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17o4 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 8. JAHRGANG. Nr. 37 io, SEPTEMBER i929 handelt, kommt infolge der Diurese die Verschiebung zwischen Blur und Geweben nicht so deutlich wie im Tierexperiment zur Beobachtung. Wihrend die St6rung der Nierenfunktion bei Diabetes insipidus, wie schon eingangs erwihnt, wohl aussehliel31ich hormonaler Genese ist, liBt dies sich nieht hinsiehtlich der St6rung der Austauschvorginge zwisehen Blur und Geweben sagen. Wenn diese auch durch das Hypophysenhormon beseitigt werden kann, s o mug man doch annehmen, dab sie im wesentlichen nicht durch Hormonmangel bedingt ist. Denn trotz starker Einschrinkung der Konzentrations- Iihigkeit der Niere kann die GewebsstSrung fehlen wie in unseren beiden Fillen yon-normochlorimischem Diabetes insipidus. Wir halten daher Ifir mSglich, dab die erschwerte lVIobilisierung yon Kochsalz aus den Geweben und die Koch- salzretention im Blute bei den hyperchlorimischen Filleli Ausdruck einer FunktionsstSrung der Nervenzentren (z. B. bei Diabetes insipidus nach Encephalitis) ist, die regala- torisch die Austauschvorginge zwisehen Blut und Geweben beherrsehen. Demnach wire der reine Diabetes insipidus eine hormonale Erkrankung, wihrend in den mit Gewebs- stSrung verbundenen hyperchlorimischen Fillen IIoch eine zentrale, neurogene Komponente hinzukommt. DaB ein starker ~lberschul3 von Hypophysenhormon auch die Ge- websst6rung zu beseitigen vermag, ist verstindlich; denli offenbar unterliegt der ffir den Ablaut der Lebensvorginge so wichtige Wasser- und Salzstoifwechsel dem Brinzip der doppelten Sicherung, d. h. er wird sowohl hormonal als auch dutch das Nervensystem reguliert. Bei bilanzmiBiger Betrachtung erscheint sis Wesent- liches der Gesamtwirkung des Hypophysenhinterlappen- hormons im Organismus die erleiehterte Mobilisierung voli Kochsalz aus den Geweben und die erhShte Ausscheidungs- Iihigkeit der Niere f/Jr letzteres, wobei diese unter m6glichst geringem Wasserverlust ffir den K6rper arbeitet. (Disso- ziation der Salz- und Wasserdiurese.) Literatur: 1 FRANK, Beziehungen yon Hypophyse und Hypothalamus zum Wasserhaushalt. Med. Klin. I9z9, Nr 18. -- 2 TRENDELENBURG, Bllin. Wschr. z928, 1679. -- s KAM~, ALDRICH U. a., The active principles of the posterior lobe of the pituitary gland J. amer. chem. Soe. 50, Nr 2, 573 (I928). -- 4 STARLING und VERNEY, Proc. roy. Soc. Loud. 97, 321 (I925). -- 5 JANSEN, Klin. Wschr. i928 , i68o. -- s VEIL, Biochem. Z. 9I, 267 (I918). -- ? ]3USCHKE, Arch. f. exper. Path. 136 (1928). -- S E. MEYER, Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 3, 287 (1925). WEITERE UNTERSUCHUNGEN AM ENDOC&RDITIS LENTA-SERUM. Zugleich ein Beitragzur Frage des ,,endogenenBluteiweiBes". Von Privatdozent Dr. H. KIJ'RTEN. Aus der Medizinischen Urdversit~tsklinik Halle a, d. SaMe (DJrektor: Prof. Dr. TH. BRUGSCH~. Das klinische Bild der Endocarditis lenin, so wie es SCHOTV- Mf)LLER I910 zusammenfassend beschrieben hat, ist heute bei uns in Deutschland allgemein anerkannt. Weniger all- gemein ist dagegen die Auffassung von einer Spezifitit des Erregers dee Kranlcheit. Wihrend SCHOTTM~ILLER d a r a n festhilt, dab der Streptococcus viridans seu mitior ihr alleiniger Erreger ist, haben andere Autoren dessen spezifische Be- deutung stark in Zweifel gezogen und daneben auch Erreger wie In]luenzabaeitlen, P neumokokken und Gonokokken ffir das Zustandekommen des klinischen Symptomenkomplexes der Endocarditis lenta verantwortlich gemacht. Einige Autoren wieder fassen die ,,Sepsis lenta streptococcica" als einen kleinen Ausschnitt ohne scharfe Grenzen aus dem Rahmen der chronischen Streptokokkensepsis auf. Danach w~re also der Begri]] der ,,Sepsis lenta" weder ein ~tiologischer noch anatomischer, sondern ein rein klinischer, und das ana- tomische Substrat in jedem Augenblick des Infektions- gesehehens abhingig yon dem wechselseitigen Verh~Itnis zwischen Keimen und Mikroorganismus. Ohne bier zu diesen wichtigen Fragen Stellung zu nehmen, mul3 doch gesagt werden, dab der Nachweis der Viridans- streptokokken im Blut and im Ham der lentaverd/ichtigen Patienten trotz aller Bemfihungen in der Praxis noch immer erheblichen Schwierigkeiten begegnet und dab die einmal bestehenden Zweifel an einer spezifischen Atiologie der Lenta zur Unsicherheit in der Diagnosenstellung ganz wesentlich beitragen. Andererseits ist die Sicherung der Diagnose z. B. durch die Abtrennung der Krankheit yon der chronisch rezidivieren- den Endokarditis hSchst bedeutnngsvoll wegen der im all- gemeinen in]austen Prognose der Lenta. Von dieser scheint neuerdings auch BIFm 1 iiberzeugt, IIachdem er frfiher die Meinung vertreten hatte, dab das Brenneisen die Endocar- ditis lenta zu heilen verln6ge. Es hat deshalb nicht an Versucheli gefehlt, eine Sicherung der Lentadiagnose zu erm6glichen mit dem Naehweis wenn nicht spezifischer, so doch charakteristischer Ver~inderungen im Verlaufe der Erkrankung. Die stets stark beschleunigte Senkungszeit der Roten ist als ein komplexer Vorgang yon allzuviel Faktoren abhingig und deshalb nicht verwertbar. Aber die Endotheliose des Blutes sei hier erwihnt, die IIach der Mehrzahl aller Autoren eine regelmM3ige Begleiterschei- nung der Endoearditis lenta ist, und bei dieser ihre h6chsten Werte erreicht. Ant sie wird welter unten ausffihrlicher zurfickzukommen sein. Ich selbst habe erst unlingst Beobachtungen ver6ffent- licht, die ich im Laufe yon 7 Jahren an einem Material yon 35 Lentafillen anstellen konnte ~. Dabei babe ich auf eineli Befund hingewiesen, den ich in 33 von 35 Fillen erhobeli babe und der mir ffir die Diagnosenstellung sehr wertvoll war. Es ist dies eine dureh die ,,Formolgelierung" sehr leicht nachweisbare relative und absolute Vermehrung des Globulins im Serum yon Endocarditis lenta-Kranken. Zu meinen quanti- tativen Globulin-Albuminbesfimmungen habe ich reich des gewichtsanalytischen Makroverfahrens voli HOFMEISTER- POHL bedient, das exakt und fiber methodische Zweifel erhaben ist. Der Gesamteiweil3gehalt war mit durchschnitt- lich 8,4% hochnormal, der SerumeiweiBquofient mit 4,3 ~ als Mittel yon 12 Einzelbestimmungen (s. spiter) sehr stark erh6ht. Die noch zu besprechende 2'ormolgelierungszeit be- wegte sich in diesen Fillen zwischen 2 und 12o Minuten. Sie betrug nur in einem autoptisch kontrollierten Falle 48o und in einem anderen 72o Minuten and war als ,, Spitreaktion" mit ,,zweifelhaft" bewertet worden. Von den insgesamt 35 Fillen wurden II ungeheilt entlassen, 24 starben in der Klinik. Von ihnen kamen 19 zur Autopsie und wurden als Endocarditis lenta verifiziert. In den Verhandlungen des Wiesbadener Kongresses 19253 habe ich meine Feststellungen erstmalig ver6ffentlicht. Die Reaktion ist ilizwischen dutch NISHINO bestitigt wordent Die Meinung NISHINOS, dab auch Luesserum diese Reaktion gebe, ist -- wie ich trfiher nachgewiesen babe -- irrig. Irr- tfimer silid aber aus spiter noch zu erSrterndeli Grfinden leicht m6glich. Zum Nachweis der erwihnten hochgradigen Globulin- vermehrung bei der Endocarditis lenta kam ich sozusageli erst auf dem Umweg fiber die Formogelierung des Serums unter normalen und pathologischen Verhiltnissen 55 ~. Unter ihr verstehe ich die Zustandsgnderung, die ein globulinreiches Serum unter dem EinfluB des Formols erfihrt. Methodik: In einem Reagensglas wird I ccm Serum mit 2 Trop- fen einer kiuflichen neutralen 4oproz. FormMinl6sung vermischt. Evtl. muB letztere nlit einer 2oproz. Natriumcarbonatl6sung gegen PhenolphthMein als Indikator neutralisiert werden. -- Das Reagens- glas wird dann verschlossen und -- bei Zimmertemperatur -- yon Zeit zu Zeit durch leichtes Neigen auf die Zustandsinderung seines Inhaltes geprfift. Wihrend sich nun unter dieser Versuchsanordnung die ,,Normalsera" fiberhaupt nicht indern, ist bei dem Lenta- serum entweder sofort oder nach wenigen Stunden -- nnter gleichzeitigem Auftreten einer ausgesprochenen Opalescenz des Gemisches -- eine Gelierung aufgetreten, derart, dab

Weitere Untersuchungen am Endocarditis Lenta-Serum

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17o4 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr. 37 io, SEPTEMBER i929

handelt, kommt infolge der Diurese die Verschiebung zwischen Blur und Geweben nicht so deutlich wie im Tierexperiment zur Beobachtung.

Wihrend die St6rung der Nierenfunktion bei Diabetes insipidus, wie schon eingangs erwihnt , wohl aussehliel31ich hormonaler Genese ist, l iBt dies sich nieht hinsiehtlich der St6rung der Austauschvorginge zwisehen Blur und Geweben sagen. Wenn diese auch durch das Hypophysenhormon beseitigt werden kann, s o mug man doch annehmen, dab sie im wesentlichen nicht durch Hormonmangel bedingt ist. Denn trotz starker Einschr inkung der Konzentrations- I ihigkei t der Niere kann die GewebsstSrung fehlen wie in unseren beiden Fi l len yon-normochlor imischem Diabetes insipidus. Wir halten daher Ifir mSglich, dab die erschwerte lVIobilisierung yon Kochsalz aus den Geweben und die Koch- salzretention im Blute bei den hyperchlorimischen Fil lel i Ausdruck einer FunktionsstSrung der Nervenzentren (z. B. bei Diabetes insipidus nach Encephalitis) ist, die regala- torisch die Austauschvorginge zwisehen Blut und Geweben beherrsehen. Demnach wire der reine Diabetes insipidus eine hormonale Erkrankung, wihrend in den mit Gewebs- stSrung verbundenen hyperchlorimischen Fi l len IIoch eine zentrale, neurogene Komponente hinzukommt. DaB ein starker ~lberschul3 von Hypophysenhormon auch die Ge- websst6rung zu beseitigen vermag, ist verst indl ich; denli offenbar unterliegt der ffir den Ablaut der Lebensvorginge so wichtige Wasser- und Salzstoifwechsel dem Brinzip der doppelten Sicherung, d. h. er wird sowohl hormonal als auch dutch das Nervensystem reguliert.

Bei bilanzmiBiger Betrachtung erscheint sis Wesent- liches der Gesamtwirkung des Hypophysenhinterlappen- hormons im Organismus die erleiehterte Mobilisierung voli Kochsalz aus den Geweben und die erhShte Ausscheidungs- I ihigkeit der Niere f/Jr letzteres, wobei diese unter m6glichst geringem Wasserverlust ffir den K6rper arbeitet. (Disso- ziation der Salz- und Wasserdiurese.)

L i t e r a t u r : 1 F R A N K , Beziehungen yon Hypophyse und Hypothalamus zum Wasserhaushalt. Med. Klin. I9z9, Nr 18. -- 2 T R E N D E L E N B U R G , Bllin. Wschr. z928, 1679. -- s KAM~, ALDRICH U. a., The active principles of the posterior lobe of the pituitary gland J. amer. chem. Soe. 50, Nr 2, 573 (I928). -- 4 STARLING und VERNEY, Proc. roy. Soc. Loud. 97, 321 (I925). -- 5 JANSEN, Klin. Wschr. i928 , i68o. -- s VEIL, Biochem. Z. 9I, 267 (I918). -- ? ]3USCHKE, Arch. f. exper. Path. 136 (1928). -- S E. MEYER, Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 3, 287 (1925).

WEITERE UNTERSUCHUNGEN AM ENDOC&RDITIS LENTA-SERUM.

Zugleich ein Beitrag zur Frage des ,,endogenen BluteiweiBes". Von

Pr iva tdozen t Dr. H. KIJ'RTEN. Aus der Medizinischen Urdversit~tsklinik Halle a, d. SaMe

(DJrektor: Prof. Dr. TH. BRUGSCH~.

Das klinische Bild der Endocarditis lenin, so wie es SCHOTV- Mf)LLER I910 zusammenfassend beschrieben hat, ist heute bei uns in Deutschland allgemein anerkannt. Weniger all- gemein ist dagegen die Auffassung von einer Spezif i t i t des Erregers dee Kranlcheit. Wihrend SCHOTTM~ILLER daran festhilt , dab der Streptococcus viridans seu mitior ihr alleiniger Erreger ist, haben andere Autoren dessen spezifische Be- deutung stark in Zweifel gezogen und daneben auch Erreger wie In]luenzabaeitlen, P neumokokken und Gonokokken ffir das Zustandekommen des klinischen Symptomenkomplexes der Endocarditis lenta verantwortl ich gemacht. Einige Autoren wieder fassen die ,,Sepsis lenta streptococcica" als einen kleinen Ausschnitt ohne scharfe Grenzen aus dem Rahmen der chronischen Streptokokkensepsis auf. Danach w~re also der Begri]] der ,,Sepsis lenta" weder ein ~tiologischer noch anatomischer, sondern ein rein klinischer, und das ana- tomische Substrat in jedem Augenblick des Infektions- gesehehens abhingig yon dem wechselseitigen Verh~Itnis zwischen Keimen und Mikroorganismus.

Ohne bier zu diesen wichtigen Fragen Stellung zu nehmen, mul3 doch gesagt werden, dab der Nachweis der Viridans- streptokokken im Blut and im H a m der lentaverd/ichtigen Patienten trotz aller Bemfihungen in der Praxis noch immer erheblichen Schwierigkeiten begegnet und dab die einmal bestehenden Zweifel an einer spezifischen Atiologie der Lenta zur Unsicherheit in der Diagnosenstellung ganz wesentlich beitragen.

Andererseits ist die Sicherung der Diagnose z. B. durch die Abtrennung der Krankheit yon der chronisch rezidivieren- den Endokarditis hSchst bedeutnngsvoll wegen der im all- gemeinen in]austen Prognose der Lenta. Von dieser scheint neuerdings auch BIFm 1 iiberzeugt, IIachdem er frfiher die Meinung ver t re ten hatte, dab das Brenneisen die Endocar- ditis lenta zu heilen verln6ge.

Es hat deshalb nicht an Versucheli gefehlt, eine Sicherung der Lentadiagnose zu erm6glichen mit dem Naehweis wenn nicht spezifischer, so doch charakteristischer Ver~inderungen im Verlaufe der Erkrankung. Die stets stark beschleunigte Senkungszeit der Roten ist als ein komplexer Vorgang yon allzuviel Faktoren abhingig und deshalb nicht verwertbar. Aber die Endotheliose des Blutes sei hier erwihnt , die IIach der Mehrzahl aller Autoren eine regelmM3ige Begleiterschei- nung der Endoearditis lenta ist, und bei dieser ihre h6chsten Werte erreicht. Ant sie wird welter unten ausffihrlicher zurfickzukommen sein.

Ich selbst habe erst unl ingst Beobachtungen ver6ffent- licht, die ich im Laufe yon 7 Jahren an einem Material yon 35 Lentaf i l len anstellen konnte ~. Dabei babe ich auf eineli Befund hingewiesen, den ich in 33 von 35 Fi l len erhobeli babe und der mir ffir die Diagnosenstellung sehr wertvoll war. Es ist dies eine dureh die , ,Formolgelierung" sehr leicht nachweisbare relative und absolute Vermehrung des Globulins im Serum yon Endocarditis lenta-Kranken. Zu meinen quanti- ta t iven Globulin-Albuminbesfimmungen habe ich reich des gewichtsanalytischen Makroverfahrens voli HOFMEISTER- POHL bedient, das exakt und fiber methodische Zweifel erhaben ist. Der Gesamteiweil3gehalt war mit durchschnitt- lich 8,4% hochnormal, der SerumeiweiBquofient mit 4,3 ~ als Mittel yon 12 Einzelbestimmungen (s. spiter) sehr stark erh6ht. Die noch zu besprechende 2'ormolgelierungszeit be- wegte sich in diesen F i l len zwischen 2 und 12o Minuten. Sie betrug nur in einem autoptisch kontrollierten Falle 48o und in einem anderen 72o Minuten and war als ,, Spi t reakt ion" mit ,,zweifelhaft" bewertet worden. Von den insgesamt 35 Fi l len wurden I I ungeheilt entlassen, 24 starben in der Klinik. Von ihnen kamen 19 zur Autopsie und wurden als Endocarditis lenta verifiziert.

In den Verhandlungen des Wiesbadener Kongresses 19253 habe ich meine Feststellungen erstmalig ver6ffentlicht. Die Reaktion ist ilizwischen dutch NISHINO bes t i t ig t worden t Die Meinung NISHINOS, dab auch Luesserum diese Reaktion gebe, ist -- wie ich trfiher nachgewiesen babe -- irrig. Irr- tfimer silid aber aus sp i t e r noch zu erSrterndeli Grfinden leicht m6glich.

Zum Nachweis der e rwihnten hochgradigen Globulin- vermehrung bei der Endocarditis lenta kam ich sozusageli erst auf dem Umweg fiber die Formogelierung des Serums unter normalen und pathologischen Verhiltnissen 55 ~. Unter ihr verstehe ich die Zustandsgnderung, die ein globulinreiches Serum unter dem EinfluB des Formols erf ihrt .

Methodik: In einem Reagensglas wird I ccm Serum mit 2 Trop- fen einer kiuflichen neutralen 4oproz. FormMinl6sung vermischt. Evtl. muB letztere nlit einer 2oproz. Natriumcarbonatl6sung gegen PhenolphthMein als Indikator neutralisiert werden. -- Das Reagens- glas wird dann verschlossen und -- bei Zimmertemperatur -- yon Zeit zu Zeit durch leichtes Neigen auf die Zustandsinderung seines Inhaltes geprfift.

Wihrend sich nun unter dieser Versuchsanordnung die , ,Normalsera" fiberhaupt nicht indern, ist bei dem Lenta- serum entweder sofort oder nach wenigen Stunden -- nnter gleichzeitigem Auftreten einer ausgesprochenen Opalescenz des Gemisches -- eine Gelierung aufgetreten, derart, dab

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zo. SEPTEMBER 1929 K L I N I S C H E W O C t I E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr. 37

je tz t das Reagensglas ohne auszulaufen umgekehrt werden kann.

Unter den angegebenen Versuchsbedingungen gelierte lediglich das Lentaserum, wXhrend differentialdiagnostisch in Betracht kommende Sera diese Reaktion nicht zeigten. Im weiteren Verlauf meiner Untersuchungen land ich, dab die Gelierbarkeit des Lentaserums bedingt war durch die obenerw~hnte hoehgradige Verschiebung des Serumeiweil3- quotienten zugunsten des Globulins. Eine Versehiebung wie sie nach meinen Feststellungen in diesem AusmaB yon den differentialdiagnostisch wichtigen Erkrankullgen nicht erreicht wird. Deshalb habe ich die Formolgelierung als eine charak- teristische Reaktion fiir die Diagnose der Endocarditis lenta empfohlen~. Da die Reaktion also nicht spezifisch ist, kann unter den gleichen Versuchsbedingungen Gelierung auch dann eintreten, wenn in differentialdiagnostisch nicht in Betracht kommenden F~llen eine nahezu gleich starke Gtobulinver- mehrung des Serums vorliegt. Solche F~lle sind z. I3. Amyloi- dosen bei Lungentuberkulose bzw. bei schweren Eiterungen.

Als Nerumeiwei f lquot ient babe ich im Gegensatz zum all- gemeinen Gebrauch stets das Verhdiltnis Globulin : A l b u m i n gew~thlt. Unter dieser Annahme ist der Quotient normalen Serums stets e in Bruch. Unter pathologischen Verh(~ltnissen waehst m i t der Z u n a h m e des Globulins -- nur eine solche scheint ffir die Mehrzahl aller pathologischen Sera in Betracht zu kommen -- auch der Quot ientL In F~llen, die erfahrungs- gem~g mit einer weniger starken Globulinvermehrung des Serums einhergehen, der Quotient also n~her an i liegt, t r i t t unter den angegebenen Bedingungen zwar keine Opales- cenz und keine Gelierung, wohl aber eine mehr oder minder deutliche Viscosit~tszunahme des Serum-Formolgemisches auf 5, 6.

Den geschilderten BlutserumverhMtnissen bei Endo- carditis lenta entspricht die stark besehleunigte S e n k u n g der Roten. Als ein Beweis ftir den stark erh6hten Serum- eiweiBquotienten kann sie abet wegen der oben angeftihrten Komplexit~it dieser Erscheinung nicht gelten.

Dagegen miissen Phlinomene, die allein durch die Starke Vermehrung des Serumglobulins bedingt sind, sich auch an dem Lentaserum demonstrieren lassen. Deshalb habe ich an diesem schon seit Jahren neben den quant i ta t iven Serum- eiweiBbestimmungen und der Formolgelierung auch die Gelatinefarbstoffdiffusion in der yon 13ENNHOLD angegebenen Versuchsanordnung geprtift s. Ieh konnte zunAehst ebenso wie 13ENNHOLD feststellen, dal3 Sera yon Patienten mi t Amyloid oder mit dem Nephrosekomplex den Farbstoff bedeutend weniger stark binden als Normalsera. Da ich dann ein gleiches Verhalten bei dem Lentaserum be- obachtete, habe ich -- unter 13erfieksichtigung z, B. der Differenzen im Gesamteiweil3gehalt beider Sera -- gleich BXNNHOLD~ die Abh~ngigkeit dieses Phanomens yon dem vermehrten Globulingehalt dartun k6nnen. Die Globuline sind n~mlich im Gegensatz zu den Albuminen nicht im- stande, den Farbstoff -- hier das Naphtholgelb S -- zu binden. Das globulinreiche Lentaserum verh~lt sich des- halb ahnlich wie eine reine Salzl6sung. Dementsprechend zeigte sich, dab bei Verwendung yon Naphtholgelb S dieses aus dem Normosal stets sehr rasch in das Gela- tinegel diffundierfe, dab aber seine Diffusion aus Serum- gemisehen im allgemeinen verzSgert war. Das gilt sowohl ffir Normalsera als auch mehr oder minder ausgesprochen ffir die Sera versehiedenster Krankheitszust~nde. Lediglich das Lentaserum zeigte ein Verhalten, das am ehesten an das einer Normosall6sullg heranreichte, indem es die Farbstoff- diffusion so gut w i e gar nicht hemmte!

Ill der Abbildung, die ein solches Beispiel yon meillem spSter noch zu besprechenden 36. Fall einer Endocarditis lenta gibt, sind 4 Reagensgl~ser mit 5proz. neutralisiertem Gelatinegel beschickt und mit Farbgemischen in o,o45proz. Konzentration tiberschiehte• Es enth~lt Glas I ein Nor- mosa!-, I I - - I V ein Serumfarbstoffgemisch gleicher Konzen- t rat ion (II Lenta-, I I I Normal-, IV Luesserum). Die 4 Markie-

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rungen auf jedem Rohr bedeuten dell Stand der Diffusion an 4 aufeinanderfolgenden Tagell nach ~lberschichtung des frisch bereiteten Gelatinegels in oben beschriebener Weise.

Tabelle.

Reagens- Neutrales GelatinegeI 5O/o , Farbstoffdifiusion in mm am glas + Gemisch yon NaphtJaolgelb S, Nr. o,o45% mi t : i. Tag 2. Tag 3. Tag 4- Tag

I. Normosal . . . . . . . 12,o II. Lentaserum . . . . . . 11o,5 III. Normalserum . . . . . i,o IV. Luesserum WaR + + + + i,o

9,o 6,0 9,o 5,5 I ,O I ,O I ,O I ,O

4,5 3 ,o I ,O I ,O

Wie schon erwAhnt, habe ich frtiher gezeigt, dab aul3er den anderen differentialdiagnostisch wichtigen Krankheiten die luetische Aorteninsuffizienz wie auch sonstige Luessera, die stets nut einen Quotienten yon durchschnittl ich i ,o auf- weisen, auch die Formolgelierung nicht gebenL Die hier im Bilde wiedergegebene Versuchsreihe mit der Farbstoff- diffusion kann diese Feststellungen insofern best/itigen und erweitern, als auch bei ihr ein deutlich unterschiedliches Ver- halten zwischen dem reinen Luesserum (Rohr IV) und der Endocarditis lenta mit gleiehzeitiger Aortitis luica (Rohr II) in Erscheinung t r i t t !

D i e Mitteilung NISHINOS, der meille Formolgelierung bei Endocarditis lenta best~tigte, aber eine positive Reaktion auch bei Lues gefunden haben will, darf vielleicht dahin gedeutet werden, da/3 luetische Affektionen lleben der Endo- carditis lenta bestanden haben, was nach der Li teratur gar llicht so selten vorkommt. HESS x0 und viele andere Autoren, a u c t i O T T A N D E R 11, der 2 F~lle yon Elldocarditis lenta mit besonders ausfiil~rlichen pathologisch-anatomischen Proto- kollen ver6ffentlicht hat, hat darunter auch einen Fall mit gleichzeitiger Lues. Ich habe in meiner Sammlung yon 35 F~I- len gleichfalls einen solchen -- neben Ullspezifischer WaR. im Blut (Autopsie!) 7 autoptisch kontrMlierten Fall yon Endocarti t is lenta und Lues mitgeteilt . Auch der nach- stehende 36. Fall stellt eine Kombinat ion yon Elldocarditis lellta mit Lues dar, denn die Autopsie ergab in Best~tigung meiner klinischen Diagnose neben einer klassischen Endo- carditis lenta den weiteren Befund einer Mesaortitis luetica.

Fall 36. J. 13., Ehefrau, 32 Jahre. -- Aus der Vorgeschichte: Vom behandelnden Arzt wegen Verdacht auf Tabes in die Nerven- Minik eingewiesen. WaR. im Blur + + -t- + , Der Verdacht finder keine Best~tigung, weshalb die Pat. mit der Diagnose Aortenlues in unsere I(linik verlegt wird. Erste Herzbeschwerden ,,seit einigen Jahren". Kein Gelenkrheumatismus! Venerische Infektion negiert bzw. unbekannt. Mit 22 Jahren Geburt eines 8-Monats-Kindes, das nach 2 Monaten starb. Keine weiteren Geburten bzw. Fehlgebnrten. In letzter Zeit 5fters fiebrig. -- Aus Be]und und Verlau]: Kleine, zierlich gebaute Frau in mXl3igem E.Z. mit starker BlXsse, Trommel- schlXgelfingern, hfipfenden. Arterien, Pulsus celer et altus, seit

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1 7 o 6 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . N r . 37 IO. S E P T E M B E R 1929

ca. 14Tagen schmerzhaften Milztumor -- als gastrische Krisen gedeutet -- und leichtem iKnSche16dem. Stark aortenkonfiguriertes Herz, breites Gef~Bband, gieBendes diastolisches GerXusch auch fiber der Mitralis. Puls 9o. R.R. I IO/O m m Hg. Traubescher Doppel- ton, Duroziersches Gergusch. - - Im H a m Eiweig (+) , mikroskopisch Ery throcyten + . Im Blut 3, I Mill. Rote, 62% H~moglobin, o,95 FXrbeindex, WaR. + + + + . -- K6rper tempera tur 38 ~ C. - - Formolgelierung in 180 Minuten positiv. Diagnose: Luetlsche Aortitis, AorteninsuJJiz~enz sowie SchluBunfXhigkeit und geringe Stenose des Mitralsegels. Endocarditis tenta.

Prognose: infaust. W~hre~d der klinischen Beobachtung yore 4. IV. bis zu dem am 8. VI. 1929 erfolgten Exitus subfebrile bis febrile Temperaturen, Puls um 90. Harnbefund wie oben konstant . In i i bakteriologischen Harnkul turen (Untersuchungsamt It~r ansteckende Krankhei ten im Hygienischen Ins t i tu t der Universit~t, Prof. Dr. PaUL SC~{MIDT) 2real Staphylococcus aureus, in 5 Blut- kul turen imaI griin wachsende Streptokokken positiv. Unter zunehmendem Verfall Exi tus am 8. VI. 1929.

Aus dem Sektionsprotokoll des Pathologischen Ins t i tu ts der Universi t~t (Dir. : Prof. Dr. G~LACn) : Viridanssepsis. Endo- carditis lenta der AortenMappen rnit Insuffizienz des ao. Segels, der Mitralis und des Endokards der linken Kammer . Die linke Kammer s tark dilatiert. Hochgradige Milzschwellung mit massen- haf ten groBen an~mischen und h~morrhagischen Infarkten. Nltere und frischere Infarkte auch der Nieren. Embolische h~morrhagische Herdnephrit is . Schwerst~ Mesaortitis syphilitica.

I s t n u n m e i n Be]und einer hochgradigen Globulinvermehrung -- der hohe Eiweiflquotient -- bei der Endocarditis lenta e twas Gleichgii l t iges, Zuf~lliges, oder s t e h t er in einer vielleicht sehr engen lcausalen Verlcni@]ung mit dem Kranlcheitsgesehehen ? Das wa r die Frage , die re ich besch~f t ig t , se i t ieh den e indrucks - vo l len pos i t i ven Ausfal l de r R e a k t i o n z u m e r s t e n Male er lebte .

Von den 36 F~llen, die ich bis j e t z t se lbs t b e o b a c h t e n konn te , s a h ich 25 s t e r b e n u n d in 2o Fa l l en sah ich den ein- deu t i gen a u t o p t i s c h e n Befund . W e n n ich a u c h e inem ge- l egen t l i chen n e g a t i v e n R e a k t i o n s a u s f a l l be i d e m ausgesproche- n e n k l in i schen Bi ld e iner E n d o c a r d i t i s l e n t a weniger ]gedeu tung be imessen m S c h t e - - was wir f ibr igens bei a l len b ioIogischen R e a k t i o n e n t u n - - so s p r i c h t n a c h m e i n e n E r f a h r u n g e n u n t e r d e n g le ichen Umst~ inden de r pos i t ive Ausfa l l de r 1Reaktion

- - a u c h bei gle ichzei t ig pos i t ive r W a R . - - fiir das B e s t e h e n e iner E n d o c a r d i t i s l e n t a u n d d a m i t ftir eine i n i a u s t e Prognose . Gerade dieses enge Z u s a m m e n g e h e n yon k l in i schem Bi ld m i t c h a r a k t e r i s t i s c h e r S e r u m b e s c h a f f e n h e i t u n d tSd l i chem A u s g a n g de r K r a n k h e i t h a t re ich m e h r u n d m e h r d a r i n be s t~ rk t , die S t e i g e r u n g des Serumeiwei l3wertes u n d die so b e t r ~ c h t l i c h e E r h 6 h u n g des S e r u m e i w e i g q n o t i e n t e n in e inem K a u s a l k o n n e x m i t d e m Bi ld der L e n t a zu sehen!

Hier f i i r k S n n e n exogene F a k t o r e n n i c h t in ]ge t rach t k o m m e n . D e s h a l b b a b e ich im fo lgenden d e m exogenen, yon der N a h r u n g s z n f u h r abh~ng igen , das ,,endogene Blut- eiweifl" gegent iberges te l l t . - - F i i r das V e r s t ~ n d n i s eines solchen, yon i n n e n heraus , d. h. jense i t s de r D a r m w a n d b e d i n g t e n Wechse l s in de r Zusammensetzung des Bluteiwei/3es -- nieht n u t bei dem Sonder]all der Endoearditis lenta, s o n d e r n bei In- #lctionslcranlcheiten i~berhaupt -- s ind me ines E r a c h t e n s yon en t - s che idende r B e d e u t u n g d ie jen igen p a t h o l o g i s c h - a n a t o m i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n des l e t z t e n J a h r z e h n t s , die s ich m i t den morphologisch ]aflbaren Verdnderungen biologischer Abwehr- realctionen besch~f t igen . Diese Arbe i t en , welche die i m g a n z e n unspeziJisehen Abwehrrealctionen be t r e i f en , s ind zwar sehr zahl re ich , abe r in bezug auf den Serumeiwei l3quo t i en ten u n d d a m i t au f die F r a g e n des H a u s h a l t e s de r B lu te iwe iBkSrper n o c h ohne k l in i sche K o n s e q u e n z e n gebl ieben. D e s h a l b will ich z u n ~ c h s t n u r d ie jen igen T a t s a c h e n ber i i cks ich t igen , die den Sonder fa l l de r E n d o c a r d i t i s l e n t a be t re f fen , w ~ h r e n d die B e z i e h u n g e n zu den I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n s ch l ech th in h ie r n u r a n g e d e u t e t werden sollen. D a b e i m S c h t e ich m i r e ine t i e r e x p e r i m e n t e l l e 13ehandlung des au fge ro l l t en F r a g e k o m - plexes in a l ien se inen E i n z e l h e i t e n ausdr t i ck l i ch v o r b e h a l t e n .

W e n n m a n v o n d e r Kl in ik der E n d o c a r d i t i s l e n t a ausgeh t , so i s t h i e r z u n g c h s t e ines S y m p t o m s zu gedenken , das ein- gangs sehon ange f f ih r t w u r d e -- der Monocy tose bzw. Nndotheliose i m p e r i p h e r e n ]glut des Lebenden . U n t e r ih r

wi rd das bei E n d o c a r d i t i s l e n t a ganz be sonde r s h~ufige u n d d e s h a l b a u c h ffir sie als c h a r a k t e r i s t i s c h beze i chne t e Auf- t r e t e n yon E n d o t h e l z e l l e n i m p e r i p h e r e n B I u t v e r s t a n d e n .

Die Endothelien s ind me i s t e inzeln oder in VerbXnden i m M a y - G i e m s a - g e f ~ r b t e n ]g lu t auss t r i ch zu l inden , vo rausgese t z t , dal3 m a n ffir d iesen ]glut aus d e m Ohrl~tppchen v e r w e n d e t n n d die M u s t e r u n g des P r ~ p a r a t e s zun / ichs t bei schw~chere r V e r g r 6 g e r u n g a n de r P e r i p h e r i e des Auss t r i ches v o r n i m m t oder die l~Iethodik des d i c k e n T r o p f e n s v e r w e n d e t . OTTANDER n h a t sie in Io d a r a u f h i n u n t e r s u c h t e n Fa l l en yon E n d o c a r d i t i s l e n t a frf iher ode r sparer , also zu I o o % , i m ]g lu tauss t r i ch gefunden . Die B e r e c h n u n g er fo lg t p r o z e n t u a l i t e r n a c h d e m weiBen B lu tb i ld .

Normalerweise f inde r m a n bei d e m erw~thnten V o r g e h e n ke ine E n d o t h e l z e l l e n i m p e r i p h e r e n ]glut. Anders dagegen bei der Endoearditis lenta, wo sie 3 ~ u n d 4 ~ % u n d m e h r de r weiBen Zet len a u s m a c h e n k6nnen . W ~ h r e n d JosEPt{ 12 die E n d o t h e l i o s e a l le in de r E n d o c a r d i t i s l e n t a zu sch re iben m6ch te , s t i m m e n s~mt l i che a n d e r e n A u t o r e n d a r i n f iberein, d a b dieses S y m p t o m zwar ge legen t l i ch be i a n d e r e n I n f e k t i o n e n wie Typhus , F l e e k t y p h u s , Malar ia , F e b r i s r ecu r rens , Cholera u n d T u b e r k u l o s e b e o b a c h t e t , d a b es abe r n i rgends so regel- mXBig u n d s t a r k e n t w i c k e l t ge funden wird wie bei der E n d o - ca rd i t i s l e n t a (BITTORF la, HERZOG 1~, V. S C H I L L I N G 15, ~-IESS 16 in 94 % der F~lleI, HYNEK ls ,OTTANDER 11 U. a.).

BITTORF g l aub t e be re i t s zur A n n a h m e eines p e r i p h e r e n U r s p r u n g s der E n d o t h e l i e n gezwungen zu se in:

,,Die Endocardit is lenta biete t offenbar besonders gfiustige VerhAltnisse zur Entwic!dung der peripheren Endotheliose, da bier ein nur mXl3ig virMentes, sehr chronisch wirkendes Gift zirkuliert, zu dessen 1Jberwindung offenbar die SchutzkrMte der Reticulo- endothelien der Milz nicht ausreichen." ,,Also geraten alle Endo- fhelien in Wucherung und t~ben eine Iebhafte SchutztXtigkeit mi t Phagocytose aus."

Diese Auf fa s sung i s t d u t c h die sp~te re E n t w i c k l u n g in p a t h o l o g i s c h - a n a t o m i s c h e r R i c h t u n g grundsAtz l ich b e s t ~ t i g t worden . D e n n d a b das ge samte Gef~Bendothe l m e h r oder weniger h o c h g r a d i g auf sch le ichende I n f e k t i o n e n reag ie r t , haben unter anderen 14~RUCKMANN, LUBARSCH, LAMPE und

SIEGMUND bes t~ t ig t ! N a m e n t l i c h SIEGMUND 19-24* h a t s ich e ingehend m i t dieser GefXBreakt ion auf schle ichende I n f e k t e befaBt . E r f a n d sie i m T i e r e x p e r i m e n t n a c h i n t r a v e n S s e n R e i n j e k t i o n e n yon Coli, Typhus , Pneumo- , S t a p h y l o - u n d S t r e p t o k o k k e n u n d h a t sie -- was uns h ie r v o r w i e g e n d in t e re s s i e r t - - be i e iner groBen Zah l y o n Sepsisf~llen sys te- m a t i s c h u n t e r s u c h t . SIEGMUND k o n n t e fes ts te l len, d a b die i m s t r 6 m e n d e n ]glut des L e b e n d e n le ich t n a c h w e i s b a r e n E n d o t h e l i e n n i c h t n u r aus L e b e r u n d Milz s t a m m e n , s o n d e r n a u c h v o r a l l em aus p e r i p h e r e n GefAgabschn i t t en . So w a r in H a u t , L u n g e u n d H i m eine l e b h a f t e E n d o t h e l m o b i l i s i e r u n g me i s t nachwe i sba r . N a m e n t l i c h a n den Capi l la ren u n d PrX- capi I la ren der H a u t , u n d h ie r w i e d e r u m a n den OhrI~tppchen lieBen sich f a s t regelm~Big sehr i n t e r e s s a n t e ]gilder auf f inden . So z u m Beispie l k n o p f a r t i g die L i c h t u n g ve r l egende E n d o t h e l - p ro l i f e r a t i onen m i t l e b h a f t e r Los l6sung der Zellen, per i - capill / ire A d v e n t i t i a l w u c h e r u n g e n m i t Ausd i f f e r enz i e rung y o n G r a n u l o c y t e n , E n d o t h e l n e k r o s e n m i t P 1 / i t t c h e n t h r o m b e n u n d 6 r t l i cher K e i m v e r n i c h t u n g . Die Bi lder ze ig ten je n a c h de r i m Ver l au f de r E r k r a n k u n g erreiehten Immunit~tslage be- m e r k e n s w e r t e V e r s c h i e d e n h e i t e n u n d g e s t a t t e t e n die Au]- stellung yon Typen: So Jehlte z. t3. be i der hemmungslos ver- lau#nden Streptolcolclcensepsis j ede E n d o t h e l m o b i l i s a t i o n in der Leber , w ~ h r e n d die Streptokolckensepsis hochresistenter In - d i v i d u e n - - als d e r e n T y p SIEGMUND m i t KUCZYNSKI die Sepsis lenta a n s i e h t - - gegeni iber wen ige r sch le ichend ver - l a u f e n d e n I n f e k t i o n e n das Bi ld e iner be sonde r s ausgespro- chenen Mobi l i s i e rung des ganzen endo the l i a l en A p p a r a t e s bot .

Die morpho log i sch f a B b a r e n V e r ~ n d e r u n g e n d u t c h die A b w e h r r e a k t i o n e n bei de r Endocarditis tenta s t e h e n also genau so an dem Ende einer Typenreihe, wie de r G e s a m t - e iweiBwert u n d der Q u o t i e n t des Se rums : Dort eine generali- sierte, maximale Endothelmobilisierung als A u s d r u c k de r

* Diese L i t e r a tu rMnwei se v e r d a n k e ich zum Tei I de r L iebenswi i rd igke i t von H e r r n Professor Dr . G E R L A C H .

Page 4: Weitere Untersuchungen am Endocarditis Lenta-Serum

IO. SEPTEMBER x929 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 8. J A H R G A N G . Nr . 37

e r re ich ten hohen Immuni t~ t s lage , hier ein hoher Eiweiflwert und ein ]ast maximaler Quotient m i t entsprechender Globulin- vermehrung! -- Au] dem anderen Ende beider Reihen ]ehlt im Fal le einer hemmungs los ve r l au fenden S t rep tokokken- sepsis sowohl ]ede Endothelmobilisierung aIs auch eine Reaktion in bezug au/ alas Serumeiweifi. Eigene Beobachtungen , wie auch die A n g a b e n der zum Teil schon a l ten L i t e r a tu r zeigen mir, dab hierbei der Gesamte iwe igwer t en tweder keine Ver- ~tnderung erfXhrt oder sogar noch ern iedr ig t werden kann, w~hrend eine Globu l inve rmehrung nicht , oder doch nur in e inem ganz ger ingen MaBe auf t r i t t . Das Mittelglied beider Reihen stel len dann die chronischen In fek t ionen m i t der durch den Infektionsproze/3 und die Immuni t~ t s l age bed ing ten Endo the lmobi l i s i e rung einer- und m i t dem erh6hten Gesamt- eiweiBwert und Quot ien ten des Serums anderersei ts l

Es e rg ib t sich daraus ein Para l le lgehen bzw. ein AbhXngig- ke i t sverh~l tn is zwischen der T~t igke i t des Endothe l ia l - sys tems und dem Blute iweighaushal t , das wei te rh in - - m i t Bezug such ant die wicht ige F ib r inogenquo te -- t i e rexper i - mente l I erforscht w e r d e n soll.

Bet der bier in den Vordergrund gerf ickten cellul~tr- morphologischen Be t rach tungsweise einer unspezif ischen Be- kXmpfung der In fek t ionen durch GefSBwandwucherungen, vergesse ich doch n ich t die hohe Bedeu tung spezi/ischer Vor- g~nge, wie z. B. die Produl~tion von Antil~Srpern. Wie aus fr i iheren Arbe i t en zum Teil sehon bekann t ist, geht auch diese bei I m m u n i s i e r u n g s v e r s u c h e n viel fach mi t einer Globulin- v e r m e h r u n g einher. GL;~SSN/~R ~5 konnte aber zeigen, dab die Bildung von AntilcSrpern bet vors ich t iger Immun i s i e rung e r re ich t werden kann, ohne dab eine Globulinvermehrung s t a t t h a t ! Daraus erhet l t schon, dab die G lobu l inve rmehrung n ich t mi t der Bi ldung spezifischer Ant ik6rper urs~ehlieh verkn i ip f t ist, sondern den sie begle i tenden unspezi]ischen Prozessen zugehSrt . Hier t iber wird das T ie rexpe r imen t ebenfalIs Aufk l~rung bril lgen.

Auch die AbhXngigkei t des Blute iweiBhaushal tes yon -- exogenen -- Nahrungs fak to ren erscheint allzu bekannt , a l s dab sie Berf icksicht igung l inden k6nnte . Es wiirde mich sogar zu weft fiihren, wenn ich die hier ausgesprochene Hypo- these einer endogenen Abhiingiglceit des Bluteiweifigehaltes (in q u a n t i t a t i v e r wie qua l i t a t ive r Beziehung) yon dem sog. ,,Sto]Jwechselorgan" oder der ,,Verdauungsdri~se" des Endo- thelialsystems m i t berei ts vo rhandenen Befunden belegen wollte. Diese sollen erst bert icksicht igt werden im R a h m e n der angekfindigten t i e rexper imente l len Untersuchungen .

Hie r m a g lediglich noch darauf hingewiesen werden, dab nicht n u t In fek t ionen , sondern such chroniseh-parenteral wirksame Reize ]eder Art Endothe l i a lwucherungen mi t ihren Aufsaugungs- und Verdauungsprozessen sowie die nach- folgenden Serumeiwei l3ver~nderungen ausl6sen k6nnen. Ob es sich nun s ta r t des a r t f r emden organis ier ten Bakte r ien- eiweiBes (mit e igenem Stoffwechsel) , um abbaufXhige EiweiBk6rper wie Casein oder Pep tone handel t , oder u m , ,Re izk6rper" sehlechthin, oder s u c h u m Reize, die bet Krankhe i t en wie z. B. lympha t i scher und myeloischer Leu- k~mie sowie bet Carc inomen aufzu t re ten pflegen.

Dadu reh r i ickt abe t das P rob lem des endogenen Blut - eiweiBhaushaltes fiber den engeren hier e ingehal tenen IRahmen der In fek t ionskrankhe i t en hinaus und kann al lgemeinere Gel tung beanspruchen.

Zusammen]assung: Die nachgewiesene E rh6hung des SerumeiweiBqu0t ien ten bet der Endocard i t i s len ta l~gt sieh auBer du tch die Formolge l ie rung auch durch den Farbs toff - diffusionsversuch charakter is ieren.

Das un te r pathologischen Verh~iltnissen auf t re t ende Schwanken des SerumeiweiBwertes und -quo t ien ten wird am ]3eispiel d e r Endoeardi t iS 19nta m i t der A k t i v i t ~ t des Endo the l i a l sys tems erklXrt und so das , , endogene" Blut - eiweil3 dem exogenen gegenfibergestel l t .

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17o7

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U B E R D E N E I N F L U S S V O N A D R E N A L I N A U F D I E

G A L A K T O S E A S S I M I L A T I O N D E R L E B E R .

Von "

Dr . JOSEF BLOCm Aus der II. Medizinischen Universitatsklinik in Wien

(Vorstand: Prof. Dr. NORBFRT ORTNER).-

U n t e r den durch die diffuse Parenchymsch~digung der Le- her gese tz ten StSrungen im Kohlehydra t s to f fwechse l spie!t die Bee in t r~eht igung der GaIaktoseassimil ierung eine bedeu t same Rolle insoferll, als die mange lhaf te Verarbe i tung der Galaktose durch die kranke Leberzel le diagnost isch v e r w e r t e t wird ill der Probe ant al imell t~re Galaktosur ie (R. BAUZR) : Bet dem durch eine grobe mechanische 13ehinderung des Gallenabflusses bed ing ten Stauungs ik terus wird die Leber ein die normale Assimilat ionsgrenze n ich t wesent l ich f ibersteigendes Q u a n t u m Galaktose (4 ~ g) mehr minder g la t t bewgIt igen k6nnen, w~h- rend bet dem du tch diffuse ParenchymlXsion der Leber ent- s tandeneu Ik te rus diese 5{enge Galaktose n icht mehr assimil ier t werden kann, da die Resorp t ion und der Abbau der Galaktose an die I n t a k t h e i t der Leberzel le geknfipft ist. Es h a t Mso durch die Degenera t ion des Lebergewebes eine Ern iedr igung der Toleranz der Leber fiir Galaktose P la tz gegriffen.

Diese Dysfunk t ion im Kohlehydra ts tof fwechse l der paren- chymgesch~dig ten Leber k o m m t such in e inem mi t vo l lkom- mener Regelm~iBigkeit e rhobenen Befund zum Ausdruck : In der G lykogenve ra rmung des Organs. Dieser mehr oder we- niger hochgradige Ver lus t dieses wicht igen Aufbau- und Vor- ra tss toffes der Leber wurde sowohl in q u a n t i t a t i v e n Bes t im- mungen des Glykogengehal tes der Leber, als allch histologisch durch spezielle GlykogenI~rbungen nachgewiesen. E r s t in j f ingster Zei t schhlg t3. KIJCEL~IANN einen anderen Weg ein. E r zeigte, dab die diffus pa renchymgesch~dig te Leber auf Adrenal in anders reagier t als die gesunde. Ers te re ' ze ig t eine

-- offenbar durch den s ta rk reduzier ten Glykogengehal t be- dingte -- wesent l ich geringere Zuckeraussch i i t tung in die B lu tbahn als letztere. Bet der Nachpr t t fung dieser Angaben konnte ich diese im al lgemeinen best~tigen.

I m Hinb l ick allf die komplexe St6rung im Koh lehydra t - s toffwechsel der degenera t iv ver~nder ten Leber (abnorm hohe und s tark p ro t rah ie r te glykitmisehe Reak t ion auf Dext rose- belastung, S t6rung der LXvuloseassimilation, GIykogenver- a r m u n g und gesteiger te alimentXre Galaktosurie) , schien es yon IntereSse, der F rage nachzugehen, ob zwischen den zwei zule tz t genann ten Fak toren , dem Glykogenschwund und der ve rminde r t en Galaktose to leranz n ich t e twa Zusammenh~nge bestfinden.

W'ir be las te ten die Leber der zu un te r suchenden Personen - - es handel te sich durchweg u m Kranke mi t diffuser Paren- chymsch.5,digung des Organs - - mi t 4 ~ g Galaktose und ver- abre ich ten gleichzeit ig z m g Adrenal in subcutan. Die Sehwie- r igke i t in der Auswahl geeigneter F~lle lag auf der Hand , zu- real es sich d a r u m handel te , pa renchymat6se L~tsionen der Leber zu ether Zeit in Versuch zu nebmen, w~hrend der die