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Zbl. Vet. Med. A, 24, 552-560 (1977) @ 1977 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0303-871 l/ASTM-Coden: ZVRAAX Tierarztliches Institut', Institut fiir Tierzucht und Haustiergenetik2 und Medizinische Klinik" der Universitat in Gottingen Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen von Gottinger Miniaturschweinen nach Verabreichung von Azathioprin Von s. l?AUFLER', A. L A E R U M ~ , H. w. MICHELMANN~, H.-G. SEIDENKRANZ', H. GELDERMANN', E. PERINGS~, und D. SMIDT* Mit einer Abbildung und 4 Tabellen (Etngegangen a m 17. Oktober 1976) Einleitung Azathioprin, ein 6-Merkaptopurinderivat, wird therapeutisch zur Immun- suppression eingesetzt. Nach FRIEDRICH und ZEUTHEN (1970), die 19 Patienten im Alter von 12-47 Jahren nach 1 bis 57 Monate langer Behandlung mit taglich 38 bis 146 mg Azathioprin untersuchten, ist es moglich, dai3 dieses Praparat Chromo- somenaberrationen bedingt. Die Untersucher waren jedoch der Meinung, daB trotz der signifikanten Unterschiede die chromosomalen Veranderungen eher auf die bei diesen Patienten bestandene Uramie und nicht auf die Azathioprin- Behandlung zuruckzufuhren sei. Auch GANNER et al. (1973) fuhrten die Zunahrne der Aberrationsfrequenz nach Azathioprin auf die uramische Stoff- wechsellage zuruck. Beide Arbeiten bestatigen damit die Feststellung von EBERLE et al. (1968), die keinen Unterschied bei Patienten vor und wahrend der Behandlung mit taglich 1,5 bis 2,5 mg Azathioprin je kg/KGW feststel- len konnten. Im Gegensatz zu diesen Befunden stehen die in vitro-Untersuchungen von OBE (1971) und HAMDEL etal. (1971). OBE (1971) konnte eine Zunahme der Aberrationen nach Zusatz von mehr als 50 /ig Azathioprin je ml Medium fest- stellen. HAMPEL et al. (1971) ermittelten eine Haufung von Chromosomen- veranderungen jedoch nur nach Zusatz eines Losungsvermittlers (Oximazon). Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zur Klarung der widerspruchlichen Untersuchungsergebnisse einen Beitrag zu leisten. Material und Methoden Fiir die Untersuchungen standen insgesamt I0 mannliche und I0 weib- liche Tiere des Gottinger Miniaturschweins zur Verfugung, von denen 5 Tiere

Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen von Göttinger Miniaturschweinen nach Verabreichung von Azathioprin

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Zbl. Vet. Med. A, 24, 552-560 (1977) @ 1977 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0303-871 l/ASTM-Coden: ZVRAAX

Tierarztliches Institut', Institut fiir Tierzucht und Haustiergenetik2 und Medizinische Klinik" der Universitat in Gottingen

Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen von Gottinger Miniaturschweinen

nach Verabreichung von Azathioprin

Von

s. l?AUFLER', A. LAERUM~, H. w. MICHELMANN~, H.-G. SEIDENKRANZ', H. GELDERMANN', E. PERINGS~, und D. SMIDT*

Mit einer Abbildung und 4 Tabellen

(Etngegangen a m 17. Oktober 1976)

Einleitung Azathioprin, ein 6-Merkaptopurinderivat, wird therapeutisch zur Immun-

suppression eingesetzt. Nach FRIEDRICH und ZEUTHEN (1970), die 19 Patienten im Alter von

12-47 Jahren nach 1 bis 57 Monate langer Behandlung mit taglich 38 bis 146 mg Azathioprin untersuchten, ist es moglich, dai3 dieses Praparat Chromo- somenaberrationen bedingt. Die Untersucher waren jedoch der Meinung, daB trotz der signifikanten Unterschiede die chromosomalen Veranderungen eher auf die bei diesen Patienten bestandene Uramie und nicht auf die Azathioprin- Behandlung zuruckzufuhren sei. Auch GANNER et al. (1973) fuhrten die Zunahrne der Aberrationsfrequenz nach Azathioprin auf die uramische Stoff- wechsellage zuruck. Beide Arbeiten bestatigen damit die Feststellung von EBERLE et al. (1968), die keinen Unterschied bei Patienten vor und wahrend der Behandlung mit taglich 1,5 bis 2,5 mg Azathioprin je kg/KGW feststel- len konnten.

Im Gegensatz zu diesen Befunden stehen die in vitro-Untersuchungen von OBE (1971) und HAMDEL etal. (1971). OBE (1971) konnte eine Zunahme der Aberrationen nach Zusatz von mehr als 50 / i g Azathioprin je ml Medium fest- stellen. HAMPEL et al. (1971) ermittelten eine Haufung von Chromosomen- veranderungen jedoch nur nach Zusatz eines Losungsvermittlers (Oximazon). Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zur Klarung der widerspruchlichen Untersuchungsergebnisse einen Beitrag zu leisten.

Material und Methoden Fiir die Untersuchungen standen insgesamt I0 mannliche und I0 weib-

liche Tiere des Gottinger Miniaturschweins zur Verfugung, von denen 5 Tiere

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Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen 553

im Rahmen umfassender Untersuchungen uber zytotoxische Nebenwirkungen des Azathioprins (SEIDENKRANZ, 1974) mit diesem Immunsuppressivum be- handelt wurden, wahrend die restlichen 5 als Kontrolltiere unbehandelt blie- ben. Im 1 . Abschnitt dienten fur die Chromosomenuntersuchungen 5 mannliche Tiere als unbehandelte Kontrolle. Sie wurden etwa zur gleichen Zeit zur Blutentnahme herangezogen wie die behandelten Tiere (Kontrolle 1, ohne Azathioprin). Die behandelten Tiere wurden vor der ersten Verfutterung des Azathioprins untersucht (Kontrolle 2, Azathioprin nach Blutentnahme) und danach zu den in der Tabelle 1 angegebenen Zeiten.

Im 2. Abschnitt wurden weibliche Tiere verwendet. Leider lieferte hier- bei ein Teil der Kulturen durch technische Mange1 keine auswertbaren Meta- phasen, so dai3 bei den Behandlungsgruppen 2 bzw. 3 weibliche Tiere zur Untersuchung benutzt werden konnten.

Den Versuchs- und Kontrolltieren wurde in den verschiedenen Ver- suchsstadien durch Punktion der Vena cava Blur entnommen.

Zur Darstellung der Chromosomen ist die Lymphozytenkultur verwen- det worden. Es wurde die Giemsa-Farbung vorgenommen. Die Chromosomen sind photographiert und die Bilder auf DIN-A-4-Format vergroi3ert worden.

An diesen Abbildungen erfolgte zuerst die visuelle Auswertung. Dazu wurden die Chromosomen jeder Metaphase durchnumeriert und sichtbare strukturelle sowie numerische Aberrationen gezahlt. Da bei einigen Chromo-

somen des Schweines normalerweise achroma- tische Abschnitte in Nahe des Zentromers bei den kleinen, fast metazentri- schen Chromosomen vor- kommen, liegt der Pro- zentsatz mit 2 Bruchen oder Lucken (gaps) bei den Kontrollen bei 4,9O/o (Tab. 1 u. Abb. 1 lang- stes Chr. d. Gruppe G).

Abb. 1 . Metaphasen-Chrorno- somen des Gottinger Minia- turs&weines nach Einteilung

in die Gruppen A-G

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554 S. PAUFLER und Mitarbeiter

Die photographierten Metaphase-Chromosomen wurden aui3erdem zur Computt:ranalyse nach Messung mit dem Koordinatentisch ,,Pencil Follower" verwendet. Dieses halbautomatische Meflverfahren ist von STRANZINGER, GEL- DERMANN & PAUFLER (1970) und GELDERMANN & STRANZINGER (1971) be- schrieben worden. Die Chromosomenanalyse wurde nach der Methode von GELDERMANN, STRANZINGER & PAUFLER (1 970) durchgefuhrt.

Die benutzte automatische Klassifizierung erlaubte es, die verschiedenen Cromoscrmen einer Metaphase auf Grund der erfaflten Mef3werte bestimmten Gruppen zuzuteilen. Dabei lieflen sich 7 Chromosomen-Gruppen (A-G) un- terscheiden, deren Beziehung zum Karyotyp des Schweines in der Abbildung 1 wiedergegeben wird. Die Gruppen umfai3ten folgende Chromosomen :

A == Die 2 grbflten submetazentrischen Chromosomen. B == Die 4 nachstgroflten submetazentrischen Chromosomen. C == Alle weiteren submetazentrischen bis metazentrischen Chromosomen

einer bestimmten Lange; in dieser Gruppe sind die weiblichen Gonosomen enthalten (w = 14, m = 13).

D := Die 2 Iangsten telozentrischen Chromosomen. E == Die 4 nachstgroflten telozentrischen Chromosomen. F == Die 6 kleinsten telozentrischen Chromosomen. G := Die kleinsten metazentrischen Chromosomen inklusiv des Y-Chro-

mosoms (w = 6, m = 7). Bei dem groi3ten metazentrischen Chromosom die- ser Gruppe sind haufig Gaps an beiden Chromatiden festzustellen. Die Gaps wurden bei der elektronischen Auswertung wegen der sehr unterschiedlichen Ausdehnung der Lucken nicht mit gemessen.

Die halbautomatische Messung ermoglichte die sehr genaue Erfassung der Chromosomenlangen und des Zentromers. Mit diesen Daten wurden folgende Werte errechnet: die relative Gesamtlange (RGL) = Mittelwert der Gesamt- langen beider Chromatiden im Verhaltnis zum Durchschnittswert der 10 Iang- sten Chroinosomen; das Armlangenverhaltnis (ALV) = Verhaltnis der langen Chromatidarme zur Gesamtlange des Chromosoms.

Ergebnisse Mannliche Tiere

Die Ergebnisse der Chromosomenuntersuchungen bei den mannlichen Got- tinger Miniaturschweinen sind in den Tabellen 1 (visuelle Auswertung) und 2 (Computeranalyse) zusammengefaat worden.

Table 1 Ergebnisse der visuellen Untersuchungen von Chromosomen aus Leukozytenkulturen

7 I 1 I I Behandlung Anzahl Anzahl Anzahl Chrorn.

untersuchter untersuchter untersuchter nicht normal 1 Kult. 1 MetaDh. 1 Chrornos. 1 in *I.

Kontrolle 1, kein AP 30 179 6752 6.50 Kontrolle 2, AP nach Blutentnahme 5 46 1742 5,LO

35 2 25 0494 6,25

17 Tg. !j rng AP+ 5 37 1 406 7,96 28 Tg. 25 mg AP 5 23 829 8,91 2 Tg. nach Absetz. v. 25 rng AP 3 13 4 1 1 7,67 _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ - _ _ _ - - -

13 73 2652 0,22*

AP = Azathioprin je kg/KGW/Tag

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Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen 555

Deletion od. stark ungl. Arme

Visuelle Auswertung Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, stieg der Anteil nicht normaler Chromo-

somen von durchschnittlich 6,25 O/o (Kontrollen) auf 8,22 O/o nach der Be- handlung mit taglich 5 bzw. 25 mg Azathioprin je kg/KGW an. Diese Differenz war einfach signifikant zwischen allen Behandlungsgruppen und beiden Kon- trollen. Diese Erhohung war sowohl bei den Deletionen, den Gaps oder Bruchen als auch bei den Konstriktionen feststellbar. Der hochste Anteil ano- maler Chromosomen war mit 8,9 O / o nach 28 Tage langer Verfutterung von 25 mg je kg/KGW vorhanden. Dieser Unterschied war mit P < 0,05 signifikant zur Kontrolle 2 .

1 Bruch 2 Bruche Ringchrom. od. Gap od. Gaps od. Struktur Konstriktionen je Chrom. ie Chrorn. unklar

Computeranalyse Die halbautomatische Messung rnit nachfolgender Computeranalyse

(Tab. 2) fuhrte ebenfalls zu signifikanten Unterschieden in den RGL und ALV. In den Chromosomengruppen C, E und F waren erhebliche Differenzen fest- zustellen. Die hohere und linger dauernde (28.Tg. 25 mg AP) Verfutterung von Azathioprin ergab in 4 Werten signifikante Unterschiede, wogegen die geringere Dosierung (17 Tg. 5 mg AP) nur bei einem Wert signifikante Dif- ferenzen verursachte. Auch wenige Tage nach dem Absetzen des Praparates waren noch erhebliche Veranderungen festzustellen. Die Varianzanalyse zeigte die hochsten Varianzwerte in den Gruppen C und F.

Weibliche Tiere Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in den Tabellen 3 und 4 zu-

sammengefaflt worden.

Visuelle Auswertung Bei der visuellen Erfassung der Chromosomenaberrationen (Tab. 3 ) konn-

ten auch nach bis zu 26tagiger Verabreichung keine Unterschiede nach einer Verfutterung von 5 mg festgestellt werden.

Computeranalyse Die Messung der Chromosomen mit dem Koordinatenmefltisch und der

nachfolgenden elektronischen Analyse erbrachte keine Unterschiede nach einer 3tigigen Verabreichung von AP, jedoch hochsignifikante Diff erenzen in den RGL und ALV nach 26tagiger Verfutterung des Praparates in den Chro- mosomengruppen B, F und G.

1,85 1,LL 448

1,51

Table 1 nacfi Behandlung mit Azathioprin (AP) bei Ebern des Gottinger Miniaturschweines

0,6L 5,26 0,lL 0,07 O,L8 6,87 0,OO 412 4 7 2 s,99 o,a 0,oo

460 5,88 0,lS 0,75

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556

Behandlung

Kontrolle, kein AP Kontrolle, AP nach Blutentnahme

$ Ko@rollen

17 Tg. 5 mg AP++ 28 Tg. 25 rng AP 2 Tg. n. Absatz v. 25 mg AP

Var ianzwerte

S. PAUFLER und Mitarbeiter

A+ B C

RGL ALV RGL ALV RGL ALV

1,349 .629 .a54 .652 .791 .57L 1,377 .640 .a40 .658 .767 .580 _ - _ _ - - - _ _ _ _ _ _ - _ _ _ _ _ _ - - - - - - - - 1,353 .630 .852 .653 .787 ,575

1,305 .634 .865 .629 .783 .556 1,393 .644 .851 .67 1 .781 .593** 1,384 ,632 3 3 4 .668 .788 .591 ** 2.01 1.18 0.97 4.13 5.58 7,L6

Tabelle 2 Ergebnisse der Computeranalyse der relativen Gesamtlangen (RGL) und der Armlangenver-

und Behandlung der Eber rnit

~

Anzahl Anzahl Anzahl Chrorn. untersuchter untersuchter untersuchter nicht normal Kult. Metaph. Chrorn. in "lo

Behandlung

Kontrollen, kein AP 6 30 1.017 442 2 10 383 L,96 3 12 453 3,08

5 22 836 4,31

Behandlung r

':+ P < 0,01, U-Test irn Vergleich zu den Kontrollen

A+ B C

RGL 1 ALV 1 RGL 1 ALV 1 RGL I A LV

Kontrolle, kein AP

3 Tg. C mg AP++ 26 Tg. 5 rng AP

1,363 .63L .852 .644 .794 ,570

1.253 .609 .88L .637 .a00 ,562 1,389 .630 .797** .665 ,766 ,585 i Varianz werte 6.47 1,07 5,42

+''. P < 0,01, U-Test im Vergleich zur Kontrolle

1,80 3,6 1 2,7 1

Die Varianzanalysen fiihrten zu hohen Werten in den Gruppen A, B, F und C;. Die Werte der ubrigen Gruppen waren im Verhaltnis zu den rn? ' nn- lichen Tieren (Tab. 2) auflerordentlich gering.

Diskussion Die visuelle Auswertung und die Computeranalyse fuhrten zu prinzipiell

gleichen Ergebnissen, obwohl nur die relativen Langen und Armlangen- ;erhaltnisse dem Rechner zur Verfugung standen. Wenn die Banderung in Zukunft mit einbezogen werden kann, wird die elektronische Analyse sicher noch a.n Wert gewinnen.

Die Verfiitterung von Azathioprin fuhrte zu einer von der Dosis und wahrscheinlich auch von der Dauer der Applikation abhangigen Zunahme der

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Visuelle und elektronische Analyse der Chromosomen 557

RGL

.933

.961

.937 _ _ _ _ . _ _ _

Tabelle 2 haltnisse (ALV) nach Messung der Chromosomen mit dem Koordinatenrnefltisch. Tierzahlen Azathioprin (AP) wie in Tab. 1 angegeben

~

ALV RGL ALV RGL ALV RGL ALV

.985 .698 .977 .937 .964 .SL6 .s45

.984 A99 .976 .L11 .963 .531 .548

.985 .698 .977 ,433 ,964 .54L .5L5 - - _ - . - - - - - - - . - - - - - - - . - - _

0 l E I F I G

.92 1

.920 .968 .734 .986** .190 .967 .575 .537 ,990 .670 .986** .396 ** .979 ** .525 547

.946 .990 1 .678 1 .985** 1 .LO&** 1 .975 .525 .547

+ Chromosomengruppen A-G der Abb. 1 ++ AP = Azathioprin je kg/KGW/Tag

Anteil der Chrornosomenveranderungen in -10 - Dele k t ion 1 Bruch 2 Bruche Ringc hrorn. od. stark od. Gap od. Gaps od. Struktur Konstr iktionen ungl. Arrne je Chrom. je Chrom. unklar

0,59

426 0,88 0,60

q49 2,85 0.39 0,lO

0,26 4,18 426 0,OO 0,22 1,76 0,OO 0'22

92.4 2.87 q12 412

+ A P = Azathioprin je kg/KGW/Tag

D

Tabelle 4 verhaltnisse (ALV) nach Messung der Chromosomen mit dem Koordinatenmefitisch. Tier- Azathioprin (AP) wie in Tab. 3 angegeben

E I= G

RGL A LV

.932 .990

.920 .984

.965 .990

0,89 1,29

1 RGL A LV RGL ALV RGL A LV

.689 .979 .L33 .970 .586 .539

.699 .969 .446 .955 .562 .560

.699 .977 .392** .968 .534 ** .550 0,lS 0,70 L, l l 2,24 8,86 3,46

chromosomalen Aberrationen. Die 3tagige Verabreichung von 5 mg fuhrte zu keinen Veranderungen (weib., Tab. 4), die 17- und 26tagige Verfutterung erhohte die Chromosomenveranderungen geringgradig (mannlich, Tab. 1 und 2, weib. Tab. 4).

Der relativ geringe Anteil nicht normaler Chromosomen bei der visuellen Auswertung nach 26tagiger Verfutterung von A P war auf die hier zufallig selten vorkommenden zentromernahen Gaps zuruckzufuhren. Bei den mann- lichen Tieren lag der Anteil der kleinen metazentrischen Chromosomen mit Gaps bei 4,9 O/o (Tab. 1 u. Abb. 1, Gruppe G). Bei den weiblichen Tieren verminderte sich dieser Anteil auf 2,8 O/o und war in der Behandlungsgruppe (26 Tg. 5 mg AP) mit 1,8 O/o besonders gering und verandert somit die Summe der Chromosomenanomalien. Bei der Computeranalyse wurden die zentromer-

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558 S. PAUFLER und Mitarbeiter

nahen Gaps dieser Chromosomen der Gruppe G nicht als Anomalien gewertet. Dies fiihrte d a m , dafl dabei die RGL der Gruppen B, F und G signifikant ver- schieden gegenuber den Kontrollen waren (Tab. 4), was durch die Zunahme des Anteils der ungleichen Chromatidarme oder Deletionen bei der visuellen Auswertung bestatigt wird.

Die hochste AP-Dosis (25 mg, 28 Tage lang) fuhrte zu den starksten Ver- anderungen an den Chromosomen. Dies war sowohl bei der visuellen als auch bei der elektronischen Auswertung der Fall. Auch 2 Tage nach dem Absetzen des Praparates waren die Unterschiede zu den Kontrolltieren fast gleich hoch.

Die bei den mannlichen Tieren verwendete hohere Dosis und ihre Aus- wirkung auf die Aberrationshaufigkeit kommt auch durch die Hohe der Varianzanalysenwerte zum Ausdruck. Wahrend bei den mannlichen Schwei- lien 10 Werte hochsignifikante Differenzen anzeigten (Grenzwert 2,55), waren es bei den weiblichen Tieren (nur 5 mg je kg KGW/Tag) nur 6 Werte (Grenz- wert 3,36) (Tab. 2 u. 4).

Diese Zunahme der Anomalien kann sowohl durch das Azathioprin selbst als auch durch primare oder Azathioprin-induzierte sekundare Organstorun- gen bedingt sein.

Diese Ergebnisse sind in gewisser Ubereinstimmung mit den Untersu- chungen von OBE (1971), der nach in vitro-Einwirkung von APauf menschliche Leukozyten als kritische Dosis 50 ,tig/ml Medium ermittelte. Erst bei dieser und hoherer Dosierung stellte er eine Zunahme von achromatischen Lasionen, Chromatidbruchen und Isochromatidbriichen fest. Auch von FRIEDRICH und ZEUTHLN (1970) wurde bei einer Dosis von 38 bis 146 mg A P eine Zunahme des Anteils der Aberrationen festgestellt, wahrend EBERLE et al. (1968) bei einer Dosis von 1,5-2,5 mg Azathioprin/kg K G W keine statistisch gesicherten Unterschiede gegenuber unbehandelten Kontrollen bzw. in der Zeit vor der Behandlung ermittelten.

Zusammenfassung Die mutagene Wirkung von 5 und 25 mg Azathioprin je kg/KGW wurde

an mannlichen und weiblichen Gottinger Miniaturschweinen untersucht. Es wurden Blutproben entnommen und die Lymphozytenkulturen zur

Chromosomendarstellung benutzt. Die Auswertung erfolgte visuell und mit dem Computer nach Messung mit dem Koordinatenmefltisch unter Verwen- dung cler relativen Gesamtlangen und der Armlangenverhaltnisse. Bei der elektronischen Analyse wurden die Chromosomen des Karyotyps in 6 Grup- pen unterteilt.

Sowohl durch die visuelle Auswertung als auch durch die Computerana- lyse wurde nach der Verfutterung von Azathioprin eine Zunahme der Chro- mosomenaberrationen festgestellt. Der Anteil veranderter Chromosomen war nach der visuellen Auswertung bei einer 28tagigen Verabreichung von 25 mg je kg/KGW am hochsten (‘:-I’ < 0,05). Die Computeranalyse erbrachte er- hebliche Unterschiede in den Armlangenverhaltnissen und den relativen Gesamtlangen in 3 Chromosomengruppen bei der gleichen Dosis (’t::.P < 0,Ol).

Die Verabreichung von 5 mg Azathioprin je kg/KGW fuhrte vergleichs- weise zu geringen Veranderungen. Durch die visuelle Auswertung konnten hierbei keine signifikanten Unterschiede zu den Kontrollen festgestellt wer- den. Die Computeranalyse erbrachte nach 3tagiger Behandlung ebenfalls keine Unterschiede. Nach 1 i’tagiger Behandlung wurden jedoch hochsignifi- kante Unterschiede der Armlangenverhaltnisse in einer Chromosomengruppe und nach 26tagiger Verfutterung hochsignifikante Verkurzungen der relativen Gesamtlangen in 3 Chromosomengruppen ermittelt.

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Visuelle und elektronishe Analyse der Chromosomen 559

Die Computeranalyse erwies sich als wertvolle Erganzung der Unter- suchung.

Summary Visual and electronic analysis of chromosomes of the Gottingen

miniature pig after administration of Azathioprin The mutagenic effect of 5 and 25 mg Azathioprin per kg. bodyweight

was studied in male and female Gottingen miniature pigs. Blood samples were taken and the lymphocyte cultures were used fof

chromosome analysis. Assessment was visual and by means of a computer after measurement with coordinate measurement table using relative total lengths and arm length relationships. With the computer the chromosomes of the karyotype were divided into 6 groups.

Both by visual and computer analysis, feeding Azothioprin was followed by an increase in chromosome aberrations. The number of changed chromoso- mes was highest (p < 0.05) by visual analysis when 25 mg/kg body weight were given for 28 days. Computer analysis showed considerable differences in side-arm relationship and relative total chromosome lengths in 3 of the chromosome groups after the same dosage as above (p < 0.01).

Administration of 5 mg Azothioprin per kg produced comparatively less chromosome change. Visual inspection could detect no significant differ- ence from the controls. Computer analysis also showed no change after 3 days dosage. After 17 days dosage highly significant changes in side-arm relation- ships were found in one chromosome group and after 24 days dosage there was higlhy significant shortening of the relative total lengths in 3 of the chromo- some groups.

Computer analysis was found to be a valuable supplementary method of examination.

Rksumk Analyse optique et Clectronique des chromosomes h e z des porcs miniatures

de Gottingen aprks application d’azathioprin On a examink l’action muatghe de 5 et 25 mg d’azathioprin par kg de

poids chez des porcs miniature miles et femelles de Gottingen. Des prises de sang ont k tk faites et des cultures de lymphocytes furent utiliskes pour la re- prksentation des chromosomes. Les rkultats furent obtenus optiquement et d l’aide d’un computer sur la base d’une mesure avec la table de coordonnkes en utilisant les longeurs totales relatives et le rapport des longueurs des bras. Les chromosomes du cariotype furent rkpartis en 6 groupes lors de l’analyse klectro- nique.

On a Ctabli une augmentation des aberrations chromosomiques aprks une alimentation avec de l’azathioprin, en ktablissement les valeurs aussi bien optiquement qu’avec une analyse au computer. Le nombre des chromosomes modifies fut le plus klevk dans une analyse optique lors de l’application durant 28 jours de 25 mg par kg de poids (’:*P < 0,OS). L’analyse au computer apporta de nettes diffkrences dans les rapports des longeurs des bras et les longeurs totales relatives dans 3 groupes de chromosomes avec la m2me dose (:>::- P < 0,Ol). L’application de 5 mg d’azathioprin par kg de poids apporta comparativement de faibles modifications. On n’a pas pu ktablir de diffkren- ce ssignificatives avec les contrbles lors de l’analyse optique. L’analyse au com- puter n’a kgalement pas apportk de differences a p r b un traitement de 3 jours. Des differences hautement significatives ont k t k constatkes dans les rapport des longeurs res bras dans un groupe de chromosomes a p r b un traitement de 17

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560 S. PAUFLER und Mitarbeiter

jours et on a remarquti des raccourcissements trks significatifs des longueurs totales dans 3 groupes de chromosomes aprks 26 jours d’alimentation.

L’amalyse au computer s’est rkvtilke comme un complkment valable de la recherche.

Resumen Anilisis visual y electrbnico de 10s cromosomas de cerdos miniatura

de Gottinga tras la administracibn de azatioprina Se examin6 la accibn mutigena de 5 y 25 mg de azatioprina par kg/PC

en cerdos y cerdas miniatura de Gottinga. Tom4ronse muestras de sangre, utilizando 10s cultivos de linfocitos para

representar 10s cromosomas. La evaluaci6n acontecia de forma visual y con ayuda de la computadora tras medir con la mesa de mensuraci6n con coorde- nadas empleando las longitudes totales relativas y de las proporciones de longitudes braquiales. En el anilisis electr6nico se subdividieron 10s cromoso- mas del cariotipo en 6 grupos.

Tanto mediante la evaluacidn visual como por medio del anilisis con computadora se comprob6, tras consumicibn de azatioprina, un aumento de las abei-raciones cromos6micas. El contingente de cromosomas era maxim0 (‘>P < 0,OS) tras la evaluaci6n visual con la administraci6n durante 28 dias de 25 r ig por kg/PC. El anhlisis hecho por la computadora aducla diferencias considerables en las relaciones de longitudes braquiales y las longitudes totales relativas en 3 grupos de cromosomas con la misma dosis (:$‘>P < O,OI) .

La administracidn de 5 mg de azatioprina por cada kg/PC conducia, de forma comparativa, a modificaciones m i s escasas. Mediante la evaluaci6n visual no se pudo establecer ninguna diferencia significante para con 10s testigos. El anilisis por computadora tampoco aport6 diferencias tras 3 dias de tratamiento. Sin embargo, a1 cab0 de 17 dias de tratamiento se determinaron diferencias muy significativas de las relaciones de longitud braquial en un grupo de cromosomas y tras alimentaci6n durante 26 dias abreviaciones harto significantes de las Iongitudes totales relativas en 3 grupos de cromosomas.

El andisis mediante computadora mostr6 ser un suplemento valioso de la pesquisa.

Literaturverzeichnis 1. EBERIE, P., W. HUNSTEIN und E. PERINGS, 1968: Chromosomes in patients with

2. FRIEDRICH, U., und E. ZEUTHEN, 1970: Chromosomenabnormititen und Behandlung mit Tmuranm (Azathioprin) nach Nierentransplantation. Humangenetik 8, 289-294.

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44-50.

Aclresse des Autors: Herrn Prof. Dr. S. PAUFLER, Tierarzrliches Institut der Universitat Gotringen, Groner Landstrane 2, D-3400 Gottingen.