23
M ietrechtin Europa Ein R echtsvergleich aussozioökonom ischerPerspektive PD D r.Christoph U .Schm id, Ph.D .

Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietrecht in EuropaEin Rechtsvergleich aus sozioökonomischer Perspektive

PD Dr. Christoph U. Schmid, Ph.D.

Page 2: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Vorbemerkungen

Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des

Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004)

methodischer Ansatz Ziel: nicht nur wertneutraler funktionaler Vergleich von

rechtlichen Instituten und Regelungen (klassischer Ansatz)

sondern: Prüfung der Geeignetheit der nationalen Regelungsmodelle zur Erfüllung der sozioökonomi-schen Grundfunktionen des Mietrechts

auf dieser Grundlage zu untersuchen, welche Rolle die EU im Mietrecht spielen könnte

Page 3: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Übersicht

I. Rekonstruktion des sozioökonomischen Kontexts des Mietrechts in der modernen Marktwirtschaft

II.Vergleich zentraler nationaler Regelungen im Hinblick auf ihre Geeignetheit zur Erfüllung der sozioökonomischen Funktionen des Mietrechts

Vertragsdauer und Beendigung Höhe und Erhöhung des Mietzinses

III. Folgerungen für die Rolle der EU

Page 4: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Sozialer und ökonomischer Kontext (1)

soziale Funktion: öffentliche Wohnungspolitik und privates Mietrecht müssen für ein ausreichendes Angebot an Wohnraum zu fairen Bedingungen sorgen

ökonomische Vorbedingungen: Anreize für Investoren und Vermieter zur Schaffung eines ausreichenden Angebots, insbesondere: Gewinnerzielung bei Bau und Vermietung von Wohnraum

möglich keine übermäßige Beschränkung der Dispositionsfreiheit des

Vermieters über Mietobjekt (v.a. bei Eigenbedarf und wirtschaftlicher Verwertung)

Fazit: privates Mietrecht muß „liberal-sozialen“ Ausgleich herbeiführen

Page 5: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Sozialer und ökonomischer Kontext (2)

Interdependenz von sozialen und liberalen Zielsetzungen: nicht nur: übermäßiger Sozialschutz schafft negative

Anreize für die Herstellung und Vermietung von Wohnraum

sondern auch: mangelnder Sozialschutz kann gesamtwirtschaftlich ineffizient sein(Beispiel: Monopolrente des Vermieters durch Kündigung)

Page 6: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Übersicht

I. Rekonstruktion des sozioökonomischen Kontexts des Mietrechts in der modernen Marktwirtschaft

II.Vergleich zentraler nationaler Regelungen im Hinblick auf ihre Geeignetheit zur Erfüllung der sozioökonomischen Funktionen des Mietrechts

Vertragsdauer und Beendigung durch Vermieter Höhe und Erhöhung des Mietzinses

III. Folgerungen für die Rolle der EU

Page 7: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (1): Gemeinsamkeiten

Vermieter kann aus wichtigem Grund (zB längerem Zahlungsverzug oder Störung des Hausfriedens) meist mit kurzer Frist kündigen

Ausschluß der Vermieterkündigung bei Veräußerung der Wohnung allgemein anerkannt

für sozial-liberalen Ausgleich aber Vertrags-beendigung durch Vermieter in häufigeren Normalfällen zentral, insbesondere:

Zulässigkeit von Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung bei unbefristeten Verträgen

Zulässigkeit von Befristungen und Kettenverträgen garantierte Vertragszeiten, sofern existent

Page 8: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (2): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (I)

1. Gruppe: Kein besonderer Sozialschutz Wohnraummiete unterfällt allgemeinem

Mietrecht ohne sozial motivierte Besonderheiten:

Bulgarien Rumänien

sehr kurze Vertragszeiten: Irland (idR 1 Woche oder 1 Monat, bis 2003)

Page 9: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (3): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (II)

2. Gruppe: Niedrige Kündigungsvoraus-setzungen oder kurze Befristungen Schweiz Finnland England („assured shorthold tenancy“)

Page 10: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (4): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (III)

3. Gruppe: hoher Kündigungsschutz bei unbefristeten Verträgen, aber Umgehung durch befristete Verträge zulässig Polen Slowenien

Page 11: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (5): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (IV)

4. Gruppe: Qualifizierter Kündigungsschutz bei unbefristeten Verträgen, vergleichbare Vorgaben auch für befristete Verträge Deutschland Dänemark

Page 12: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (6): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (V)

5. Gruppe: Garantierte Mietzeiten (unbefristete Verträge unzulässig oder unüblich)

Italien und Irland (nach 2003): 4 J. Spanien und Portugal: 5 J. Belgien: 3x3 J. Österreich, Griechenland und Frankreich: 3 J.

kürzere Befristungen idR nur aus besonderem Grund zulässig

Page 13: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (7): Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (VI)

6. Gruppe: Vertragsbeendigung durch Vermieter aus Sozialschutzgründen stark erschwert Niederlande Schweden

Page 14: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Mietdauer und Beendigung (8): Bewertung

nur qualifizierter Kündigungsschutz und garantierte Mietzeiten (4. und 5. Gruppe) zur Erfüllung der sozioökonomischen Funktion des Mietrechts geeignet

aber: längere garantierte Mietzeiten unflexibel und damit wohl schlechter als dänisch-deutsches Modell des qualifizierten Kündigungsschutzes

Page 15: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Höhe und Erhöhung des Mietzinses (1):Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (I)

1. Gruppe: Beschränkungen nur nach allgemeinem Zivilrecht (Wucher, Sittenwidrig-keit, unconscionability, laesio enormis ua): Bulgarien Rumänien Slowenien einige Länder mit festen Mietzeiten außerhalb

dieser Zeiten (zB Italien)

Page 16: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Höhe und Erhöhung des Mietzinses (2):Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (II)

2. Gruppe: Kontrolle durch Gerichte oder besondere mietrechtliche Schiedsstellen auf Angemessenheit und Marktüblichkeit mittels Generalklauseln und/oder „statistische Markterfassung“ Dänemark, Finnland, Frankreich, England,

Deutschland Spanien und Portugal: außerhalb fester Mietzeiten grundsätzlich nur Kontrolle von Erhöhungen

(nicht der anfänglichen Miete)

Page 17: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Höhe und Erhöhung des Mietzinses (3):Einteilung nach Grad des Sozialschutzes (III)

3. Gruppe: Miethöhe staatlich (durch Gesetz oder Verwaltungsentscheidung) festgelegt innerhalb garantierter Mietzeiten: Erhöhung jährlich um

indiziellen Anstieg der Lebenshaltungskosten (alle Staaten mit garantierten Mietzeiten)

Bestimmung der zulässigen Miete per Gesetz (nach Größe, Ausstattung, Lage, Anteil an Herstellungs- und laufenden Kosten ua):

Niederlande Österreich Schweden Italien (bis 1998)

Page 18: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Höhe und Erhöhung des Mietzinses (4):Auswertung

Residualkontrolle durch allg. Zivilrecht ebenso ungeeignet wie marktwidrige staatliche Festsetzungen

nur 2. Gruppe zur Erfüllung der sozioökonomischen Funktion des Mietrechts tauglich

dabei entscheidend: Rechtssicherheit und effektive gerichtliche Durchsetzung (dabei große Unterschiede)

Page 19: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Übersicht

I. Rekonstruktion des sozioökonomischen Kontexts des Mietrechts in der modernen Marktwirtschaft

II.Vergleich zentraler nationalen (materiellen) Regelungen im Hinblick auf ihre Geeignetheit zur Erfüllung der sozioökonomischen Funktionen des Mietrechts

Vertragsdauer und Beendigung Höhe und Erhöhung des Mietzinses

III. Folgerungen für die Rolle der EU

Page 20: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Folgerungen für die EU (1)

Rechtsvergleich zeigt bedeutendes Verbesserungspotenzial der nationalen Mietrechte

Harmonisierung des Mietrechts nicht effektiv und legitim wegen unterschiedlicher sozioökonomischer Rahmenbedingungen, insbesondere Wohnungspolitiken

aber: europäische Mindeststandards denkbar zB Verbot der retaliatory eviction

Page 21: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer

Folgerungen für die EU (2)

europäischer Oktroi im Mietrecht qua Vereinheitlichung des allgemeinen Vertragsrechts zu vermeiden

Beispiel Minderung des Mietzinses bei Mängeln der Wohnung:Art. 9:401 der Lando-Prinzipien harmoniert nicht mit allen nationalen Systemen

Page 22: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer
Page 23: Vorbemerkungen Hintergrund Ergebnisse des vergleichenden Mietrechtsprojekts des Europäischen Privatrechtsforums am EHI Florenz (2002-2004) methodischer