (Steinbrüche, Sandabgrabungen etc.), Weg- und Straßenbö-schungen, Dämme an Fließgewässern, Bahndämme, Leitungs-trassen in Wäldern, Heiden, Mager- und Trockenrasen, Streu-obstwiesen, Ruderal- und Brachflächen sowie naturnahe Gär-ten.

Nahrung, Feinde und Lebensraum

Gefährdung

Die Blindschleiche ist vor allem durch Zerstörung und Ver-änderung ihrer Lebensräume gefährdet. Einige Ursachen führen auch direkt oder indirekt zum Tod von Individuen. Bedeutende Gefährdungsursachen sind:

• Umwandlung lichter Laub- und Mischwälder in dunkle Nadelwaldforste

• Aufforstung von Waldlichtungen sowie Verlust stufi-ger, breiter Waldränder

• Verlust ursprünglich extensiv genutzter Lebensräume wie Moore, Heiden, Magerrasen durch Aufforstung oder Umwandlung zu Grün- und Ackerland

• Intensivierung der Landwirtschaft und Verlust von Klein- und Saumstrukturen wie Hecken, Feldgehölze, Lesesteinhaufen und Ackerraine

• Verbuschung geeigneter Sekundärhabitate, etwa Ab-grabungsstätten nach deren Aufgabe

• fortschreitender Straßen- und Wegebau und damit Zer-schneidung der Lebensräume

• Überfahren und Töten von querenden oder sich son-nenden Tieren auf Straßen und Wegen durch Kraftfahr-zeuge und Radfahrer

• Beseitigung von Kleinstrukturen wie Stein- oder Ge-hölzhaufen

• Mahd von Böschungen entlang von Gräben, Straßen, Bahnstrecken und von Wegen dicht über der Grassode

• Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Tiergiften auch in Privatgärten

• Prädation durch Feinde, insbesondere Haustiere wie Katzen

Baumwurzeln können als Winterquartier dienen

Geburtsvorgang: Blindschleichen sind lebendgebärend

Schlingnatter frisst Blindschleiche

Häufig ist die Blindschleiche in Moor- und Hei-delandschaften zuhause

Bei der Mahd getötete Blindschleichen und Kreuzottern

Ersatzhabitat für Gleisbaumaßnahmen