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Versuche iiber die Fliichtigkeit des roten Phosphors. Von HENRYK ARCTOWSKI. Mit 4 Figuren im Text. In Lehrbuchern wird angegeben , dafs der rote Phosphor erst bei verhaltnismafsig hohen Temperaturen fluchtig ist und auf Grund HITTORF'S Arbeit nimmt man gewohnlich an , dafs derselbe unter- halb 260° absolut keine Dampfe abgiebt. Die eben erwahnte Arbeit berechtigt jedoch keineswegs zu dieser Annahme. HITTORF sagt namlich: ,,Die Temperatur des siedenden Quecksilberjodids, 358 O C., ist nicht als diejenige auf- zufassen, bei welcher die Verdampfung des roten Phosphors beginnt, da ja die Dampfe hier bereits eine Spannkraft von 31 mm an- nehmen. Es ist kaum ' moglich , diese Temperatur mit Genauigkeit festzusetzen." . . . . ,,Jedenfalls steht fest, dafs der rote Phosphor unterhalb 260° nicht fluchtig ist und von da an Dampfe von stetig wachsender Dichte und Spannung giebt." Die Betrachtungen, die mich in meinen Untersuchungen uber die Fluchtigkeit des Quecksilberchlorids geleitet haben, haben mich bestimmt, auch auf den in Rede stehenden Irrtum hinzuweisen. Theoretisch kann man keine Grenze fur die Fluchtigkeit der Korper annehmen, denn die Kurven der Dampfspannungen nahern sich asymptotisch der Temperaturaxe, d, h. jedem Werte der Tem- peratur, mag dieselbe noch SO gering gewahlt werden , entspricht ein gewisser Wert der Dampfspannung, der immer grofser als Null ist. Praktisch mufs man sich ebenfalls huten eine gewisse Grenze anzugeben , denn dieselbe wird immer durch vollkommenere In- strumente und feinere Versuchsanordnung verriickt werden. Pogg. Awn. (1865) 126, 201.

Versuche über die Flüchtigkeit des roten Phosphors

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Page 1: Versuche über die Flüchtigkeit des roten Phosphors

Versuche iiber die Fliichtigkeit des roten Phosphors. Von

HENRYK ARCTOWSKI. Mit 4 Figuren im Text.

In Lehrbuchern wird angegeben , dafs der rote Phosphor erst bei verhaltnismafsig hohen Temperaturen fluchtig ist und auf Grund HITTORF'S Arbeit nimmt man gewohnlich an , dafs derselbe unter- halb 260° absolut keine Dampfe abgiebt.

Die eben erwahnte Arbeit berechtigt jedoch keineswegs zu dieser Annahme. HITTORF sagt namlich: ,,Die Temperatur des siedenden Quecksilberjodids, 358 O C., ist nicht als diejenige auf- zufassen, bei welcher die Verdampfung des roten Phosphors beginnt, da ja die Dampfe hier bereits eine Spannkraft von 31 mm an- nehmen. Es ist kaum ' moglich , diese Temperatur mit Genauigkeit festzusetzen." . . . . ,,Jedenfalls steht fest, dafs der rote Phosphor unterhalb 260° nicht fluchtig ist und von da an Dampfe von stetig wachsender Dichte und Spannung giebt."

Die Betrachtungen, die mich in meinen Untersuchungen uber die Fluchtigkeit des Quecksilberchlorids geleitet haben, haben mich bestimmt, auch auf den in Rede stehenden Irrtum hinzuweisen.

Theoretisch kann man keine Grenze fur die Fluchtigkeit der Korper annehmen, denn die Kurven der Dampfspannungen nahern sich asymptotisch der Temperaturaxe, d, h. jedem Werte der Tem- peratur, mag dieselbe noch SO gering gewahlt werden , entspricht ein gewisser Wert der Dampfspannung, der immer grofser als Null ist. Praktisch mufs man sich ebenfalls huten eine gewisse Grenze anzugeben , denn dieselbe wird immer durch vollkommenere In- strumente und feinere Versuchsanordnung verriickt werden.

Pogg. Awn. (1865) 126, 201.

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Nach der hlethode der kalten Riihre (welche ich im Falle des Quecksilberchiorids und auch der ChromsIure angewandt habe) ist die Peststellung der Fliichtigkeit einer Substanz, bei verhaltnis- mafsig iiiedriger Temperatur, iiur eine Frage der Zeit. A priori niufs angenommeii werdeii, diifs, wenn es nach dieser Methocle ge- lungen ist, die Fluchtigkeit einer Substnriz bei einer bestimniten Temperatur in einer gewissen Zeit festzustellen, es auch immer moglich sein wird, dasselbe Resultnt bei niedrigerer Temperatur. abes entsprechend gr8fserer Zeitdauer zu erhalten; man kann sich keine Grenzternperatur vorstellen? bei welcher nian immer, so lange nuch der Versuch dauerii mag. ein negatives Resultat erhalten wiirde.

Fig. 1.

Hiernach kaiin also die Frage. ob es in der That fur vcrschiedene Substazlzen Teiiiperaturen geben kanii, bei deiien die Sublimations- spannurigen derselben absolut gleich Null sein wiirden, garnicht auf den1 T'ersuchswege entschieden werden; - und tlieoretisch, Tom Stand- punkte der heutigen Vorstellungen iiber die Zustaiide der Materie. fkllt die Antwort auf die obige Frage verneiiiend aus.

Es scheint mir jedoch iiiter- essant, zur Bestatigung dieser An- sicht, noch einen Versuch mitzu- teilen.

Zur Orientierung wurde eiu erster Versuch mit rotem Phosphor, so wie er im Handel zu haben ist, ausgefuhrt. Die Anordnung des -

Apparates iut aus vorsteherider Figur 1 ersichtlich und braucht wohl nicht iiiiher erlautert zu werden.

Die iuittlere Teiiiperatur mar 1080 (die hochste 112O und die xiiedrigste Tempe- ratur 105O). Each Ablauf dieser Zeit iialini ich dns kalte Ver-

Der Versuch dauerte 10 Tage (Tag und Nacht).

Diese Zeitsehr. 'i, 167. Diese Zeitselo-. 9, 29.

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suchsrohr heraus und fand es vollstandig mit mikroskopischen Kiigelchen von gelbem Phosphor bedeckt, von denen die meisten einen kleinen roten Kern enthielten. Einige dieser Kiigelchen waren nach gewissen Richtungen gruppiert und diese Gruppierung war eine sehr regelmalsige; da ich einige dieser Krystallskelette ab- zeichnen wollte, so wurde das Rohrchen zerbrochen. Nach einigen Stunden hatten sich leider die Kiigelchen ganzlich in die rote Mo- difikation veiwandelt. Die beistehende Figur 3 giebt eine Vorstel- lung von der Anordnung, wahrend Figur 2 den Zweig a in grofserem Malsstabe darstellt.'

Fig. 2. Fig. 3.

Der Versuch wurde nun mit in Schwefelkohlenstoff ausgekochtem Phosphor wiederholt.

Diesmal erzeugte ich im Apparat ein Vakuum von 14-16 mm, urn die Verfliichtigung zu beschleunigen (die Sublimationsspannung bleibt jedenfalls dieselbe, da sie nur von der Teinperatur abhangt, wahrend die Menge des Stoffes, die den gasformigen Zustand an- nimmt, nach der Formel von STEFAN, in hochstem Make yon dem Partialdruck des fremden Gases abhangt).

Ich mufs noch bemerken, dafs die hier beachriebene Thatsache keines- wegs nachweist, dars der rote Phosphor, den ich angewandt habe, gelben Phosphor enthalt, denn es ist wohlbekannt, dak die Dtimpfe des roten Phos- phors bei 400°, sich auf einem kalten Gegenstande in der gelben Modifikation niederschlagen.

Der Schwefelkohlenstoff wurde dreimal durch frischen ersetzt und jedes- ma1 stundenlang mit dem roten Phosphor gekocht. Der Phosphor wurde dann fur die Dauer von einigen Tagen dem Vakuum ausgesetzt.

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Der nachstehend abgebildete Apparat (Figur 4) erlaubte mir ubrigens die Beibehaltung einer konstanten Temperatur wahrend der ganzen Versuchsdauer. Dieselbe war 100 O. Der Apparat funk- tionierte sechsmal, 8 Stunden jedesmal, also 48 Stunden im ganzen.

Fig. 4.

Das kalte Rijhrchen bedeckte sich in seinem unteren Teile vollstandig mit mikroskopischen Krystallen von rotem Phosphor, deren Flachen sehr scharf funkelten, was man schon mit dem blofsen Suge recht gut beobachten konnte.

Unter dem Mikroskop bemerkt man, dafs sie von sehr reiner karminroter Farbe und durchsichtig sind; sie sind jedoch nicht gut ausgebildet und sehen wie zerbrorhen aus.

Die Fliichtigkeit des roten Phosphors kann also schon bei looo sehr gut beobachtet werden.

Lcttich, Institut fiir allgemeine Cheinie, den 26. Marx 1896.

Bei der Redaktion eingegangen am 7. April 1896.