1
227 5822 2 28 Zum Problem der Evolution von pLyrae. Von K. WaZter. In mehreren Aufsltzen, die in dieser Zeitschrift im Laufe der letzten Jahre erschienen sind, hat S. Tschprnyl) die Frage der Bahnbewegung im System von PLyrae untersucht und im Zusammenhang damit die Eigentumlichkeiten der Licht- kurve dieses interessanten Systems, insbesondere die von Mary A. Slagg gefundenen, periodischen, uber den primaren Rotations- und Bedeckungslichtwechsel gelagerten Hellig- keitsschwankungen zu erklaren versucht 2). Die Bahnen der Komponenten sind in diesem Falle, wo wir es nicht mehr rnit kugelformigen, sondern mit deformierten, ellipsoidahnlichen Korpern zu tun haben, keine reinen Keplerschen Ellipsen mehr. Zur Diskussion steht die Frage, welcher Art nun die Bahnbewegung ist. Tscherny kommt zu ziemlich kompli- zierten Bewegungen; es ergibt sich bei ihm, wenigstens nach der einen Methode, auDer einer sakularen Periastronver- schiebung von sehr groDem Betrage (etwa 203' pro Umlauf) noch eine solche periodischer Art rnit sehr groDer Amplitude, und eine periodisch sich andernde, groDe Bahnexzentrizitat. Eine Anwendung dieses theoretischen Ergebnisses findet sich in einem kurzlich erschienenen Artikela) uber ,Das Stadium der Evolution von fl Lyraecc, in dem Tscherny den Abstand der beiden Komponenten wahrend eines Umlaufs berechnet und zu dem merkwurdigen Ergebnis kommt, daB die Kompo- nenten zeitweilig getrennt sind und zeitweilig, und zwar gar nicht wenig, gegenseitig eintauchen. Abgesehen von den sonstigen Einwendungen, die man gegen ein solches Resultat machen kann, scheint mir eine Unrichtigkeit in der Tscherny- schen Bahnberechnung vorzuliegen, die zu dieser wider- spruchsvollen Bahnform gefuhrt hat und die ich im folgenden aufzuzeigen versuchen werde. Tscherny betrachtet das System /3 Lyrae als bestehend aus zwei ahnlichen, gestreckten Rotationsellipsoiden, deren groDe Achsen stets nach dem gemeinsamen Schwerpunkt zeigen. Auf zwei verschiedenen Wegen sucht er die Bahn- verhaltnisse darzustellen : Erstens nach der Methode der Variation der Elemente, indem entsprechend der Abweichung der Komponenten von der Kugelform und der dadurch ver- iinderten Anziehungsverhaltnisse eine storende Beschleuni- gung in Richtung des Radiusvektors von der GroDe4) -3p2/P eingefuhrt wird, zweitens durch Berecfinung der absoluten Bahn im Rahmen der Gyldknschen periplegmatischen Kurven. Die Ergebnisse, zu denen Tscherny auf diesen beiden Wegen gelangt, sind teilweise verschieden. Auffallig ist der Wider- spruch, daD fur p2*o nach der ersten Methode eine Kreisbahn nicht zu den moglichen Bahnformen gehort, wahrend nach der zweiten Methode3, namlich fur K, = 0, eine Kreisbahn existiert. Da das Potential V=p1/r+p2/rs nur eine Funktion der Ent- fernung der Korper ist, ist in Wirklichkeit eine Kreisbahn eine mogliche Rahn. So ist ersichtlich, daD man die Ursache des be- sagten Widerspruchs in Tschernys Bahnberechnung nach der Methode der Vanation der Elemente zu suchen hat, weshalb im folgenden auf sie naher eingegangen werden muD. Universitats-Sternwarte Konigsberg Pr., I 931 Juni. Gehen wir bei dieser Methode zuriick auf die Gleichun- gen fur die Variation der Elemente, welche sich zu Beginn der Ableitungen in AN 230.159 oben befinden. Wir vervoll- standigen diese Gleichungennochdurch die sechste, zugehorige, welche noch nicht verwertet ist, und verwenden sie in der Form 6, dM I 3Pd1 - e2> cos zI + $ dt _- __. - dt e naP dn dt aPV(r-e2) und M die mittlere Anomalie bedeutet. Tscherny betrachtet nun den Fall, daB e sehr klein ist. In dieser letzten Gleichung ist dann bemerkenswert, daO das erste Glied wegen des Faktors r/e einen sehr grooen Koeffi- zienten erhalt. Auf Grund der kleinen Bahnexzentrizitat ersetzt Tscherny auf der rechten Seite der Differentialgleichungen die wahre durch die mittlere Anomalie und setzt dabei v=nt. Diesen Ausdruck, selbst als Naherungsausdruck, €iir die wahre bzw. mittlere Anomalie einzufuhren, halte ich fur nicht richtig, da die mittlere Anomalie M,, zur Zeit t = o hier nicht beruck- sichtigt ist und gerade fur kleine Exzentrizitaten die Aus- wirkung der storenden Beschleunigung auf diese GroBe nicht ubersehen werden darf. Dies wird dadurch deutlich, daB die Variation des von Tscherny fur die mittlere Anomalie ver- wendeten Ausdruckes nach der Zeit fur kleine Exzentrizitaten mit dem tatsachlichen, obigen Werte der Variation der mitt- leren Anomalie wegen des groDen den Faktor I/e enthaltenden Gliedes im Widerspruch steht. Auch die in den spateren Berechnungen von Tschern-v an Stelle von v = n t gebrauchten Beziehungen sinv sinnt r4 a4 9ep2 sinv _- wo -+ - - ~. - COSV I - -_ und - P a4, (cos nt -I- 2e cos 2nt + 2e) \ cosv I ' - -_ (cos nt + 3e cos nnt + e) bzw. helfen uber diese Schwierigkeit nicht hinweg. Damit kann aber die Integration der Differentialglei- chungen nicht in der in AN 230.1 59 angegebenen Form durch- gefuhrt werden, und so werden die merkwurdigen Ergebnisse Tschernys, insbesondere die periodische Veranderlichkeit der Exzentrizitat und des Periastrons und damit auch die Be- trachtungen uber das Stadium der Evolution von BLyrae hinfallig. Sieht man von dem sakularen Gliede der Periastron- verschiebung ab, so kommt man zu dem Schlusse, daB die Methode der Variation der Konstanten in unserem Falle zur Darstellung der Bahnverhaltnisse wenig geeignet ist. ?A -a4 Kurt Walter. ') AN 230.157; 235.105; 238.47; 242.113. *) Die Bezeichnungen sind die gleichen wie bei Tschcmy. MN 88.482. s, AN 242.113. 6, AN 235.108. 6, Siehe Plummer, Dynamical Astronomy, p. 151 u. 152. I n ha 1 t zu Nr. 5822. C. Nofmcister. Die tagliche Variation der Sternschnuppenhadigkeit in der Tropenmne. 213. - G. Waltw. Zum Problem der Evolution von Lyrae. 227. _____ Gerchlouen r9ix Sept. 16. Herawgebu: H. Kobold. Erpeditlon: Kid. Moltkcsu. 80. Po+chcck-Konto Nr. 6~38 Hamburg XI. Druck von C. Schaldt, lnhaber Ccorg Obeim, Kid.

Zum Problem der Evolution von β Lyrae

Embed Size (px)

Citation preview

2 2 7 5 8 2 2 2 2 8

Zum Problem der Evolution von pLyrae. Von K. WaZter. In mehreren Aufsltzen, die in dieser Zeitschrift im Laufe

der letzten Jahre erschienen sind, hat S. Tschprnyl) die Frage der Bahnbewegung im System von PLyrae untersucht und im Zusammenhang damit die Eigentumlichkeiten der Licht- kurve dieses interessanten Systems, insbesondere die von Mary A . Slagg gefundenen, periodischen, uber den primaren Rotations- und Bedeckungslichtwechsel gelagerten Hellig- keitsschwankungen zu erklaren versucht 2). Die Bahnen der Komponenten sind in diesem Falle, wo wir es nicht mehr rnit kugelformigen, sondern mit deformierten, ellipsoidahnlichen Korpern zu tun haben, keine reinen Keplerschen Ellipsen mehr. Zur Diskussion steht die Frage, welcher Art nun die Bahnbewegung ist. Tscherny kommt zu ziemlich kompli- zierten Bewegungen; es ergibt sich bei ihm, wenigstens nach der einen Methode, auDer einer sakularen Periastronver- schiebung von sehr groDem Betrage (etwa 203' pro Umlauf) noch eine solche periodischer Art rnit sehr groDer Amplitude, und eine periodisch sich andernde, groDe Bahnexzentrizitat. Eine Anwendung dieses theoretischen Ergebnisses findet sich in einem kurzlich erschienenen Artikela) uber ,Das Stadium der Evolution von fl Lyraecc, in dem Tscherny den Abstand der beiden Komponenten wahrend eines Umlaufs berechnet und zu dem merkwurdigen Ergebnis kommt, daB die Kompo- nenten zeitweilig getrennt sind und zeitweilig, und zwar gar nicht wenig, gegenseitig eintauchen. Abgesehen von den sonstigen Einwendungen, die man gegen ein solches Resultat machen kann, scheint mir eine Unrichtigkeit in der Tscherny- schen Bahnberechnung vorzuliegen, die zu dieser wider- spruchsvollen Bahnform gefuhrt hat und die ich im folgenden aufzuzeigen versuchen werde.

Tscherny betrachtet das System /3 Lyrae als bestehend aus zwei ahnlichen, gestreckten Rotationsellipsoiden, deren groDe Achsen stets nach dem gemeinsamen Schwerpunkt zeigen. Auf zwei verschiedenen Wegen sucht er die Bahn- verhaltnisse darzustellen : Erstens nach der Methode der Variation der Elemente, indem entsprechend der Abweichung der Komponenten von der Kugelform und der dadurch ver- iinderten Anziehungsverhaltnisse eine storende Beschleuni- gung in Richtung des Radiusvektors von der GroDe4) -3p2/P eingefuhrt wird, zweitens durch Berecfinung der absoluten Bahn im Rahmen der Gyldknschen periplegmatischen Kurven. Die Ergebnisse, zu denen Tscherny auf diesen beiden Wegen gelangt, sind teilweise verschieden. Auffallig ist der Wider- spruch, daD fur p2*o nach der ersten Methode eine Kreisbahn nicht zu den moglichen Bahnformen gehort, wahrend nach der zweiten Methode3, namlich fur K , = 0, eine Kreisbahn existiert. Da das Potential V=p1/ r+p2 / r s nur eine Funktion der Ent- fernung der Korper ist, ist in Wirklichkeit eine Kreisbahn eine mogliche Rahn. So ist ersichtlich, daD man die Ursache des be- sagten Widerspruchs in Tschernys Bahnberechnung nach der Methode der Vanation der Elemente zu suchen hat, weshalb im folgenden auf sie naher eingegangen werden muD.

Universitats-Sternwarte Konigsberg Pr., I 931 Juni.

Gehen wir bei dieser Methode zuriick auf die Gleichun- gen fur die Variation der Elemente, welche sich zu Beginn der Ableitungen in AN 230.159 oben befinden. Wir vervoll- standigen diese Gleichungennochdurch die sechste, zugehorige, welche noch nicht verwertet ist, und verwenden sie in der Form 6,

dM I 3Pd1 - e2> cos zI + $ d t _- __. - d t e n a P dn dt aPV(r-e2)

und M die mittlere Anomalie bedeutet. Tscherny betrachtet nun den Fall, daB e sehr klein ist.

In dieser letzten Gleichung ist dann bemerkenswert, daO das erste Glied wegen des Faktors r/e einen sehr grooen Koeffi- zienten erhalt.

Auf Grund der kleinen Bahnexzentrizitat ersetzt Tscherny auf der rechten Seite der Differentialgleichungen die wahre durch die mittlere Anomalie und setzt dabei v = n t . Diesen Ausdruck, selbst als Naherungsausdruck, €iir die wahre bzw. mittlere Anomalie einzufuhren, halte ich fur nicht richtig, da die mittlere Anomalie M,, zur Zeit t = o hier nicht beruck- sichtigt ist und gerade fur kleine Exzentrizitaten die Aus- wirkung der storenden Beschleunigung auf diese GroBe nicht ubersehen werden darf. Dies wird dadurch deutlich, daB die Variation des von Tscherny fur die mittlere Anomalie ver- wendeten Ausdruckes nach der Zeit fur kleine Exzentrizitaten mit dem tatsachlichen, obigen Werte der Variation der mitt- leren Anomalie wegen des groDen den Faktor I/e enthaltenden Gliedes im Widerspruch steht.

Auch die in den spateren Berechnungen von Tschern-v an Stelle von v = n t gebrauchten Beziehungen

sinv sinnt r4 a4

9ep2 sinv _- wo - +

- - ~. -

COSV I - -_ und - P a4, (cos nt -I- 2e cos 2nt + 2e)

\ cosv I ' - -_ (cos nt + 3e cos nnt + e)

bzw.

helfen uber diese Schwierigkeit nicht hinweg. Damit kann aber die Integration der Differentialglei-

chungen nicht in der in AN 230.1 59 angegebenen Form durch- gefuhrt werden, und so werden die merkwurdigen Ergebnisse Tschernys, insbesondere die periodische Veranderlichkeit der Exzentrizitat und des Periastrons und damit auch die Be- trachtungen uber das Stadium der Evolution von BLyrae hinfallig. Sieht man von dem sakularen Gliede der Periastron- verschiebung ab, so kommt man zu dem Schlusse, daB die Methode der Variation der Konstanten in unserem Falle zur Darstellung der Bahnverhaltnisse wenig geeignet ist.

?A -a4

Kurt Walter. ') AN 230.157; 235.105; 238.47; 242.113. *) Die Bezeichnungen sind die gleichen wie bei Tschcmy.

MN 88.482. s, AN 242.113. 6, AN 235.108. 6, Siehe Plummer, Dynamical Astronomy, p. 151 u. 152 .

I n ha 1 t zu Nr. 5822. C. Nofmcister. Die tagliche Variation der Sternschnuppenhadigkeit in der Tropenmne. 213. - G. Waltw. Zum Problem der Evolution von Lyrae. 227. _____

Gerchlouen r9ix Sept. 16. Herawgebu: H. K o b o l d . Erpeditlon: K i d . Moltkcsu. 80. Po+chcck-Konto Nr. 6 ~ 3 8 Hamburg XI. Druck von C. Schaldt, lnhaber Ccorg Obeim, Kid .