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Dr. med. Stephan Goppel
Leitender Arzt, Fachbereich Alterspsychiatrie
Pfäfers, 18.6.2015
Fachsymposium
«Vom Umgang mit Patienten, die unter ersten Hinweisen auf eine
demenzielle Erkrankung leiden»
Was bei Demenz zu beachten ist:
differenzialdiagnostische Überlegungen
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 2
Die Versorgung von Menschen mit
psychischen Problemen im Kanton St. Gallen
Kennzahlen für das Jahr 2014
stationäre Behandlung
2069 Eintritte (1761 Eintritte 2011)
223 Betten
Aufenthaltsdauer Psychiatrische Klinik Wil: 39.8 Tage (47 Tage 2011)
ambulante und tagesklinische Behandlungsplätze
Ablauf 1. Alte Menschen in unserer Gesellschaft
Veränderung der Altersstruktur
Häufigkeit von kognitiven Störungen und Demenzsyndromen
Wie verändert sich die Hirnleistung im Alter?
Das Zufriedenheitsparadoxon bei Hochbetagten
2. Demenz/Demenzsyndrom
Demenz: verschiedene Definitionen – neue Diagnosesysteme
Diagnostisches Vorgehen in zwei Schritten:
1. Liegt ein Demenzsyndrom vor?
2. Diagnose der Demenzätiologie
Differenzialdiagnosen
3. Praktisches Vorgehen in einer Gedächtnissprechstunde
3 Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 4
«geschenkte Lebensjahre», falls in
Autonomie und mit hoher Lebensqualität
gelebt
Der Anteil der alten Menschen nimmt zu.
Der Altersquotient steigt. Der Anteil der Menschen mit Demenz nimmt zu.
Die Bevölkerungsstruktur ändert sich
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 5
ZIEL 1 Die Bevölkerung hat ein besseres
Wissen über Demenzerkrankungen.
Sie weiss um die vielfältigen Lebensrealitäten
der Betroffenen. Vorurteile und
Hemmschwellen sind abgebaut.
ZIEL 6 Die Qualität ist in der Versorgung von
demenzkranken Menschen entlang des
Krankheitsverlaufs sichergestellt.
Hirnleistung (Kognition) beim normalen/gesunden
Altern
Alter in Jahren Li und Kollegen, Psychological Science, 15, 155–163, 2004
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 6
kristallisierte Intelligenz:
explizit: Faktenwissen
implizit: Verhaltensweisen, Velofahren,
Vokabelwissen
fluide Intelligenz:
logisches, induktives, deduktives Denken
Probleme lösen
im Alter:
Zunahme des Wissens
Abnahme von Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
Abnahme der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
Keine Beeinträchtigung sprachlicher Funktionen
Achtung: hohe interindividuelle Unterschiede
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 7
Definitionen von Kognition
„Kognition: Oberbegriff für die höheren geistigen Funktionen, insbesondere Denken, Wahrnehmung, Erkennen und Verstand“ (Tewes & Wildgrube 1994, S. 183)
„Kognition: Überbegriff für alle Prozesse, die mit dem Erkennen einer Situation
zusammenhängen: Wahrnehmung, Erkennen, Beurteilen, Bewerten, Verstehen, Erwarten
(Bertelsmann Lexikon der Psychologie 1995, S.225) „Kognition beschreibt diejenigen Fähigkeiten des Menschen, die es ihm
ermöglichen sich in der Welt zu orientieren und sich an seine Umwelt anzupassen.
(Lexikon der Pädagogik zweiter Band 1986, S.456 ff)
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 8
Was beinhaltet Kognition?
Aufmerksamkeit Erinnerung Lernen
Merkfähigkeit Argumentation
Planen Orientierung Wahrnehmungsfähigkeit
Abstraktionsvermögen Erkenntnisfähigkeit
Urteilsfähigkeit Rationalität Schlussfolgerung
Urteilsfähigkeit Argumentation Glaube
Wille Introspektion
Wie geht es den alten Menschen?
– Das Zufriedenheitsparadox
gut
nach-
lassend
trotz nachlassender Selbstständigkeit und nachlassenden
Körperfunktionen fühlen sich ältere Menschen wohl
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 9
Ablauf 1. Alte Menschen in unserer Gesellschaft
Veränderung der Altersstruktur
Häufigkeit von kognitiven Störungen und Demenzsyndromen
Wie verändert sich die Hirnleistung im Alter?
Das Zufriedenheitsparadoxon bei Hochbetagten
2. Demenz/Demenzsyndrom
Demenz: verschiedene Definitionen – neue Diagnosesysteme
Diagnostisches Vorgehen in zwei Schritten:
1. Liegt ein Demenzsyndrom vor? – 2. Diagnose der
Demenzätiologie
Differenzialdiagnosen
3. Praktisches Vorgehen in einer Gedächtnissprechstunde
10 Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 11
«Eine Demenz ist eine schwere erworbene Störung des
Gedächtnisses und weiterer Hirnfunktionen (z.B. Sprache,
Urteilen, Planen) infolge einer Hirnerkrankung.»
Demenz ist streng genommen keine Krankheit, sondern ein
Oberbegriff bzw. ein Syndrom.
Es gibt mehrere Dutzend verschiedene Ursachen bzw.
Demenzerkrankungen für eine Demenz.
Die Alzheimerkrankheit bzw. Alzheimerdemenz ist die häufigste
Demenzerkrankung.
Demenz: Definitionen und Diagnosesysteme
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 12
Demenzsyndrom: Definition
Beschwerden seit mindestens sechs Monaten
Folge einer meist fortschreitenden Hirnerkrankung
[McKhann et al., 1984]
National Institute of Neurological Disorders and Stroke“ & „Alzheimer‘s Disease and Related Disorders Association
Wahrscheinliche AD
(probable AD)
• Nachweis einer Demenz (Klinik + Neuropsychologie)
• Mindestens zwei kognitive Domänen betroffen
• Progredienz der kognitiven Defizite (einschliesslich mnestischer Defizite)
• Keine Bewusstseinsstörungen
• Beginn zwischen 40. und 90. Lebensjahr, meist nach 65. Lebensjahr
• Ausschluss einer anderen ursächlichen Hirn- oder Systemerkrankung
Mögliche AD
(possible AD)
• Bei Demenz mit untypischer Symptomatik bezüglich Beginn, Verlauf oder Ausfallsprofil, falls andere
neurologische, psychiatrische oder internistische Demenz verursachende Erkrankungen
ausgeschlossen werden können.
• Bei Vorhandensein einer zweiten Demenz verursachenden System- oder Hirnerkrankung, falls diese
nicht als wesentliche Ursache der Demenz angesehen wird.
• Bei Vorhandensein eines einzelnen progredienten schwerwiegenden kognitiven Defizits ohne
erkennbare Ursache (in Forschungsstudien)
Definitive AD • Histopathologisch gesicherte AD (Autopsie oder Biopsie)
• Klinische Kriterien einer wahrscheinlichen (probable) AD sind erfüllt.
Ausschlusskriterien • Plötzlicher (apoplektischer) Beginn
• Fokale neurologische Zeichen in frühen Krankheitsstadien
• Epileptische Anfälle oder Gangstörungen zu Beginn / im frühen Stadium der Erkrankung
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 13
Diagnosekriterien (Konsensus-Kriterien)
nach NINCDS-ADRDA
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 14
2011: neue
Diagnoserichtlinien für
• Demenzsyndrom
• Alzheimerdemenz
Wichtig:
• Längsverlaufsspektrum – AD
als Kontinuum-
Erkrankung, zu Beginn
klinisch inapparent
• Stellenwert von Biomarkern
und Bildgebung steigt
• Forschung – tägl. Gebrauch
• kogn. Domänen über die
Gedächtnisstörung hinaus
Diagnosekriterien der NIH 2011
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 15
2011: neue
Diagnoserichtlinien für
Demenzsyndrom
Alzheimerdemenz
Wichtig:
Längsverlaufsspektrum –
AD als Kontinuum-
Erkrankung, zu Beginn
klinisch inapparent
Stellenwert von
Biomarkern und
Bildgebung steigt
Forschung – tägl.
Gebrauch
Diagnosekriterien der NIH 2011
nach Jack et al., Lancet Neurol 2010;9:119-28
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 16
Mild Neurocognitive Disorder (MCI)
Major Neurocognitive Disorder (Dementia)
mild Kognition: -1 SD bis -2
Kompensation möglich
unabhängig
major Kognition: >-2 SD
Kompensation nicht möglich
abhängig
neu
• Der Begriff «Demenz» wird abgelöst
• Ausweitung auf nicht-Alzheimerbedingte
Demenzen
DSM-5
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 17
DSM-5 Sechs gleichrangige kognitive Bereiche nach DMS-5
1. Komplexe Aufmerksamkeit
Vigilanz, selektive A., geteilte A., Verarbeitungsgeschwindigkeit
2. Exekutive Funktionen
Planen, Entscheiden, Arbeitsgedächtnis, Fehlerkontrolle, mentale Flexibilität etc.
3. Lernen und Gedächtnis
Immediatgedächtnis, Kurz-/Langzeitgedächtnis (inkl. freier
Abruf, Abruf mit Hinweisreizen, Wiedererkennen)
4. Sprache
Expressive Sprache [inkl. Benennen, Fluenz, Syntax],
rezeptive Sprache
5. Visuokonstruktive-perzeptuelle Fähigkeit
Zeichnen, visuelle Perzeption
6. Soziale Kognition
Emotionen erkennen, "theory of mind", Verhaltenskontrolle
neu!
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 18
Diagnostischer Prozess Patient mit (subjektiven) kognitiven Störungen
Leitfragen Themen und Differenzialdiagnosen
1. Schritt:
Diagnose des
Demenzsyndroms
Liegt ein
Demenz-
syndrom vor?
Fremdanamnese von hoher Bedeutung
Screeningtests:
MSST, Uhrentest, MoCA-Test
Beurteilung der Alltagskompetenz
Schweregradeinteilung
Abgrenzung zur Depression und zum Delir
2. Schritt:
Diagnose der
Demenzätiologie
Welche
Krankheit liegt
dem Demenz-
syndrom
zugrunde?
z.B. Alzheimerkrankheit, vaskuläre Demenz,
gemischte Demenz
z.B. Frontotemporale Demenz, Lewy-
Körperchen-Demenz, Chorea Huntington
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 19
Demenzsyndrom nach ICD-10:
– fortschreitende und anhaltende
Verschlechterung der kognitiven
Funktionen
– seit mindestens einem halben Jahr
– Einschränkung der
Alltagsfertigkeiten (ADL und IADL)
– keine Bewusstseinsstörung
1. Schritt: Liegt ein Demenzsyndrom vor?
Anamnese – insbesondere
Fremdanamnese – von
besonderem Stellenwert
Erfassen der
Alltagsfähigkeiten
Erfassen der Leitsymptome
der verschiedenen
Demenzerkrankungen, und
von
wichtigen
Differenzialdiagnosen (v.a.
psychiatrische
Erkrankungen)
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 20
Screening der kognitiven Funktionen
Empfohlene Tests:
– Mini-Mental-Status-Test (MMST)
– Demenzdetektion (DemTect)
– Test zur Früherkennung von Demenzen
mit Depressionsabgrenzung (TFDD)
S3-Leitlinie «Demenzen», 2009, www.awmf.de
– Uhrentest
«Bed-side» Tests zur Beurteilung der
kognitiven Funktionen
Hinweise
- Schätzverfahren, keine psycho-
metrisch fundierten Testinstrumente
- kann von verschiedenen Berufs-
gruppen durchgeführt werden
- schnell, kostengünstig
- bei der Durchführung:
- Ruhe, kein Zeitdruck,
- angemessene Aufklärung
(«Gedächtnistest mit manchmal
etwas unsinnig erscheinenden
Fragen»)
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 21
erhältlich im Internet
Screening, aber auch Einsatz
zur Verlaufsbeurteilung
zur Schweregradbeurteilung
für nicht-Alzheimer-Demenzen
weniger gut geeignet
Folstein, M.F., Folstein, S.E. & McHugh, P.R. (1975). „Mini-
Mental State“ –A Practical Method for Grading the Cognitive
State of Patients for the Clinician. Journal of Psychiatric
Research, 12,189-198.
Mini-Mental-State MMST
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 22
Uhrentest
verschiedene Versionen
Shulman 1993
prüft die
visuokonstruktiven Fähigkeiten
Problemlösefähigkeiten
geringe Korrelation zum
MMST – prüft andere
kognitive Domänen
ergänzt MMST gut
Uhrentest / clock drawing test
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 23
Montreal Cognitive
Assessment
MoCA-Test
www.mocatest.org
kostenlos
einseitig
geeignet für Frühstadien von
kognitiven Störungen und für
Menschen mit hohem
Bildungsniveau
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 24
Demenzsyndrom:
Schweregradeinteilung
Hofmann W.: Leitliniengerechte Diagnose des Demenzsyndroms,
2012, Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 45:341-351
Schweregradeinteilung einer
Demenz:
anhand Alltagsfähigkeit
MMST hierbei (nur) ein
Hilfskriterium
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 25
Differenzialdiagnose Depression
versus Demenz
Hinweis für Depression Hinweis für Demenz
Beschwerden: subjektives Klagen stärker als objektive
kognitive Defizite (eher klagsam, aggravierend)
objektive Defizite stärker als das
Klagen darüber (eher
bagatellisierend)
Neuropsychologische Testung:
- Bedenke: Es gibt kein depressionstypisches Profil
- häufig Strg. der Exekutivfunktionen und des deklarativen
Gedächtnisses (Gedächtnis: primäres Speicherdefizit)
- visuokonstruktive Fähigkeiten eher erhalten
Neuropsychologische Testung
Gedächtnis: primäres
Abrufdefizit
Lebensverlaufsanamnese mit Hinweisen auf affektive
Störung
Orientierung eher erhalten
alltagspraktische Fähigkeiten eher erhalten
Orientierung eher gestört
Zu beachten:
Beide – die Depression und die Demenz – führen zu kognitiven Defiziten
Beide – Depression und Demenz – kommen oft gemeinsam vor
Unterscheidung Depression – Demenz nicht immer klar möglich
Literatur: u.a. Hatzinger M. Schw Arch Neurol Psychatr 2011; 162(5):179-89.
2. Schritt: Welche
Demenzätiologie liegt vor?
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 26
primäre Demenzerkrankungen «sekundäre Demenzen»
sekundäre
Demenzsyndrome
Hofmann W:
Leitlieniengerechte
Diagnose der
Demenzätiologie; Z
Gerontol Geriat 2012 ·
45:761–773
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 27
Ein Demenzsyndrom wurde festgestellt – Welche Erkrankung liegt vor?
Alzheimererkrankung und vaskuläre Demenz – die beiden häufigsten Erkrankungen, die
einem Demenzsyndrom zugrunde liegen
Alzheimererkrankung vaskuläre Demenz Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 28
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 30
Diagnosekriterien:
– Eingangskriterium: Demenzsyndrom (episodisches
Gedächtnis zu Beginn wenig beeinträchtigt)
– Kernsymptome (mind. zwei)
Fluktuation der Aufmerksamkeit und Wachheit
Parkinsonismus
Visuelle szenische Halluzinationen
– «Unterstützende Merkmale»
REM-Schlafverhaltensstörung
Neuroleptikaüberempfindlichkeit
verminderte Dopaminwiederaufnahme in den
Basalganglien (PET, SPECT)
Lewykörperchendemenz
McKeith et al. 2005, Dementia with Lewy bodies
Lewykörperchen
intrazellulär
in kortikalen Neuronen
(beim M. Parkinson in
der substantia nigra)
1912 beschrieben,
inzw.
immunhistochemisch
definiert: Alpha-
Synuclein
60er Jahre erstmals beschrieben, Diagnosekonsensus 1996/2005
neu als Diagnose im DSM-5
distinkte Entität - Überlappung mit anderen neurodeg. Demenzen?
Alzheimerdemenz Lewykörperchend.
MMST 20/30 MMST 20/30
Orientierung: 5/10 Orientierung: 8/10
Kurzzeitgedächtnis
0/3
Kurzzeitgedächtnis:
2/3
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 31
subjektive kognitive Beschwerden
primäre
Demenzerkrankungen Beispiel: Alzheimerkrankheit,
vaskuläre Demenz,
frontotemporale Demenz
normale
kognitive
Funktionen
mild cognitive
impairment /
MCI
demenzielles
Syndrom leicht – mittel -
schwer
kognitive
Störungen leicht – mittel - schwer
und
qualitative Beschreibung der kognitiven Funktionen
Domänen: komplexe Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, Lernen u.
Gedächtnis, Sprache, visuokonstruktive-perzeptuelle Fähigkeit, soziale Kognition
nicht-degenerative
Ursachen für die
kognitiven Störungen Beispiel: Depression,
schizophrenieforme
Erkrankung, somatische
Erkrankung, Nebenwirkung von
Medikamenten
subjektiv
objektiv
syndromale Beurteilung
ätiologische Beurteilung
Definitionen:
mild cognitive
impairment/MCI: die
internationalen
Diagnosekriterien
werden erfüllt
demenzielles
Syndrom:
fortschreitende und
anhaltende
Verschlechterung der
kognitiven Funktionen
seit mindestens einem
halben Jahr;
Einschränkung der
Alltagstätigkeiten (ADL);
primäre
Demenzerkrankung als
Ursache wahrscheinlich
kognitive Störung:
Verschlechterungen der
kognitiven Funktionen,
aber die Kriterien für ein
demenzielles Syndrom
werden nicht erfüllt, z.B.
Dauer der Störung unter
sechs Monaten;
kognitive Störungen bei
Depression oder
Korsakowsyndrom
Zusammenfassung: Der diagnostische Prozess
Leitfragen:
Liegt ein
Demenz-
syndrom
vor?
Welches?
Welche
Krankheit
liegt dem
Demenz-
syndrom
zugrunde?
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 32
Beispiel:
leichtes demenzielles Syndrom
(MMST 20/30, UT 7/7, CDR 1)
V.a. Alzheimererkrankung
Ablauf 1. Alte Menschen in unserer Gesellschaft
Veränderung der Altersstruktur
Häufigkeit von kognitiven Störungen und Demenzsyndromen
Wie verändert sich die Hirnleistung im Alter?
Das Zufriedenheitsparadoxon bei Hochbetagten
2. Demenz/Demenzsyndrom
Demenz: verschiedene Definitionen – neue Diagnosesysteme
Diagnostisches Vorgehen in zwei Schritten:
1. Liegt ein Demenzsyndrom vor? – 2. Diagnose der
Demenzätiologie
Differenzialdiagnosen
3. Praktisches Vorgehen in einer Gedächtnissprechstunde
34 Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel
Umfassende, interdisziplinäre Abklärung von kognitiven
Störungen bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte
Erkennen von demenziellen Erkrankungen, deren Vorstadien und
Differenzialdiagnosen
in einem frühen Krankheitsstadium
Gedächtnissprechstunde/Memory Clinic
Definition
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 35
Diagnostische Klarheit für alle Betroffenen (Patient, Angehörige,
Fachpersonen, evtl. Behörden) herstellen
Erkrankten Menschen – und ihren Angehörigen – die Möglichkeit geben,
selbstbestimmt über wichtige persönliche Themen zu entscheiden
(z.B. Wohnsituation, Betreuungsumstände bei Zunahme der Demenz)
alle anderen Ursachen für eine Verschlechterung der kognitiven
Funktionen – insbesondere die reversiblen Demenzformen –
untersuchen und behandeln, z.B. eine Depression
individuelle Beratung der Patienten, seiner Angehörigen und der übrigen
Fachpersonen (z.B. Hausärzte und Pflegekräfte)
Ziele einer Gedächtnissprechstunde
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 36
37
Gedächtnissprechstunde/Memory Clinic
Abklärungsmöglichkeiten
Abklärung für ambulante Patienten
• erstmalige Abklärung – „grosse Abklärung“
• mit Fremdanamnese und neuropsychologischer Testung
• mit Befundbesprechung mit Angehörigen und Patient
• Verlaufsuntersuchung – „klein“ oder „gross“
Abklärung für stationäre und teilstationäre Patienten
• neuropsychologische Testung und Diagnosekonferenz mit dem
Stationsarztteam
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel
38
Gedächtnissprechstunde / Memory Clinic
Diagnostischer Prozess 1
Schwerpunkte bei der ärztlichen Anamnese und
Untersuchung
• psychiatrische Längsverlaufsanamnese
• psychiatrischer Querschnittsbefund
• somatische Begleiterkrankungen und –medikation;
internistischer Befund (--> Risikofaktoren für vaskuläre
Demenz?)
• neurologische Symptomatik mit Fokus auf
extrapyramidalmotorische Störungen,
Motoneuronerkrankungen, entzündlichen ZNS-Erkrankungen
• Hinweise für die seltenen neurodegenerativen Demenzen?
• Fahrtauglichkeit (Anamnese, Untersuchung)
Fremd-
anamnese
hat einen
besonderen
Stellenwert!
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel
Gedächtnissprechstunde / Memory Clinic
Diagnostischer Prozess 2
Diagnostik
als Standard:
• neuropsychologische Testung
• Kontrolle der demenzspezifischen Laborwerte
• strukturelle Bildgebung des Gehirns, in der Regel MRT
weitere Zusatzdiagnostik nach individueller
Entscheidung (z.B. weitere Laborwerte, neurologisches
Konsil, funktionelle Bildgebung) Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 39
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 40
Anamnestische Angaben Es werden Daten zu folgenden Themen
gesammelt:
kognitive Defizite
Angaben zur Entwicklung, Verlauf
(seit wann?, sprunghaft/langsam?,
fluktuierend? )
Angaben zu Einschränkungen bei den
Alltagstätigkeiten (ggfls. mit den
Skalen NOSGER, CDR und
IQCODE)
psychiatrische Vorgeschichte
Angaben zum Lebenszeitverlauf im Hinblick
auf psychiatrische Erkrankungen
allgemein-körperliche
Begleiterkrankungen (Risikofaktoren für
vaskuläre Demenz?)
neurologische Begleiterkrankungen
(extrapyramidalmotorische Störungen,
Motoneuronerkrankungen, entzündliche
ZNS-Erkrankungen?)
Medikation
(insbesondere Medikamente mit möglichen
Nebenwirkungen für die kognitiven
Funktionen)
Familienanamnese für psychiatrische
Erkrankungen
Fahrtauglichkeit
(wird ein Fahrzeug gefahren; wenn ja:
Verhalten im Strassenverkehr, Unfälle,
Beinahe-unfälle, fühlt sich der Beifahrer
sicher oder nicht?)
Angaben zu Sozialem und
Biographischem:
Wohnform, Unterstützung im Alltag,
Alltagstätigkeiten, alleine oder mit
anderen lebend?
Schulbesuch, Ausbildung,
Berufstätigkeit
Untersuchungen / Querschnittsbefunde allgemeinkörperlicher Befund
neurologischer Befund
psychopathologischer Befund
geriatrisches Assessment
Laborparameter Blutbild, Elektrolyte (Na, K, Ca),
Nüchtern-Blutzucker, Blutsenkung oder
CRP, GOT, Gamma-GT, Kreatinin,
Harnstoff
Vitamin B12, Folsäure, TSH
Strukturelle Bildgebung des Gehirns Computertomographie oder
Kernspintomographie des Gehirns.
Die MRT hat von beiden Verfahren die
höhere Aussagekraft und ist vorzuziehen.
Ziele der Bildgebung sind
(1.) behandelbare Ursachen von
Demenzsyndromen aufdecken, z.B.
Subduralhämatom, Tumor, Fehlbildung,
Normaldruckhydrozephalus
(2.) ätiologische Unterscheidung unter den
primären Demenzerkrankungen
Neuropsychologische Testung
Basisuntersuchung
für die Abklärung in
der Memory Clinic
der KPD-SN
Folgende Untersuchungen
stellen die Basis für die
diagnostische Beurteilung
dar.
Die Fremdanamnese
(Befragung von Angehörigen
und Pflegekräften) und die
Sammlung aller medizinischen
Informationen haben einen
besonderen Stellenwert.
Alle verfügbaren
Informationsquellen werden
dazu genutzt.
Quelle: „S3-
Leitlinie
Demenzen“ der
DGPPN und
„Konsensus zur
Diagnostik und
Betreuung von
Demenzkranken
in der Schweiz“
der
Expertengruppe
der Schweiz; teils
adaptiert
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 41
Erweiterte
Untersuchungen
für die Abklärung
in der Memory
Clinic der KPD-SN Im Falle klinisch unklarer
Situationen oder bei
spezifischen
Verdachtsdiagnosen
sollen gezielte
weitergehende
Zusatzuntersuchungen
durchgeführt werden.
Beispiele sind:
Quelle: „S3-
Leitlinie
Demenzen“ der
DGPPN und
„Konsensus zur
Diagnostik und
Betreuung von
Demenzkranken
in der Schweiz“
der
Expertengruppe
der Schweiz; teils
adaptiert
Funktionelle Bildgebung des Gehirns FDG-PET (Messungen des Glukosemetabolismus) und
HMPAO-SPECT (Messung der Perfusion) können
Hinweise zur ätiologischen Zuordnung liefern.
FP-CIT-SPECT (Darstellung des Dopamintransporters)
liefert Information für die Differenzialdiagnose einer
Lewy-Körperchen-Demenz versus eine Nicht-Lewy-
Körperchen-Demenz.
Labordiagnostik Differenzial-Blutbild, BGA, Phosphat, HBA1c,
Homocystein, fT3, fT4, , Kortisol, Parathormon,
Coeruloplasmin, Vitamin B6, Borrelien-Serologie, Pb,
Hg, Cu, Lues-Serologie, HIV-Serologie,
Drogenscreening, Urinteststreifen
SD-Antikörper und andere immunologische Parameter,
die auf eine Autoimmunerkrankung hindeuten, z.B.
antinukleäre Antikörper, Rheumafaktoren, ANCA,
Antiphospholipid-AK, Anti-ZNS-AK (Hu, Yo, Ri u.a.)
Schwermetalle und Spurenelemente (z.B. Kupfer, Blei,
Quecksilber)
Laborparameter, die der Erfassung vaskulärer
Risikoparameter dienen
Liquor: Ausschluss infektiöse oder autoimmunologische
ZNS-Erkrankung
Bestimmung des Demenzprofils
Genetische Analysen: Eine isolierte Bestimmung des
Apolipoprotein-E-Genotyps als genetischer Risikofaktor
wird aufgrund mangelnder diagnostischer Trennschärfe
und prädiktiver Wertigkeit im Rahmen der Diagnostik
nicht empfohlen.
Genetische Analyse für Chorea Huntington, CADASIL
Elektrophysiologische Diagnostik EKG
EEG in speziellen Fällen (z.B.
Verdacht auf Epilepsie,
metabolische Enzephalopathie,
Creutzfeld-Jakob-Erkrankung)
Weitere Diagnostik Röntgen Thorax
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 42
Gedächtnissprechstunde / Memory Clinic
Ablauf Erstabklärung
9 bis 9.10 Uhr Begrüssung, Kennenlernen, Ablaufplanung
Patient, Angehöriger, Psychologin, Arzt
9.10 bis 10 Uhr Ärztliche Anamnese u. Unters. Patient
und Arzt Fremdanamnese
Angehöriger und Psychologin
10 bis 12 Uhr Neuropsychologische Testung
Patient und Psychologin
nachmittags
45 Min. Diagnosekonferenz
Psychologin und Arzt
45 Min. Befundbesprechung
Patient, Angehöriger, Arzt und Psychologin
1. Tag: Untersuchung, Befunderhebung und Diagnosekonferenz
2. Tag – eine Woche später: Ergebnisbesprechung
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 43
Minimalkriterien zur Definition einer Memory Clinic
1. Die Memory Clinic ist ein Kompetenzzentrum für die Diagnostik, Behandlung
und Beratung bei Demenzerkrankungen und verwandten Störungen. Die Memory
Clinic führt pro Jahr mindestens 100 ambulante Demenzabklärungen durch.
2. Die Diagnostik in der Memory Clinic erfolgt multimethodal und multimodal.
3. Die vier akademischen Kerndisziplinen sind Geriatrie, Neurologie,
Neuropsychologie und Alterspsychiatrie. Die (Neuro)Psychologie muss vorhanden
sein. Die Diagnosestellung erfolgt in einer interdisziplinären Diagnosekonferenz.
4. Die Arbeit der Memory Clinic richtet sich nach anerkannten nationalen und
internationalen Empfehlungen/Guidelines/Leitlinien.
5. Die Memory Clinic betreibt Öffentlichkeitsarbeit und vernetzt sich mit anderen
Diensten und Fachstellen.
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 44
Gedächtnissprechstunde der KPD-SN/Memory Clinic
Was sind die Prinzipien bei unseren Angeboten?
Diagnostik: ärztliche und psychologische Untersuchung
Psychoedukation: Aufklärung/Informationsvermittlung
Einbezug der „indirekt Betroffenen“ (Angehörige, Vertrauenspersonen)
Einbezug der „Professionellen“ und der Vor- und Nachbehandler
(Hausarzt, Pflegekräfte)
Behandlung:
z.B. Validationstherapie, Bewegung/Physiotherapie, basale Stimulation
Unterstützung/Beratung bezüglich der Wohn- und Betreuungsform
medikamentöse Behandlung
Vernetzung, Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 45
Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel 46
Gedächtnissprechstunde / Memory Clinic
Ergebnis
Folgende diagnostische Fragen sind geklärt:
1. Liegt eine Störung der Hirnleistung vor?
Liegt ein Demenzsyndrom vor?
Welcher Ausprägungsgrad? Wo genau liegen die Defizite?
2. Liegen (somatische oder psychiatrische)
Ursachen/Differenzialdiagnosen vor?
3. bei einer neurodegenerativen Demenz:
Welche Krankheit liegt dem Demenzsyndrom zugrunde?
Behandlungsvorschläge
- medikamentös (Cholinesterasehemmer, Memantine, etc.)
- Fahrtauglichkeit, Wohnen/Betreuung, Patientenverfügung,
Informationsvermittlung, Angehörigenberatung
- Verlaufskontrollen, Therapieevaluation
Ablauf 1. Alte Menschen in unserer Gesellschaft
Veränderung der Altersstruktur
Häufigkeit von kognitiven Störungen und Demenzsyndromen
Wie verändert sich die Hirnleistung im Alter?
Das Zufriedenheitsparadoxon bei Hochbetagten
2. Demenz/Demenzsyndrom
Demenz: verschiedene Definitionen – neue Diagnosesysteme
Diagnostisches Vorgehen in zwei Schritten:
1. Liegt ein Demenzsyndrom vor? – 2. Diagnose der
Demenzätiologie
Differenzialdiagnosen
3. Praktisches Vorgehen in einer Gedächtnissprechstunde
47 Abklärung kognitiver Störungen im Alter bei V.a. Demenz | Symposium 18.6.2015 | S. Goppel