3
Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn? Familienleben mit bipolarer Störung

Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn? - ikkbb.de€¦ · te Note – und geht mit Mamas oder Papas Trost schnell wieder vorbei. Die Depression kann sich auch ohne Grund heranschleichen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn? - ikkbb.de€¦ · te Note – und geht mit Mamas oder Papas Trost schnell wieder vorbei. Die Depression kann sich auch ohne Grund heranschleichen

Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn?

Familienleben mit bipolarer Störung

Page 2: Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn? - ikkbb.de€¦ · te Note – und geht mit Mamas oder Papas Trost schnell wieder vorbei. Die Depression kann sich auch ohne Grund heranschleichen

„Kuckuck, wo bin ich?“ Emma hüpft lachend von einem Bein aufs andere. Ihre Freunde Leon, Mia und Anna schauen sich suchend im Garten um. „Hier!“, ruft Emma ganz laut. Endlich haben die Freunde sie entdeckt. Dieses Mal ist die Überraschung, die sie den Kindern versprochen hat, ge-lungen. Papa hat im Garten ein Baumhaus gebaut. Aus dem kleinen Fenster winkt sie die Freunde nach oben.

Emma ist rundum froh. Papa geht es wieder gut. Und das schon seit einem Jahr. Er ver-spricht ihr zwar keine Dorn-röschenschlösser mehr, aber das findet sie auch gut. Denn versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen: Darauf kann sie sich nun wieder bei Papa verlassen. Das Baumhaus ist noch aufregen-der als ein Zelt und cooler als ein Dornröschenschloss – das finden auch Mia, Anna und Leon. Mit ihren Eltern macht Emma sonntags bei schönem Wetter jetzt immer ein „Baum-Picknick“.

Der Arzt erkennt, dass Papas Gefühle das Gleichgewicht verloren und sich dabei verletzt haben. Diese Verletzung oder auch Krank-heit der Gefühle nennen Fachleute „bipolare Störung“.

Emmas Eltern sind froh, als der Psychiater sagt, dass sich Papas Krankheit mit Medi-kamenten gut behandeln lässt. Der Arzt will auch weiterhin mit Papa Gespräche führen. Denn das hilft Papa, seine Gefühle leichter im Gleichgewicht zu halten.

Zwischen Lachen und Weinen

Aha!Was heißt bipolar? Bipolar steht für zwei weit voneinander entfernte Punkte, wie zum Beispiel den Nordpol und den Südpol. Es ist auch ein anderes Wort für Gegensätze. Bipolare Stö-rungen verursachen beim Erkrankten extreme gegensätzliche Stimmungen. Gefühle geraten außer Kontrolle, die Seele wird krank. So ähn-lich, wie wenn wir beim Balancieren von einem Baumstamm stürzen und uns dabei weh tun.

16 17

Page 3: Warum fahren Papas Gefühle Achterbahn? - ikkbb.de€¦ · te Note – und geht mit Mamas oder Papas Trost schnell wieder vorbei. Die Depression kann sich auch ohne Grund heranschleichen

Wie sage ich es meinem Kind?

Kinder ordnen das, worüber wir mit ihnen sprechen, immer in ihre Erfahrungswelt ein. An diese Er-

fahrungen knüpfen Eltern am besten auch an, wenn sie mit dem Nach-wuchs über eine bipolare Stö-rung der Mutter oder des Vaters

sprechen.

Für viele Kinder ist Kranksein meist gleichbedeutend mit Bauchweh, Halsschmerzen, Kopfweh, Husten, Schnupfen oder auch einem aufgeschürften Knie nach dem Sturz von der Schaukel. Typische Symptome einer bipolaren Störung wie Eu-phorie und Traurigkeit sind ihnen in abgeschwächter Form zwar vertraut, aber diese Gefühle haben für die Kleinen nichts mit einer Krankheit zu tun. Sie gehö-ren zum normalen Alltag. Das ist bei Erklärungen zu berücksichtigen.

Eltern können auf vertraute Krankheiten zurückgrei-fen und dabei erklären, dass nicht nur der Körper, sondern auch die Seele – „der Ort, wo unsere Gefühle sitzen“ – manchmal krank wird. Kindern tut es gut zu wissen: „Ebenso wie der kranke Körper können verletzte Gefühle behandelt werden. Auch dafür gibt es eine Medizin.“ Und das interessiert vor allem die Jüngeren häufig: „Papas Krankheit ist nicht ansteckend.“

Für das Verständnis der Kinder ist es wichtig, Unterschiede zwischen den Krankheitssymptomen

und eigenen alltäglichen Gefühlserfahrungen zu

klären. Zum Beispiel:

„Wer bei einer bipolaren Störung unter einer Depression leidet, ist zwar

traurig, aber wer traurig ist, leidet meist nicht unter einer Depression.“ Denn die

„normale“ Traurigkeit hat immer einen Grund – zum Beispiel ein verlorenes Spiel oder eine schlech-te Note – und geht mit Mamas oder Papas Trost schnell wieder vorbei. Die Depression kann sich auch ohne Grund heranschleichen. Die tiefe Nieder-geschlagenheit, die sie verursacht, geht dann nicht „einfach so“ wieder weg.

Eine bipolare Störung und ihre Auswirkungen in vertrauten Bildern zu beschreiben, erleichtert Kin-dern das Verstehen. Wenn es ihnen schon einmal schwindlig wurde, weil sie sich zu schnell im Kreis gedreht haben, können sie auch die Erklärung nach-vollziehen: „Papas Gefühle fahren manchmal Karus-sell. Dabei wird ihnen so schwindlig, dass sie das Gleichgewicht verlieren.“

Sie bieten vielen Betroffenen die Chance auf ein weitgehend „normales“ Leben mit bipolarer Störung. Ehrlichkeit im Umgang mit der Krankheit schafft Vertrauen, angemessener Optimismus gibt auch Kindern Kraft. Die Aussicht auf wiederkehrende krisenfreie Zeiten stärkt sie ebenso wie das Wissen, dass Mamas oder Papas Krankheit in der Regel gut

behandelbar ist.

Das Spiel „Stille Post“, bei dem ein leise zugeflüstertes Wort bei der letzten Person oft verändert ankommt (aus der „Maus“ wird

schnell ein „Haus“) kann größeren Kindern verdeutlichen, was eine bipo-lare Störung mit

wichtigen Gefühlsbotschaften macht. Durch eine Stoffwech-

selstörung im Gehirn kommen die Botschaften nicht richtig an: „Die Gefühle geraten auf die falsche Spur und sorgen dafür, dass Papa sich so ungewöhnlich verhält.“

Mit der richtigen Therapie verlaufen neue Krankheitsepisoden ab-

geschwächt oder können sogar verhindert wer-

den. Medikamente, Gesprächs- und Verhaltensthe-rapien machen

die Krankheit berechen-

barer.

28 29

Tipp:

Sprechen Sie mit Ihren Kindern dort über die Erkrankung, wo sich die Familie auch sonst am liebsten unter-hält. Zum Beispiel im Wohnzimmer nach dem Essen. Das nimmt der Situation das Außergewöhnliche und Schwere. Im Kinderzimmer vor der Gute-Nacht-Geschichte sollten Eltern aber keine Probleme aufarbeiten, sondern positive Ereignisse des Tages aufgreifen.