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Susanne Femers: Die ergrauende Werbung. Alters- bilder und werbesprachliche Inszenierungen von Alter und Altern. – Wiesbaden: VS Verlag für So- zialwissenschaften 2007, 219 Seiten, Eur 19,90. Graue Haare, so heißt es, bekomme man nicht auf einen Schlag, sondern nach und nach. Ähn- lich dürfte es sich wohl mit der »ergrauenden Werbung« verhalten, wobei wohl so manches verschönt und semantisch übertönt wird. Jeden- falls löst die »Benennungseuphorie« (S. 22), die der zahlenmäßige Anstieg der über 50-Jährigen in Deutschland und anderen Ländern ausgelöst hat, eher falsche als realistische Wahrnehmungen aus. Erinnert sei an dieser Stelle an Tucholsky: »Die verschiedenen Altersstufen der Menschen halten einander für verschiedene Rassen. Alte ha- ben gewöhnlich vergessen, daß sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, daß sie alt sind, und Junge begreifen nie, daß sie alt werden können.« Die Linguistin Susanne Femers geht in ihrer Untersuchung der sprachlichen Inszenierung von Alter und Altern in Werbeanzeigen nach. In- spiriert wurde sie zu dieser Studie unter anderem durch Arbeiten von Caja Thimm, die in den 1990er Jahren mehrfach analysiert hat, wie Alter auf sprachlicher Ebene in Werbeanzeigen zur Geltung kommt. Die dort vorgeschlagene Unter- scheidung von altersinklusiver und altersexklusi- ver Werbung lenkte Femers Auswahl der insge- samt 440 Anzeigen aus den Jahren 2005 und 2006. Obwohl die vorliegende Studie also durchaus Anlass zur Prüfung bestimmter Hypothesen ge- habt hätte, bleibt sie in ihrer Gesamtanlage nochmals explorativ. Die Verfasserin selbst be- zeichnet ihre Vorgehensweise nicht als repräsen- tativ, sondern als »qualitative Studie zur Generie- rung von Prototypen der werbesprachlichen In- szenierung von Alter und Altern in der deut- schen Printwerbung« (S. 73). Wer sich einen Überblick zu mehr oder weniger gelungenen Wortschöpfungen und Werbeslogans verschaffen möchte, findet in der Studie von Femers einige Beispiele – von dem Seniorenhandy »Katharina das Große« (S. 62) bis zu dem Einfachcomputer »SimPliCo« (S. 62). Die insgesamt gut lesbaren Ausführungen las- sen sich nicht an den formalen Kriterien einer Inhaltsanalyse messen und sind somit, nicht zu- letzt aufgrund ihrer rein qualitativen Ausrich- tung, in ihrer Aussagekraft beschränkt. Denn wenn die »Verschiedenheit stereotyper Altersbil- der« (S. 74) interessiert, dann kann das »Wie viel« (S. 74) und »Wie oft« (S. 74) nicht belang- los sein. Auch die Anzeigenauswahl macht auf eine methodische Schwäche aufmerksam: Viele Werbeanzeigen sind aus medizinischen Zeit- schriften, z. B. der ›Apothekenumschau‹, oder Mitgliederzeitschriften wie der ›ADAC Motor- welt‹ entnommen. Dadurch erklärt sich auch der hohe Anteil altersexklusiver Anzeigen, zu Pro- dukten also, die körperliche Beeinträchtigungen wie etwa Durchblutungsstörungen, Gehbe- schwerden oder Sehprobleme lindern sollen. Hier wäre etwas mehr Repräsentativität erforder- lich gewesen. Wenn die Anzeigenwerbung tatsächlich er- graut, dann müsste dies verstärkt in altersinklusi- ven Bereichen zu beobachten sein, also dort, wo Ältere für Produkte werben, die auch jüngere Zielgruppen interessieren sollen, beispielsweise Finanzdienstleistungen. Der empirische Nach- weis für die abschließende These, dass Werbung »in der Kommunikation für Alte und mit alten Menschen in ihrer visuellen und sprachlichen Bilderwelt grauer und bunter zugleich« (S. 213) geworden ist, wird in der vorliegenden Arbeit daher nicht wirklich erbracht. MICHAEL JÄCKEL, Trier William L. Benoit/Kevin A. Stein/John P. McHale/Sumana Chattopadhyay/Rebecca Ver- ser/Stephen Price: Bush versus Kerry . A functional analysis of campaign 2004. – New York etc.: Pe- ter Lang 2007, 271 Seiten, Eur 61,60. William L. Benoit: Communication in political campaigns. – New York etc.: Peter Lang 2007 (= Reihe: Frontiers in Political Communication; Bd. 11), 292 Seiten, Eur 31,10. Understanding the messages and strategies du- ring political campaigns is an important area of political communication. However, it is also a thoroughly researched topic, so it is a rare book that can offer new information about this area. But these two books, »Bush versus Kerry« and »Communication in political campaigns«, pre- sent a useful method for analyzing campaign communication and offer interesting findings about the messages in campaign news coverage, debates, ads, Web pages, talk shows, and conven- tion speeches. The approach used in the books to analyze Buchbesprechungen 557

William L. Benoit/Kevin A. Stein/John P. McHale/Sumana Chattopadhyay/Rebecca Verser/Stephen Price: Bush versus Kerry . A functional analysis of campaign 2004

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Susanne Femers: Die ergrauende Werbung. Alters-bilder und werbesprachliche Inszenierungen vonAlter und Altern. – Wiesbaden: VS Verlag für So-zialwissenschaften 2007, 219 Seiten, Eur 19,90.

Graue Haare, so heißt es, bekomme man nichtauf einen Schlag, sondern nach und nach. Ähn-lich dürfte es sich wohl mit der »ergrauendenWerbung« verhalten, wobei wohl so manchesverschönt und semantisch übertönt wird. Jeden-falls löst die »Benennungseuphorie« (S. 22), dieder zahlenmäßige Anstieg der über 50-Jährigenin Deutschland und anderen Ländern ausgelösthat, eher falsche als realistische Wahrnehmungenaus. Erinnert sei an dieser Stelle an Tucholsky:»Die verschiedenen Altersstufen der Menschenhalten einander für verschiedene Rassen. Alte ha-ben gewöhnlich vergessen, daß sie jung gewesensind, oder sie vergessen, daß sie alt sind, undJunge begreifen nie, daß sie alt werden können.«

Die Linguistin Susanne Femers geht in ihrerUntersuchung der sprachlichen Inszenierungvon Alter und Altern in Werbeanzeigen nach. In-spiriert wurde sie zu dieser Studie unter anderemdurch Arbeiten von Caja Thimm, die in den1990er Jahren mehrfach analysiert hat, wie Alterauf sprachlicher Ebene in Werbeanzeigen zurGeltung kommt. Die dort vorgeschlagene Unter-scheidung von altersinklusiver und altersexklusi-ver Werbung lenkte Femers Auswahl der insge-samt 440 Anzeigen aus den Jahren 2005 und2006.

Obwohl die vorliegende Studie also durchausAnlass zur Prüfung bestimmter Hypothesen ge-habt hätte, bleibt sie in ihrer Gesamtanlagenochmals explorativ. Die Verfasserin selbst be-zeichnet ihre Vorgehensweise nicht als repräsen-tativ, sondern als »qualitative Studie zur Generie-rung von Prototypen der werbesprachlichen In-szenierung von Alter und Altern in der deut-schen Printwerbung« (S. 73). Wer sich einenÜberblick zu mehr oder weniger gelungenenWortschöpfungen und Werbeslogans verschaffenmöchte, findet in der Studie von Femers einigeBeispiele – von dem Seniorenhandy »Katharinadas Große« (S. 62) bis zu dem Einfachcomputer»SimPliCo« (S. 62).

Die insgesamt gut lesbaren Ausführungen las-sen sich nicht an den formalen Kriterien einerInhaltsanalyse messen und sind somit, nicht zu-letzt aufgrund ihrer rein qualitativen Ausrich-tung, in ihrer Aussagekraft beschränkt. Dennwenn die »Verschiedenheit stereotyper Altersbil-der« (S. 74) interessiert, dann kann das »Wie

viel« (S. 74) und »Wie oft« (S. 74) nicht belang-los sein. Auch die Anzeigenauswahl macht aufeine methodische Schwäche aufmerksam: VieleWerbeanzeigen sind aus medizinischen Zeit-schriften, z. B. der ›Apothekenumschau‹, oderMitgliederzeitschriften wie der ›ADAC Motor-welt‹ entnommen. Dadurch erklärt sich auch derhohe Anteil altersexklusiver Anzeigen, zu Pro-dukten also, die körperliche Beeinträchtigungenwie etwa Durchblutungsstörungen, Gehbe-schwerden oder Sehprobleme lindern sollen.Hier wäre etwas mehr Repräsentativität erforder-lich gewesen.

Wenn die Anzeigenwerbung tatsächlich er-graut, dann müsste dies verstärkt in altersinklusi-ven Bereichen zu beobachten sein, also dort, woÄltere für Produkte werben, die auch jüngereZielgruppen interessieren sollen, beispielsweiseFinanzdienstleistungen. Der empirische Nach-weis für die abschließende These, dass Werbung»in der Kommunikation für Alte und mit altenMenschen in ihrer visuellen und sprachlichenBilderwelt grauer und bunter zugleich« (S. 213)geworden ist, wird in der vorliegenden Arbeitdaher nicht wirklich erbracht.

MICHAEL JÄCKEL, Trier

William L. Benoit/Kevin A. Stein/John P.McHale/Sumana Chattopadhyay/Rebecca Ver-ser/Stephen Price: Bush versus Kerry. A functionalanalysis of campaign 2004. – New York etc.: Pe-ter Lang 2007, 271 Seiten, Eur 61,60.

William L. Benoit: Communication in politicalcampaigns. – New York etc.: Peter Lang 2007(= Reihe: Frontiers in Political Communication;Bd. 11), 292 Seiten, Eur 31,10.

Understanding the messages and strategies du-ring political campaigns is an important area ofpolitical communication. However, it is also athoroughly researched topic, so it is a rare bookthat can offer new information about this area.But these two books, »Bush versus Kerry« and»Communication in political campaigns«, pre-sent a useful method for analyzing campaigncommunication and offer interesting findingsabout the messages in campaign news coverage,debates, ads, Web pages, talk shows, and conven-tion speeches.

The approach used in the books to analyze

Buchbesprechungen 557