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Anzeiger for Schfidlingskunde ,x. Witterung und Insekten in der (legend von u K. Friederichs. Rostock 1932. Die Witterung des Friihlings und Sommers 1932 war in Mecklenburg in versehiedenen Hin- siehten ungewShnlieh; insbesondere gab es troeken- warme Perioden, fiberhaupt mehr Warme als ge- wShnlieh und dann im Hoehsommer mehr Regen als sonst, ohne dag die Telnperatur sank Diese Verhaltnisse waren ftir viele Insekten gfinstig; das Insektenleben war daher viel starker und auffallender als sonst, und es ist sicherlieh der Miihe wert, hier den Eindruek wiederzugeben, den ich davon ffir die Gegend yon Rostoek durch Beobachtungen in Wald und Feld gewonnen habe. Der ,Mecklenburgisch-Vorpommersehe Ostsee- kreis", wie der klimatisehe Unterbezirk, in dem Rostoek liegt, bet Werth heigt, hat eine mittlere jahrliehe Regenmenge yon meist 60 era; die mittlere Januartemperatur ist 0,5--1 ~ das Jahres- minimum -- 13 bis -- 15~ die mittlere Julitempe- ratur liegt um 170 und das Jahresmittel der Tempe~atur bet 7,9 ~ Der vorwiegende Waldbaum ist die Buche. Indem wit den Gang der Witterung 1932 yon April ab in grogen Ztigen verfolgen, m6gen in Klammern beigesetzte Zahlen immer das lang- ji~hrige Mittel bedeuten. Die Mitteltemperatur im April lag mit 7 oum 0,40 fiber dem langji~hrigen Mittel. Sie war aber vom 12.--19. sehr niedrig: im Mittel 3,90 , und ging aueh vom 25.--27. wieder auf 5,5--6,70 herunter. Die Niedersehlage betrugen 76,3 (34) l) mm. Naeh Art des April gab es in den meisten Tagen Niederschlage, s~arken Regen aber nur am 13. Im Mat lag die Temperatur zu Anfang und Ende meist unter dem Durehsehnitt, um die Mitre dagegen erheblieh fiber dem Durehsehnitt (1 ,Tropentag"). Die Mitteltemperatur betrug 12,3 (11,3). Vom 1.--20. fielen nur 3,35 mm Regen, im letzten Drittel 86,2, im ganzen 89,55 (42,2). Starkere Niedersehlage gab es nur an 3 Tagen. ~) Nach G. Mayer, Die klimatologischen Elemente t~ostocks (Rostocker Disse~. 1923) betriigt die mittlere Niedel~ehlagsmenge im April 34ram, im Mat 45, im Juni 55, im Juli 70, im August 67, im September 46, bereehnet als Mittel der Jahre 1882--1921. Die in obigem Text angegebenen ~Iittel beruhen mit Ausnahme des April auf anderweitiger Information; sie sind ver- mutlieh unter Einsehlug der letzten Jahre errechnet. hnz. Sehitdl.-Kundo 9 Jg. Heft 3 Der ganze Juni war augerordentlieh troeken: 6 Tage brachten leiehte Niederschl~ige yon zu- sammen nur 3,8 ram. Die Temperatur tag nut zu Anfang und zu Ende tiber dem Durehsehnitts- wert und im ganzen mit 140 mn 0,90 unter dem normalen Wert. Erst der Juli braehte in seiner ganzen ersten Halfte fibernormal hohe Temperaturen; in der zweiten herrsehte normale Temperatur. Im ganzen iiberstieg das Monatsmittel mit 18,5 ~ die Norm (16,8 ~ um 1,7 ~ 8 Tage braehten Maxima yon fiber 25 ~ 2 Tage fiber 30 ~ In der ersten Juli- halfte gab es nur 4 Regentage, in der zweiten dagegen waren nur 3 Tage ganz fret yon Nieder- sehl~gen. Die Gesamtzahl der ,Regentage" war 10, die Summe der Niedersehlage 85 mm (62,4). Der August war ungewShnlieh warm und nail, die Mitteltemperatur 17,7 o (15,8). Es gab 6 Tage mit fiber 25 ~ 2 mit iiber 30 ~ Es fielen 103 mm Regen (78,6), die aber gewitterartig, daher sehr ungleieh verteilt waren. Die Niedersehl~ge fielen hauptsaehlieh um die Mitte und um den 20.; aueh am Anfang waren sie erheblieh. Es gab 10 Regentage. Diese im allgemeinen humide Region war also vom Beginn des Mat bis Mitre Juli ether Troeken- zeit ausgesetzt, die nut dureh 3 Regentage im letzten Drittel des Mat und 4 in der ersten Juli- h~ilfte unterbroehen wurde. Dies gab dem Spat- frfihling und Fr(ihsommer seine Signatur. Obwohl im Mat und Juni die Lufttemperatur keineswegs besonders hoeh war, empfanden doeh die Mensehen das Wetter als ungewShnlieh seh5n und warm. Wamm? Die Sonne sehien mehr als sonst. Messungen des Sonnenseheins waren uns zwar nieht verffigbar, abet Regen und Sonnensehein weehseln eben miteinander, und wenn der erstere fehlt, so behalt die Sonne das Feld, und ihre einstrahlende Wtirme ist viel wiehtiger als die Lufttemperatur ffir das Insektenleben. Der August war far feuehtwarm, daher augerst gfinstig ffir die Vegetation und aueh ffir viele Insekten. Der im allgemeinen niedrigen Temperatm', verseharft durch Feuehtigkeit, die in anderen Jahren bier herrsehen, entspreehend ist die In- 3

Witterung und Insekten in der Gegend von Rostock 1932

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Page 1: Witterung und Insekten in der Gegend von Rostock 1932

A n z e i g e r f o r S c h f i d l i n g s k u n d e ,x.

Witterung und Insekten in der ( legend von u

K. Friederichs.

Rostock 1932.

Die Witterung des Friihlings und Sommers 1932 war in Mecklenburg in versehiedenen Hin- siehten ungewShnlieh; insbesondere gab es troeken- warme Perioden, fiberhaupt mehr Warme als ge- wShnlieh und dann im Hoehsommer mehr Regen als sonst, ohne dag die Telnperatur sank Diese Verhaltnisse waren ftir viele Insekten gfinstig; das Insektenleben war daher viel starker und auffallender als sonst, und es ist sicherlieh der Miihe wert, hier den Eindruek wiederzugeben, den ich davon ffir die Gegend yon Rostoek durch Beobachtungen in Wald und Feld gewonnen habe.

Der ,Mecklenburgisch-Vorpommersehe Ostsee- kreis", wie der klimatisehe Unterbezirk, in dem Rostoek liegt, bet W e r t h heigt, hat eine mittlere jahrliehe Regenmenge yon meist 60 era; die mittlere Januartemperatur ist 0,5--1 ~ das Jahres- minimum - - 13 bis - - 15~ die mittlere Julitempe- ratur liegt um 170 und d a s Jahresmittel der Tempe~atur bet 7,9 ~ Der vorwiegende Waldbaum ist die Buche.

Indem wit den Gang der Witterung 1932 yon April ab in grogen Ztigen verfolgen, m6gen in Klammern beigesetzte Zahlen immer das lang- ji~hrige Mittel bedeuten. Die Mitteltemperatur im April lag mit 7 o u m 0,40 fiber dem langji~hrigen Mittel. Sie war aber vom 12.--19. sehr niedrig: im Mittel 3,90 , und ging aueh vom 25.--27. wieder auf 5,5--6,70 herunter. Die Niedersehlage betrugen 76,3 (34) l) mm. Naeh Art des April gab es in den meisten Tagen Niederschlage, s~arken Regen aber nur am 13.

Im Mat lag die Temperatur zu Anfang und Ende meist unter dem Durehsehnitt, um die Mitre dagegen erheblieh fiber dem Durehsehnitt (1 ,Tropentag"). Die Mitteltemperatur betrug 12,3 (11,3). Vom 1.--20. fielen nur 3,35 mm Regen, im letzten Drittel 86,2, im ganzen 89,55 (42,2). Starkere Niedersehlage gab es nur an 3 Tagen.

~) Nach G. Mayer, Die klimatologischen Elemente t~ostocks (Rostocker Disse~. 1923) betriigt die mittlere Niedel~ehlagsmenge im April 34ram, im Mat 45, im Juni 55, im Juli 70, im August 67, im September 46, bereehnet als Mittel der Jahre 1882--1921. Die in obigem Text angegebenen ~Iittel beruhen mit Ausnahme des April auf anderweitiger Information; sie sind ver- mutlieh unter Einsehlug der letzten Jahre errechnet.

hnz. Sehitdl.-Kundo 9 Jg. Heft 3

Der ganze Juni war augerordentlieh troeken: 6 Tage brachten leiehte Niederschl~ige yon zu- sammen nur 3,8 ram. Die Temperatur tag nut zu Anfang und zu Ende tiber dem Durehsehnitts- wert und im ganzen mit 140 mn 0,90 unter dem normalen Wert.

Erst der Juli braehte in seiner ganzen ersten Halfte fibernormal hohe Temperaturen; in der zweiten herrsehte normale Temperatur. Im ganzen iiberstieg das Monatsmittel mit 18,5 ~ die Norm (16,8 ~ um 1,7 ~ 8 Tage braehten Maxima yon fiber 25 ~ 2 Tage fiber 30 ~ In der ersten Juli- halfte gab es nur 4 Regentage, in der zweiten dagegen waren nur 3 Tage ganz fret yon Nieder- sehl~gen. Die Gesamtzahl der ,Regentage" war 10, die Summe der Niedersehlage 85 mm (62,4).

Der August war ungewShnlieh warm und nail, die Mitteltemperatur 17,7 o (15,8). Es gab 6 Tage mit fiber 25 ~ 2 mit iiber 30 ~ Es fielen 103 mm Regen (78,6), die aber gewitterartig, daher sehr ungleieh verteilt waren. Die Niedersehl~ge fielen hauptsaehlieh um die Mitte und um den 20.; aueh am Anfang waren sie erheblieh. Es gab 10 Regentage.

Diese im allgemeinen humide Region war also vom Beginn des Mat bis Mitre Juli ether Troeken- zeit ausgesetzt, die nut dureh 3 Regentage im letzten Drittel des Mat und 4 in der ersten Juli- h~ilfte unterbroehen wurde. Dies gab dem Spat- frfihling und Fr(ihsommer seine Signatur. Obwohl im Mat und Juni die Lufttemperatur keineswegs besonders hoeh war, empfanden doeh die Mensehen das Wetter als ungewShnlieh seh5n und warm. W a m m ? Die Sonne sehien mehr als sonst. Messungen des Sonnenseheins waren uns zwar nieht verffigbar, abet Regen und Sonnensehein weehseln eben miteinander, und wenn der erstere fehlt, so behalt die Sonne das Feld, und ihre einstrahlende Wtirme ist viel wiehtiger als die Lufttemperatur ffir das Insektenleben. Der August war fa r feuehtwarm, daher augerst gfinstig ffir die Vegetation und aueh ffir viele Insekten.

Der im allgemeinen niedrigen Temperatm', verseharft durch Feuehtigkeit, die in anderen Jahren bier herrsehen, entspreehend ist die In-

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30 K. FmI~DERtOrIS.

sektenwelt iirmer an hr ten als im Binnenlande 1) und im ganzen auch welt weniger individuen- reich mit Ausnahme gewisser Arten, die auch im hohen Norden reichlich auftreten kiinnen, wie z. B. Stechmiicken u .a . Blutsauger, und gewisser Sch~dlinge, die gemde unter solchen YerhMtnissen ihr Optimum finden kSnnen wie z. B. die Riiben- fliege. Sowohl nach Arten wie nach Individuen nimmt - - wie allgemein - - das Insektenleben in Mecklenburg von Siiden naeh Norden zu ab.

Als der Einflui~ der Trockenheit und der damit verbundenen Sonnenwi~rme Anfang Juli sehr auf- zufallen begann, suchte ich durch Untersuchung der verschiedensten Formationen der Landschaft einea t~'berblick iiber das Auftreten von Insekten zu gewinnen. Am 6. Juli besuchte ich den Nord- rand des grogen Waldgebietes an der Kiinte in dem Tell, der der Stadt Ribnitz geh~irt, ganz nahe der See, und stellte fest, dab in diesem sonst nie ernstlieh von Sch'hdlingen befallenen Wald- gebiet 2) Lophyrus-Arten die Kiefern lichtgefressen hatten. Der Boden ist sandig, mit viel Roh- humus bedeckt ; die Feuchtigkeit ist im allgemeinen no groB, dag der Wald yon seltener ~'ppigkeit ist; an diesem Tage jedoeh betrug die Luftfeuchtig- keit daselbst im reinen Kiefernbestand mittags nur 500 bet einer Temperatur yon 310 im Sehatten. ~berall trat hier InsektenfraB an den Pflanzen in ether Starke und Deutliehkeit in Erscheinung, die im Binnenland weniger ungewShnlieh sein mSehte - - vielleicht - - , hier abet wohl auf dan 10- bis 20faehe des ~ormalen geseh~tzt werden mulite. Die Birkenstritucher trugen die Triehterwiekel des Deporaus betulae massenweise. Eine Komma- sehildlaus der Kiefer, Lepidosaphes newsteadi, trat hier und da in solehen Mengen auf, dab die Triebe wie mit Kalk bespritzt aussahen. Von Schaden konnte gleichwohl nicht die Rede sein. Viele Lagria hirta zelffraflen gemeinschaftlich Lonicera- Blatter. Wildrosen hatten viel yon ihrem Blattwerk durch Afterraupen verloren. Die Schwfile hatte Waldsehaben der Gattung Ectobius auch die fliigellosen 9 9, massenhaft hervorgelockt; die Schaben trieben sich auf dem Gentrauch umher und konnten leicht in Anzahl gesammelt werden.

Kam man aber in das anstoBende Ribnitzer Hochmoor, so waren zwar noch die Trichterwickel an den Birken reichlich vertreten, sonst jedoch war keinerlei auffallender Innektenfrag zu be- merken, auch an den Kiefern daselbst nicht.

~) Sie ist jedoch interessant durch die am Meeres- strand vorkommenden besonderen hrten, durch Olazial- rehkte u. a.

'~) Die atmosphiirischen YerhMtnisse, an deneu dies liegt, wurden schon angegeben ; Rohhumus und Mischung der Holzarten kommen hinzu.

Witterung und Insekten in der Gegend yon Rostoek 1932. tls. 3. 19.~ [ Heft 3

Die Besiehtigung eines anderen, aul~erordent- lieh mannigfaeh zusammengesetzten Waldes mit viel Unterholz (das in dem erstgenannten fehlt) ergab-wenig Auffallendes in bezug auf Insekten- fraY, auBer dM~ die Blatter der Saalweide dureh- weg am Rande yon einer Blattwespe zusammen- gerollt waren. Dann aber, auf dem Rfiekweg dureh die Felder, f i e lder beginnende, ungemein starke Flug yon Kohl~-eiBlingen und anderen Weil~- lingen auf, der eine KohlweiBlingsplage grSl~ten Ausmaiies erwarten lieg. Die Falter konzentrierten sieh zur Nahrungssuehe hauptsi~chlieh auf Rot- klee und den - - nur seltenen - - Luzernefeldern. Die massenhafte Eiablage hat dann um den 25. Juli bogonnen. Bemerkenswert ist, dab Meerrettig, Cochlearia armoracia, in Gi~rten, auf den die Raupen sonst wohl nach Entblatterung des Kohls abwandern, den die Falter aber nicht mit Eiern zu belegen pflegen, in diesem Jahre viele Gelege yon Pieris brassicae und rapae trug. Das schein- bar Abweichende des Verhaltens mancher Insekten bet Massenauftreten muB zum Tell wohl so ge- deutet werden, dab Abweichungen, die sonst selten sind, haufiger vorkommen und nicht auffallen.

Auf einer Wiese, am Rand eines Tfimpels, wurde eine starke Gradation, einer kleinen Zikade, Cicadella viridis L., festgestellt. Das ganze Gras wimmelte yon diesen schSnen, blau, grtin und gelb gefarbten, im weibliehen Gesehlecht etwa 81/2 mm langen Zikaden. Am Tiimpel wachsendes Alisma plantago war offenbar die Nahrungs- pflanze, *) auf der die Entwicklung stattgefunden hatte, denn die Exuvien waren noeh hier und da an den dureh den Stich der Zikaden tells braun- fleekig gewordenen, teils dadurch vSllig verdorrten Blattern zu tinden.

Ein dritter, meist aus Buehen bestehender Wald (reine KiefernwMder gibt es nur wetter landeinwarts), mit kleinen Bestiinden anderer HSlzer dazwisehen, sehr feueht, mit viel Unter- holz und iippiger Bodenflora, enthielt sehr ein- drucksvolle Fragbilder. Ein hohes Gras, Milium effusum war seines ganzen Blattwerkes dureh die Minierfliege Phyiomyza milii beraubt. An manchen Stellen im Sehatten hoher Bi~ume war praktiseh kein Blatt yon den Fliegenminen ver- sehont, uud das Gras hatte nur wenig Samen angesetzt. Mehltau war hinzugekommen und hatte auBerdem viele Pflanzen yon Impatiens parviflora vSllig vernichtet, wie denn iiberhaupt zufolge der

*) C. viridis wandert gelegentlich auf Besenginster fibel' und hat ihn in einem Saatbeet sehr besch~idigt (Prel l , Anz. f. Seh~idlingskmade I, S. 21) Bet Reh wird die Art ais Seh~idling von Obstb~iumen in Bulgarieu und aueh yon Weiden und Maulbeerb~umen in Japan genannt.

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t5. 3. 19331 Heft 3 J

K. FRIED~RmnS. Witterung trod Insekten in der Gegend von [Rostock 1932. 31

Diirre der Mehltau iiberall grassierte. Auger dem .~[ehltau trugen Blattminen und Blattlause, aueh Blattfrag dazu bet, den dortigen Bestand dieser in unserer BiocSnose urspriinglieh nieht heimischen Impatiens-Art so zuzurichten, dag nur ganz wenig und nur ganz minderwertiger Samen entstanden war. Andrerseits wuchsen Veilchen, Lungenkraut (Pulmonaria) und Waldmeister so gut wie un- gekri~nkt daneben.

Unter einem stark sumpfigen Bestand hoher Esehen war alles Gestr~ueh und Gekr~ut in einer Weise yon den versehiedensten Insekten, mehr aber noeh von Schnecken, so zerfressen, dag buch- st~blich nur wenige Bllitter hell waren. Kahlfrag aber war nirgends eingetreten. Die Schneeken, im allgemeinen auf reichliehe Niederschli~ge mit Massenvermehrung reagierend, mugten in diesem noch immer sehr feuchten Milieu, in dem die DfilTe sich night auswirkte, durch hohe Tempe- raturen begiinstigt women sein. Der Insekten- frag bestand in auffallendem Mage in Blattminen, hier im P61chower Wald und auch sonst.

Von Einzelheiten daselbst mag noch erwi~hnt werden, dab hier und an einer anderen Stelle Limnobia dislinctissima in Anzahl gefunden wurde, eine raupenartig auf Bla(twerk versehiedener Pflanzen sieh entwiekelnde Tipulide, deren Ahnlieh- keit als Larve mit einer Afterraupe ein priichtiges Beispiel yon Konvergenz ist. - - Harte, starke Graser im Smnpf aber waren vSllig glatt und sehier, und bet einem abermaligen Be_such dieser Stelle, nur 8 Tage sparer, war der Blattverlust der Pflanzen dureh das starke Waehstum in der feuchten Warme allgemein so vollkommen wieder ersetzt, dal~ das ganze Bild trotz fortgesetzten Sehneekenfrages v611ig veri~ndert war.

Am Rand des Waldes zog sieh ein Ent- wi~sserungsgraben hin, an dem wieder eine hSchst zahlreiche Gesellsehaft yon Cicadella viridis an- getroffen wurde., Weitergehend gelangten ~vir in eine sehr sandige Gegend, von viel 0dland unter- broehen, auf dem Besenginster, zuweilen auch Steinklee, vorherrsehte. Diese beiden Gewi~ehse waren kaum befressen, aber ein Haferfeld und ein Weizenfeld, beide reif, waren offenbar stark yon Blattlausen befallen gewesen, denn die KOrner des Hafers waren braunfleekig, so auch die Bliitter; einzelne Blattlause waren noch zu finden, vor allem aber wies das Vorhandensein zahlloser Coccinella septempu~wtala und andere Coecinel- liden, die noch an den ~:hren sagen, auf vorher- gehenden Blattlausbefall hin. Auch viele Thrips wutden an den Ahren angetroffen. Der Weizen war ebenfalls fleckig, einzelne KSrner in den meisten Ahren taubfrfichtig. Es mochte sich um ein sehr gemischtes Krankheitsbild des Getreides

handeln, das jetzt nicht mehr zu analysieren war, jedenfalls aber waren Blattl~iuse stark beteiligt. Bemerkenswert war dabei die Kombination Diirre

u n d S a n d , denn im allgemeinen, auf anderem Boden, ist das Kern nicht so stark von Blatt- lausen befallen gewesen. 1Jberhaupt war starkes Auftreten yon Blattliiusen, in normalen Jahren die F0lge ieder kurzen Diirreperiode im Vorsommer, in diesem Jahre nieht zu vermerken. Im Gegen- tell, das G r o s d e r s a u g e n d e n I n s e k t e n m a e h t e s i c h s e h r s e h w a e h b e m e r k b a r . In anderen Jahren pilegen die meisten Pflanzen mindestens einzelne Blatter und Triebe zu haben, die die sehr bezeiehnenden Beseh~idigungen dureh Wanzen erlitten haben. Eine Spezialitlit yon Garten, die an Wiesen angrenzen, sind hier die dureh Wanzen veranderten Sl)itzentriebe yon Kicia faba, wie ieh sie in meinen ,Grundfragen und Gesetzm~tgigkeiten" auf S. 35f. des 1. Bandes abgebildet habe. Die fehlten in diesem Jahre ganz. A u e h B e f a l l d u r e h Aphis fabae an Vicia faba gab es p r a k t i s e h n i e h t , weder warend noeh naeh der Diirre. Bet stundenlan~en Wanderungen fand man wohl einmal eine Rumex- Pflanze, eine Distel yon sehwarzen Blattliiusen besetzt, und gegen Ende Juli fand ieh einmal einige Runkelriibenpflanzen auf einem grogen Felde, deren sihntliehe Bl~itter starke Kolonien aufwiesen. Zugleich zeigte sieh zu dieser Zeit, dag auf Riibenfeldern fast jedes Blatt mit einzelnen Blattliiusen oder winzigeu Kolonien besetzt war. Aber die Kolonien g-ediehen nieht, sie versGhwanden wieder yon den Blattern.

Da Diirre und Blattl~use unzertrennlich er- seheinen, sind diese Beobachtungen auffallend. Aber es ist nieht allzu sehwer, sie zu erklaIen, wenn man das Wachstum der Gewi~ehse aufmerk- sam verfolgt hat. Starke Vermehrung der Blatt- lause findet bet stoekendem Waehstum statt. Ein S tocken des W a e h s t u m s aber hat es in d i e se r h u m i d e n Gegend t ro t z der Diirre im a l l g e m e i n e n n ight gegeben . Nur auf reinem Sand konnte das eintreten und mag es h~ufiger eingetreten sein als yon mir beobaehtet werden konnte. So erklart sich der Blattlaus- befall jener Getreidefelder. Einer meiner Schiller, der ffir seine Arbeiien viele Blattlause brauchte, konnte solehe auf Pferdebohnen in ether sehr sandigen Gegend bet Restock immer auftreiben, aber nur dort. Dem entsprieht es auch, dag ieh extremen Befall durch die Kohlblattlaus (Aphis brassicae) in einem anderen Jahre bet grol~er Troekenheit auf einem Kohlriibenfeld auf Sand beobaehtete. Uberhaupt hat die Diirre - - man mug eigentlich sagen: das lange Ausbleiben der Niederschlage - - das Pflanzenwachstum nur an ver-

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32 K. FRIEDERICHS.

hAltnismABig sehr wenigen Stellen beeintrAchtigt. Trockene Weiden sind natfirlich stellenweise ver- dorrt, well die kurze Pflanzendecke die Sonne zu wenig yore Boden abhAlt, hn ganzen aber war die Vegetation yon ganz ungewShnlicher ~'ppig- keit. WAhrend der niederschlagslosen Zeit konnte man feststellen, dal~ nur die oberste Bodenschicht trocken war, in geringer Tiefe aber geniigend Feuchtigkeit bestand. Kein Tiimpel trocknete aus.

So konnte denn bei viel Sonnensehein und der immer noch hinreiehenden Feuchtigkeit ein gleichm~ii~iges, bestAndiges Wachstum der Pflanzen stattfinden, das den Pflanzensaugern abtrAglich war. 1) Sie vermehrten sich wenig, i h r e F e i n d e a b e r im V e r h A l t n i s um so mehr . Diese, in der Regel hinter den BlattlAusen in der Ver- mehrung weit zurfickbleibend, scheinen ihnen jetzt darin iiberlegen gewesen zu sein. Noch nie habe ich so viele Coccinellen gesehen wie heuer. Zu ihrer ErnAhrung mul~ die Anzahl der Blatt- 1ause also doch ausgereieht haben. Es ist dureh- aus m6glich, dal~ die Seltenheit der BlattlAuse das Resultat dieser Kombination war: sehwaehe Vermehrung der BlattlAuse - - normale oder tiber- starke Vermehrung der Feinde - - , darum Aus- gleich der Vermehrung der Blattlause durch die Verfolgung seitens der Feinde.

Was aber verursacht in anderen 5ahren die Blattlausplage? An Wasser fehlt es hier den Pflanzen auf gutem und Mittelboden nicht leicht, wohl aber mag oft mangelnde WArme, insbesondere Mangel an Sonnenschein ihr Wachstum unter- brechen. Aber hier miil~te das Experiment ein- setzen.

Eine bezeichnende Einzelbeobachtung mag an- gefiihrt werden. Die Hehnkrautstauden (Aconitum) in meinem Hausgarten, an sehattiger Stelle stehend, gelangen kaum je zum Blfihen, wei! die Bliiten- triebe yon J~hopalos~)fla~m aco~dti vernichtet zu werden pflegen. Die Pflanzen werden nur des- halb im Garten an dieser Stelle belassen, weil die schSne btaugriine Blattlaus zu allerlei Be- obaehtungen Veranlassung gibt. In diesem Jahre waren die Kolonien weniger stark, und die 5Iehr- zahl ihrer Mitglieder erlag Sehlupfwespen. Die dureh Parasiten abgestorbenen, braun gewordenen, aufgetriebenen Liiuse sind ja leicht kenntlieh.

Folgender Versuch wurde gemacht: Eine An- zahl l)'da foba auf amnoorigen Boden, die noch stark scholtten, wurden yon zwei ziemlieh stark befallenen Pflanzen aus (den einzigen 2 unter Hunderten!) mit kleinen Al)his-fabae-Kolonien besetzt und mit einer Gazehfille umgeben. Als

~) Ftir Sumpfpflanzen wie Alisma plantago und ihre Bewolmer gilt natiirlich besonderes.

Witterung und Insekten in der 6egend yon Rostock 1932. rls. 3. 1933 [ Heft 3

sie 8 - -10 Tage spAter nachgesehen wurden (Ende Juli) - - die besetzten Pflanzen waren spat aus- gesAt - - waren die meisten frei von LAusen; an einigen hatten die LAuse sich ganz schwach vermehrt; auch diese Kolonien machten keinen erhaltungsfAhigen Eindruek.

In diesem feuehten Garten gab es im Hoch- sommer hier und da eine reichlich yon Pemphigus filaginis besetzte Pflanze des Unkrauts Filago germanica. Auf Sandboden an HAngen fand man sie durehweg besetzt, und an Vicia sepium war im Hochsommer trotz der reiehlichen NiedersehlAge tiberall reiehlieh Aphis craccae zu finden. Es ware zu untersuchen, ob nicht die gegen das Ende der Vegetationsperiode eintretende physio- logische Abnahme des Wachstums einen SAfte- zustand sehafft, tier don BlattlAusen gtinstig ist abet sehnell durch das baldige AufhSren des Wachstums sich in einem solchen verwandelt, der das Absterben der BlattlAuse herbeifiihrt.

Die Dahlien, sonst immer jung durch Capsiden beschadigt, entwickelten sich so geradeswegs, dal] sie schon Ende Juli ihre Hauptblfite hatten (sonst Mitre August). Ieh sah hier k e i n e n durch Wanzen beschAdigen Trieb vor dem Hoehsommer.

Zu den Insekten, denen die WitterungsverhAlt- nisse abtrAglich waren, geh6rt auch der KAfer Silona lineata. Sein au~l l iger Frag yore Rande her an den B1Attern yon Leguminosen fiel gAnz- lieh aus. In anderen Jahren ist dieser FraB auf Schritt und Tritt zu sehen. Ob das mit der Friihlingsk(ihle oder mit der regenlosen Zeit zu

t u n hat, kann ich nieht entscheiden. Wie der Mangel an BlattlAusen nfit dem

geradlinigen, ununterbrochenen Wachstum der Pflanzen in Verbindung zu bringen ist, so ver- mutlich andrerseits auch die HAufigkeit der Blatt- lninen. ~ag auch das heitere Wetter die Imagines begiinstigt haben, so darf man doch vielleicht yon einer guten ErnAhrung des Blattes entgegen einer einmal geAul~erten Auffassung 1) eine Begiinstigung der Minierer darin erwarten. Auch hieraus er- gibt sich ein Fingerzeig fiir aufschlutireiche Experimente.

Am Meeresstrand wurde wAhrend des Sommers nichts Besonderes bemerkt, aber im Oktober konnte an der Nordkiiste der yon Rostock nieht sehr weit entfernten pommerschen Halbinsel Darl~ fest- gestellt werden, dal~ Hockenya peploides, eine Crucifere, vSllig abgefressen und nur sehr mangel- haft zur Samenbildung gelangt war. ~Iir sind nur zwei an dieser Pflanze fressende Insektenarten bekannt: eine Cassida- Art und Pieris brassicae. Hoehflut war fiber die Pflanzen hingegangen und

1) Her ing in ,Biolog% der Schmetterlinge".

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15. 3. 1933 I Holt 3 J

K. FRIEDERICltS. Witterung und Insekten in der Gegcnd yon Rostock 1932. $3

hatte jede Spur der Insekten verwischt. Da selbst die Spitzen der Stengel abgefressen waren, so konnte der SchildkMer schwerlich den Frag verursacht haben, und somit ist es sehr wahr- scheinlich, dab ein K o h l w e i B l i n g s z u g - es kommt vor, dal~ solche an der Kfiste gesehen werden - - dort Halt gemacht hatte und dag diese Raupen es gewesen sind, die die Honckenyen so zurichteten. Darfiber wird man in einem anderen Jahre Ge- wil~heit erlangen kSnnen.

Trotz des ungewShnlieh starken Weil~lingsfluges um den 25. Juli und der hohen Temperatur des August war der Schaden an Kohl usw. durch die Raupen verhi~ltnism~tBig gering. 1) Die Raupen wuchsen schneller als sonst heran. Schon Ende August war das Gros erwachsen; zugleich setzte die sonst erst im Herbstbeginn eintretende Ento- mophthora-Seuche ~) mit s tarkster Heftigkeit ein und tStete innerhalb weniger Tage fast alle Raupen. Von uns im Laboratorium (mit Meerrettich) auf- gezogene Raupen, die sich zuerst im Freien be- funden hatten, dann, um sie vor Ansteckung zu schiitzen, in ein Zimmer gebracht worden waren, wurden gegen Mitte September zur Puppc. Von den 32 Puppen lieferten 14 den Falter. Vereinzelt muir das, besonders bei verfriihten Exemplaren, auch in der Natur vorgekommen sein; man sah auch im September friihe Kohlweii~linge fliegen. Der Rest unserer Puppen aus dieser Zucht folgt dem gewShnlichen bivoltinen R h y t h m u s . Die un- gewShnliche Wit terung hat also die durch die Entomophthora-Seuche gest~rte MSglichkeit einer 3. Generation 3) auch in der Natur geschaffen, die dann aber nur eine Teilgeneration in dem doppelten Sinne ist, dab nur ein Tell dcr Puppen sich subitan entwickelt und dab die Raupen nicht mehr ihre Entwicklung vollendcn kSnnen. 4) Es wurde auch beobachtet, dug Apa~teles glomeratus demselben Rhythmus folgte wie die WeiBlinge. Ende Sommer, Anfang Herbst gesammelte Kokons, frfiher als sonst fertig geworden, hatten zum grol~en Teil die Schlupfwespen bereits entlassen, wahrend

~) Doch hatte sehon die 1. Generation hier und da Schaden angerichtet; die Hauptstelle ftir Pflanzensehutz teilte mir auf. Anfrage mit, dag yon Ende Juni ab 7 F~lle gemeldet WUl'flen~ die die 1. Raupengenelation betrafen. Die moisten Falle yon Sohaden durch die 2. Generation traten gegen Ende August ein; dann keine mehr.

2) Siehe Zeitschr. f. ang. Entom. Bd. 18, S. 571. 8) Von einer 3. Genelation in Mecklenburg berichtete

aueh schon M Gi l lmer in dem gleiehen Sinne wie wir im Arch. Freunde Naturgeseh. Mecklenbg. Bd. 75, S 39, 1922.

4) i]ber das Schieksal yon Raupen~ die yore ersten Nachtfrost iiberrascht werden, berichtete Herr stud. Spr ingensguth~ den ich g'ebeten hatte~ darauf zu

andere des gleiehen Geleges noch als Larve im Kokon ruhten.

Im Siidwesten des Landes kam in den Kiefern- wa]dungen eine enorme Forleulen-Kalamitat zum Ausbruch, fiber die an andrer Stelle beriehtet wird. Es sei noeh erw/ihnt, dag bei Waren (ira sfidSst- lichen Mecklenburg) 13 Kirschbaume yon den Afterraupen 2. Generation yon Caliroa (Erio- eampoides) limaci~a, kahlgefressen wurden, ein hier immerhin seltener Fall , obwohl diese After- raupen um die betreffende Jahreszeit nicht selten zu sein pflegen. An Eiehengebfisch fralt vielenorts iln August (~bliroa cim:ia sehr stark; wenu fast alle Bliitter skelettiert waren, so pflegte auch die asselfi~rmige Raupe yon Cochlidio~ limacodes be- teil igt zu sein. Die erstgenannte Art t rat so stark auf, dai3 sie in Pflanzschulen forstliche Bedeutung gewann. Benachbarte Roteichen wurden gan~ ver- schont, doch kam nur ein solcher Fal l zur Be- obachtung.

In dem grol]en urwfichsigen Wald , der den bereits erwahnteu ,Darss" bedeckt, waren alle Erlen enorm befressen durch BlattkMer, die ver- mutlieh zur Gattung Galertwellc~ geh6rt haben (denn Agelastit'a abd wurde hier nie in solcher 3[enge bemerkt), deren Spezies jedoch nicht festgestellt werden konnte, da die siebartig durchlScherten Blatter erst im Oktober bemerkt wurden. Der Erlenblattkafer, Melasoma.aertem~, dagegen fehlte so gut wie vSllig. Jahrelang war er iln Labo- ratorium zu Versuchszwecken weitergezfichtet und im Freien unter Moos fiberwintert worden. Den letzten Winter iiberstand nur 1. Stfick. An den Stellen im Waldo, woher man ihn sonst bezogen hatte, war niehts yon ihnl zu erblicken. Dasselbe wurde mir aus Holstein berichtet.

Zusammenfassend kann gesagt werden, da[~ die besonderen klimatischen Verhaltnisse der Vegetationsperiode 1932 in dieser Gegend den Massenwechsel verschiedener Insektenarten ganz verschieden beeinfluBt haben, dal~ aber im ganzen doch wohl 10 - -20 rea l soviel grfine Pflanzen- s:lbstanz anf dem Wege durch den Insektenmagen

achten, aus der Gegend yon Magdeburg: Die Pilzscuehe trat dort nicht auf. Anfang Septemer trat der erste Nachtfrost ein. Am Morgen nachher war auf den Kohl- pfianzen nichts mehr yon den Raupen zu sehen. Jtingere Raupen lagen inaktiv auf dem Erdboden, die grSl~eren waren in die Erde hineingekrochen und reagierten bei Berfihrung lebhaft. Jedoch erschien in dor Folge keine von den Raupen wieder auf dem Kohl. Die kleineren sind sicher zugrunde gegangen; sic waren zum Toil be- reits dunkel verf~rbt Das Schieksal der grSl3eren konnte nicht festgestellt werden. Vorhandene Puppen waren grSiltenteils mit Pteromalus pupar~lm besctzt. Spiiter wurden noch vereinzelt frische Falter und Eiablage be- obachtct: offenbar eiue 3. (Toil-) Generation.

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wieder in den Kreislauf der Stoffe gelangt ist als sonst. Soll man daraus folgern, dal~ das Wetter die Individuenlnenge der Insekten direkt und schlankweg bestimmt? Das ware zu oberflachlich aufgefaBt. Wohl ist der Weehsel der atmophari- schen Verhaltnisse das einflu~reiehste Glied in der Reihe der vermehrungsbegrenzenden Faktoren. Aber wie das Wetter selbst ein zusammengesetzter Faktor ist, eine Kombination verschiedener atmo- sph~trischer Verhaltnisse darstellend, die einen ,LuftkSrper" bilden, so bildet auch das ganze iibrige Milieu mit dem LuftkSrper zusammen einen Komplexfaktor. Das Wetter wirkt sieh (irtlieh ganz verschieden auf die Insekten aus; seine Wir- kung bestimmt sieh nach 0rtlichen Verhaltnissen biocSnotischer und chtonischerl) Art. In sumpfigem und moorigem Gelande kann Ausbleiben der :Nieder- schlage, solange der Wasservorrat des Sumpfes hinreichend groB bleibt, ganz ohne Wirkung sein, die erhShte Sonnenwarme aber zur Wirkung ge- langen. Vom Laubwald gilt i~hnliches. Im Felde hat es hier 1932 trotz des Fehlens der Niedersehlage auch im Juni eine ungew0hnlieh iippige Vege- tation gegeben, wo der Boden eine hinreiehende wasserhaltige Kraft hatte, um soweit feucht zu bleiben, da~l das Pflanzenwachstum yon der Warme profitieren konnte. Nur auf ausgesprochenem Sandboden, der das Wasser viel weniger festhalt, tritt wirkliche ,Diirre" mit tiefgreifenden Wir- kungen auf das Pflanzenwaehstum und die Ver- mehrung maneher Insekten ein. Es kommt hinzu, dab der Pflanzenwuehs selbst sieh das 5rtliehe Klilna teilweise .s cha f f t : die starke Verdunstung der Blatter erhalt im Laubwald eine erhShte Luft- feuchtigkeit; das ganze Bestandesklima daselbst ist ausgegliehener als im freien Felde usw.

Die atmospharischen Verhaltnisse bilden also zusammen mit allen anderen Faktoren und dem jeweils im Mittelpunkt der Untersuehung stehenden Tier ein d y n a m i s e h e s Sys t em, wie ieh es zu-

~) Ich fibernehme dieses Wort, das ich.zuemt bet Martini (Zeitschr. f. ang Entom Bd. 18, S 541) fand~ start des sonst von mir gebraachten ,edaphisch", weil das letztere~ das zwar eine lange Tradition in der

Witterung und Insekien in der Gegend yon Rostock 1932. r15. 3. 1933 L Heft 3

erst 1931e) bezeichnete. Die in dieser Bezeiehnung liegende Charakterisierung ist praziser als die vor- herige als ,Einheitsfaktor", wiewohl beide das gleiche besagen und einander nicht ausschlieBen. Die Einzelfaktoren wirken als Einheitsfaktor zu- sammen, wei l sie ein dynamisehes System bilden. Die Wirkung des Klimas ist zum Teil eine indirekte, indem z.B. Diirre, d.h. Mangel an Wasser im Bo d en, Borkenkafern und Blattlausen ihre Nahrungspflanzen in denjenigen Zustand versetzt, der ihrer Vermehrung giinstig ist. Auch dart nicht vergessen werden, dab es auf die ze i t l i che Folge der Faktoren-Kombinationen ankommt, nieht nur auf das ,Gefiige" derselben, sondern auch auf ihr ,Getriebe ~ (Woltereek). Man sagt damit naehgerade Bekanntes, das aber, wiewohl yon niemandem ausdrficklieh bestritten, noch nicht hinreichend methodiseh zur Geltung kommt, daher hier mit Genugtuung darauf Bezug genommen wird, dab E s c h e r i c h in seiner Darstellung der Forleule in dem 3. Band der Forstinsekten eben- falls die Bezeiehnung ,dynamisehes System" ge- braucht und dab Z wSlfers Bev61kerungsgleiehung etwa dasselbe in der Spraehe der Mathematik aus- drfickt. Es dart iibrigens nieht vergessen werden, dai~ diese Art dynamiseher Systeme (und ihrc Gesamtheit, die SchSpfung), e inz ig ist dadureh, dag lebende Wesen darin eingeschaltet sind. Immerhin besagt der Ausdruck mehr als ~Getriebe" oder ,Gefiige".

Wettereinflfisse sind wohl mindestens indirekt immer der AnstoB zur Gradation, aber nur dann kSnnen Insekten die Oberhand gewinnen in dem natfirlichen System, dem sie angeh(iren, wenn 5rtlieh entgegenwirkende KrMte in Wegfall ge- kommen sind, etwa weil der Mensch dieses natfir- liche System aushShlte, oder weil das Massen- auftreten der Insekten selbst ein regulatoriseher Vorgang ist wie z. B. das von Raupen im Koni- feren-Urwald.

~)flanzen5kologie fiir sich hat, mir weniger gut er- scheint.

~) Anz. f. Schfidlingsk. 1931, S 80 (,,labfles System unbelebter und belebter Kr~tfte").