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542.48 : 66.048.6 : 541.123.21 WASSERDAMPFDESTILLATION VON N. SCHOORL. t 1. Mitteilnng. Destillation von mit Wasser nicht mischbaren fluchtigen Stoffen. Unter Wasserdampfdestillation ist die Destillation eines fliichtigen Stoffes zusammen mit Wasser zu verstehen. Geschieht diese bei konstantem Druck (beispielsweise von 1 Atmosphare) , so werden die Besonderheiten bei dieser Destillation aus der Siedepunktslinie (C.T.-Kurve) des Systems zweier Komponenten, deren eine Wasser ist, folgen. Der fluchtige Stoff kann einen Siedepunkt unterhalb desjenigen von Wasser haben, und wir setzen ihn d a m als Stoff A links in die Diagramme. Oder er kann einen Siedepunkt uber 100' haben und wird dann als Stoff B rechts in die Diagramme gesetzt. Das Verhaltnis der beiden Komponenten wird - wenn nichts anderes ver- merkt ist - in den Diagrammen stets als das der Anzahl der Molekule der beiden Komponenten, also in MoLFraktion-Griisse oder in MoLProzenten, angegeben. Der Fall, dass die beiden Komponenten (der fluchtige Stoff und Wasser) iiberhaupt nicht miteinander mischbar sind, trifft in grosser Annaherung bei Kohlenwasserstoffen zu. Jede der beiden Komponenten, wenn sie nebeneinandergestellt und auch, wenn sie innig miteinander zu einer Emulsion vermischt sind, liefert selbstandig ihren Dampf, und diese beiden Dampfe sind natiirlich in jedem Verhaltnis miteinander mischbar. Wenn die Temperatur erhoht wird. bis dieses gemeinsame Dampfgemisch den Druck der Umgebung (1 Atm.) erreicht hat, dann wird das Gemisch der beiden Flussigkeiten zu sieden anfangen, und zwar bei einer Temperatur, die niedriger liegt als die Siedepunkte der beiden Flussigkeiten, weil die eine Fliissigkeit durch den Dampf der anderen unter- stiitzt wird, um zusammen den Druck der Umgebung (1 Atm.) zu erreichen. Man kann hier also sprechen von einem Euzeotikum I), einer euzeotischen Temperatur und einem euzeotischen Mischungsverhaltnis. Die Konstruktion des Euzeotikums erfolgt einfach (siehe Fig. 1 ) dadurch, dass man die Dampfdruckkurve des Stoffes A bzw. B senkrecht auf die Achse Aq. T abtragt, wobei der Druck von 1 Atm. in Sdp. a bzw. Sdp. b erreicht wird. Von der anderen Seite her tragt man die Dampfdruckkurve von Wasser senkrecht auf die Achse A T bzw. BT ab. wobei 1 Atm. bei 100' erreicht wird. Jede dieser Dampfdruckkurven ergibt die Siedepunkte einer der beiden Komponenten bei niederen Drucken. Der Schnittpunkt der beiden Dampfdruckkurven gibt offenbar die Tem- peratur an, bei der die Summe der Dampfdrucke der beiden Komponenten 1 Atm. ist, also den Siedepunkt der IMischung (Emulsion), also die euzeotische Temperatur. l) Name gewahlt in Analogie mit dem bekannten Eutektikum bei der Schmelzpunkts- kurve eines Systems zweier Komponenten, welche im festen Zustand nicht und tm fliissigcn wohl mit rinandcr mischbar sind. LXII 14

Wasserdampfdestillation

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542.48 : 66.048.6 : 541.123.21

WASSERDAMPFDESTILLATION VON

N. SCHOORL. t 1. Mitteilnng.

Destillation von mit Wasser nicht mischbaren fluchtigen Stoffen. Unter Wasserdampfdestillation ist die Destillation eines fliichtigen Stoffes

zusammen mit Wasser zu verstehen. Geschieht diese bei konstantem Druck (beispielsweise von 1 Atmosphare) , so werden die Besonderheiten bei dieser Destillation aus der Siedepunktslinie (C.T.-Kurve) des Systems zweier Komponenten, deren eine Wasser ist, folgen.

Der fluchtige Stoff kann einen Siedepunkt unterhalb desjenigen von Wasser haben, und wir setzen ihn d a m als Stoff A links in die Diagramme. Oder er kann einen Siedepunkt uber 100' haben und wird dann als Stoff B rechts in die Diagramme gesetzt.

Das Verhaltnis der beiden Komponenten wird - wenn nichts anderes ver- merkt ist - in den Diagrammen stets als das der Anzahl der Molekule der beiden Komponenten, also in MoLFraktion-Griisse oder in MoLProzenten, angegeben.

Der Fall, dass die beiden Komponenten (der fluchtige Stoff und Wasser) iiberhaupt nicht miteinander mischbar sind, trifft in grosser Annaherung bei Kohlenwasserstoffen zu.

Jede der beiden Komponenten, wenn sie nebeneinandergestellt und auch, wenn sie innig miteinander zu einer Emulsion vermischt sind, liefert selbstandig ihren Dampf, und diese beiden Dampfe sind natiirlich in jedem Verhaltnis miteinander mischbar. Wenn die Temperatur erhoht wird. bis dieses gemeinsame Dampfgemisch den Druck der Umgebung ( 1 Atm.) erreicht hat, dann wird das Gemisch der beiden Flussigkeiten zu sieden anfangen, und zwar bei einer Temperatur, die niedriger liegt als die Siedepunkte der beiden Flussigkeiten, weil die eine Fliissigkeit durch den Dampf der anderen unter- stiitzt wird, um zusammen den Druck der Umgebung ( 1 Atm.) zu erreichen.

Man kann hier also sprechen von einem Euzeotikum I ) , einer euzeotischen Temperatur und einem euzeotischen Mischungsverhaltnis.

Die Konstruktion des Euzeotikums erfolgt einfach (siehe Fig. 1 ) dadurch, dass man die Dampfdruckkurve des Stoffes A bzw. B senkrecht auf die Achse Aq. T abtragt, wobei der Druck von 1 Atm. in Sdp. a bzw. Sdp. b erreicht wird. Von der anderen Seite her tragt man die Dampfdruckkurve von Wasser senkrecht auf die Achse A T bzw. BT ab. wobei 1 Atm. bei 100' erreicht wird. Jede dieser Dampfdruckkurven ergibt die Siedepunkte einer der beiden Komponenten bei niederen Drucken.

Der Schnittpunkt der beiden Dampfdruckkurven gibt offenbar die Tem- peratur an, bei der die Summe der Dampfdrucke der beiden Komponenten 1 Atm. ist, also den Siedepunkt der IMischung (Emulsion), also die euzeotische Temperatur.

l) Name gewahlt in Analogie mit dem bekannten Eutektikum bei der Schmelzpunkts- kurve eines Systems zweier Komponenten, welche im festen Zustand nicht und tm fliissigcn wohl mit rinandcr mischbar sind.

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342 N. Schoorl. f

Wir haben bei dieser Konstruktion die Achse AAq. (bzw. Aq.B) zeitweise als Druckachse gebraucht und den Abstand AAq. (bzw. Aq.B) zu 1 Atm. angenommen.

Aber der Schnittpunkt Eu gibt das Mischungsverhaltnis in MoLProzenten auf der Achse AAq. (bzw. Aq.B) als Konzentrationsachse an, denn das

Fig. 1. Fig. 2.

Verhaltnis der Dampfdrucke in Eu ist (nach A v o g a d r 0) gleichzeitig das Verhaltnis der Anzahl der Molekiile der Komponenten im Dampf.

Man kann auch dieselben Figuren als die Zustandsdiagramme des Zwei- komponentensystems bei konstantem Druck verwenden.

Die Kurven a bzw. b und aq. bedeuten dann die Siedepunkte bzw. Kondensationstemperaturen von A bzw. B und von Wasser, aber erniedrigt durch die Hilfe einer kleinen Menge der zweiten Komponente im Dampf, welche den Druck von 1 Atmosphare zu erreichen vermag.

Der Dampf, der die allerniedrigste Kondensationstemperatur hat, ist of fenbar der Dampf des Mischungsverhaltnisses Eu, der bei der euzeotischen Tem- peratur kondensiert und dann eine Fliissigkeit (Emulsion) von dern Mischungsverhaltnis Eu liefert.

Das euzeotische Gemisch wird als Kondensat bei der Destillation jedes willkiirlichen Gemisches von A mit Aq. bzw. Aq. mit B auftreten, solange von jeder der beiden Komponenten nur noch etwas vorhanden ist. Das Destillat bleibt also von dieser konstanten Zusammensetzung, bis eine der beiden Komponenten ganz aufgebraucht ist. Darauf steigt der Siedepunkt schnell bis zu dem der iiberbleibenden Komponente.

In dem euzeotischen Gemische ( Kondensat) ist die niedrigstsiedende der beiden Komponenten, wenigstens in MoLProzenten am reichsten vertreten, denn bei der bekannten iibereinstimmenden Form der Dampfdruckkurven hat die niedrigstsiedende Komponente bei Eu stets den grosseren Dampfdruck.

Verfiigt man iiber die Dampfdruckkurve des fluchtigen Stoffes A bzw. B, wahrend die von Wasser sehr genau bekannt ist, so kann man das Mischungs- verhaltnis des Euzeotikums berechnen, wie es von v o n R e c h e n b e r g *) far eine grosse Anzahl fliichtiger Stoffe erfolgt ist. Man kann einfacher mit der oben angegebenen Konstruktion sowohl die euzeotische Temperatur als auch das Mischungsverhaltnis in MoLProzenten graphisch ableiten.

2, C. v o n R e c h e n b e r g. Einfache und fraktionierte Destillation in Theorie und Praxis, 1923.

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Page 4: Wasserdampfdestillation

344 N. Schoorl. f

77 80 81 98.6

In der Tabelle auf Seite 343 findet man das Ergebnis fur eine Anrahl Stoffe, dabei moglichst auch mit den empirisch gefundenen Werten verglichen. Diese sind in aufsteigender Reihenfolge ihres eigenen Siedepunktes angeordnet.

Nur von der hiichstsiedenden Komponente ist der Mo1.-Prozentgehalt des Eutektikums angegeben, das also stets unter 50 Mo1.-Prozent liegt. Man findet von der niedrigst siedenden Komponente den MoLProzentgehalt dann als die Differenz von 100.

Es zeigt sich deutlich, dass die graphisch abgeleiteten Zahlen fur das Euzeotikum sehr gut mit den berechneten von v o n R e c h e n b e r g stimmen und dass auch genugende Ubereinstimmung mit den empirisch gefundenen Zahlen besteht.

Die euzeotische Temperatur liegt stets unter dem Siedepunkt der niedrigst siedenden Komponente und somit bei A-Stoffen sogar noch niedriger als der Siedepunkt des Stoffes A und bei B-Stoffen sogar noch niedriger als loo', der Siedepunkt von Wasser.

In der folgenden Tabelle ist angegeben, wieviel die euzeotische Temperatur niedriger liegt als der niedrigste Siedepunkt.

10 1 1 11.3 19.4

A-Stoffe

- -

Isopentan n . Pentsn Schwefelkohlenstoff Diisopropyl n . Hexan Tetrac hlorkohlenstoff Benzen Hexamethylen n . Heptan

30 1 1.3 36.3 I 1.8 46 2.7

69 58 I 3::

Diisobutyl To I uen n . Octan p . Xylen Campher Naphthalin Chloolin

B-Stoffe

Euz. niedi als 100°

7.7 206 138'5 I 0.8 218 0.65 238 1 0.3

I Es folgt klar aus der vorhergehenden Konstruktion, dass der Abstand der

euzeotischen Temperatur vom niedrigstliegenden Siedepunkt grosser wird, wenn die Siedepunkte der beiden Komponenten naher bei einander zu liegen kommen, und maximal (namlich 20'). wenn sie einander gleich sein sollten. Dies ist beinahe der Fall bei dem System n.Heptan und Wasser, w o dieser Abstand nahezu 20' betragt.

Dieser Abstand wird um so kleiner, je weiter die Siedepunkte der beiden Komponenten auseinander liegen. Bei B-Stof fen mit einem Siedepunkt uber 200' wird der Abstand geringer als I' und bei noch vie1 hoher siedenden B-Stoffen ist die euzeotische Temperatur kaum von 100' verschieden.

Die Wasserdampfdestillation von nicht mit Wasser mischbaren fluchtigen Stoffen ist von praktischer Bedeutung u.a. bei der Abscheidung von aetherischen Olen aus Pflanzenteilen. da ja viele Bestandteile dieser Ole, besonders die Terpene, in Wasser praktisch unloslich sind. Es besteht praktisch kein Unterschied zwischen der Wasserdampfdestillation

Page 5: Wasserdampfdestillation

Wasserdampfdestillation. 345

von fluchtigen Flussigkeiten und fliichtigen festen Stoffen. Wenn ein fester Stoff, wie Naphthalin, mit dem Schmp. 80' unkr 1 Atm. Dmck der Wasser- dampfdestillation unterworfen wird, so erfolgt diese ja mit dern fltissigen (geschmolzenen) Naphthalin. Aber auch, wenn man einen festen Stoff wie Campher mit dem Schmp. 177O mit Dampf destilliert. sind die Verhaltnisse ganz dieselbtn, und man braucht vom festen Stoff Campher nur die Dampf- druckkurve. wenigstens in der Nahe von und etwas unter looo, zu kennen. um dann das Euzeotikum konstruieren bzw. berechnen zu konnen. Aus der Tabelle auf Seite 343 ersieht man, dass der empirisch gefundene Wert des Prozentgehalts an Campher. der mit Wasser uberdestilliert, rnit dem berech- neten Wert iibereinstirnmt.

Wenn von einem fliichtigen Stoff nur dessen Siedepunkt und nicht die Dampfdruckkurve bekannt ist, so kann man sich zur Berechnung des Euzeotikums noch befriedigend behelfen mit dem Gesetz von D ii h r i n g ( 1877). Dieses Gesetr umschreibt das Verhaltnis der Dampfdruckkurven (P.T.-Kurven) von zwei wilkiirlichen Stoffen und wird in seiner allgemeinen Form wie folgt formuliert:

tl-t? - -- - q (konstant), 191-82

worin t, und t, die Siedepunkte des einen Stoffes und 6, und 9, die Siede- punkte des zweiten Stoffes sind, beide bei den Drucken p1 und p,. Das Verhaltnis der Siedepunktsdifferenzen, geltend fur die beiden Drucke, muss also konstant sein, was nichts anderes besagen will, als dass die Dampfdruck- kurve eines zweiten Stoffes abzuleiten ist aus der Dampfdruckkurve eines ersten Stof fes, namlich dadurch, dass man eine oder andere iibereinstimmende Transformation nach der Temperatur-Achse als Affinitatsachse nimmt.

Obwohl dies in der Formulierung des Gesetzes von D u h r i n g nicht ein- geschlossen liegt, aber wohl durch die Regel von R a m s a y und S y d n e y Y o u n g ( 1885) ausgedriickt wird, kann man den absoluten Nullpunkt (- 273') als Nullpunkt der Affinitatsachse wahlen; dann ist die entsprechende Transformation, bezogen auf die Siedepunkte der beiden Stoffe in absolutem Mass, einfach auszudriicken als

q (konstant), 2-1- T

1-2 -1-1 - - -

T - _

worin TI und T, die Siedepunkte des einen Stoffes in absolutem Mass bei den Drucken p1 und pe sind. wahrend bei denselben Drucken die Siedepunkte des zweiten Stoffes in absolutem Mass und betragen.

Aus dieser Gleichheit folgt direkt:

T r T 2 - tl--t2 - 1 2 61-79,

=,= -=,= - q und somit auch - - q*

sodass bei der hier dargestellten Transformation der Siedepunktslinien (siehe Fig.) dem Gesetz von D u h r i n g genugt sein wiirde.

Man kann nun Wasser als den Stoff. dessen Dampfdrucke wohl am genauesten gemessen worden sind, als den Grundtypus dieser transformierten

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346 N. Schoorl. f

Siedepunktskurven annehmen, aber man kommt damit wohl in erster Annilherung, jedoch nicht immer genau, aus. Besonders die Siedepunktslinien der Kohlenwasserstoffe haben einen weniger steilen Verlauf, was bei niedrigen Dntcken und niedrigen Siedepunkten einen betrachtlichen Unterschied ver- ursachen kann. In der Figur 3 ist durch eine gestrichelte Kurve die Dampfdmuckkurve

eines gesattigten Grenzkohlenwasserstoffs mit einem Siedepunkt 1 O O O , durch

Fig. 3.

Berechnung aus der bekannten Dampfdruckkurve von Heptan (Sdp. 98.6O) abgeleitet, angegeben.

Man kann sich nun von dieser Kurve ausgehend ein neues System von Dampfdruckkurven konstruiert denken, welche der Regel von D ti h r i n g, R a m s a y und S y d n e y Yo u n g geniigen, ein System, von dem dann alle Kurven weniger steil verlaufen als die Kurven von iibereinstimmendem Siede- punkt des Wassersystems.

Die Stoffe des Wasser-Typus und des Heptan-Typus bilden nun die iiussersten Falle. Es gibt einige unter den fliichtigen organischen Stoffen, die in das Wassersystem passen, und andere (die Kohlenwasserstoffe), die in das Heptansystem gehoren: viele indes liegen zwischen beiden.

Um von einem fluchtigen Stoff, von dem nur der Siedepunkt bekannt ist, auf Grund obiger Regel, die Dampfdruckkurve konstruieren zu konnen, muss man also wissen, zu welcher Gruppe der Stoff gehort. Im allgemeinen gehoren zum Hepbn-Typus alle gesittigten, aromatischen

und cyclischen Kohlenwasserstoffe, wobei aber die Glieder mit hoherem Siede- punkt als 100' etwas nach dem Wasser-Typus hin abweichen. Weiter gehoren zum Heptan-Typus auch viele halogenierte Kohlenwasserstoffe, wie Chlor- benzen, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff und auch z.B. Schwefelkohlenstoff und Ather.

Z u dem Wasser-Typus gehoren die gesattigten aliphatischen Alkohole und die einwertigen Phenole, auch die Fettduren, bei welchen die Dampfdruck- kurven der niederen Glieder etwas weniger steil verlaufen als die vom Wasser-Typus und die hoheren Glieder sogar noch etwas steiler als die des Wasser-Typus. Es bleiben dann noch viele Stoffe fibrig, deren Dampfdruckkurven die Mitte

halten rwischen denen des Wasser-Typus und denen des Heptan-Typus wie Aceton, Athylacetat, Nitrobenzen. Auch gehoren hierzu Anilin und vermutlich somit die homologen aromatischen Amine.

Solange man es mit A-Stoffen zu tun hat, vor allem mit denen von niedrigem Siedepunkt, macht es nor wen4 Unterschied. wo die Dampfdruckkurve von

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Wesserdampfdestillation. 317

Wasser (siehe Konstruktion) geschnitten wird, ob nun der Stoff zu dem einen oder anderen Typus gehort. Ein betrkhtlicher Unterschied kann indes auf - treten bei B-Stoffen, vor allem bei solchen mit hohem Siedepunkt. wenn man vom Stoff allein den Siedepunkt kennt und nicht den Verlauf der Dampf- druckkurve in der Nahe von 100'. Es besteht dann ein grosser Unterschied sowohl in der Lage als auch in der Zusammensetzung des Euzeotikums, je nachdem der Stoff zum Wasser-Typus oder zum Heptan-Typus gehiirt oder dazwischen liegt.

Im allgemeinen sind die Stoffe mit niedrigem Siedepunkt am leichtesten mit Wasserdampf fliichtig. (Man kann die Frage stellen, ob bei Stoffen mit hohern Siedepunkt fur die Fliichtigkeit mit Wasserdampf eine Grenze zu setzen ist. Praktisch liegt die Grenze bei Stoffen mit einem Siedepunkt von ungefahr 300'. Durch die folgende Berechnung kann man zu einer Annaherung an diese Grenze kommen.

Fur Stoffe mit einem Siedepunkt iiber 200°, deren Dampfdruckkurve besonders in der Nahe von looo bekannt ist, kann das Euzeotikum durch die hierfiir angegebene Konstruktion, in geniigend grossem Massstab auf Milli- meterpapier gezeichnet, gefunden werden.

Einfacher indes lasst sich ein solches Euzeotikum berechnen, wenn man weiss, zu welchem Typus der Dampfdruckkurve der fliichtige Stoff gehort. Man muss dann in erster Linie den Dampfdruck des fliichtigen Stoffes bei 100' kennen, namlich bei der Temperatur des erwarteten Euzeotikums, das nur wenig unter 100' gelegen sein kann.

Wenn der Stoff zum Wasser-Typus gehort, ist der gesuchte Dampfdruck gleich dem Dampfdruck von Wasser bei der mit 100' iibereinstimmenden Temperatur, die in absolutem Mass nach der Regel von R a m s a y und S y d n e y Y o u n g gefunden wird aus

(Sdp. Stoff + 273) : 373 = 373 : x und somit gleich ist

3 7 3 x 3 7 3 - - 139129 x = - Sdp. Stoff + 273 Sdp. Stoff + 273'

Bei dieser Temperatur x ist dann der Dampfdruck von Wasser aufzusuchen, welcher bei 100' auch fur den fliichtigen Stoff gilt und somit sehr angenahert auch beim Euzeotikum. Bei einer sehr niedrigen iibereinstimmenden Tem- peratur x (bei Stoffen mit einem sehr hohen Siedepunkt, namlich iiber 260') ist von Wasser in unterkiihltem Zustand der Dampfdruck nicht bekannt, und wir miissen uns mit der Dampfdruckkurve von Eis begniigen, die etwas niedriger liegt; dann schatzen wir also auch den Dampfdruck des Stoffes bei 100' etwas zu niedrig.

Wenn wir also den Dampfdruck des fliichtigen Stoffes bei 100' angenahert kennen, so wird bei der Wasserdampfdestillation der ubrigbleibende Dampf- druck bei 760 mm erganzt durch den des Wassers. Aus diesem letzteren Dampfdruck folgt dann der Siedepunkt des Euzeotikums und somit auch, wieviel dieser unter 100' liegt.

Aus dem Verhaltnis des Dampfdrucks des Stoffes zu dem von Wasser folgt dann gleichfalls das Verhaltnis der beiden Komponenten in Molen und somit

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348 N. Schootl. f

der Mo1.-Prozentgehalt beim Euzeotikgm. Man kann dieses, da es sich stets um kleine Zahlen handelt. bis zum Gew.-Prozentgehalt beim Euzeotikum,

durch Vervielfachen mit - , zuruckfuhren, was ein etwas, aber vernachlassigbar

wenig. zu hohes Ergebnis liefext. Wir kommen dann fur fluchtige Stoffe mit Siedepunkten von 200-400' zu

folgender Anniiherung:

m 18

bei diceurn t. Is0 des Stoffes

be1 1000

Siedepunkt dca Stoffi B t - T

- - 200 473 210 183 220 493 230. 503 210 513 250 523 260 533 270 543 280 553 290 563 300 573 320 593 3.10 613 360 633 380 653 400 673

Dampfdruck v. W-

Entspr. Tcmperatur v. Wasser T-t

~

291.2 21.2 288.1 15.1 282.2 9.2 276.7 3.7 271.2 -1.8 266 -7 261 -12 256 -17 251 -22 247 -26 213 -30 234 -39 227 -46 220 -53 213 -60 207 -66

18.9 mm 12.9 ., 8.7 .. 6.0 1.0 von Eis 2.7mm 2.5 1.8 ,, 1.6

1.03 0.61 0.12 0.28 0.105 0.047 0.019 0.007 0.002

741.1 mm 717.1 .. 751.3 ,. 754.0 ,, 756.0 ,. 757.3 .. 758.2 ..

Euzeotikum Sdp. licgt

unter 100O

0.71 0.48 0.32 0.22 0.15 0.10 0.07 0.038 0.021 0.016 0.0 I0 0.004 0.0017 0.0007 0.0003 O.ooOo7

Ewotikum

Stoffes B Mol.-Qfo d a

2.5 1.7 1.15 0.79 0.53 0.33 0.21 1.11 0.085 0.056 0.037 0.011 0.006 0.0025 O.OOO9 0.00025

Wie oben bereits auseinander gesetzt worden ist, ergibt diese Annaherung sicher zu niedrige Werte, sowohl was den Abstand betrifft, auf dem der euzeotische Siedepunkt unter 100' zu liegen kommen sollte, als auch fur den Mo1.-Prozentgehalt des fluchtigen Stoffes im Destillat.

Man kann eine andere Schatzung vornehmen, die Werte liefert, welche nach der hohen Seite hin gelegen sind. Die fluchtigen Stoffe, die in Wasser unloslich sind, werden in der Regel mehr den Charakter des Heptan-Typus als den des Wasser-Typus haben. Die mit dem Siedepunkt des fluchtigen Stoffes iibereinstimmende Temperatur muss dann fur einen hypothetischen Stoff vom Heptan-Typus mit einem Siedepunkt von 100' den dem Stoff eigenen Dampfdruck liefern, welcher auch der Dampfdruck des fliichtigen Stoffes bei 100' sein wiirde. Von n-Heptan (Siedepunkt 98.6') sind die Dampfdrucke bis -60' gut

bekannt. Diese liefern die Dampfdrucke des hypothetischen Stof fes des Heptan-Typus mit Sdp. IOO', wenn man die zugehorigen Temperaturen in

absolutem Mass mit - 373 vervielfacht. 371.6

Weiter ist die Ableitung der Temperatur und des Mo1.-Prozentgehalts des Euzeotikums auf dieselbe Weise wie oben erfolgt und liefert dann das folgende Ergebnis:

Page 9: Wasserdampfdestillation

Wasserdarnp[destillation. 349

1.3 ., 0.62 ., 0.32 ,. 0.16 ..

~~ ~

Siedepunkt des Stoffes B

t

758.7 ,. 759.4 .)

759.7 ,. 759.84 ..

200 210 220 230 240 250 260 270 280 290 300 320 340 360 380 too

Sdn.

intspr. Tempe ratur fiir Stoff v. Heptan- Typus mit sdp. 100' - -

21.2 15.1 9.2 3.7

- 1.8 - 7 -12 -17 -22 -26 -30 -39 -46 -53 -60 -66

1 lVach 1 Graphtxh abgeleitet I Nach erster Berechnung Berechnung

__-. - bei 100' ___ ___ 35 mm 1 725 mm 26 .. 734 ., 18.5 ., 1 741.5 ,, 13 .. 747 " 9.2 ,, I 750.8 .. 6.7 .. 753.3 ,, 4.7 .. 1 755.2 .. 3.3 ,. 756.7 ,, 2.4 .. I 757.6 I

0.07 .. 759.93 ., 0.04 ,* 759.96 "

- - I

Euzeotikum Sdp. liegt unter 100' __ - -

1.3 1 .o 0.7 0.5 0.35 0.25 0.18 0.12 0.09 0.07 0.05 0.023 0.012 0.006 0.0026 0.0015

Euzeotikum Mol.-o/,

des Stoffes B - - ___

4.6 3.4 2.5 1.7 1.24 0.88 0.62 0.13 0.31 0.24 0.17 0.08 0.04 0.02 0.01 0.005

Es ist klar, dass diese Annaherung viel hohere Werte sowohl fur die Tiefe des Euzeotikums unter 100' als auch fur den MoLProzentgehalt des Stoffes B liefert. Namentlich bei Stoffen mit einem sehr hohen Siedepunkt ist der Unter- schied relativ sehr gross.

Dass die Wirklichkeit zwischen diesen beiden Annaherungen liegt, zeigt sich fur die folgenden Stoffe mit dem Siedepunkt uber 200' (siehe die Tabelle auf S. 343).

Campher 206 99.4 2.1 98.9 4.1 99.2 4.5 Naphthalin 99.65 99.23 99.35 I Chinolin I ;:88 1 99.84 I A::: 1 99.63 I :::2 99.7 I ?:: I

Von den Stoffen mit viel hoherem Siedepunkt und denen, welche in Wasser unloslich sind, lasst sich nur sagen. dass bei einem Siedepunkt von 300° die Fluchtigkeit mit Wasserdarnpf sehr gering wird und bei einem Siedepunkt von 400' praktisch ganz aufhort. Der mit einem dicken Vaselinol mit einem Anfangs-Siedepunkt von ungefahr 400' ausgefiihrte Versuch lieferte ein Wasserdampfdestillat, in dem durchschnittlich 37 mg mit Ather ausschuttel- harer Kohlenwasserstoff auf 1 Liter vorhanden waren.

V r e e 1 a n d, April-Mai 1942.

(Eingegangen am 18. Derember 1942).