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Aur dem lnstitut fiir Veterinar-Physiologie der Humboldt-Universitat Berlin Direktor: Prof. Dr. med. G. Vogel Vergleichende Untersuchungen iiber die Steuerung des weifien Blutbildes in Abhangigkeit von der Alkalireserve des Blutes 11. Mitteilung: Der Einflui3 experimenteller Acidose und Alkalose auf das weii3e Blutbild von Pferd, Schwein, Rind, Shaf und Ziege Von H.-A. KETZ, G. VOGEL und W. WESTPHAL Mit 5 Abbildungen Einleitung Nach den Arbeiten von HOFF (9, 12, 13, 14, 15) werden die Beziehun- gen des Saure-Basen-Gleichgewichtes zu den Veranderungen des Blutbildes im Rahmen der vegetativen Gesamtsteuerung dargesteilt. Danach geht eine experimentelle Acidose nach Gaben von NH4Cl mit myeloischer Tendenz und eine experimentelle Alkalose nach Verabreichung von NaHC03 rnit lymphatischer Tendenz im weii3en Blutbild einher. Diese Ergebnisse blieben einerseits nicht unwidersprochen (16, 26, 31, 32), wurden aber andererseits an kleinen Laboratoriumstieren Z. B. an Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen bestatigt (5, 10, 18, 33). Diftetishe Acidose bzw. Alkalose bewirkt beim Menschen keine dauernden BlutbildverEnderungen (1, 10, 15), wah- rend bei Kaninchen und Hund eine Neutrophilie in Verbindung mit Lym- phopenie bzw. Lymphozytose mit gleichlaufender Neutropenie auftritt (1). Eine Vermehrung der Leukozyten im Sinne einer Verteilungsleukozytose zu Gunsten des Mesenterialvenenblutes wird auf Grund von Versuchen am Kaninchen abgelehnt (30). Die Verschiebung des Saure-Basen-Gleichgewichtes in Richtung der Acidose ist bei den kleinen und groi3en Haustieren infolge saurer Fiitterung (2, 28), nach korperlicher Arbeit (27, 29) und verschiede- nen Erkrankungen (19, 22, 8, 34, s. auch I. Mitteilung) beobachtet worden. Die Beziehungen zu den hierbei auftretenden Blutbildveranderungen blieben ungekifrt. Wie die bereits vorliegenden Ergebnisse (s. I. Mitteilung) zeigen, ist die Reaktion des weii3en Blutbildes auf die Veranderungen der Alkali- reserve infolge verschiedener Fiitterung, Hunger und Wiederfutterung bei Pferd, Hund und Schwein uneinheitlich. Zur experimentellen Prufung der aufgeworfenen Frage nach den Beziehungen zwischen Saure-Basen-Gleich- gewicht und Leukozytenveranderungen mui3 danach die Alkalireserve durch Zufuhr von Sauren oder Basen im Uberschui3 verschoben werden, wobei

Vergleichende Untersuchungen über die Steuerung des weiben Blutbildes in Abhängigkeit von der Alkalireserve des Blutes : II. Mitteilung: Der Einfluß experimenteller Acidose und

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Aur dem lnstitut fi ir Veterinar-Physiologie der Humboldt-Universitat Berlin Direktor: Prof. Dr. med. G . Vogel

Vergleichende Untersuchungen iiber die Steuerung des weifien Blutbildes in Abhangigkeit

von der Alkalireserve des Blutes 11. Mitteilung:

Der Einflui3 experimenteller Acidose und Alkalose auf das weii3e Blutbild von Pferd, Schwein, Rind, Shaf und Ziege

Von

H.-A. KETZ, G. VOGEL und W. WESTPHAL

Mit 5 Abbildungen

Einleitung

Nach den Arbeiten von HOFF (9, 12, 13, 14, 15) werden die Beziehun- gen des Saure-Basen-Gleichgewichtes zu den Veranderungen des Blutbildes im Rahmen der vegetativen Gesamtsteuerung dargesteilt. Danach geht eine experimentelle Acidose nach Gaben von NH4Cl mit myeloischer Tendenz und eine experimentelle Alkalose nach Verabreichung von NaHC03 rnit lymphatischer Tendenz im weii3en Blutbild einher. Diese Ergebnisse blieben einerseits nicht unwidersprochen (16, 26, 31, 32), wurden aber andererseits an kleinen Laboratoriumstieren Z. B. an Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen bestatigt (5, 10, 18, 33). Diftetishe Acidose bzw. Alkalose bewirkt beim Menschen keine dauernden BlutbildverEnderungen (1, 10, 15), wah- rend bei Kaninchen und Hund eine Neutrophilie in Verbindung mit Lym- phopenie bzw. Lymphozytose mit gleichlaufender Neutropenie auftritt (1). Eine Vermehrung der Leukozyten im Sinne einer Verteilungsleukozytose zu Gunsten des Mesenterialvenenblutes wird auf Grund von Versuchen am Kaninchen abgelehnt (30). Die Verschiebung des Saure-Basen-Gleichgewichtes in Richtung der Acidose ist bei den kleinen und groi3en Haustieren infolge saurer Fiitterung (2, 28), nach korperlicher Arbeit (27, 29) und verschiede- nen Erkrankungen (19, 22, 8, 34, s. auch I. Mitteilung) beobachtet worden. Die Beziehungen zu den hierbei auftretenden Blutbildveranderungen blieben ungekifrt. Wie die bereits vorliegenden Ergebnisse (s. I. Mitteilung) zeigen, ist die Reaktion des weii3en Blutbildes auf die Veranderungen der Alkali- reserve infolge verschiedener Fiitterung, Hunger und Wiederfutterung bei Pferd, Hund und Schwein uneinheitlich. Zur experimentellen Prufung der aufgeworfenen Frage nach den Beziehungen zwischen Saure-Basen-Gleich- gewicht und Leukozytenveranderungen mui3 danach die Alkalireserve durch Zufuhr von Sauren oder Basen im Uberschui3 verschoben werden, wobei

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NH,C1

NaHCO,

gleichzeitige Registrierung der Zahl und Zusammensetzung der Leukozyten zu erfolgen hat. Das Problem erscheint dabei auch im Hinblick auf die Ver- schiedenartigkeit der Zusammensetzung des Blutbildes bei den Haustieren fur die klinische Hamatologie von Bedeutung.

~ ~ ~

1oo--150 in 2000 ml 'Wasser, Nasenschlundsonde

in 2000 in1 'Wasser, Nasenschlundsonde

.~ - ~__.~__

150

Methodik

Die experimentelle Acidose ist beim Menschen und den kleinen Labo- ratoriumstieren mittels NH4C1, CH&HOHCOOH, HC1, Glutarsaure und FumarsBure (5, 12, 22), eine Alkalose durch Verabreichung von NaHCO3, NaOH, NH40H (5, 12) erzeugt worden.

Bei der Dosierung (s. Tab.) hielten wir uns im allgemeinen an die von der menschlichen Dosis ausgehende Regel, wonach unter 13erucksichtigung der Arteigentumlichkeit fur das Pferd eine zehnfache, fur das Schwein eine vierfache, das Rind eine fiinfzehnfache und fur Schaf und :Ziege eine zwei- fache Menge verabreicht werden kann.

Pferd

D o s i e r u n g v o n NH,Cl u n d NaHCO,,

b e i P f e r d , S c h w e i n , R i n d , S c h a f u n d Z i c g e

350-550

Gewicht I in kg Tierart

NH,C1

NaHCO, NaHCo3 r ~ ~~

in 500 ml 0,9'/0 NaCI-Lsg. i. v.

in 250 ml C y0/o NaCl-Lsg. i. v.

in 500 ml C ,9 O/o NaC-Lsg. i. v.

Applikation Absol. Menge Substanz

mit Trinkwasser in 100 ml 0 , 9 O / o NaCI-Lsg. I. v.

mit Trinkwaser in 100 ml 0,9('/0 NaCl-Lsg. I. v.

in 1000 in1 0,9O/o NK1-Lsg. i. v.

~ - -

NaHCO,

_ _ _ - ~

_ _

NH,C1 1 3,5 I in 350 ml 0,9O/0 NaCl-Lsg. i. v.

Weitere Methodik siehe I. Mitteilung.

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Vergleichende Untersuhungen iiber die Steuerung des weiden Blutbildes 151

Ergebnisse

P f e r d e : Nach Ermittlung hinreichend genauer Normalwerte inner- halb einer Vorperiode von 4 Tagen mit je 2 Blutentnahmen an 2 Pferden (2 braune Stuten, 9 und 13 Jahre alt) wurde am Versuhstage im Niichtern- zustand NH4C1 verabreicht. Der uber 24 Stunden andauernde Abfall der Alkalireserve war innerhalb der ersten 4 Stunden von einer Verminderung der Gesamtleukozyten urn 21010 (p < 0,05) auf Kosten der Neutrophilen be- gleitet. Nach Gaben von NaHC03 stieg die Alkalireserve um 7,6O/o (p < 0,OS). Gleichzeitig fanden wir einen Anstieg der Gesamtleukozytenzahl unter hauptsachlicher Beteiligung der Neutrophilen (s. Abb. 1).

% 10 0

10 20 40 30 PO 10 0

10 20 30 40 30

8" 10" 12Nf4"M*' 8" 8" B" 10" 12- I4" M" th

Abb. 1. Abweichungen der Alkali- reserve und des weiden Blutbildes in o/o vom Mittelwert der Vorperiode (M,) nach experimenteller Acidose (NH,CI) und Alkalose (NaHC03) beim Pferd. Durchschnittswerte von vier Pferden. = Werte auflerhalb der statistischen Sicherungsgrenzen von

p = 0,05

1 Auifose % 50

0

50

300

ZOO

100

0

4 00

Abb. 2. Abweichungen der Alkalireserve und des weii3en Blutbildes in O/o vom Mittelwert der Vorperiode (M,) nach experimenteller Acidose (NHdC1) und Alkalose (NaHC03) beim Schwein. Durchschnittswerte von acht Schweinen. = Werte aui3erhalb der stati-

stischen Sicherungsgrenzen von p = 0,Ol

S c h w e i n e : Die in einer Vorperiode von 32 Stunden mit 6 Blut- entnahmen je Tier gefundenen Mittelwerte ergaben im Durchschnitt fur alle 8 Tiere ein vorwiegend neutrophiles Blutbild. Nach Verabreichung von NH4C1 sank die Alkalireserve innerhalb 2 Stunden um 26010 (p < 0,Ol). Im Abstand von 2 Stunden folgte ein starker Anstieg der Gesamtleukozyten- zahl um 325O/o (p < 0,OI) mit Hauptbeteiligung der Neutrophilen, die erst nach 24 Stunden ihre Normalwerte wieder erreichten. Nach Verabreichung von NaHC03 war der Anstieg der Alkalireserve urn 35O/o (p < 0,Ol) von einem gleichzeitigen Abfall der Gesamtleukozyten ebenfalls vorwiegend auf Kosten der Neutrophilen begleitet (s. Abb. 2).

R i n d e r : N a h Verabreichung von NH4C1 bei drei Rindern (Hohen- fleckvieh 51/2 Jahre, schwarz-buntes Niederungsvieh 4 Jahre, Frankenrind 4 Jahre) veranderten sich Alkalireserve und weii3es Blutbild vom Mittelwert

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einer Vorperiode von 24 Stunden mit 5 Blutentnahmen j e Tier wie folgt: von 2 bis 6 Stunden nach der Infusion sank die Alkalireserve um 18O/o (p < 0,Ol). Der Abfall der Alkalireserve war innerhalb der ersten 4 Stunden von einem Absinken der Gesamtleukozyten auf Kosten der Lymphozyten begleitet. Der Wiederanstieg der Alkalireserve war zeitlich gleichlaufend von einer Vermehrung der Gesamtleukozyten in Form einer Neutrophilie um 149O/O (p < 0,Ol) uber den Mittelwert hinaus, sowie von einem Wieder- anstieg der Lymphozytenzahl zur Norm gefolgt. Der Alkal~~seversuch beim Rind konnte aus technischen Grunden nicht zu Ende gefuhrt werden ( s . Abb. 3 ) .

4 RcidoJe % Alkali-Reserve

30 20 10 0

10 LO 30 40

0 10 20 30 40 5n

30 20 10 0

10 20

1.50 100 90 80 ?O 60 so 40 30 20 I0

_ _ 140 130 120 110 180 go Neutrophik 80 70 60

40 30 W 10 0

50 0

6" TO" 12" 14" 16" t h

Abb. 3. Abweimungen der Alkalireserve und des weif3en Blutbildes in 'Jio vorn Mittel- wert der Vorperiode (M,) nad) experimenteller Acidose (NH,CI) beim Rinde. Durch- schnittswerte von drei Rin- dern. = Werte aufierhalb der statistischen Sicherungs-

grenzen von p = 0,Ol

Abb. 4. Abweichungeri der Alkalireserve und des weil3en Blutbildes in 0,'o vom Mittel- wert der Vorperiode (M,) nach experimeii teller Acidose

(NH,Cl) und Alkalose (NaHC03)beirn Schaf. Durch- schnittswerte yon drei Scha- fen. = Werte aufitrhalb der statistischen Sichet ungs-

grenzen yon p = 0,Ol

S c h a f e : Eine experimentelle Acidose erzeugten wir bei 3 weiblichen 60 bis 70 kg schweren Schafen. Nach Infusion von NH4CI war cler Abfall der Alkalireserve um 19°/0 (p < O,O1) von einer Neutrophilie um 1OS0/o (p < 0,Ol) uber den Mittelwert der Vorperiode hinaus begleitet. N:tch Gaben von N a H C 0 3 stieg die Alkalireserve um 170/0 (p < 0,Ol) an. Die gleichzeitig auftretende Vermehrung der Gesamtleukozyten ergab im Differentialblut- bild eine Neutrophilie um 6 3 0 / 0 (p < O,O1) neben uncharakteristischen Schwankungen der Lymphozyten (s. Abb. 4).

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Vergleichende Untersuchungen uber die Steuerung des weisen Blutbildes 153

Z i e g e n : Nach Gaben von NH4C1 wurde bei 2 weiblichen Ziegen (35 bis 40 kg schwer) ein Abfall der Alkalireserve mit einer zeitlich gleichlaufenden Lym- phopenie um 5Oo/o (p < 0,OS) und einer iiber 24 Stunden andauernden Neutro- philie um 48Oo/o (p < 0,05) beobachtet. Der Anstieg der Alkalireserve um 12O/0 (p < 0,05) nach Verabreichung von NaHC03 ging zeitlich parallel rnit einer Neutrophilie um 25Oo/o (p < 0,05) (siehe Abb. 5).

Diskussion

Nach Verabreichung von NH4C1 und NaHC03 gelingt es, bei verschiedenen Haustieren eine Verschiebung des Saure- Basen-Gleichgewichtes des Blutes im Sinne einer Acidose bzw. Alkalose herbeizu- fuhren. Fur die Beziehungen der Zahl und Zusammensetzung des weii3en Blut- bildes zu den Veranderungen des Saure- Basen-Gleichgewichtes liei3en sich keine gemeinsamen fur alle untersuchten Tier- arten allgemeingiiltigen Merkmale finden. Einheitlich war die Reaktion des weifien Blutbildes infolge experimenteller Acidose bei Schwein, Rind, Schaf und Ziege, bei denen die Vermehrune der Gesamtleuko-

20 to 0

9# 20

so 100

100 lymphozyh so so

too

OM* --

f

100

8- 1O"Iz" 14" 16- 8" 10- fZ* 14" 16- th

Abb. 5. Abweichungen der Alkali- reserve und des weisen Blut- bildes in o/o vom Mittelwert der Vorperiode (M,) n a h experimen- teller Acidose (NH1CI) und Alka- lose (NaHC03) bei der Ziege. Durchschnittswerte von zwei Zie- gen. = Werte auderhalb der statistismen Sicherungsgrenzen von

p = 0,05

zyten mit eindeutigYer myeloischer Tendenz und mit Ausnahme von Schweinen, aber einschliefilich des Pferdes, mit einer Verminderung der lymphatischen Zellen einhergeht. Dieses einheitliche Verhalten der Leuko- zyten ist um so bemerkenswerter, als es sich z. T. um Tiere rnit neutro- philem (Schwein und Pferd) und z. T. mit lymphatischem Blutbild (Wieder- kauer) handelt. Im allgemeinen kann die bei der nicht alimentar herbeige- fuhrten Acidose auftretende Reaktion der Leukozyten als Reaktion im Sinne Hoffs angesprochen werden. Wesentlich differenter waren die Blut- bildveranderungen infolge Verschiebun des Saure-Basen-Gleichgewichtes in

(Pferd und Schaf) und zum Teil mit einer Verminderung (Schwein und Ziege) der Leukozyten beantwortet, wobei die Schwankungen im allge- meinen auf Kosten des neutrophilen Anteils des Differentialblutbildes vor sich gingen. Veranderungen im Sinne einer lymphatischen Tendenz wurden nicht gefunden.

Parallellaufende Reaktionen des myeloischen Anteils im weii3en Blutbild wahrend der Hunger- bzw. Fiitterungsacidose mit derjenigen nach experi- menteller Acidose ergaben sich lediglich fur das Pferd. Im iibrigen steht eine Verminderung der Gesamtleukozytenzahl mit Neutropenie und Lympho- zytose bei Hungeracidose einer Vermehrung der Gesamtleukozyten rnit Neutrophilie und Lymphopenie bei experimenteller Acidose gegeniiber. Da- bei mui3 angenommen werden, dai3 die Verschiebung des Saure-Basen-Gleich- gewichtes infolge einseitiger Fiitterung und im Hungerzustande nur eine

basischer Richtung. So wurde die A1 a alose z. T. mit einer Vermehrung

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Teilerscheinung ist und die Veranderungen des weii3en Blutbildes wahrend solcher Ausnahmezustande auch noch durch andere Fakt oren verursacht werden. Eine Vergleichsmoglichkeit der Reaktion des weii3en Blutbildes nach Wiederfiitterung (s. I. Mitteilung) mit derjenigen unter den1 Einflui3 experi- menteller Alkalose ist nicht gegeben, da die Alkalireserve nachl Wieder- fiitterung von niedrigen Werten lediglich zum Normalwert zuruckkehrt, wahrend infolge Verabreichung von NaHC03 ein Anstieg der Alkalireserve iiber den Normalwert hinaus erfolgt. Dementsprechend zeigen u nsere Be- funde unterschiedliche Leukozytenveranderungen (s. Ergebnisse I. und 11. Mitteilung).

Bei Betrachtung der zeitlichen Korrelation zwischen A lkalireserve- und Leukozytenveranderungen lai3t sich im allgemeinen eine Parallelitat der Ver- laufe erkennen. Im Vergleich zum Abfall der Alkalireserve versthiebt sich die Reaktion der Gesamtleukozyten nur insofern, als bei langandauernder Veranderung des Saure-Basen-Gleichgewichtes (Pferd) ein vorzeitiges Ab- klingen der Leukozytenreaktion und bei nur sehr kurzen Veranderungen des Saure-Basen-Gleichgewichtes (Schwein, Schaf und Ziegc) eine sich meist nur iiber wenige Stunden hinziehende Verzogerung des Riickganges der Leukozytenzahl bemerkbar macht. Der Hauptanteil am vorzeitigen oder verzogerten Abklingen der Gesamtleukozytenzahl wird v om neiitrophilen Anteil des Differentialblutbildes getragen. WEhrend die Acidose nach NH4CI je nach Dosierung meist langere Zeit (20 Stunden) anhielt, dauerte die Alka- lose nach NaHC03 nur 2 bis 3 Stunden, da der Alkaliiiberschufl durch die Nieren schnell wieder ausgeschieden wird.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dai3 sowohl eiriseitige Futterung, Hunger und darauf folgende Wiederfutterung als auch diie experimentelle Verschiebung des Saure-Basen-Gleichgewichtes des Blutes signifik.ante Ver- anderungen im weiRen Blutbild zur Folge haben. Dabei untersctteiden sich die untersuchten, den Herbivoren, Omnivoren und Karnivoren angehoren- den Haustiere untereinander. Die Ergebnisse an Tieren in schlechtem Er- nahrungszustand deuten darauf hin, dai3 chronische Inanxtion artdere Ver- hEltnisse schafft als sie beim kurzzeitigen Nahrungsentzug vorliegen. Offen- sichtlich sind die blutbildenden Organe im ersteren Falle so stark geschadigt, dai3 eine reaktive Mobilisation weii3er Blutzellen auf Reize wie z. B. Acidose oder Alkalose kaum noch erfolgen kann.

Experimentelle und Hungeracidose sind in den vorliegenden Unter- suchungen quantitativ unterschiedlich. Daruber hinaus bestehen auch Diffe- renzen beziiglich der sie begleitenden Blutbildveranderungen. W:ihrend die Reaktionen im weii3en Blutbild nach experimenteller Ac idose unabhangig von der Tierart nahezu einheitlich sind, reagieren die einzelnen Arten unter- schiedlich auf alimentar bedingte acidotische Verschiebungen im Saure-Basen- Haushalt. Moglicherweise mu8 daran gedacht werden, dal!, die knderungen von Zahl und Zusammensetzung im weii3en Blutbild bei kurzzeitigem Nahrungsentzug nicht allein auf die konsekutive Acidose zu beziehen sind. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zeigen, dai3 dir. Blutbildverande- rungen infolge einseitiger Fiitterung sowie durch Nahrutrgskare nz, wie sie bei vielen Krankheiten unserer Haustiere beobachtet werden, unl er Beriick- sichtigung des Ernahrungszustandes bei der Beurteilung des Hamogramms beachtet werden mussen. Die Befunde nach experimentel ler nicht alimen- tarer Verschiebung des Saure-Basen-Gleichgewichtes des Blutes lassen er- kennen, dai3 die vom Menschen und den kleinen Laborat oriumstieren bis- her vorliegenden Ergebnisse nicht ohne weiteres auf die untersuchten

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Vergleichende Untersuchungen iiber die Steuerung des weilen Blutbildes 155

kleinen und groiSen Haustiere ubertragen werden konnen. Die zeitlich voll- kommene oder geringgradig verschobene Parallelitat von Alkalireserve und Leukozytenzahl 1aiSt bei nicht alimentarer experimenteller Verschiebung des Saure-Basen-Gleichgewichtes auf einen direkten EinfluiS des Blutchemis- mus auf Zahl und Zusammensetzung der Leukozyten schliei3en.

Zusammenfassung Der EinfluiS der experimentellen Acidose durch NH4C1 sowie der

Alkalose durch NaHC03 auf das weii3e Blutbild bei Pferd, Schwein, Rind, Schaf und Ziege wird beschrieben.

Eine Acidose des Blutes geht bei Schwein, Rind, Schaf und Ziege rnit einer Vermehrung der Gesamtleukozyten im Sinne einer NeutrophiIie und gleichzeitiger Lymphopenie einher. Beim Pferd hingegen zeigt sich eine Leukopenie auf Kosten der Neutrophilen und bei Schweinen rnit neutro- philem Blutbild tritt neben der Neutrophilie no& eine Lymphozytose auf.

Die Alkalose des Blutes ist bei Pferd und Schaf mit einer Verrnehrung, bei Schwein und Ziege mit einer Verminderung der Gesamtleukozyten ver- bunden. Im Differentialblutbild erscheint wahrend der Alkalose bei Pferd, Schaf und Ziege eine Neutrophilie, lediglich beim Shwein mit neutrophilem Blutbild eine Neutropenie. Die Zahl der Lymphozyten fallt unter dern Ein- flul3 der Alkalose im allgemeinen geringgradig ab.

Der unterschiedliche Einflui3 der Veranderungen des Saure-Basen- Gleichgewichtes auf das weil3e Blutbild ist abhfngig von der tierartlich ver- schiedenen zellularen Blutzusammensetzung und vom Ernahrungszustand.

Alimentare und experimentelle Acidose haben verschiedene Reaktio- nen des weil3en Blutbildes zur Folge.

Auf die Notwendigkeit, die allein durch Hunger und einseitige Futte- rung bedingten Veranderungen des weil3en Blutbildes besonders in der klinischen Harnatologie zu achten, wird hingewiesen.

Fur die Bereitstellun der Versuchstiere danken wir Herrn Prof. Dr. Dr. Schutzler, Herrn Pro H . Dr. Stahl und Herrn Doz. Dr. habil. Fechner.

Fur technische Mithilfe danken wir Fraulein Gisela Friedrich und Frau Ute-Sigrid Deubel.

Summary

Comparative studies on changes in the leucocyte picture in relation to changes in the alkali reserve. 11. The effect of experimental acidosis and

alkalosis on the leucocyte picture in the horse, pig, ox, sheep and goat

The effect of experimental acidosis produced by NH4Cl and of alkalosis produced by N a H C 0 3 on the blood picture was studied in the horse, pig, ox, sheep and goat.

In the pig, ox, sheep and goat, acidosis is accompanied by an increase in total leucocytes with a neutrophilia and a concomitant lymphopenia. In the horse, on the other hand, there is a leucopenia which occurs at the expense of the neutrophils, and in pigs with a neutrophil blood picture there is a neutrophilia and lymphocytosis.

In the horse and sheep alkalosis is associated with an increase, in the pig and goat with a decrease, in total leucocytes. In the horse, sheep and goat there is a neutrophilia, and sometimes in pigs with a neutrophil blood picture there is a neutropenia. In general the lymphocyte count falls slightly in alkalosis.

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156 KETZ, VOGEL, WESTPHAI

The varying effects on the blood picture of changes in the acid-base balance depend on the different cell picture in the various species and on the nutritional state of the animal. Acidosis induced by feeding has different effects from experimental acidosis.

The need to take into account the changes in the leucocyte picture which result from hunger and unbalanced feeding is stressed in relation to clinical haematological work.

RCsumC Recherches comparies sur les modifications de la formule leucocytaire en

relation avec la rCserve alcaline du sang

2“”“ communication: I’influence de I’acidose et de I’alcalose expirimentales sur la formule leucocytaire chez le cheval, le porc, le boeuf, le mouton

et la chkvre Les autres dkcrivent l’influence de l’acidose produite expkrimentalement

au moyen de NH4Cl ainsi que de l’alcalose obtenue au moyen de NaHC03 sur la formule leucocytaire chez le cheval, le porc, le boeuf, le rnouton et la chtvre.

Une acidose sanguine est accompagnke chez le porc, le Iboeuf, le mouton et la chkvre d’une augmentation du nombre des leucocytes dans le sens d’une neutrophilie avec lymphopknie. Chez le cheval, par contre, on observe une leucopknie au dkpend des neutrophiles et chez le porc avec une formule sanguine neutrophile, on constate en plus d’une neutrophilie, une lympho- cytose.

L’alcalose du sang est chez le cheval et le mouton accompagnke d’une augmentation, chez le porc et la chkvre d’une diminution du nombre des leucocytes. Dans l’alcalose, la formule sanguine diffkrencjelle prtisente une neutrophilie chez le cheval, le mouton et la chkvre et seulernent chez le porc A formule sanguine neutrophilie, une neutropknie. Le nombre des leuco- cytes diminue en gknkral lkgkrement sous l’influence de l’al: I a 1 ose.

L’influence variable des modifications de l’kquilibre bases-acides sur la formule leucocytaire dkpend de la composition difftrente des cellules sanguines chez les divers animaux e t de l’ktat d’embonpoint. L’acidose ali- mentaire et experimentale provoquent des rkactions ‘diffkrentes de la formule leucocytaire.

Les auteurs soulignent la nkcessitk de tenir compte, particulitrement dans l’hkmatologie clinique, des modifications que produisent sur la formule leucocytaire le jeQne et l’alimentation unilatkrale.

Resumen Estudios cornparativos sobre la regulacidn del cuadro hernitico blanco en

dependencia de la reserva alcalina de la sangre.

Comunicacidn 11.: La influencia de la acidosis y de la alcalosis experimen- tales sobre el cuadro leucocitario del caballo, cerdo, vaca, oveia y cabra

Se describe la influencia que la acidosis experimental producida por el cloruro am6nico y la alcalosis debida a1 bicarbonato s6dir:o ejerce sobre eI cuadro hemjtico blanco del caballo, cerdo, vaca, oveja y cabra.

La acidosis de la sangre se acomparia en el cerdo, vaca, oveja y cabra del aumento de 10s leucocitos totales en el sentido de una neutrofilia y de una linfopenia simultinea. Sin embargo, en el caballo se prtsenta una

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Vergleichende Untersucfiungen iiber die Steuerung des weifien Blutbildes 157

leucopenia a costa de 10s neutr6filos y en 10s cerdos con cuadro hemhtico neutr6filo surje adn una linfocitosis a1 lado de la neutrofilia.

La alcalosis sanguinea estL ligada en el caballo y en la oveja a un aumento, en el cerdo y en la cabra a una disminuci6n de 10s leucocitos totales. En la imagen diferencial de la sangre aparece una neutrofilia durante la alcalosis en el caballo, oveja y cabra, s610 en el cerdo con cuadro sanguheo neutr6filo hLllase una neutropenia. Bajo la influencia de la alcalosis, casi siempre desciende gradualmente la cifra de linfocitos.

La distinta influencia de las alteraciones del equilibrio Lcidobisico sobre el cuadro leucocitario depende de la composici6n sanguinea celular diferente en cada especie animal, y del estado de alimentacibn.

Las acidosis alimenticia y experimental producen reacciones diferentes en el cuadro hemhtico blanco.

Se apunta la necesidad, sobre todo en hematologia clinica, de tener en cuenta las alteraciones del cuadro leucocitario, originadas exclusivamente por el hambre y la alimentaci6n unilateral.

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