4
VON 70.000 PPM AUF 150 PPM AUSSCHUSS RCM Industries hat es sich zum Ziel gesetzt, Simulationssoftware als Methodik und nicht nur als Werkzeug einzusetzen. Für die Entwicklung eines Getriebegehäuses nutzt der amerikanische Druckgießer Aallied Die Casting Gießprozess-Simulationstechnik von Magma. Die Ausschussrate des Bauteils konnte so von 7 % auf 0,015 % reduziert werden. SIMULATION UND BERECHNUNG GIESSSIMULATION 82

Von 70.000 ppm auf 150 ppm Ausschuss

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Von 70.000 ppm auf 150 ppm Ausschuss

VON 70.000 PPM AUF 150 PPM AUSSCHUSSRCM Industries hat es sich zum Ziel gesetzt, Simulationssoftware als Methodik und nicht

nur als Werkzeug einzusetzen. Für die Entwicklung eines Getriebe gehäuses nutzt der

amerikanische Druckgießer Aallied Die Casting Gießprozess-Simulations technik von Magma.

Die Ausschussrate des Bauteils konnte so von 7 % auf 0,015 % reduziert werden.

SIMULATION UND BERECHNUNG GIESSSIMULATION

82

Giesssimulation

Page 2: Von 70.000 ppm auf 150 ppm Ausschuss

SIMULATION IN DER PROZESSENTWICKLUNG

Aallied Die Casting in Rutherfordton (NC, USA) ist eine Division der RCM Industries in Franklin Park (IL, USA). RCM verarbeitet vorwiegend Aluminium und stellt Teile im Druckguss mit einem Gewicht zwischen 50 g und 20 kg mit Druckgießmaschinen von 500 bis 2000 t Schließkraft her. In allen vier Druck-gießereien setzt RCM für jedes der pro-duzierten Bauteile Simulationsverfahren in der Prozessentwicklung ein.

Die Möglichkeit, den gesamten Gieß-prozess betriebsintern zu simulieren, ist ein großer Vorteil. Noch wichtiger ist es aber, dass alle vier Standorte aktiv die gleiche Software nutzen und somit wesentlich leichter miteinander kommu-nizieren und in gemeinsamen Projekten zusammenarbeiten können. Wenn ein neues Produkt eingeführt oder ein Werk-zeugersatz notwendig wird, werden mehrere Simulationen durchgeführt und die Erkenntnisse dem Kunden mitgeteilt. So kann der Kunde das Risiko möglicher Probleme in Bezug auf den Erstarrungs-verlauf oder auf die Entlüftung des Gieß-systems bewerten. RCM versucht stets, den Kunden über den gesamten Gießpro-zess von der natürlichen Erstarrung des Rohteils bis hin zum finalen Design des Werkzeugs zu informieren und zeigt anhand der Simulationsergebnisse, wie sich verschiedene Anschnittsysteme auf die Gussteilqualität auswirken.

SIMULATION ALS STANDARD

Das interdisziplinäre Aallied-Team kann die wichtigsten Fertigungsparameter, die im eigentlichen Prozess berücksichtigt werden müssen, auch in die Simulationen einbeziehen, um optimal aussagekräftige Ergebnisse zu gewährleisten. Hierfür werden seit 16 Jahren Magmasoft-Lizen-zen in jedem Entwicklungsprojekt ver-wendet. In den ersten Jahren wurde die Gießprozess-Simulation nur dann einge-setzt, wenn ein Problem auftrat und eine Fehlerdiagnose notwendig machte. Im Verlauf der letzten sechs Jahre haben sich Aallied und RCM zum Ziel gesetzt, den Einsatz der Software nicht nur als Werkzeug sondern als Methodik in einem System einzusetzen. Die Soft-ware bildet daher heute, statt nur ein Teil des Prozesses zu sein, das über-greifende System, das in jedem Ent-

wicklungsschritt und jedem Projekt eingesetzt wird. Heute nutzt das Unter-nehmen die Simulationen mit Magmasoft als Standard für die Prozessentwicklung oder -optimierung und versteht die Soft-ware als eine essenzielle Methodik zur Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse. Für RCM beeinflussen die Erkenntnisse aus der Simulation die Gussteilkonstruk-tion, den Werkzeugbau, die Prozessaus-legung, das Qualitätsmanagement und die Fertigung.

PROBLEMTEIL AM RECHNER OPTIMIEREN

Im Rahmen eines aktuellen Projekts zeigte ein Getriebegehäuse für einen Allrad-Pickup, bevor Aallied Die Casting involviert wurde, beim Kunden eine Ausfallrate von über 7 % (70.000 ppm). In Folge dessen forderte der Kunde vom damaligen Hersteller, sämtliche Abgüsse einem Leckagetest zu unterziehen und alle Teile, die die Prüfung nicht bestan-den, zusätzlich zu imprägnieren. Auf-grund des großen Gussvolumens waren umgehend Maßnahmen zur Senkung dieser unvorhergesehenen Kosten erfor-derlich.

Nachdem Aallied Die Casting auf Kundenwunsch das Werkzeug übernom-men hatte, wurde vor dem ersten Auf-spannen des Werkzeugs zunächst das Gießsystem mit Magmasoft untersucht. Die Simulationsergebnisse zeigten ein-deutig, dass das Füllverhalten nicht opti-mal war. Beim Füllen des Gussteils wur-den zahlreiche Lufteinschlüsse festge-stellt, ➊. Das Team optimierte zunächst sowohl den Gießlauf als auch die Anschnitte, um eine bessere zusammen-hängende Schmelzefront zu erreichen und damit Lufteinschlüsse im Gussteil zu reduzieren.

Durch die Untersuchung weiterer Qualitätskriterien in Magmasoft konn-ten darüber hinaus noch andere Ver-besserungen realisiert werden. So stellte das Team fest, dass auch mit dem neuen Design keine ausreichende Entlüftung möglich war. Das optimierte Anschnittsystem sorgte zwar für ein besseres Füllverhalten im Gussteil und verminderte die Menge an eingeschlos-sener Luft. Allerdings reichten diese Maßnahmen nicht aus, um die Form schnell genug zu entlüften und damit am Ende der Formfüllung hohe Luft-drücke in der Kavität zu vermeiden.

AUTOREN

ALEX MONROEist Manager Druckguss-

anwendungen bei der Magma Foundry Technologies Inc.

in Schaumburg (USA).

MARK HILList Engineering Manager

bei Aallied Die Casting in Rutherfordton (USA).

83 Mai 2014 Automotive Engineering Partners

Giesssimulation

Page 3: Von 70.000 ppm auf 150 ppm Ausschuss

Daher wurden an geeigneten Stellen Entlüftungen hinzugefügt, um dieses Problem zu lösen.

Durch diese Optimierungsmaßnah-men konnte darüber hinaus der im ursprünglichen Werkzeug vorgesehene Einsatz von lokalen Pressen vermieden

werden. Dies reduzierte die Komplexität des Werkzeugs und führte zu einem robusteren und zuverlässigeren Pro-zessablauf und damit zu einer weiteren Ausschussreduzierung.

Nach Umsetzung dieser Konstrukti-onsänderungen wurde eine deutliche

Verbesserung der Gussqualität fest-gestellt, ➋. Der Kunde konnte auf die Dichtigkeitsprüfung sämtlicher Teile und die zusätzliche Imprägnierung ver-zichten. Auf diese Weise wurden sowohl erhebliche Kosten als auch Zeit gespart. Die externe Ausschussrate für dieses Teil liegt beim Kunden gegenwärtig bei 0,015 % (157 ppm) gemittelt über die letzten sechs Produktionsmonate. Dies bedeutet insgesamt rund 21 fehlerhafte Teile bei über 130.000 ausgelieferten Gussteilen. Hierbei gilt es zu berücksich-tigen, dass das Teil beim Kunden auch noch umfangreich mechanisch bearbei-tet wird, ➌. Über die statistischen Prüf-maßnah men hinaus werden bei Aallied keine Nach arbeit und keine weiteren Qualitätssicherungsmaßnahmen wie 100-%-Prüfungen durch Röntgen oder Dichtigkeitsprüfung vorgenommen.

PLATTFORM FÜR ZUSAMMENARBEIT

Mithilfe der Simulation konnte Aallied ihren Kunden viele potenzielle Schwach- beziehungsweise Problemstellen im Bauteildesign von Gussteilen aufzeigen. Da die Gießerei diese Probleme ohne Konstruktionsänderungen nicht voll-ständig beseitigen konnte, war es sehr wichtig, die potenziellen Probleme in der Konstruktion frühzeitig beim Kun-den anzusprechen und sich auf Ände-rungen zu einigen. Die Möglichkeit, diese Schwachstellen zu visualisieren und dem Kunden die konstruktions-bedingten Problemzonen mithilfe von physikalisch fundierten Simulations-ergebnissen direkt zu zeigen, war dabei eine große Hilfe.

RCM betrachtet die Simulation vor allem als eine Plattform für die Zusam-menarbeit mit Kunden, die es ermög-licht, ein robustes Bauteildesign bereits vor Projektstart zu schaffen. Damit wird der Konstruktionsprozess effizienter, um eventuelle Problembereiche in der Ferti-gung im Vorfeld zu identifizieren. Je frü-her diese Zusammenarbeit mit dem Kun-den in der Prozesskette beginnt, umso kürzer sind die Entwicklungszeiten und umso besser wird in der Regel die Quali-tät des Endprodukts.

Seit das Unternehmen die regelmä-ßige Simulation zur Auslegung der Gießtechnik eingeführt hat, ist die durchschnittliche Anzahl an nachträg-lichen Veränderungen für produzierte V2 gefüllt zu 60 % V2 gefüllt zu 90 %

➋ Die optimierte Konstruktion des Gießlaufs reduzierte die Lufteinschlüsse erheblich

V1 gefüllt zu 90 %

V1 gefüllt zu 60 %

Lufteinschlüsse

Lufteinschlüsse

➊ Die Simulation des ursprünglichen Werkzeugs zeigte, dass während des Füllens große Mengen Luft einge-schlossen wurden

SIMULATION UND BERECHNUNG GIESSSIMULATION

84

Page 4: Von 70.000 ppm auf 150 ppm Ausschuss

Werkzeuge deutlich gesunken. Dabei sind die Fachkenntnisse des Nutzers genauso wichtig wie die verwendete Software. RCM sieht die besten Erfolgs-chancen in der Synergie von technischer Erfahrung des Menschen und der Gieß-prozess-Simulation.

Im Druckguss sind gewisse Porositäten im Teil bei gegebenen Kosten nahezu unvermeidbar. Es geht also darum, die Porositäten reproduzierbar auf einen nichtkritischen Bereich des Bauteils zu beschränken. Bei dieser Aufgabe kann die Simulationsumgebung eine große Hilfe sein, vor allem, wenn die Zusam-menarbeit mit dem Kunden zu einem frühen Zeitpunkt beginnt. Denn die Ent-scheidung darüber, welche Bereiche unkritisch sind, liegt zu 90 % bei dem Kunden. Mithilfe der Simulationsergeb-

nisse kann man dem Kunden nachvoll-ziehbar vermitteln, dass die letztendlich gewählte Vorgehensweise die Beste ist. Auch wenn es schwierig ist, die Mängel einer Gussteilkonstruktion dem Kunden gegenüber zu kommunizieren, sind die Gespräche mit dem Hintergrund der Simulationsergebnisse einfacher – und so wird aus den gegenseitigen Bemühun-gen, ein qualitativ hochwertiges Bauteil zu produzieren, eine gemeinsame Zusammenarbeit.

FAZIT

Die Simulation hilft den Ingenieuren, den Gießprozess tiefgreifender zu ver-stehen. Dabei werden die realen Erfah-rungen mit den Ergebnissen am Bild-schirm konsequent verknüpft. Dieser

Ansatz hat den Vorteil, dass sowohl Ingenieurswissen als auch die Fähigkeit, sich die eigentlichen Prozessschritte bildlich vorzustellen, gefordert werden.

Durch das Vertrauen in die simulati-onsbasierten Entscheidungen für ihre Designs konnte das Team von RCM, ➍, Projekte realisieren, von denen alle beteiligten Unternehmen profitieren.

➌ Umfangreiche mechanische Bearbeitung des Gießlaufs – Aallied Die Casting führt keinerlei Nacharbeit durch

➍ Das Team von Aallied bei der Überprüfung der abschließenden Simulation für den optimierten Gießprozess

DOWNLOAD DES BEITRAGSwww.springerprofessional.de/ATZextra

85 Mai 2014 Automotive Engineering Partners