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www.evangelisches-gemeindeblatt.de Job und mehr: Mama froh, Kinder froh Seite 10 Pro und Kontra: Abendmahl vor dem Fernseher? Seite 8 Herz und Hand: Kreativ sein mit Behinderung Seite 21 Gott und Garten: In Öhringen blüht Ökumene Seite 20 Erleben, woran wir glauben 16 17. April 2016 Jubilate 111. Jahrgang Konfirmation Von Kopf bis Fuß evangelisch Seite 4

Von Kopf bis Fuß evangelisch...April 2016 Jubilate 111. Jahrgang Konfirmation Von Kopf bis Fuß evangelisch Seite 4 EG_GES_16_01 1 11.04.2016 11:45:50 Harte Kritik an Luther-Kritikern

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  • www.evangelisches-gemeindeblatt.de

    Job und mehr:Mama froh,Kinder froh Seite 10

    Pro und Kontra:Abendmahl vor dem Fernseher? Seite 8

    Herz und Hand:Kreativ sein mit Behinderung Seite 21

    Gott und Garten:In Öhringenblüht Ökumene Seite 20

    E r l e b e n , w o r a n w i r g l a u b e n

    1617. April 2016Jubilate111. Jahrgang

    Konfirmation

    Von Kopf bis Fußevangelisch Seite 4

    EG_GES_16_01 1 11.04.2016 11:45:50

  • Harte Kritik an Luther-KritikernScharfe Kritik an der Art, wie in Deutschland die Debatte über Luthers Antijudaismus geführt wird, übt der in den USA lebende Journalist und promovierte Theologe Uwe Siemon-Netto. „Statt nun am Vorabend des 500-jährigen Reformationsjubiläums das unersetzlich Wertvolle an Lu-thers Lehre zu betonen, suhlen sich Publizisten und Theologen fast nur im überdimensional Verwerflichen, wo-bei sie Luther oft geschichtsklitternd als den Wegbereiter Hitlers verleum-den“, schreibt Siemon-Netto in einem Pro-und-Kontra-Beitrag in der mittel-deutschen Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“. Wenn der Holocaust in Lu-thers Lehre wurzelte, „wieso wurde er dann nicht im einheitlich lutherischen Skandinavien verbrochen, sondern im katholisch-lutherisch-calvinistisch geprägten Deutschland?“, fragt der Autor. Die evangelische Kirche in Deutschland solle deshalb lieber „die grandiosen Wahrheiten“ betonen, „die wir in unserem, aus dem Leim gera-tenen Zeitalter dringend brauchen“. Luthers bleibendes Verdienst sei seine Wegweisung auf den gnädigen Gott und auf eine Lebenshaltung, die der einzige Ausweg sei „aus der weltum-spannenden Ichsucht, an der unsere Zivilisation zu zerbrechen droht“.

    Picknick beim ChristivalEin rekordverdächtiges Picknick mit mehr als 14 000 Teilnehmern planen die Kirchen in Karlsruhe. Anlässlich des Jugendtreffens „Christival“ vom 4. bis 8. Mai will die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) am 7. Mai ein abendliches Picknick für rund 13 000 Christival-Besucher und Gäste im Karlsruher Schlossgarten ausrich-ten, sagt der evangelische Dekan Tho-mas Schalla. Es solle Europas größtes Picknick werden. Die gemeinsame Mahlzeit sei als Essen „aus der Hand“ gedacht, mit belegten Broten, Brezeln, Obst, Gemüse und alkoholfreien Ge-tränken. Das erste Christival fand vor 40 Jahren 1976 in Essen statt. Zuletzt fand das Festival 2008 in Bremen statt mit etwa 20 000 Teilnehmern. epd

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    TitelthemaDie Wiege der KonfirmationWoher kommt eigentlich dieses Bekenntnis und warum wurde es eingeführt? Seite 4

    ForumGilt ein virtuelles Abendmahl?Darf man sich Brot und Wein vor dem Bildschirm selbst reichen? Pro und Kontra. Seite 8

    FamilienlebenZufriedene Mütter machen Kinder frohWas ist das Beste für mein Kind: eine Krippe, die Tagesmutter – oder doch Mama? Seite 10

    ZeitgeschehenJüdisches aus Bibel entferntTheologen wollten unter Hitler den Glauben von seinen jüdischen Wurzeln kappen. Seite 12

    GlaubenslebenOstern und das echte LebenImpuls zum Predigttext für den Sonntag Jubilate von Viola Schrenk. Seite 15

    Aus dem LandForschen im FlüstertonWen das Ahnenfieber packt, der geht ins Landeskirchliche Archiv. Seite 18

    Die Ökumene blüht aufIn ihrer ganzen Vielfalt präsentieren sich die Kirchen auf der Landesgartenschau. Seite 20

    Kein Blatt vor dem MundBei den „Tettnanger Tischreden“wird wie zu Luthers Zeiten debattiert. Seite 30

    RubrikenRadio & Fernsehen Seite 36

    Unterhaltung Seite 37

    Wohin im Land Seite 38

    Impressum Seite 39Titel: Konfirmation mit Bollenhut in Kirnbach; Foto: Gemeindeblatt

    In diesem Heft

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    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

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    EG_GES_16_02 2 11.04.2016 16:41:42

  • Warum Seelsorge gut tutUnter dem Motto „Seelsorge ist Kirche“ hat die Landes-kirche in Baden gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eine Kampagne gestartet. Sie soll die kirchlichen Angebote der Seelsorge bekannter machen und zeigen, „wie gut Seelsorge den Menschen tun kann“, sagt die Leiterin der Abteilung Seelsorge, Sabine Kast-Streib. Seelsorge sei „etwas sehr Intimes“, finde meist unter vier Augen statt und geschehe wesentlich im Ver-borgenen. Daher sei vielen Menschen gar nicht bewusst, was Kirche in diesem Bereich anbiete. Allein in Baden seien weit über 2000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbei-tende in der Seelsorge tätig. epd

    Persönlich gemeintBei den Sachsen

    Vor wenigen Tagen war ich im Elb-sandsteingebirge in Sachsen. Als ich das Freunden und Bekannten erzählte, musste ich mehr als ein-mal hören: Wie kann man derzeit da hinfahren! Die wählen doch rechts, unterstützen Pegida und verdienen es, mit Missachtung ge-straft zu werden.Nun, ich bin trotzdem dort gewe-sen und habe nur gute Erfah-rungen gemacht. Die Menschen in meiner Pension waren freundlich und hilfsbereit. Nirgendwo rea-gierte einer genervt im Restaurant, obwohl wirklich viel los war an diesem Wochenende. In den Ge-sprächen konnte man spüren, wie differenziert viele hier denken und wie kritisch sie auch manches im eigenen Land sehen. Es war ein Aufenthalt voller schöner Naturer-lebnisse und guter Begegnungen, herrlich renovierter alter Kirchen und einem Gottesdienst im Kreise sächsischer Mitchristen.Das alles wäre mir entgangen, wenn ich nicht hingefahren wäre. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es diese negativen Strö-mungen dort gibt und von Pegida distanziere ich mich an dieser Stel-le ausdrücklich. Aber wem ist da-mit geholfen, wenn wir nun alle pauschal in diese Ecke stellen? Wenn wir um Differenzierung bei syrischen Flüchtlingen bemüht sind, die Sachsen oder Branden-burger aber in einen Topf werfen?Ich jedenfalls werde mir meine Be-gegnung mit den Menschen im Osten Deutschlands nicht ausre-den lassen. Wozu wäre sonst die Mauer gefallen, meint Ihr

    Andreas Steidel

    Sympathiewerte für ReligionenDie Religionszugehörigkeit ihrer Mit-bürger ist für die meisten Menschen in Deutschland kein Problem, ebenso wenig wie Konfessionslosigkeit. Doch begegnen sie Muslimen skeptischer als anderen Gruppen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Antidiskriminie-rungsstelle des Bundes in Berlin veröf-fentlichte. Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der Befragten Muslimen eher negativ gegenübersteht. Immerhin sieht aber eine klare Mehrheit (64 Prozent) Menschen muslimischen Glaubens vorurteilsfrei positiv. Aller-dings können Christen (92 Prozent), Juden (84 Prozent), Buddhisten (81 Pro-zent) und Konfessionslose (88 Prozent) auf höhere Sympathiewerte zählen.Je konkreter sie gefragt werden, desto skeptischer äußern sich die Bürger über die religiöse Praxis. So befürwor-ten zwar drei Viertel der Befragten glei-che Rechte für alle Religionen. Doch spricht sich zugleich nicht einmal die Hälfte (48 Prozent) dafür aus, dass nichtchristlichen Gruppen der Bau von Gotteshäusern und Gebetsräumen er-leichtert wird. epd

    Lutherarchivhaus rechtzeitig eröffnetNach zweieinhalbjährigen Bauarbei-ten ist das Lutherarchiv-Haus in Eisle-ben in Sachsen-Anhalt eröffnet wor-den. Zuvor war das historische Ge-bäude denkmalgerecht saniert und erweitert worden, teilte die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-An-halt mit. Damit sei es gelungen, ein wichtiges Bauvorhaben rechtzeitig vor dem 500. Reformationsjubiläum 2017 abzuschließen. Eisleben ist Geburts- und Sterbeort von Martin Luther. Die Stiftung erhält im Lutherarchiv erst-mals eigene Depoträume in Eisleben. Es soll die Sammlungsbestände der Stiftung sowie die Bestände aus der Turmbibliothek aus der St. Andreas-kirche in Eisleben aufnehmen. Zudem wurden Räume für Veranstaltungen und Bildungsangebote geschaffen. Das Gebäude stand seit mehr als 20 Jahren leer und gehört seit 2005 der in Witten-berg ansässigen Stiftung. epd

    » Schon als Kind habe ich mich gefragt, ob ich am Ende wohl in den Himmel komme oder in die Hölle. «

    Der Schauspieler Manfred Krug (79).

    Die gute Nachricht

    Für den Dialog: Jüdische, islamische und christ-liche Theologen wollen künftig bei der Ausbildung geist-lichen Nachwuchses in Deutschland kooperieren. Das haben das Potsdamer Rabbinerseminar Abraham Geiger Kolleg, das Institut für Islamische Theologie in Osna-brück und die evangelische Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel beschlossen, teilt das Rabbinersemi-nar mit. Die Kooperation sei ein weiterer Schritt, die Beziehungen zwischen den drei Europa prägenden Re-ligionen zu stärken und sie miteinander ins Gespräch zu bringen. Ziel sei es, den Herausforderungen der Zu-kunft gemeinsam zu begegnen. Die Überzeugung, dass die Zukunft der Religionsgemeinschaften von dialogfä-higen Führungspersönlichkeiten abhänge, werde von allen drei beteiligten Institutionen geteilt. Foto: epd-bild

    3Panorama

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    3Panorama

    EG_GES_16_03 3 11.04.2016 16:41:43

  • Die Wiege der KonfirmationAuch in diesem Jahr werden in Württemberg wieder über 20 000 Jungen und Mädchen konfirmiert. Doch woher kommt eigentlich dieses Bekenntnis und warum wurde es eingeführt? Eine Spurensuche im hessischen Ziegenhain, wo 1539 die Konfirmation aus der Taufe gehoben wurde. Von Andreas Steidel

    Dekan Christian Wachter ist etwas in Eile. Er muss zum Konfirmandenun-terricht. 29 Konfirmandinnen und Konfirmanden gibt es in diesem Jahr in Ziegenhain, hier auf dem Lande in Nordhessen ist es noch üblich, dass man sich konfirmieren lässt. „Wir kön-nen nicht klagen“, sagt der Pfarrer und Kirchenkreisvorsteher. In dem 4000-Einwohner-Ort Ziegen-hain hat die Konfirmation eine beson-ders lange Geschichte. Im Rittersaal

    des Schlosses saßen hier vor 477 Jah-ren hohe Herren zusammen und be-rieten darüber, wie man den Konflikt mit den Täufern lösen könnte. Es war ein schwieriges Problem, eine Frage von Leben und Tod. Die Täufer waren der radikale Flügel der Reformation und forderten die Glaubenstaufe. Nur wer alt genug war, um selbst entscheiden zu können, sollte getauft werden. Selbst Kinder, die schon einmal getauft waren, tauf-ten sie wieder, sodass sie bald auch als Wiedertäufer bezeichnet wurden.Wieder taufen war ein gravierender Verstoß gegen die Gesetze der Zeit – nicht nur gegen jene des katholischen Kaisers, sondern auch gegen die der wichtigsten Strömungen innerhalb der Reformation. Martin Luther lehnte die Täuferbewegung ebenso ab wie sein Hauptkontrahent Zwingli in der Schweiz. Mit dem Reichstag von 1529 hatten die Landesfürsten das Recht er-halten, die Täufer mit dem Tode zu bestrafen oder auszuweisen.Einer der Fürsten, der hier eine andere Strategie verfolgte, war Landgraf Phil-ipp I. von Hessen. Der junge Adlige,

    der sein 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, als er 1518 die Regent-schaft übernahm, war durch eine Be-gegnung mit Philipp Melanchthon 1524 zum überzeugten Lutheraner ge-worden. Im Eilverfahren führte er 1526 die Reformation ein, im hessischen Homberg/Efze fand im gleichen Jahr die erste Synode der Welt statt.Philipp tat alles, um das evangelische Lager zu einen. So stark wie möglich musste man sein, um dem katholi-schen Kaiser Paroli bieten zu können. Der hatte 1529 auf dem Reichstag erst wieder versucht, das Luthertum zu verbieten – und Philipp hatte mit meh-reren anderen Fürsten offiziell dage-gen protestiert. Protestanten wurden sie fortan deshalb auch genannt. Im gleichen Jahr gelang es dem Land-graf von Hessen, die Hauptkontrahen-ten der Reformation in Marburg an einen Tisch zu bringen. Luther und Zwingli kamen tatsächlich, doch das Marburger Religionsgespräch brachte nicht die erhoffte Einigung. Dafür stand Philipp 1534 dem aus seinem Land vertriebenen Herzog von Würt-temberg in der Schlacht bei Lauffen

    Ziegenhain von oben: Die Form der alten hessischen Wasser festung ist noch erkennbar.Foto: TourismusRotkäppchenland

    Der geistige Vater der Konfirmation: Martin Bucer aus Straßburg. Foto: epd-bild

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    EG_GES_16_04 4 11.04.2016 16:44:34

  • erfolgreich zur Seite. Gleich danach führte Herzog Ulrich die Reformation in Württemberg ein. Wieder ein Mit-streiter mehr im Kampf gegen den Papst und Kaiser.Auch der Konflikt mit den Täufern war Philipp ein Dorn im Auge. Eine er-neute Schwächung für die Kräfte der Reformation. Dafür musste es eine an-dere Lösung als Ausgrenzung und Ge-walt geben, zu viele Menschen sym-pathisierten mit deren Gedanken. Und war die Forderung nach einem be-wussten Glaubensbekenntnis nicht irgendwo auch nachvollziehbar? Philipp streckte seine Fühler aus nach einer Lösung und einem Menschen, der diese Lösung herbeiführen konnte. Schon vor einigen Jahren hatte der Straßburger Reformator Martin Bucer mit einer Idee auf sich aufmerksam gemacht. Konfirmation hieß sie, die Bekräftigung der Taufe, ohne sie in ihre ursprünglichen Form in Frage zu stellen. In Württemberg war er damit 1534 noch abgeblitzt, doch nun schien seine Stunde gekommen.Bucer war ein Vertreter der oberdeut-schen Reformation, die den Schwei-zern um Zwingli nahe-stand. Er galt als ein Mann des Kompromis-ses, der zeitlebens ver-suchte, die widerstreiten-den Parteien zusammen-zubringen. Wo Luther auf Konfrontation ging, wollte Bucer vermitteln. „Plappermaul“ hat ihn Lu-ther deshalb einmal verächtlich auch genannt.Ende 1538 hatte Martin Bucer auf Wunsch von Landgraf Philipp in Mar-burg mit inhaftierten Täufern gespro-chen. Sie hörten ihm zu – und er ih-nen. Daraufhin reiste Bucer zu Luther nach Wittenberg, um sich über die weitere Vorgehensweise abzustim-men. Doch der blieb bei seiner ableh-nenden Haltung: Mit Täufern solle man nicht reden, sondern sie vertrei-ben. Keine Zugeständnisse an diese unheilvolle Sekte!Daraufhin entschloss sich Philipp zu einem Alleingang mit Bucer. 1539 be-rief er in seiner Nebenresidenz in Zie-genhain eine Versammlung ein, der auch der bekannte hessische Reforma-tor Adam Krafft angehörte. Was am Ende herauskam, sollte als „Ziegenhai-ner Zuchtordnung“ in die Geschichte eingehen: Ihr zentraler Bestandteil war ein öffentliches Bekenntnis der Jungen und Mädchen, mit dem sie ih-

    ren Glauben bekräftigen. Eine Taufer-innerung, aber keine zweite Taufe, eine Bestätigung des Sakraments, aber keine Infragestellung.„Hier wurde die Konfirmation aus der Taufe gehoben.“ Dekan Christian Wachter mag diese Formulierung, weil sie für ihn den Kern trifft. Für seine Konfirmanden hat er vor zwei Jahren ein kleines Theaterstück geschrieben, in dem er die Versammlungsteilneh-mer diskutieren lässt. „In unserem Land soll niemand nur wegen seines Glaubens hingerichtet werden“, sagt dabei Adam Krafft und ein Gerardus Noviamagus ergänzt, dass man ihnen im Namen des Herrn die Hand aufle-gen und sie konfirmieren soll. Wachter hat sich für die Auftritte sogar einen historischen Talar schneiden lassen, indem er aussieht wie ein Würdenträ-ger aus der Zeit des landesherrlichen Kirchenregiments. Es hat lange gedauert, bis man in Zie-genhain die Besonderheit der neuen Zuchtordnung erkannt hat. Zumeist ging es in dem 4000-Einwohner-Ort, der heute ein Teil von Schwalmstadt ist, nur um die große Wasserfestung.

    Auch die hatte Philipp ausbauen und anlegen lassen. In ihren Grundzü-gen ist sie noch heute er-kennbar, das Schloss je-doch, wo die Konfirma-tion ausgeheckt wurde,

    nicht für die Öffentlichkeit zugänglich: Dort ist schon seit dem späten 19. Jahr-hundert eine Justizvollzugsanstalt un-tergebracht. Eine ihrer prominentes-ten Insassen war der RAF-Terrorist Andreas Baader. Am 23. April wird es in Ziegenhain nun erstmals eine Themen-Führung geben, die den Titel trägt: „Ziegenhain – Die Erfindung der Konfirmation“. Im Vorfeld des Luther-Jubiläums ist auch dort das Bewusstsein für die Ereig-nisse der Reformation gewachsen, in deren Verlauf Hessen eine ganz beson-dere Rolle zukommt. Von Ziegenhain aus sollte sich die Konfirmation in an-dere Teile der Landgrafschaft und der evangelischen Welt verbreiten.Dass sie sich flächendeckend jedoch erst 200 Jahre später verbreitet (siehe auch Seite 7), liegt auch an Luther selbst: Denn ausgerechnet er sollte die Konfirmation zunächst ablehnen. Zu nah war sie ihm an der katholischen Firmung und zu wenig sah er ein, dass man etwas brauchte, um den Täufern entgegenzukommen.

    Ein Kritikpunkt an den Täufern war auch ihre Befürwortung der Vielehe: Böse Zungen behaupten, dass Philipp auch deswegen mit ihnen sympathi-sierte, weil er 1540 selbst noch ein-mal heiratete, obwohl er bereits eine Ehefrau hatte (siehe auch Seite 9). Von Luther hatte er sich dafür die Zu-stimmung geholt, die dieser ihm un-ter Bauchschmerzen und mit der Bitte um Verschwiegenheit gab. Das ganze flog auf und stürzte die Reformation eine Krise. Durchgesetzt hat sie sich schließlich doch – genauso wie die Konfirmation. ■

    Ziegenhains Dekan Christian Wachter (oben) mit historischem Talar vor dem Schloss, in dem die Konfirmation erfunden wurde. Unten: Szene aus dem Marburger Religionsgespräch.Fotos: Gemeindeblatt, epdbild

    Luther lehnt Konfirmation zunächst ab

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Titelthema 5

    Information

    Ziegenhain gehört heute zur evan-gelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck. Es gibt einen Pilger- und Katechismuspfad sowie neu jeden dritten Samstag im Monat eine Füh-rung über die Erfindung der Kon-firmation (14 Uhr, Paradeplatz 7). Sonderführungen für Gruppen auf Anfrage: Telefon 06691-207200, Internet www.schwalmstadt.de, www.grimmheimat.de/luther2017

    EG_GES_16_05 5 11.04.2016 16:44:36

  • Pfarrer Stefan Voß mit den Bollenhut tragenden Kon-firmandinnen Julia Milazzo (Mitte) und Franka Wernet.Foto: Gemeindeblatt

    Der evangelische BollenhutDer rote Bollenhut ist das bekannteste Symbol des Schwarzwaldes. Sein Ursprung liegt in drei evangeli-schen Gemeinden im Kinzigtal, wo ihn die Mädchen von der Konfirmation bis zu ihrer Hochzeit tragen. Ein Besuch in Kirnbach, das alljährlich an Judika Trachtenkonfirmation feiert. Von Andreas Steidel

    Julia Milazzo und Franka Wernet ha-ben schon etwas geleistet. Rund eine Stunde hat es gedauert, bis sie ange-zogen waren: die Frisur, der Haar-schmuck, Kappe, Strumpfhosen, Spit-zenschleier, Rock und Mieder. Es ist

    ein filigranes Gesamtkunstwerk, das die beiden Konfirmandinnen an jenem kalten Schwarzwälder Morgen tragen, mit dem roten Bollenhut als krönen-dem Abschluss. „Ganz schön schwer“, sagen sie, denn der Strohhut mit den Wollknäueln und seinem zementier-ten Untergrund wiegt 1,5 Kilo.Der Schwarzwälder Bollenhut ist eine der bekanntesten Kopfbedeckungen der Welt. Von Tokio bis Singapur, von Kapstadt bis New York ist er unter-wegs, um im Ausland Werbung für Deutschland zu machen. Von all den vielen Trachten im Schwarzwald hat nur er es geschafft, zum internationa-len Symbol zu werden.Umso erstaunlicher, dass es sich dabei tatsächlich nur um die lokale Tracht

    dreier Gemeinden im Kinzigtal handelt: Guttach, Reichenbach und Kirnbach. Ausgerechnet sie haben, inmitten einer tiefkatholischen Umgebung eine ganz und gar evangelische Tradition: Durch einen Gebietstausch gerieten die einst

    württembergischen Orte 1810 nach Ba-den, wo sie nun eine evangelische Insel inmitten des Großherzogtums bildeten.Auch den Bollenhut beka-men sie noch von den Württembergern mit auf den Weg: Es war Herzog Friedrich Eugen, der in ei-nem Brief 1797 die Ferti-gung von Strohhüten mit roten und schwarzen Kreisen anord-nete. Die Hutmacherei sollte die Not lindern und die verzierten Hauben die Trachtenmode beleben. An diesem Morgen im März 2016 setzt sich der kleine Trachtenumzug vor dem Kirnbacher Pfarrhaus in Bewe-gung. Er wird angeführt von der Trachtenkapelle und der Kurrende-

    Gruppe und neben den roten Bollen-hut-Trägerinnen gibt es Frauen mit schwarzen Bollenhüten. Der schwarze Bollenhut ist die Tracht der Verheira-teten, er hat es nicht annähernd zu einer Berühmtheit gebracht wie sein farbenfrohes Pendant. Inmitten der Schwarzwälder Trachten-gruppe gehen Franka und Julia. Sie sind in diesem Jahr die einzigen Kon-firmandinnen. Der Morgen ihrer Kon-firmation ist der erste, an dem sie den roten Bollenhut tragen. Neben ihnen geht Pfarrer Stephan Voß, der mit einer halben Stelle in Kirnbach ist, mit der andern Hälfte in Wolfach: Es sind zwei völlig verschiedene Glaubenswelten. Da wo der Bollenhut ist, liegt Alt-Würt-temberg, in Wolfach jedoch urkatho-lisches Land.Mitte des 19. Jahrhunderts war der Schwarzwälder Bollenhut schon bei-nahe vergessen. Erst eine Künstlerko-lonie in Guttach entdeckte ihn wieder für sich und verbreitete ihn auf Post-karten. Dass sie auch in hohem Maße zur Kirchentracht wurde, ist vor allem dem evangelischen Pfarrer von Kirn-bach Erik Turnwald zu verdanken. 1963 führte er die Trachtenkonfirma-tion ein, gründete die Sing-, Tanz- und Trachtengruppe Kirnbacher Kurrende und tat überhaupt alles, um den Bol-lenhut wieder zu einem festen Be-standteil des evangelischen Lebens in Kirnbach werden zu lassen. Kritiker haben ihm vorgeworfen, den populären Bollenhut nachträglich für

    sich vereinnahmt zu ha-ben. Dem kann Pfarrer Stefan Voß jedoch nicht zustimmen: „Für mich ist er auch eine Kirchen-tracht“, sagt er, „das zei-gen alte Konfirmations-

    bilder.“ Andere, wie die Bollenhutma-cherin Waltraud Kech, weisen darauf hin, dass die 14 Wollknäuel in Kreuz-form angeordnet wurden. Traditionell bekommen die Mädchen sie von der Patentante, der Mutter oder Oma geschenkt. Wo das nicht der Fall ist, hilft der Verein und leiht die 2000 Euro teure Tracht aus. ■

    Ist er nun Kirchentracht oder nicht?

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Titelthema6

    EG_GES_16_06 6 11.04.2016 16:44:38

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    Erst 1723 wird in Württemberg die Konfirmation eingeführt

    Pietismus als Wegbereiter1539 findet im hessischen Ziegenhain die erste Konfirmation statt (siehe Seite 4). Von dort aus verbreitet sie sich in viele Teile der damaligen evan-gelischen Welt, keineswegs jedoch in alle. Martin Luther war zunächst zö-

    gerlich und mancher Landesherr auch: So dauert es im Herzogtum Württem-berg bis 1723, ehe die Konfirmation gefeiert wird. Bis dahin hatte man den Unterricht an den Schulen als ausreichend empfun-den. Die waren in dieser Zeit eine rein

    kirchliche Aufgabe und der Pfarrer zu-meist auch der Lehrer.Mit dem Pietismus änderte sich je-doch auch das Abendmahlsverständ-nis: Nun ging es um die Heiligung des einzelnen, um die moralische Wür-digkeit, das Sakrament zu empfan-gen. Dazu brauchte es ein individuel-les und öffentliches Bekenntnis im Gottesdienst: die Konfirmation. Es war eben jene 200 Jahre alte Idee von Martin Bucer, die sich nun in Würt-temberg ebenso durchsetzte wie in Kursachsen oder Hamburg. Einer der wichtigsten Fürsprecher der pietisti-schen Konfirmationsbewegung war der Theologe Philipp Jacob Spener (1635–1705).Freilich gibt es auch auf dem Gebiet der heutigen Landeskirche in Würt-temberg Regionen, in denen Vorläufer der späteren Konfirmation bereits mit der Reformation entstanden: In Ho-henlohe etwa, das 1806 an Württem-berg fiel, ist schon im 16. Jahrhundert eine spezielle Unterweisung vor dem ersten Abendmahl üblich. st

    Konfirmation aktuell

    22 000 Jugendliche werden in die-sem Jahr in der Landeskirche kon-firmiert. Hauptkonfirmations-sonntag ist der Sonntag Rogate, der in diesem Jahr am 1. Mai ist. Konfirmiert wurde aber auch am Sonntag Miserikordias Domini (10. April). Außerdem sind die Sonn-tage Jubilate (17. April), Kantate (24. April) und Exaudi (8. Mai) Konfirmationstermine.Früher waren die Konfirmationen in der Regel in der Passionszeit. Doch immer mehr Gemeinden stellen nun auf die Sonntage nach Ostern um. 2017 sollen es nach Auskunft der Landeskirche 95 Pro-zent der Gemeinden sein. Damit können die Passions- und die Os-terzeit in den Konfirmandenunter-richt mit einbezogen werden, be-gründet die Landeskirche den Tra-ditionswandel.Die Konfirmation ist nach wie vor beliebt. „Über 90 Prozent aller als Kind Getauften gehen zur Konfir-mation“, sagt Landesjugendpfarrer Bernd Wildermuth. pz

    Jährlich lassen sich in Württemberg über 20 000 Jugendliche konfirmieren. Foto: Werner Kuhnle

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Titelthema 7

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    EG_GES_16_07 7 11.04.2016 16:44:39

  • Gilt ein virtuelles Abendmahl?Fernsehgottesdienste gehören längst zum kirchlichen Alltag. Das Abendmahl können TV-Zuschauer bisher aber nicht mit-feiern. Warum nicht?, dachte sich Fernsehpfarrer Heiko Bräuning und lud an Ostern die Bildschirmgemeinde ein, das Aus-teilen von Brot und Wein vor dem TV-Gerät nachzuvollziehen. In der Landessynode hat er damit eine heftige Debatte aus-gelöst. In seinem Pro verteidigt er die Idee. Pfarrerin Elke Dangelmaier-Vinçon hält im Kontra dagegen.

    Heiko Bräuning ist Pfarrer bei den Zieglerschen in Wilhelmsdorf und leitet den Fernsehgottes-dienst „Stunde des Höchsten“.

    Elke Dangel-maier-Vinçon ist Pfarrerin und Referentin beim Dekan in Ludwigsburg.Fotos: privat (2); epd (1)

    Das Abendmahl mit den Zuschauern des Fernsehgottesdienstes zu feiern, hat eine

    Geschichte: Pro Woche erreichen wir über 400 000 Menschen. Viele von ihnen sind jeden Sonntag da-

    bei. Es sind nicht Zuschauer, sondern Mitfeiernde. Pro Woche erreichen uns bis zu 300 Reaktionen: per Mail, per Telefon, per Post. Viele berichten uns, wieviel ihnen dieser Fernsehgottesdienst bedeutet, da sie nicht mehr zur Kirche gehen können. Eine 62-jährige Frau pflegt seit drei Jahren ihren pflegebe-dürftigen Mann. Seit seinem Hirnschlag braucht er rund um die Uhr Betreuung. Das Pflegebett steht im Wohnzim-mer. Sonntags stellt sie zwei Kerzen auf, legt die Bibel auf den Wohnzimmertisch und das Ehepaar feiert den Fern-sehgottesdienst mit! Seit drei Jahren.Der Ortspfarrer weiß von ihrer Situation, hat sie bisher einmal besucht, obwohl sie vorher regelmäßig im Ge-meindegottesdienst waren. Aus vielerlei Reaktionen sol-cher Art haben wir uns gefragt: Sind wir nicht nur Fern-sehgottesdienst, sondern Fernsehgemeinde? Sicherlich: Diese Fernseh-Gemeinde ist „virtuell“ – wie es auch die Gemeinschaft mit Christus ist: Sie ist nicht leibhaftig, aber im Heiligen Geist existent. Diese virtuelle Gemeinschaft ersetzt nicht die leibhaftige Gemeinde, sondern sie gehört zum Leib Christi. Im Abendmahl lässt sich virtuelle oder leibhaftige Ge-meinde von Christus selbst einladen: Schuld zu beken-nen, Vergebung zu erhalten, von ihm die Gaben zu neh-men, sich an ihn zu erinnern, Gemeinschaft mit ihm zu haben. Das Abendmahl im TV ist nach Vorlage der Agenda der württembergischen Landeskirche genauso zu feiern, wie mit der Vor-Ort-Gemeinde (inklusive stiller Minuten zu Selbstprüfung, Bekenntnis, Zuspruch und Gabenempfang). TV-Abendmahl ist kein Sakrament „zweiter Klasse“, wie es auch keine Gegenwart Christi „zweiter Klasse“ gibt. Wer urteilt über die Gültigkeit des Sakramentes? Sollte Christus sagen: „Ungültig!“, wenn einer im Wohnzimmer seine Schuld bekennt, und Christus ihm per-sönlich durch den Fernsehgeistlichen Vergebung zusprechen lässt? Sollte Christus sagen „ungültig“, weil eine Ehefrau nach Anweisung des Geistlichen mit ihrem pflegebedürfti-gen Mann Brot und Wein teilt und sie so die höchste Form der Christusge-meinschaft zelebrieren? Weder Bekenntnisschriften noch Kir-chenordnung machen Aussagen zur medialen Welt. Deshalb sollten wir mit Gottvertrauen treu und neu an die He-cken und Zäune gehen. Heiko Bräuning

    Ich maße mir nicht an, über die „Gültigkeit“ eines solchen

    Abendmahls zu entscheiden. Die Antwort darauf müssen wohl Kirchenjuristen und Gott selbst geben.

    Für Menschen, die ans Haus gebunden sind, sind Gottes-dienste im Fernsehen oder im Internet eine gute Möglich-keit, einen Gottesdienst mitzufeiern. Allerdings höre ich immer wieder gerade von diesen Per-sonen, dass sie es eher als „Ersatz“ erleben und nicht als „richtigen“ Gottesdienst. So vieles fehlt: Allein der Klang ist anders, die Begegnung mit den anderen aus der Ge-meinde fällt weg, der besondere Kirchenraum ist nicht zu spüren – man bleibt meist doch passiv und Zuschauer. Eine wichtige Einsicht der Reformation war, dass bei einem Got-tesdienst die Anwesenden beteiligt sind, eben keine Zu-schauer. All dies gilt natürlich auch, wenn Abendmahl via Bild-schirm „gefeiert“ wird. Es hat etwas von einer mittelalter-lichen „Winkelmesse“, wenn ein Pfarrer allein vor der Ka-mera hantiert und keine Gemeinde anwesend ist. Die Re-formatoren haben dieser Art von Gottesdienst entschieden widersprochen. Das Abendmahl ist eine körperliche Angelegenheit. Ich nehme beim Essen und Trinken mehr in mich auf als zwei Lebensmittel. Brot und Wein sind Zeichen, die auf Jesus Christus hinweisen. Abendmahl feiere ich dazu nicht nur mit den Menschen, die ich mir aussuche, sondern mit allen, die sich von Gott an seinen Tisch einladen lassen. Am Bild-schirm fehlt die Gemeinschaft dieser anderen. Die Vorstel-lung, dass anderswo weitere Menschen vor ihrem Gerät sitzen, ist keine Gemeinschaft. Dazu muss man sie sehen, hören und vielleicht sogar auch riechen und mit ihnen kommunizieren. Wenn die Ortspfarrerin oder der Ortspfarrer zum Haus-abendmahl kommt, dann wird die Zuwendung der Ge-meinde zu denen, die nicht (mehr) kommen können, spür-bar. Es findet wirkliche Begegnung statt. Zudem: Wo wird für mich spürbar, dass es das Abendmahl

    nur als Gabe, als Geschenk gibt, wenn ich mir selbst Brot und Wein auf mei-nen Couchtisch stelle und es von dort dann nehme, wie sonst die Salzstan-gen? Erste Witzbolde erkundigten sich schon in Kommentaren, ob es Brot und Wein sein müsse, ob nicht auch Cola und Chips gingen. Die TV-Abend-mahlsfeier ist jederzeit digital wieder abrufbar. Damit kann ich mir wieder und wieder Vergebung und Abend-mahl „reinziehen“, wann immer es mir danach ist. Ist das wirklich ein würdiger Umgang mit einem Sakra-ment? Elke Dangelmaier-Vinçon

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Forum8

    EG_GES_16_08 8 11.04.2016 14:14:06

  • Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    9Kultour

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    Philipp von Hessen war mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet – und das mit Luthers Segen

    Seine beiden Frauen halten ihm die TreueMargarethe von der Saale. Diesen Na-men sollte man sich merken, so kurz vor dem runden Jubiläum der Refor-mation. Als Martin Luther 1517 seine Thesen anschlägt, ist das Fräulein aus Sachsen noch gar nicht geboren. 22 Jahre später aber wird sie ihm und allen Mitstreitern des neuen Glaubens Kopfzerbrechen bereiten. Warum, das erklärt eine Sonderausstellung im Mu-seum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden. Wobei Margarethe da-rin nur eine Nebenrolle zukommt. Im Mittelpunkt steht der Mann, der für sie alles aufs Spiel setzte: Landgraf Phil-ipp von Hessen (1504–1567).Im August 1539 lernt Philipp Margare-the kennen, ein Hoffräulein im Ge-folge seiner Schwester Elisabeth von Rochlitz. Sie ist schön, liebreizend, 17-jährig. Er ist doppelt so alt, hoch-strebend, vor allem aber verheiratet. Seit 1524 schon mit Christine von Sachsen. Das ausgehende Mittelalter kennt dafür eine anerkannte Lösung: das Konkubinat.Der Landgraf wählt eine andere Lö-sung. Er heiratet Margarethe. Mit der Erlaubnis von Martin Luther und Phi-lipp Melanchthon. Warum er das tut, liegt im Halbschatten der Geschichte. Auf jeden Fall war es eine riskante Ent-scheidung: Mit dieser Doppelehe ver-stößt Landgraf Philipp gegen das Recht der Kirche wie gegen das Gesetz des Reiches – auf Bigamie steht Todes-strafe. Zu dieser wird es zwar nicht kommen, aber er ist fortan angreifbar, angewiesen auf die Gunst und Gnade des katholischen Kaisers Karl V.

    Ausgerechnet er, Philipp der Großmü-tige. Ein mutiger Politiker, mutiger Kriegsherr, mutig gegen Kaiser und Papst, mutig für die Sache der Refor-mation. Während die Reformatoren den neuen Glauben noch von der Kanzel verkünden, macht er damit Staat. Mit gerade 23 Jahren gründet er die Marburger Universität. Er be-gründet die Diakonie und löst mit der Einführung der Konfirmation den Streit um Kinder- und Erwachsenen-taufe. Als Moderator vermittelt er zwischen den Anhängern von Martin Luther und Huldrych Zwingli. Mit Kurfürst Johann Friedrich von Sach-sen führt er den erstarkenden Schmal-kaldischen Bund an.Was wohl möglich gewesen wäre für die Reformation ohne das Kapitel Dop-pelehe – diese Frage steht am Anfang der Ausstellung. Sie setzt den Schwer-punkt auf das Jahr 1540, in dem sich Philipp vom großmütigen Gegner des Kaisers zum kleinmütigen Bittsteller wandelt. Kurator Kai Lehmann erzählt dieses Kapitel der Reformation vor allem mit ihren handelnden Personen, sie be-gleiten den Besucher als lebensgroße Figuren. Weil es an Exponaten man-gelt, darf das Geschehen spielerisch erkundet werden. So zeigen etwa Do-minosteine, welche Person in dieser Geschichte eine andere zum Sturz bringen könnte. Am Ende stürzt vor allem Landgraf Philipp. Politisch. Seine beiden Frauen halten ihm die Treue. Bis dass der Tod sie scheidet. Susann Winkel

    ◼ Bis zum 8. Januar 2017 im Museum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkal-den zu sehen; geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr.

    Nürnberg erhält große Dürer-SchenkungDie Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg erhalten die Dürer-Samm-lung des Unternehmers Karl Diehl (1907–2008). Sie soll 140 Blätter um-fassen. Seit den 1960er-Jahren hatte der Nürnberger Unternehmer Diehl den Angaben der Stadtverwaltung zu-folge Kupferstiche, Holzschnitte und Radierungen Albrecht Dürers zusam-mengetragen. Ausgewählte Werke sind im Albrecht-Dürer-Haus vom 15. April bis 17. Juli in der Sonderausstel-lung „Schatz aus Papier“ zu sehen.

    Albrecht Dürer (1471–1528) war Ma-ler, Kupferstecher, Buchillustrator, Kunsttheoretiker, Unternehmer und Ratsherr. Er gab der Dürerzeit seinen Namen, die für die Hochzeit deutscher Kunst zwischen 1480 und 1530 steht. Zu Dürers berühmtesten Werken ge-hören die „Betenden Hände“, das Por-trät von Kaiser Maximilian, sein Selbstbildnis im Pelzrock oder der Stich der „Melancholia“. Dürers Grab befindet sich auf dem Nürnberger Jo-hannisfriedhof. epd

    Blick in die Ausstellung zu Landgraf Phillipp.Foto: privat

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    EG_GES_16_09 9 11.04.2016 11:56:15

  • Zufriedene Mütter machen Kinder frohWas ist das Beste für mein Kind: eine Krippe, die Tagesmutter – oder doch die Betreuung zu Hause? Als die Journalistin Ingrid Kahlig vor 17 Jahren ihre damals zweijährige Tochter in die Krippe brachte, machte sie gute Erfahrungen. Alexandra Wolters sprach mit ihr.

    Frau Kahlig, 1998 haben Sie Ihre Tochter im Alter von zwei Jahren in eine Krippe gegeben. Was waren ihre Beweggründe?Ingrid Kahlig: Da gab es gleich meh-rere: Zum einen war ich alleinerzie-hend und der Vater nicht präsent. Ich war mit Phyllis quasi alleine. Meine Mutter starb, als meine Tochter ein halbes Jahr alt war, ich war ihre ein-zige Bezugsperson. Das fand ich schade und für vor allem für ein Ein-zelkind nicht ausreichend. Ich wollte, dass Phyllis auch mit anderen Kindern aufwuchs.

    Zum anderen wollte ich wieder als freiberufliche Journalistin arbeiten. Dabei ging es mir gar nicht ums Geld. Ich merkte nur, als Phyllis etwa an-derthalb Jahre alt war, dass ich wie-der etwas für mich und meinen Kopf tun wollte. Ich war und bin auch im-mer noch der Überzeugung, dass ein

    Kind vor allem dann zufrieden und glücklich ist, wenn es seine Eltern auch sind.

    Wie sah die Betreuung Ihrer Tochter damals aus?Ingrid Kahlig: Zunächst habe ich eine Tagesmutter gefunden, eine ganz tolle und liebevolle Frau, die für meine an-derthalbjährige Tochter ganz schnell zur Bezugsperson wurde. Sie strahlte die nötige Ruhe aus, die ich damals nicht immer aufbringen konnte. Gleich-zeitig habe ich mich nach einer passen-den Krippe für Phyllis umgeschaut. Damals gab es nur wenige Einrichtun-gen für Kinder unter drei Jahren – und die Wartelisten waren sehr lang. Zum Glück bekamen wir einen Platz bei den Schmetterlingen in Herren-berg, einer Krippe für maximal zwölf Kinder, die von vier Erzieherinnen zwischen 7.30 Uhr und 13.30 Uhr unheimlich kompetent und liebevoll betreut wurden.

    Was waren aus Ihrer Sicht die Vorteile der Krippe für Ihre Tochter?Ingrid Kahlig: Zum ei-nen kam Phyllis bei den Schmetterlingen mit gleichaltrigen Kindern in Kontakt. Schnell wurde sie selbstständiger und kommunikativer. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie viel Spaß hatte. Zudem kam der gere-gelte Tagesablauf bei Phyllis gut an: Morgenkreis, Lieder singen, raus ge-hen, spielen, gemeinsames Essen und Mittagsschlaf. Ich denke, dass so eine Strukturierung für viele Kinder wich-tig ist, die Familien das aber nicht im-mer zu Hause leisten können. Da ist man als Mutter oft viel zu beschäftigt: Der Haushalt muss erledigt werden, dann klingelt das Telefon oder man muss einkaufen. Ganz besonders profitiert haben wir von der fachlichen Kompetenz der

    Krippenleiterin. Sie hat schnell er-kannt, das Phyllis Probleme mit der sensorischen Integration hatte: Sie konnte manche Aufgaben, wie zum Beispiel „Hol bitte das rote Auto aus dem Regal“, nicht oder nur teilweise verstehen und vor allem nicht ausfüh-ren, sich also nicht entsprechend in Bewegung setzen. Mit Hilfe einer Ergo-therapie besserte sich das aber schnell.

    Vor 17 Jahren war es ja absolut nicht üblich, Kinder unter drei Jahren in eine Betreuung zu geben. Wie hat Ihr Umfeld damals reagiert?Ingrid Kahlig: Zum Glück gab es da gar

    keine Diskussionen oder negative Äußerun-gen. Denn sowohl in meinem Freundes- als auch Arbeitskreis haben schon damals viele El-tern ihre Kinder früh be-treuen lassen. In unse-rer Gemeinde war das ein bisschen anders, da

    lebten viele Familien mit „normalen Strukturen“, die uns nicht wirklich kannten. Ich glaube, da haben uns ei-nige für Exoten gehalten. Aber echte Ressentiments habe ich nicht gespürt. Es haben ja auch alle gesehen, dass es Phyllis gut ging.

    Sie haben Ihre Entscheidung nie be-reut und sind heute noch sehr dank-bar die Zeit in der Krippe. Was war Ihr Erfolgsrezept als Mutter?Ingrid Kahlig: Ich glaube, ganz wichtig und entscheidend war, dass ich ihre erste Bezugsperson geblieben bin und unsere Bindung nicht gelitten hat. Ich hatte ja auch noch genügend Zeit mit ihr, die Krippe war um halb zwei zu

    » Ich glaube, da haben uns einige für Exoten gehalten «

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Familienleben10

    Ingrid Kahlig ist froh über ihre damalige Krippe.unten:Freundschaften machen Kinder stark.Foto: S.v.Gehren/pixelio

    EG_GES_16_10 10 11.04.2016 16:52:11

  • In der Krippen-gruppe fühlte sich Ingrid Kah-ligs Tochter wohl.Foto: privat

    Ende, den Rest des Tages, die Wochen-enden und Ferien haben wir ganz in-tensiv miteinander verbracht. Auf der anderen Seite ist es wichtig, loslassen und sein Kind eine eigene Welt auf-bauen lassen zu kön-nen. Ich bin selbst als Tochter einer überhü-tenden Mutter aufge-wachsen, heute nennt man das Helicopter-Eltern. Daher weiß ich, dass eine gesunde Distanz und ein Eigen-leben für Kinder in ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung auch för-derlich sein können. In Großfamilien war es früher ganz üblich, dass Groß-eltern, Tanten und Onkel selbstver-ständlich miterzogen und Ratschläge gegeben haben. Und viel mehr Kinder gab es damals meist auch unter einem Dach. Heute muss man sich die Vorteile dieser Zeit vielleicht woanders suchen.

    Welche Entwicklungen hat Ihre Toch-ter aus der Krippe mitgenommen?Ingrid Kahlig: Phyllis ist ziemlich schnell selbstständig, weniger ängst-lich, sozial aktiv und kompetent gewor-den. Ich denke, eine gute Krippe stellt die Weichen für die Zukunft. Meine Tochter ist heute mit ihren 19 Jahren auf jeden Fall viel stärker und selbstbe-wusster, als ich es in dem Alter war.

    Welche Tipps haben Sie für Eltern, die auf der Suche nach der richtigen Krippe sind?Ingrid Kahlig: Aus meiner Erfahrung ist der Betreuungsschlüssel ganz wichtig. Damals kamen bei den Schmetterlin-gen vier Erzieherinnen auf zwölf Kin-der. Das war optimal, ist aber heute kaum noch zu finden. Außerdem sollte man andere Eltern nach ihren Erfah-rungen mit der Einrichtung fragen. Ein Austausch auch zu anderen Eltern-The-men ist meiner Meinung nach ohnehin

    wichtig, um nicht „betriebsblind“ für das eigene Kind zu werden. Und dann ist der ei-gene Eindruck wich-tig: Wie sieht der Ta-gesablauf der Krippe aus, gibt es in der

    Einrichtung die Möglichkeit, draußen zu spielen oder hat die Krippe einen Raum zum Toben. Dabei spielen die individuellen Vorlieben und Abnei-gungen des Kindes natürlich auch eine wichtige Rolle. Einen allgemeinen Tipp habe ich noch: Die Betreuungseinrich-tungen und die Pädagogik unterstützt die Erziehung in den Familien, ersetzt sie aber nicht. ■

    » Ich denke, eine gute Krippe stellt die Weichen für die Zukunft «

    Serie

    Um ein Kind groß zu ziehen, braucht es ein ganzes Dorf, heißt ein altes Sprichwort. Und eine Rolle spielen auch heute viele: Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, Krip-penerzieherinnen, Tagesmütter, Pflegefamilien, Tanten und Onkel, Nachbarinnen und Nachbarn, Sprachförderkräfte, Ergotherapeu-ten. Wer hat welche Vorteile? Wor-auf sollten Eltern achten? Unter dem Motto „Wer zieht unsere klei-nen Kinder groß?“ beleuchtet un-sere Serie diese Aspekte. Mehr un-ter www.luthers-familienzeit.de

    Lebensfreude soll Kindern überall vermit-telt werden.Foto: Helene Souza/ pixelio

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    verstehen!

    Vieles ist in der Bibel aufgezeich-net, das damals nicht anders war als heute. Immer schon gab es lebenslange Freundschaften, Streit und Neid unter Geschwistern, neugierige Kinder, lebenslustige und entmutigte Menschen und solche, die Geborgenheit im Glauben suchen – ihre Geschichten setzen sich fort in unsere Zeit.

    In diesem Buch sind 25 der schönsten biblischen Texte gesammelt, erklärt und von Uli Gleis tre lich illustriert.

    Ein lehrreiches Familienbuch –für Leser und Vorleser von 11 bis 99 Jahren.

    Cornelie Class-HähnelZuschauer im MaulbeerbaumGottes Geschichten in unserer Zeit 128 Seiten, BroschurEUR 14,95ISBN 978-3-945369-20-3

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    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    11Familienleben

    EG_GES_16_11 11 11.04.2016 16:52:12

  • Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    12 Zeitgeschehen

    Jüdisches aus Bibel entferntEs klingt bizarr – und war doch Teil einer todbringenden Politik. Evangelische Theologen hatten sich in der NS-Zeit darangemacht, den christlichen Glauben von seinen jüdischen Wurzeln zu kappen. Sie grün-deten sogar ein eigenes Institut. Eine Wanderausstellung zeigt die Geschichte. Von Wolfgang Albers

    Man meint alles zu wissen über die NS-Zeit und ihren Ungeist – und dann verschlägt einem neu Aufgefundenes den Atem. Frieder Leube ging es so, dem Geschäftsführer des Reutlinger Bildungswerkes Evangelische Bil-dung. Vor einiger Zeit sah er eine Aus-stellung über das Eisenacher Entju-dungsinstitut. „Ich war erschüttert und erstaunt zugleich“, sagt Frieder Leube, „ich kannte die Geschichte die-ses Institutes nicht.“Was auch nicht so verwunderlich ist – denn auf diese Geschichte hatte sich buchstäblich viel Staub gelagert. Als nämlich 1998 das Predigerseminar der evangelisch-lutherischen Landeskir-che aus einem Haus in der Eisenacher Bornstraße auszog, fanden sich beim Ausräumen vor allem auf dem Dach-boden jede Menge Akten, die die Ge-schichte des Hauses aus den Jahren 1939 bis 1946 dokumentierten. Hier hatte sich das „Institut zur Erfor-schung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ etabliert – gegründet von elf Kirchenleitungen, die dominiert wa-ren von den Deutschen Christen, die Anhänger der Nationalsozialisten wa-ren. Es war kein Hinterhof-Institut: Über 200 Landesbischöfe, Professo-ren, Kirchenräte, Superintendenten, Pfarrer, Lehrer, Kirchenmusiker und Schriftsteller werden als Mitarbeiter und Förderer einer Aufgabe gelistet, die sein Akademischer Direktor Walter Grundmann unter anderem so defi-nierte: „Im großen Schicksalskampf, der ja ein Kampf gegen das Weltjuden-tum und gegen alle zersetzenden und nihilistischen Kräfte ist, gibt das Institut das Rüst-zeug zur Überwin-dung aller Über-fremdung im In-neren des Reiches an die Hand.“Diesen Walter Grundmann kennt Pfarrerin Annette Denneler vom Stu-

    dium. Dort hat sie mit seinen Evan-gelien-Kommentaren gearbeitet. So richtig kennengelernt hat sie ihn aber erst jetzt – weil Frieder Leube die Aus-stellung nach Reutlingen geholt hat, in die Jubilate-Kirche im Stadtteil Or-schel-Hagen, wo Annette Denneler Pfarrerin ist.Die Ausstellung geht zurück auf eine Initiative der Eisenacher Pastorin Bar-bara Reichert. Sie war Schulpfarrerin des Martin-Luther-Gymnasiums, das neben dem Haus in der Bornstraße liegt. Die Aktenfunde in dem ehemali-gen Predigerseminar regten sie zu einem Recherche-Projekt mit ihren Schülern über das Entjudungs-Insti-tut an. Daraus ging im Jahr 2007 eine Ausstellung her-vor, die jetzt, etwas aktualisiert, noch einmal an einigen Orten zu sehen ist.Die Schau zitiert zu Beginn aus Luthers antisemitischen Spätschriften („dass man ihre Synagoge oder Schule mit

    Feuer anstecke“) und weist darauf hin, dass sich die Anhänger der Natio-nalsozialisten oft auf diese Schriften berufen haben. „Es steht uns gut an“, sagt Frieder Leube, „neben dem, auf das wir stolz sein kön-nen, auf Schatten-seiten zu gucken – und die gibt es.“

    Wie eben das Entjudungs-Institut und sein Scharfmacher Walter Grund-mann, der schon 1933 das Monats-journal „Christenkreuz und Haken-kreuz“ herausgegeben hatte und dessen Ernennungsurkunde zum Professor für Neues Testament und Völkische Theologie Adolf Hitlers Un-terschrift trägt.Im Treppenhaus und im Hörsaal des Institutes hängten die Theologen Hit-ler-Bilder auf, und Walter Grundmann publizierte zu der Frage, ob Jesus überhaupt ein Jude sei. Nein, lautete

    sein Fazit: „Wir können mit größter Wahrscheinlichkeit behaupten, dass Jesus kein Jude gewesen ist.“ Denn im Grunde sei er ein Bekämpfer der Juden gewesen: „Alles

    war wesentlich Auseinandersetzung mit Rabbinern und Pharisäern und der von ihnen geprägten Religion.“ Es gelte: „Entscheidend muss deshalb seine seelische Artung sein. Sie ist nichtjüdisch.“ Für das Institut war es nur konsequent, auch die Bibel juden-frei zu machen. Verweise aufs Alte Testament, Gleichnisse der jüdischen Tradition oder hebräisches Vokabular wurden gestrichen oder ersetzt. Bei Jesu Einzug in Jerusalem grüßt das Volk statt mit Hosianna mit Heil.Genauso nahm sich das Institut die Kirchenmusik und das Gesangbuch vor. Händels „Judas Makkabäus“ wurde in „Der Feldherr“ umbenannt. Aus den Kirchenliedern verschwan-den Worte wie Halleluja und Zion –

    Frieder Leube und Annette Denneler haben die Ausstellung nach Reutlingen geholt. Foto: Wolfgang Albers

    Heil statt Hosianna

    Aus Händels „Judas Makka-bäus“ wurde „Der Feldherr“: So arbeitete das „Entjudungs- Institut“. Foto: Wolfgang Albers

    EG_GES_16_12 12 11.04.2016 13:21:17

  • Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    13Zeitgeschehen

    oder Lieder gleich zur Gänze, vor al-lem, wenn ihr Jesusbild („Lamm Got-tes“) nicht dem arisch-heldenhaften Idealtypus entsprach. Stattdessen fin-den sich ein Gebet für Führer und Volk und Lieder der Kameradschaft wie jenes unter dem Bild marschierender bewaffneter Soldaten: „Und fällt der Tag auch hart wie Stein in unser jun-ges Blut und muss noch heut gestor-ben sein, Kamerad, Gott richt es gut.“Das klingt für heutige Ohren befremd-lich, aber man darf nicht vergessen, dass Walter Grundmann mit Reinhard Heydrichs Reichssicherheitshauptamt zusammenarbeitete. Inwiefern sein an-tijüdischer Furor auch Mitwissen am Holocaust einschließt, ist in der For-schung noch offen.Sicher ist: Für seine Nachkriegskarri-ere war Grundmanns Antisemitismus kein großes Hindernis. Schon die 50er-Jahre sehen ihn wieder in führenden kirchlichen Positionen, vor allem in der Ausbildung des theologischen Nachwuchses. Weil Grundmann kir-chenpolitisch gegen eine Distanzie-rung von den Nazi-Pfarrern der Deut-schen Christen ist, lässt er sich auf eine ganz aparte Kooperation ein: Er wird Zuträger der Stasi. Die protokolliert: „Bei ihm ist ein starker Hass gegen die jetzige Kirchenleitung und die führen-den Personen der Bekennenden Kir-che vorhanden.“ Da bleibt Walter Grundmann sich ganz treu. Auch seiner Methode, die Bibel den politischen Verhältnissen anzupassen. Diesmal lautete das so, mit einem Freifahrts-Schein für die DDR-Ideologie: „Die Bibel ist weder zur Begründung des Kapitalismus noch zur Verneinung des Sozialismus geschrieben worden.“ ■

    Information

    Die Ausstellung ist bis zum 24. Ap-ril im Gemeindehaus der Jubilate-Kirche, Nürnberger Straße 192 in Reutlingen, zu sehen, wenn das Haus ohnehin zu Veranstaltungen geöffnet ist. Im Anschluss wandert die Schau weiter nach Metzingen. Dort findet am 30. Mai um 19 Uhr die Vernis-sage statt, in der Martinskirche mit Pfarrer Harry Waßmann. Die Schau ist in Metzingen bis zum 24. Juni sonntags bis freitags von 9 bis 17 Uhr zu sehen.

    Der Theologe Jürgen Moltmann wurde 90 Jahre alt

    Ethik der HoffnungTheologie zu betreiben, bedeutet für Jürgen Moltmann, sich einzumischen. Daran hält der Hanseat, der zu den be-deutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts zählt, bis ins hohe Alter fest. Ganz egal, ob es um Ökologie, Menschenrechte oder die Zukunft der Kirche geht. Am 8. April wurde Moltmann 90 Jahre alt.Krieg und Gefangenschaft haben den 1926 in Hamburg geborenen Theolo-gen geprägt. Im Zweiten Weltkrieg erlebte er als junger Flakhelfer den Tod eines Schulfreundes aus unmit-telbarer Nähe. „In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Gott geschrien und mein Leben

    in Gottes Hände gelegt“, schrieb er später in seiner Autobiografie. In bri-tischer Kriegsgefangenschaft beschäf-tigte sich Moltmann, der aus einer atheistischen Familie stammt, inten-siv mit der Bibel. Über seine Zeit in dem Studien-Gefangenenlager Nor-ton Camp sagte er einmal, er habe nie mehr in seinem Leben so intensiv Theologie erlebt wie in den zwei Jah-ren in Kriegsgefangenschaft.Bekannt wurde Moltmann durch seine „Theologie der Hoffnung“, die er 1964 veröffentlichte. In dem Buch macht er – inspiriert durch „das Prinzip Hoff-nung“ des jüdischen Philosophen Ernst Bloch – die christliche Hoffnung für die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft fruchtbar. „Wer auf Chris-tus hofft, kann sich nicht mehr abfin-den mit der gegebenen Wirklichkeit,

    sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen“, schreibt er.Das Werk, das in viele Sprachen über-setzt wurde, traf die Fragen der Zeit. „Moltmann propagiert ein umstürzle-risches, gesellschaftsveränderndes – wie er sagt, ursprüngliches – Christen-tum und offeriert damit Christen und Kirchen eine Theologie, die zur akti-ven, ja aggressiven Auseinanderset-zung mit der politischen Gegenwart ermächtigt und anfeuert“, urteilt 1968 das Magazin „Der Spiegel“.Christlicher Glaube, so die Überzeu-gung Moltmanns, hat stets gesell-schaftliche Relevanz. Während des Prager Frühlings nahm der Theologe in der damaligen Tschechoslowakei am christlich-marxistischen Dialog teil. Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001 in den USA geißelte er den so zum Ausdruck kommenden lebensvernichtenden Ni-hilismus. Scharf kritisierte er 2015 die Hinrichtung der US-Amerikanerin Kelly Gissendaner.Moltmann äußert sich bis heute zur Ökologie, engagiert sich in jüdisch-christlichen Gesprächen und in der Ökumene. In seinem Buch „Der Ge-kreuzigte Gott“ entfaltete er 1972 eine Theologie nach Auschwitz und fragte nach der Bedeutung des Todes Christi für die Gegenwart. 2010 veröffent-lichte er seine „Ethik der Hoffnung“. Darin beschreibt er die Grundlinien des ethischen Handelns, das für sein Leben leitend war und ist. Anfang die-ses Jahres reiste er noch zum Weltkir-chenrat, wo er für mehr Engagement der Christen in dieser Welt warb.Als Professor für Dogmengeschichte arbeitete der Theologieprofessor zu-nächst an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, ehe er 1963 nach Bonn be-rufen wurde. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte er in Tübin-gen, wo er bis heute lebt. Moltmann ist mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel verheira-tet und hat vier Kinder.Der Theologe hat zahlreiche Auszeich-nungen und mehrere Ehrendoktortitel erhalten. „Meine theologische Tu-gend“, hat Moltmann einmal gesagt, „war nicht Demut, sondern nur die Neugier und Fantasie für das Reich Gottes.“ Barbara Schneider/epd

    Christen müssen widersprechen, findet der Theologe Jürgen Moltmann.Foto: epd-bild

    EG_GES_16_13 13 11.04.2016 13:21:18

  • Wir sollen uns nicht lange fragen, ob wir unseren Nächsten lieben, sondern wir sollen handeln, als ob wir ihn lieben.C. S. Lewis

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    : Rız

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    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    EG_GES_16_14 14 11.04.2016 13:24:20

  • Foto

    : Rız

    a/Fo

    tolia

    Die promovierte Theologin Viola Schrenk ist Pfarrerin in Lorch-Wald-hausen.

    1. Johannes 5,1–4 Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist. Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

    Ostern und das echte LebenImpuls zum Predigttext für den Sonntag Jubilate: 1. Johannes 5,1-4. Von Viola Schrenk

    Wer liebt hier wen und warum? Jedes Kind Gottes liebt Gott, den Vater. Und jedes Gotteskind liebt auch die ande-ren Kinder Gottes als Geschwister. In-teressant ist, wie sich diese Liebe unter Geschwistern äußert. Sie äußert sich nämlich darin, dass das väterliche Ge-bot Anwendung findet. Und dieses Gebot besteht wiederum in der Liebe, wie es unmittelbar vor diesem Bibel-abschnitt festgehalten wird: „Dies Ge-bot haben wir von ihm, dass wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“ (1. Johannes 4,21). Bei so viel Liebe kann eigentlich nichts schief gehen. Der Haken an der Sache ist zum einen, dass sich Liebe unter Menschen – und seien es auch Christinnen und Christen – nicht ver-ordnen lässt. Zum anderen ist dort, wo Liebe ist, unweiger-lich auch Emotion. Und wo positive Emo-tionen sind, können sich auch negative ent-wickeln. Gerade mit den Menschen, denen wir am Nächsten ste-hen, haben wir auch die meisten Reibungsflächen. Wo viel Liebe ist, ist daher auch oft viel Aus-einandersetzung. Und dennoch – oder vielleicht auch gerade deswegen – zieht es sich als roter Faden durch das biblische Zeugnis: Auf der Basis von Gottes Liebe gilt die dreifache Antwort des Menschen: Gott lieben, den Nächsten lieben, sich selbst lieben (Matthäus 22,39). Die damit einher-gehende altbekannte Beispielge-schichte des Barmherzigen Samariters verdeutlicht: Mit Liebe ist hier vor al-lem tatkräftiger persönlicher Einsatz gemeint. In der tätigen Zuwendung zum Nächsten zeigt sich zugleich die Haltung zu Gott. Anders gesagt: Meine

    Haltung zu Gott wird in der Zuwen-dung zum Mitmenschen konkret. Soweit die schön klingende Theorie. Doch wie verhält es sich mit unserer Lebenswirklichkeit? Lässt sich die Liebe durchhalten – und sei es nur die Liebe zu den Allernächsten? Wer kennt sie nicht, die Querelen, Diskus-sionen, Verletzungen, gegenseitigen Verurteilungen, die nicht zuletzt auch unter Christenmenschen gang und gäbe sind? Nein, leicht ist dieses Gebot in der menschlichen Umsetzung wirk-lich nicht. Es ist vielmehr eine blei-bende Herausforderung für unser täg-liches Dasein, gerade denen gegen-über, denen wir am nächsten stehen: in den Familien und Freundeskreisen, in der Schule und am Arbeitsplatz.Im Rahmen des diesjährigen Ökume-

    nischen Kreuzwegs der Jugend wurde diese Herausforderung eindrücklich in fol-gende Worte gefasst: „Stell dir vor: Die Ner-vensäge aus deiner Klasse oder von ne-benan stürzt und

    schlägt auf den Boden. Was denkst du? Vielleicht – „Zu blöd zum Laufen!“ Und wenn sie liegen bleibt? Dann musst du dich zwingen, hinzugehen. Lust hast du nicht. Und doch ist es richtig. Und das weißt du.“ Um dieses grundsätzliche Wissen trotz aller menschlicher Hindernisse geht es am Sonntag Jubilate. Es geht um den Osterjubel darüber, dass die menschlichen Abgründe nicht das letzte Wort haben, und dass es im Glauben trotz allem menschlichen Scheitern im Miteinander doch auch das Andere gibt. Nämlich, dass Men-schen im Glauben über sich hinaus wachsen und im Gottvertrauen Wege

    der Mitmenschlichkeit und Zuwen-dung erproben und miteinander ge-hen, auch dann, wenn diese Wege unpopulär sein sollten. So wie Jesu Weg der Gewaltlosigkeit und Zuwen-dung auf viel Unverständnis und Ab-lehnung stieß. Und doch ging und geht dieser Weg weiter und führt über diese Welt hinaus. „Denn unser Glaube ist der Sieg, der die Welt über-wunden hat.“ ■

    Gebet

    Du Schöpfer aller Dinge, wie du die Natur zum Leben erweckst, so willst du auch uns Menschen erneuern und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, in denen Gerechtigkeit wohnt. Belebe uns, wecke uns auf aus aller Verzagtheit, dass wir den Mut haben zu glauben und auferstehen zum Leben mit dir. Durch Jesus Christus, unsern Herrn.AmenEvangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD, Verlagsgemeinschaft Evangelisches Gottesdienstbuch 2001, Seite 331.

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    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Glaubensleben 15

    EG_GES_16_15 15 11.04.2016 13:24:24

  • Sonntag17. AprilPsalm 96EG 302,1

    Singet dem Herrn ein neues Lied; singet dem Herrn, alle Welt! Psalm 96,1

    Was lässt den Menschen singen? Der Psalmbeter ehrt nicht Gott „an sich“, sondern Gott, der in Beziehung zu ihm tritt. Durch „seine Wunder“ zeigt sich Gott und führt „seine Herrlichkeit“ empor (Vers 3). Diese Deutung konkreter Erfahrung ist vom Staunen durchdrungen, dass Gott „groß und hoch zu loben“ ist und jedes menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt.

    Montag18. April1. Korinther 1,18–25EG 91,5–10

    Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft. 1. Korinther 1,18

    Daran scheiden sich die Geister: Dass Jesu Sterben heilsam ist für die Men-schen. Denn das „Wort vom Kreuz“ besagt: Jesus sühnt mit seinem Tod das menschliche Nein zu Gott, stellvertretend für Alle. Wer dies glaubt, dem bringt das Wort vom Kreuz Freiheit. Und die Kraft zu einem Leben für Gott, das über menschliche und zeitliche Grenzen hinauswächst.

    Dienstag19. April1. Korinther 1,26–31EG 341,3–5

    Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung! 1. Korinther 1,26a

    Wie kommt’s, dass sich ein Mensch auf Gott verlässt? Es ist Gnade, dass einem Mensch das „Wort vom Kreuz“ einleuchtet und sein Leben hell macht. Dass sich ein Mensch von Gott heilsam angesprochen fühlt, geschieht ohne Voraussetzung. Es ist Gott, der einen Menschen anspricht: durch ein Wort, einen Gedanken, ein Lied, ein Bild oder einen liebevollen Mitmenschen.

    Mittwoch20. April1. Korinther 2,1–5EG 195,2

    Und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, son-dern in Erweisung des Geistes und der Kraft. 1. Korinther 2,4

    Gottes Kraft kommt in menschlicher Schwachheit zur Geltung. Als Beispiel dafür verweist Paulus auf die Zusammensetzung der Gemeinde und nun auch auf sich als Prediger. Die Botschaft vom leidenden Christus am Kreuz entfaltet ihre Wirkung nicht durch die Geschicklichkeit des Redners, sondern durch Gottes Geist, der in menschlichen Worten auf die Hörer wirkt.

    Donnerstag21. April1. Korinther 2,6–16EG 135,2–4

    Wir aber haben nicht empfan-gen den Geist der Welt, son-dern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. 1. Korinther 2,12

    Die Welt ist nicht geistlos. Auch in der Welt sind Geister, Gaben und Gesin-nungen wirksam, die die Menschen antreiben und prägen. Der Geist, der gött-licher Herkunft ist, macht dagegen die Menschen so frei, dass sie sich auf Gott verlassen und sich darüber bewusst werden, was „er dir alles Gutes getan hat“ (Psalm 103,2). Welcher Geist treibt mich im Moment an?

    Freitag22. April1. Korinther 3,1–4EG 595,4

    Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise, denn ihr konntet sie noch nicht ertragen. 1. Korinther 3,2a

    Glaube wird nicht einfacher, wenn er reifer wird. Im anfänglichen Christ- und Gemeindesein ist vieles noch leicht zu schlucken. Mit dem tieferen Nach-denken, mit steigender Verantwortung in der Kirche und im vollen Ernst der Nachfolge wird es auch schwere Brocken geben. Die Fragen im persönlichen wie kirchlichen Leben sind alles andere als leicht verdaulich.

    Samstag23. April1. Korinther 3,5–8EG 419,1–4

    Wer ist nun Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie. 1. Korinther 3,5a

    Dienen ist Ausdruck der Nachfolge Jesu, ein Akt der mitmenschlichen Zu-wendung und zugleich ein Akt der Verkündigung. So weckt Gottes Geist durch den Dienst der Christen an den Mitmenschen das Gottvertrauen. Nichts sonst darf ausschlaggebend sein für christliches Handeln. Nur daran sind die Gaben und Aufgaben zu messen, die Christen (füreinander) wahrnehmen.

    Wort für den Tagfür die Woche vom 17. April bis 23. April

    Matthias Hennig ist Pfarrer in Weilheim an

    der Teck.

    Wochenlied: Mit Freuden zart zu dieser Fahrt Evangelisches Gesangbuch (EG), Nummer 108

    Wochenspruch: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

    2. Korinther 5,17

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Glaubensleben Farbe des Kirchenjahres: Weiß16

    EG_GES_16_16 16 11.04.2016 13:24:25

  • In der Stille können wir unsere Seele vorbereiten, auf die leise Stimme Gottes zu hören.Foto: Renate Franke/ pixelio

    Professor Michael Utsch ist Wissenschaft-licher Referent der Evangeli-schen Zentral-stelle für Weltan-schauungsfragen (Berlin). Foto: privat

    Was der Glaube bewirken kannWarum uns die Seele auch beim Glauben oft etwas vormacht, Emotionen manchmal täuschen – und wie sich Gott dennoch finden lässt. Der Religionspsychologe Michael Utsch beschäftigt sich mit dem Unter-schied von Religion und Psychologie. Die Fragen stellte Andreas Roth.

    Herr Professor Utsch, ist es mit Gott und der Seele wie mit Henne und Ei: Man kann nicht sicher sagen, wer zu-erst da war?Michael Utsch: Die Seele wird nach biblischer Überlieferung durch den göttlichen Atem eingehaucht, durch den Heiligen Geist. Seit einigen Jahren ist auch die Psychologie sehr interes-siert an Spiritualität. Denn der Mensch ist offensichtlich nicht nur von seinen seelischen Funktionen, Bedürfnissen und Prägungen bestimmt. Es gibt so-gar säkulare Forscher, die in der Seele etwas Göttliches finden. Denn den Menschen beschäftigen anders als Säugetiere existenzielle Fragen wie die nach einem Leben nach dem Tod.

    Gläubige berichten von göttlichen Eingebungen und Bekehrungserleb-nissen. Was sagt die Psychologie: Macht uns die Seele da nur etwas vor?Michael Utsch: Oft macht uns die Seele etwas vor. Wir halten etwas für göttlich, was bei näherer Betrachtung etwas Menschliches ist. Deshalb ist Gemeinschaft so wichtig, damit ich das abgleichen kann und nicht Gefahr laufe, einem Trugschluss aufzusitzen. Das gab es schon in der Bibel: Elia am Berg Horeb dachte, Gott wäre im Sturm. Aber da war er nicht, sondern in einem leisen Säuseln. Deshalb halte ich es für ganz wichtig, in der Stille, in Gottesdiensten und in der Meditation unsere Seele vorzubereiten, auf diese leise Stimme Gottes zu hören.

    Aber ein Hindu in Indien wird densel-ben religiösen Seelenzustand ganz anders deuten als ein Christ in Deutschland.Michael Utsch: Unsere Deutung wird psychologisch immer von unserer Prä-gung bestimmt. Aber als Christ sage ich auch: Das ist nicht zufällig. Wenn ich in Indien geboren wäre, wäre ich ein anderer Mensch mit anderen Prä-gungen.

    Wenn die Prägungen unserer Seele so entscheidend sind für den Glauben: Wo wirkt da noch Gott?

    Michael Utsch: Glaube heißt nicht Au-tosuggestion, sondern er ist eine tiefe Vertrauensbeziehung zu dem unsicht-bar gegenwärtigen Gott. Wenn ich Zeit mit ihm verbringe, bete und in der Bi-bel lese, verändern sich meine Bedürf-nisse und meine Wünsche. Diese Ver-änderungen in der Seele sind nicht eingebildet, sondern real.

    Aber könnte man diesen Wandel psy-chologisch nicht auch als Arbeit an der eigenen Persönlichkeit erklären?Michael Utsch: Ja, man kann viele die-ser Mechanismen auch psychologisch erklären. Aber es gibt zwei Funktionen von Religion, die auch die Psychologie nicht wegerklären kann. Erstens: Wa-rum können Menschen friedlich in Gemeinschaft und mit Mitgefühl le-ben, obwohl sie von ihren Genen her auf Selbsterhaltung und Egoismus aus sind? Und zweitens ist es die Frage, warum die Menschen trotz Leiden und Tod nicht an der Sinnlosigkeit und Ab-surdität des Lebens verzweifeln. Da kommt die Psychologie an ihr Ende.

    Vor allem in Ostdeutschland lebt eine Mehrheit ohne Glauben, ihren Seelen scheint nichts zu fehlen – und mitfüh-lend sind viele auch.Michael Utsch: Ja, natürlich gibt es sehr hilfsbereite Atheisten. Es gibt Neurowissenschaftler, die im Gehirn

    nachweisen wollen, dass der Mensch auf Gott hin angelegt ist – doch das kann man wissenschaftlich nicht. Wir können Gott auch nicht beweisen. Und Atheisten können ihn nicht widerle-gen. US-amerikanische Studien zei-gen: Wer über positive Glaubensüber-zeugungen verfügt, ist gesünder, kann zusätzliche Bewältigungsstrategien im Umgang mit Leid und Krankheit ein-setzen und genießt eine höhere Le-benszufriedenheit. Wenn ich das Le-ben genießen kann, weil ich glaube, dass es Gott gut mit mir meint, und ich die Hoffnung auf ein ewiges Leben habe – dann bin ich im Vorteil.

    Wie lässt sich unterscheiden, was wirklich Gottes Stimme ist – und was nur die einer verletzten Psyche?Michael Utsch: Im fundamentalisti-schen Glauben werden einzelne Verse der Heiligen Schrift aus dem Zusam-menhang gerissen – im Christentum genauso wie im Islam. Fundamentalis-ten wollen Schwarz-Weiß. Doch Gott hat uns mit Vernunft begabt und will keinen Kadavergehorsam. Er will eine lebendige Beziehung. Ich muss mich auf ihn einlassen und ein Stück Weg mit ihm gehen. Der Glaube kann brandge-fährlich sein, weil er verleiten kann in Irrglaube und Fanatismus. Solide Freundschaften und Bodenhaftung sind da ein sehr wertvolles Korrektiv. ■

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Glaubensleben 17

    EG_GES_16_17 17 11.04.2016 13:24:26

  • Forschen im FlüstertonSTUTTGART – Wen das Ahnenfieber packt, der findet den richtigen Platz dafür im Landeskirchlichen Ar-chiv. Auf den Spuren von adligen Vorfahren oder auf der Suche nach den Großeltern forschen manche hier viele Jahre lang. Was fesselt sie bloß derart? Von Christof Schrade

    Seit zehn Jahren kommt Karlheinz Eckstein jede Woche für einen Tag ins Landeskirchliche Archiv nach Stutt-gart, um Ahnenforschung zu betrei-ben. Bald wird er 75. Er wird weiter-forschen, so lange es etwas zu entde-cken gibt. Wen der Virus der Familien-forschung einmal gepackt hat, den scheint er nicht mehr los-zulassen. Archivarin Bir-gitta Häberer betreut die Familienforscher im Ar-chiv: „Bisher habe ich nur ein einziges Mal erlebt, dass einer gesagt hat: ‚Jetzt bin ich fertig mit meiner For-schung.‘ Alle anderen recherchieren immer weiter.“ Wie wird man zum Familienforscher? Was treibt einen an? Nicht wenige der Hobbyforscher, meist Männer im Ru-hestand, gehen einem vagen Hinweis nach, sie hätten adlige Vorfahren. An-dere wollen einfach einen schönen

    Stammbaum haben, der möglichst weit zurückreicht. Das sind die „Da-tenjäger“, wie Birgitta Häberers Kol-lege Michael Bing sie nennt. Dann gibt es noch die „Weihnachts- und Osterforscher“. An den Festtagen kommt die Familie zusammen, man redet über alte Zeiten, fragt, woher die

    Groß- und Urgroßeltern stammen – und landet irgendwann im Landes-kirchlichen Archiv, zu-mindest, wenn man evangelische Vorfahren aus Württemberg hat.

    Warum gerade dort? Hier sind sämtli-che ältere Kirchenbücher verwahrt, vom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Nur in diesen Büchern wurden Taufen, Eheschließungen und Beerdigungen verzeichnet: Sie waren bis zur Einrich-tung der staatlichen Standesämter im 19. Jahrhundert die maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Urkunden.

    Karlheinz Eckstein hat nicht nach hochgeborenen Vorfahren gesucht. Eine junge Verwandte aus Amerika hat sich für ihre Herkunft interessiert. Er begann zu forschen und stieg hinab in die lange Reihe seiner Vorfahren bis ins 16. Jahrhundert. Ein halbes Jahr-tausend seiner Familie aus Öhringen hat er dokumentiert: „Ich bin jetzt in der 13. Generation.“ Er hat durch seine Forschungen Verwandte in Nah und Fern gefunden, von denen er nichts wusste. Der Postdirektor i.R. hat sich mit Ortsgeschichte, Kirchen- und So-zialgeschichte beschäftigt. Er hat die alte deutsche Schrift gelernt, um hand-schriftliche Quellen entziffern zu kön-nen. Er ist zu einem Spezialisten ge-worden, der sein Wissen gerne mit anderen Genealogen teilt. Aber nicht im Mikrofilm-Lesesaal! Dort wird nicht einmal geflüstert. Vor riesigen, geheimnisvoll grünlich leuchtenden Kisten, die wie alte Röh-

    Das Tübinger Totenbuch von 1737–1766. Zu sehen ist das handgemalte Gedenkblatt für die am 8. Oktober 1749 verstorbene Sibylla Regina Canz, Ehefrau des Theologen und Philosophen Israel Gottlieb Canz.Foto: Christof Schrade

    Datenjäger und Forscher vor Festtagen

    Stuttgart

    Das Landes-kirchliche Ar-chiv Stuttgart ist zuständig für das Gebiet der Landes-kirche in Württemberg. Im Internet: www.archiv.elk-wue.de

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    EG_GES_16_18 18 11.04.2016 13:36:16

  • Information

    Vor einem Jahr wurde „Archion“ of-fiziell gestartet. Die Evangelische Kir-che in Deutschland und bisher elf evangelische Landeskirchen haben eine Firma mit Sitz im Landeskirch-lichen Archiv in Stuttgart gegründet, die Kirchenbücher online bereitstellt. Noch sind nicht alle der vielen tau-send Kirchenbücher einzusehen, aber Archivar und Archion-Geschäfts-führer Harald Müller-Baur (Foto) rechnet damit, dass im Lauf des Jah-res die Digitalisierung abgeschlossen werden kann.

    Die Zahl der Nutzer, die aus aller Welt kommen, wächst stetig. Will man die „Digitalisate“ nutzen, also eine Dop-pelseite als pdf-Datei auf dem eigenen Computer speichern, wird es kosten-pflichtig. Harald Müller-Baur emp-fiehlt Anfängern, einen „Monatspass“ für 19,90 Euro zu erwerben. Das Portal lebt davon, dass die Forscher sich aus-tauschen und ihr Wissen im „Forum“ teilen. Müller-Baur: „Das ist die Demo-kratisierung des Archivwesens.“

    ◼ Im Internet: www.archion.de

    renfernseher aussehen, sitzen die For-scher und vertiefen sich in die alten Handschriften – allerdings nicht in die wertvollen Originale, sondern in Mik-rofilme, die in jahrzehntelanger Arbeit angefertigt wurden. Viele hier drin kennen sich seit Jahren. Da gibt es die „Ulmer Gruppe“, die kommen immer zu viert. Es gibt den beinahe 90 Jahre alten Forscher, nach dessen Gesundheit sich die andern er-kundigen, wenn er mal an seinem Tag nicht da ist. Alle, die hier zwar hobby-mäßig aber doch ernst und zielstrebig arbeiten, profitieren von drei gro-ßen Vorteilen des Archivs: vom intensiven Austausch untereinander, von der Betreuung durch die Ar-chivarinnen und Archi-vare, denen man auch die kniffligsten Fragen stellen kann, und von der Zen-tralbibliothek der Landeskirche, die unter demselben Dach untergebracht ist und jedes Buch enthält, das sich ein Genealoge nur wünschen kann.Doch das Mikrofilm-Lesezeitalter geht definitiv zu Ende, seit alte Urkunden und Akten digitalisiert werden. „Ar-chion“ heißt das große Vorhaben, zu dem sich die meisten evangelischen Kirchen in Deutschland zusammenge-schlossen haben. Ziel ist es, sämtliche verfügbaren Kirchenbücher online be-reitzustellen. (siehe Kasten unten). Die etwa 500 Genealoginnen und Ge-nealogen, die jährlich ins Archiv kom-men, könnten künftig also ihre For-schungsarbeit am heimischen PC erle-digen. Viele wollen trotzdem weiter kommen. Denn Austausch, Beratung und Bibliothek haben sie nur hier.

    Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Publikum verändert, haben Mi-chael Bing und Birgitta Häberer fest-gestellt. Es kommen auch jüngere Leute – und sie kommen mit anderen Erwartungen. „Manche hoffen, dass sie an einem halben Tag einen Stammbaum zusammenbekommen. Dass wir uns neben sie setzen und ihnen die alten Kirchenbücher vorle-sen. Oder dass wir ihnen gleich die Arbeit abnehmen.“ Doch der Ansatz des Archivs ist ein anderer und wird

    es auch nach der Digi-talisierung bleiben. Die Archivare sind da, um aus neugierigen Zeitgenossen kompe-tente Forscher zu ma-chen – nicht, um ih-nen die Forschung ab-

    zunehmen. Deshalb bietet das Ar-chiv regelmäßig Einsteiger-Seminare an. Man lernt das Lesen der alten Handschriften und die Benutzung von Archiv und Bibliothek. Gleichwohl kann man gegen Gebühr, etwa, weil einem selbst der Weg nach Stuttgart zu weit ist, auch Recherchen in Auftrag geben. Manchmal müssen aber auch die Profis kapitulieren. Das Interesse von Nachfahren ehemaliger Württemberger in Amerika etwa wächst stetig: „Da kriegen wir dann bloß einen Namen – und sollen den Stammbaum rausfinden. Einen Ort wissen sie nicht mehr. Aber ohne Ort brauchen wir erst gar nicht anzufan-gen“, sagt Birgitta Häberer. Die Archivarin weist nachdrücklich darauf hin, dass Familienforschung immer Zeit brauchen wird. Auch durch die digitalisierten Bücher muss

    man sich mühsam durcharbeiten. Jede Handschrift ist anders: „Es ist leider so, dass Schönschreiben noch nie eine Voraussetzung war, um in den Pfarr-dienst zu kommen.“ Doch umso grö-ßer ist die Freude, wenn man der Klaue eines Dorfpfarrers aus dem 17. Jahrhundert doch noch einen Namen entlocken kann. ■

    Hoffnung auf einen raschen Stammbaum

    Birgitta Häberer und Michael Bing (oben) präsentieren zwei wertvolle Originale: Das Tübinger Totenbuch und das Taufbuch von Tüngental.

    Karlheinz Eckstein forscht schon seit zehn Jahren im Landeskirchlichen Archiv.Fotos: Christof Schrade

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Unterwegs im Land 19

    EG_GES_16_19 19 11.04.2016 13:36:18

  • Die Ökumene blüht aufIn ihrer ganzen Vielfalt präsentieren sich die Kirchen auf der Landesgartenschau in Öhringen: Zwischen dem 22. April und dem 9. Oktober laden sie unter dem Titel „Kreuz + mehr“ zu über 400 Veranstaltun-gen ein. Das Programm reicht von Gottesdiensten, Konzerten bis hin zu täglichen Andachten und besonderen spirituellen Angeboten. Von Franciska Bohl

    „Der Limes blüht auf“ – unter dem Motto sind Besucher der Landesgar-tenschau dazu eingeladen, Öhringen neu zu erleben. Dazu tragen auch die rund 300 Helfer aus den Kirchenge-meinden bei, die das Programm von „Kreuz + mehr“ über drei Jahre hin-weg auf die Beine gestellt haben. Be-teiligt daran sind die evangelische, katholische, evangelisch-methodisti-sche sowie die neuapostolische Kir-che und weitere Freikirchen. Die enge Zusammenarbeit im Vorfeld habe die ohnehin schon gute ökume-nische Zusammenarbeit weiter ge-stärkt, sagt Klaus Kempter, katholi-scher Pfarrer und Vorsitzender der Steuerungsgruppe. Mit dem Peter- und Paul-Fest, dem Tafelladen, Besuchs- und Hospizdienst habe man bereits regelmäßige gemeinsame Angebote und Veranstaltungen gestaltet. „Ein so großes Projekt haben wir jedoch noch nie zusammen auf die Beine gestellt.“ Zum Ort der Begegnung soll auf der Landesgartenschau das extra dafür ge-staltete Gelände der Kirchen werden. Der Entwurf dazu entstand unter Lei-tung der beiden Architektinnen, Katja Theile und Sabine Reinosch, die Grundideen aus den ökumenischen Steuerungsgruppen weiterentwickel-ten und umsetzten. Der Grundriss des

    Geländes besteht aus einem Freiraum in Kreuzform. Er wird durch vier Fel-der begrenzt, die aus insgesamt 280 Holzstämmen bestehen. Die Architektinnen, die eng mit ihrer jeweiligen Kirchengemeinde verbun-den sind, hoffen, mit den Veranstal-tungen auch kirchenferne Menschen zu erreichen. „Die Leute sind offen und neugierig und man kommt hier leicht miteinander ins Gespräch“, sagt Sabine Reinosch, die als evangelische Kirchengemeinderätin engagiert ist.Die Gottesdienste und Andachten auf der Landesgartenschau sind ökume-nisch gestaltet. Jeden Sonntag findet

    um 10 Uhr ein Gottesdienst auf der Sparkassenbühne statt, täglich gibt es zwischen den Stämmen von „Kreuz + mehr“ eine 20-minütige Andacht. Im-mer freitags erwartet die Besucher eine musikalische Veranstaltung beim Abendklang um 18 Uhr. Zu den Höhe-punkten der Veranstaltung gehört ein Glockenkonzert auf der Allmand, bei dem die Öhringer Kirchenglocken zu hören sein werden. ■

    ◼ Das Programm der Kirchen gibt es im Internet unter www.kreuzund mehr.de. Weitere Informationen unter Telefon 07941-989790.

    Eine Brücke zwischen den Kirchen: Die Landesgarten-schau hat die Ökumene in Öhringen schon im Vorfeld gestärkt.Foto: Landesgarten-schau Öhringen

    Werkstatt Gemeinde

    Wie ein Hospiz arbeitet, das können Interessierte an vier Tagen in diesem Jahr im Hospiz Stuttgart er-fahren: am 12. Mai, 21. Juli, 29. Sep-tember, 24. November, jeweils von

    15 bis 17 Uhr. Wie können Sterbende behutsam begleitet werden? Welche Rolle spielen dabei Ärzte, Pfleger und ehrenamtliche Hospiz-Mitar-beiter? Mit der Informationsveran-staltung verbunden ist eine Führung durch das Hospiz. Für geschlossene Gruppen bis zu zwölf Personen sind Extra-Termine nach Vereinbarung möglich. Foto: BettinaF/pixelio

    ◼ Anmeldung und Information für Einzelpersonen und Gruppen unter Telefon 0711-23741-53.

    Schönblick wird 100Mit einer Jubiläumswoche feiert das Christliche Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd vom 1. bis 5. Mai sein 100-jähriges Bestehen. Zum Fest-akt am 1. Mai kommen unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann und Landesbischof Frank Otfried July. Danach folgt eine Vielzahl von Jubiläumsveranstaltungen wie Gottes-dienste, Konzerte und ein Theater-abend. Geplant sind zudem Vortrags-reihen und Festveranstaltungen.

    ◼ Informationen auch im Internet unter www.schoenblick.de

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Aus der Landeskirche20

    EG_GES_16_20 20 11.04.2016 13:37:24

  • Große Konzentration ist in der Kreativen Werkstatt Programm...

    ... aber auch Spaß miteinander und am Gestalten. Fotos: Hans Schwaderer

    Die Gedanken sichtbar machenAls die Kreative Werkstatt der Diakonie Stetten vor 50 Jahren gegrün-det wurde, war der Gedanke an behinderte Künstler noch neu. Mittlerweile ist die Werkstatt etabliert, viele der Kunstwerke werden in Ausstellungen gezeigt und auch verkauft. Von Hans Schwaderer

    Im Jahr 1966 sind die Anfänge der Kreativen Werkstatt von der Heiler-ziehungspflegerin und Kunstpädago-gin Anne Dore Spellenberg zu finden. Damals wurde das Künstlerische als „Feierabend-Angebot“ für die behin-derten Menschen in der Diakonie Stetten gestartet. Im Jubiläumsjahr hat die Kreative Werkstatt ihren fes-ten Platz auf einem ganzen Stockwerk der Remstal Werkstätten in einem alten Werkstatt-gebäude in Waiblingen, und schon beim Betreten kann man die Atelier-At-mosphäre spüren. Bilder, bemalte Stühle und Stüt-zen, Skulpturen, Statuen, Collagen aus Gesammel-tem sind die sichtbaren Gedanken und Gefühle der Künstler. Das freie Angebot wird zum größten Teil aus Spenden finanziert.„In der Kreativen Werkstatt finden die 31 Menschen einen Raum, ihren musischen und künstlerischen Kom-petenzen Ausdruck zu verleihen. Die Zeit hier ist für alle eine Bereicherung des Alltags“, sagt Thomas Grabert, der mit seiner Kollegin Aninka Rau und ehrenamtlichen Helfern die Kunst-

    schaffenden betreut, unterstützt und fördert. Einmal in der Woche dürfen die Akteure ihren Gedanken, Emo-tionen und Vorstellungen freien Lauf lassen; einige können nicht sprechen, andere haben ganz verschiedene oder mehrfache Einschränkungen, aber auf die Zeit und die Möglichkeit des sich Ausdrückens freuen sich alle. Und mit berechtigtem Stolz zeigen die

    Menschen ihr Geschaffe-nes, zu dem sie ein paar Stunden oder auch ein paar Wochen Herz und Hand eingebracht haben. Manchmal werden die Kunstwerke auch wäh-rend des Entstehens um-gestaltet, denn auch bei

    den Künstlern können Stimmungen und Empfindungen schwanken. In den Jahren 1987 bis 1990 und 1991 bis 1995 gab es zwei internationale Wanderausstellungen von den Künst-lern aus Stetten und zahlreiche Work-shops unter anderem in Russland, Finnland, Polen und Griechenland. Aus diesen Kontakten wuchsen inter-essante und wichtige Verbindungen zur Kunstszene und Galerien. Zwei-mal im Jahr gibt es Ausstellungen in

    ganz verschiedenen Zusammenstel-lungen. Zudem gehören die Stettener immer wieder zu Preisträgern ver-schiedener Kunstpreise. Die Werke werden auch verkauft, beispielsweise in großformatigen Kalendern, auf Bild-karten, Postkarten, Etiketten für Wein-flaschen und vieles mehr.Die Kreative Werkstatt feiert ihr 50-jäh-riges Bestehen mit der Jubiläumsaus-stellung „Jubilarte“. Dazu werden 25 Kunstwerke aus den vergangenen 50 Jahren aus dem umfangreichen Lager geholt und mit 35 Werken der gegen-wärtigen Künstler zu einer besonde-ren Ausstellung im Landratsamt des Rems-Murr-Kreises in Waiblingen zu-sammengefasst. ■

    Information

    Am 21. April findet um 18 Uhr die Vernissage statt, vom 22. April bis zum 16. Juni können die Kunst-werke zu den Öffnungszeiten des Landratsamtes angeschaut werden. Am 28. April um 17 Uhr gibt es eine kuratierte Führung mit anschlie-ßendem Fachvortrag zum Thema „50 Jahre Kreative Werkstatt – Eine Scheibe Pioniergeist, bitte“; am 12. Mai und 2. Juni laden die Künstler jeweils um 14 Uhr zu Führungen durch die Ausstellungen ein. Wei-tere Infos: www.diakonie-stetten.de

    Region Stuttgart

    Wir sind für Sie da:Telefon: 0711-60100-78

    Manchmal werden die Werke ganz umgestaltet

    Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 16 / 2016

    Region Stuttgart 21

    EG_GES_16_21 21 11.04.2016 16:46:51

  • Bild der Woche

    Wenn Jungs und Mädels gemeinsam Fußball spielen, dann ist wieder Zeit des Konfi Cups. Beim Landesfinale zeigten 30 Teams in Stuttgart ihr Können, Kurz darauf spielten Jugendliche, die kaum Deutsch verstehen, beim Culture Cup des Evangelischen Jugendwerks Württemberg. Sport verbindet – über Geschlechter und Kulturen hinaus. Foto: Julian Meinhardt/ejw

    Jugendwerk sammelt