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420 XXIII. REHER Natur. Die griisste Aehnliehkeit zeigte er mit den beiden letztge- nanntcn Fiillen von P e t r o n e. Der Gedanke, es kiinnte sich bei unseren Beobaehtungen um Verunreinigungen oder um postmortale F~ulnisserreger handeln, ist nach meiner Ueberzeugung ausgeschlossen, denn, abgesehen davon, dass einerseits die Vertheilung der Kokken in den Geweben durch- aus gcgen diese Annahme spricht, so babe ich andererseits bei zahl- reichen, aus anderer Veranlassung angestellten Impfversuchen mit hlilz-, Leber- und anderen Gewebssliften, selbst bei schon eingc- tretencr F~tulniss die oben erwiihnten Kokken niemals beobachtet. 1Nur in einem ebenfalls mit Purpura haemorrhagiea, Fieber und aueh Hypopyon einhergehenden Falle yon Endocarditis uleerosa bei einer 26jahrigen Frau, der am 26. Mai 1883, 8 Stunden p. m. zur Section kam, fanden sieh Kokken, die nieht bur makroskopiseh und mikro- skopisch bei der Impfung auf l~iihrgelatine, sondern auch in Gewebs- schnitten, wenigstens in Herz- und Nierensehnitten, ein tiiuschend ~ihnliches Bild wie im obigen Falle lieferten. Doch es fehlte bier, wenigstens im Hypopyoneiter, die Neigung der Kokken zur Ketten- bildung. Der griisste Unterschied aber ist der, dass die Kokken der uleer(isen Endocarditis naeh 22monatlicher Eintrocknung in der 5Iiihr- gelatine bei Uebertragung auf fl'ischen 5I~hrboden sich noeh ent- wicklungsfithig zeigten, w'ahrend die in unserem Falle yon Purpura gewonnenen Kokken schon nach 6 Monaten abgestorben waren. Was die Bezeiehnang unseres Falles anlangt, so ist derselb~ wohl ans dem so mannigfaltigen Sammelbilde der Purpura haemor- rhagica ganzlich auszuscheiden~ da die H•morrhagien ein, wenn auch in die Augen springendes, so doeh im Ganzen nieht sehr wiehtiges Symptom der Krankheit darstellen. Passender wUrde man den Fall mit dem sonst nichts prlijudieirenden Namen ,,infectiiises Petechial- fieber" bezeichnen kSnnen. 2. Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. Von Dr. H. ~eher, I. A~sistent der mediciu. K|inik. I. Die Anschauungen tiber die Aetiologie des Ileotyphus haben bekanntlich in den letzten beidcn Dccennien gar manche Wandlung erfahren. Erst naeh Eberth's und Koch's Forsehungcn gewanu

Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

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Page 1: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

420 XXIII. REHER

Natur. Die griisste Aehnliehkeit zeigte er mit den beiden letztge- nanntcn Fiillen von P e t r o n e.

Der Gedanke, es kiinnte sich bei unseren Beobaehtungen um Verunreinigungen oder um postmortale F~ulnisserreger handeln, ist nach meiner Ueberzeugung ausgeschlossen, denn, abgesehen davon, dass einerseits die Vertheilung der Kokken in den Geweben durch- aus gcgen diese Annahme spricht, so babe ich andererseits bei zahl- reichen, aus anderer Veranlassung angestellten Impfversuchen mit hlilz-, Leber- und anderen Gewebssliften, selbst bei schon eingc- tretencr F~tulniss die oben erwiihnten Kokken niemals beobachtet. 1Nur in einem ebenfalls mit Purpura haemorrhagiea, Fieber und aueh Hypopyon einhergehenden Falle yon Endocarditis uleerosa bei einer 26jahrigen Frau, der am 26. Mai 1883, 8 Stunden p. m. zur Section kam, fanden sieh Kokken, die nieht bur makroskopiseh und mikro- skopisch bei der Impfung auf l~iihrgelatine, sondern auch in Gewebs- schnitten, wenigstens in Herz- und Nierensehnitten, ein tiiuschend ~ihnliches Bild wie im obigen Falle lieferten. Doch es fehlte bier, wenigstens im Hypopyoneiter, die Neigung der Kokken zur Ketten- bildung. Der griisste Unterschied aber ist der, dass die Kokken der uleer(isen Endocarditis naeh 22monatlicher Eintrocknung in der 5Iiihr- gelatine bei Uebertragung auf fl'ischen 5I~hrboden sich noeh ent- wicklungsfithig zeigten, w'ahrend die in unserem Falle yon Purpura gewonnenen Kokken schon nach 6 Monaten abgestorben waren.

Was die Bezeiehnang unseres Falles anlangt, so ist derselb~ wohl ans dem so mannigfaltigen Sammelbilde der Purpura haemor- rhagica ganzlich auszuscheiden~ da die H•morrhagien ein, wenn auch in die Augen springendes, so doeh im Ganzen nieht sehr wiehtiges Symptom der Krankheit darstellen. Passender wUrde man den Fall mit dem sonst nichts prlijudieirenden Namen ,,infectiiises Petechial- fieber" bezeichnen kSnnen.

2. Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. Von

Dr. H . ~ e h e r , I. A~sistent der mediciu. K|inik.

I. Die Anschauungen tiber die Aetiologie des Ileotyphus haben

bekanntlich in den letzten beidcn Dccennien gar manche Wandlung erfahren. Erst naeh E b e r t h ' s und Koch ' s Forsehungcn gewanu

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Zur hetio]ogie des Abdominaltyphus. 421

die schon friiher vermnthete parasit~re Genese immer mehr Anh~tnger, so dass wobl jetzt kaum noch ein Arzt daran zweifelt. Dennoch kiinnen wit uns nicht verhehlen, dass diese Verhaltnisse als noeh nieht nach allen Seiten hin geklart betrachtet werden kiinnen.

Was die Art dieser typhuserregenden Bacterien anlangt~ so ist vor Allem nach den Untersuchungen G a f f k y ' s 1) mit grosser Wahr- seheinlichkeit anzunehmen, dass die sogenannten E b e r t h - K o c h - sehen Bacillen als die alleinigen Typhuserreger betraehtet werden mtissen. G a f f k y wies diese Baeillen nieht nut mikroskopisch in den inneren Organen der meisten ihm zur Verfiigung stehenden F~tlle nach, sondern erzielte Reinztichtungen derselben auf versehieden zu- sammengesetztem Nahrboden, vorztiglich auf Niihrgelatine und Kar- toffcln. Diese Untersuehungen G a f f k y ' s haben gewiss sehon yon manchen anderen Forschern ihre Wiederholung und Bestatigung ge- funden.

Auch ieh habe seit April 1884 an allen his Januar 1885 zur Section gekommenen 7 Typhusleiehen diesbeziigliche Untersuchungen angestellt. Die mikroskopisehe Untersuchung beschrankte sieh racist auf Leber und Milz. Die Impfung geschah ebenfalls nur mit Leber- und Milzsaft~ anfangs auf Nahrgelatine in Reagirglasern, sparer meist auf l~ahrgelatine in Form yon Plattenculturen. Selbstverstandlieh wurden anch Kartoffelculturen zur Controle eingeriehtet.

Von jenen 7 Fallen nun wurden in 4 Fallen (Nr. l, 21 5 und 6 der Tabelle, s. folg, Seite) sofort Reineulturen der E b e r t h - K o e h - scben Bacillen erzielt. Dasselbe positive Resultat ergab in einem 5. Falle (Nr. 3 der Tabelle) die Impthng mit Lebersaft eines dutch Abort einer typhuskranken Frau gewonnenen~ etwa 6 Monate alten F(ttus. In einem 6. Falle (Nr. 4) misslang die Reinziichtung wegen bereits eingetretener Faulniss: es hatte 3 Tage lang Perforations- peritonitis bestanden, wahrend obendrein die Section 2l Stundeu nach dem Tode in den heissen Tagen des August stattfand. Im 7. Falle (Nr. 7) unterblieb aus ausseren Grtinden zwar die Impfung, jedoeh ware sic, aus dem mikroskopisehen Befunde zu sehliessen, mit Leichtigkeit gelungen. Ausser" den Typhusbacillen hatten sich auf den Culturplatten in Nr. I u n d 5 vereinzelte Kokkeneolonien ent- wiekelt.

Im Grossen und Ganzen kann ieh alles, was Gaf fky als charak- teristiseh ftir die Typhusbacillen bezeichnet hat, bestatigen. Bei zahl- reiehen Impfungen mit dem Organsafte yon an anderen Krankheiten

1) M i t t h e i l u n g e n a us d e m k a i s e r l i c h e n G e s u n d h e i t s a m t e . I I . Bd.

A r c h i v L experim~ ~. Pathol. u. PharmakoL X IX. Bd. 2S

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4:22 XXIII, REHER

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Zur Aetiolegie des AbdominaRyphus. 423

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Verstorbenen (Pneumonie, Diphtheritis, Ma- sern u. s. w.) oder bei den anderen ver- schiedenartigsten Impfungen habe ieh hie- reals einen Bacillus getroffen, der atle die flit jene Typhusbacillen charakteristisehen Eigenschaften gczeigt h~itte. Nur im mikro- skopischen Naehweise der Typhusbacillen aaf Deekglaspr~paraten oder in Gewebssehnitten hatte ieh weniger gute Erfolge zu verzeich- nen. Denn in keinem derjenigen F~ille, in denen mir die ReinzUchtung der Typhusba- cillen mit Leichtigkeit gelang, liessen sieh die Bacillen in mit Gewebssaft bestrichenen Deckglaspr~iparaten oder in Gewebsschnitten mikroskopisch nachweisen. Nur im 7. Falle, we leider die Impfung unterlassen war, fan- den sich in Leberschnitten die yon G a f f k y beschriebenen Herde, sowohl durch ihre An- zahl, als auch durch ihre Griisse leieht in die Augen fallend.

Anfangs vermuthete ich einen Fehler meinerseits in der F~rbetechnik; doeh da ich immer ganz nach Vorschrift verfahren war, so musste ich andere GrUnde suchen. Da fiillt nun besonders auf, dass in jenen 5 F~lleu mit erfolgreicher Impfung die Sec- tion theils sehr frtih, theils relativ frtih ge- macht wurde (siehe Tabelle), wiihrend im 7. Falle, we der mikroskopische Nachweis so leicht gelang, die Section erst 42 Stun- den post mortem stattgefunden hatte. Aueh G a f f k y ist der Nachweis der Bacillen mi- kroskopisch nicht in allen F~llen gelungen. Leider gibt er in keinem Falle die Zeit der Section, resp. die Zeit der Impfung mit Be- zng auf den Ted an. Im Allgemeinen wird wohl eine relativ lange Zeit n~eh dem Tode verstrichcn sein, bis die Organe in Alkohol gelegt wurden, da das Material von 6 Aerz- ten stammte. Mir scheint nun folgende AB- nahme nieht unberechtigt:

28*

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424 XXlII. REH~

Die veto Typhusdarm her in den Organismus, z. B. in die Leber gelangenden Baeillen gehen im lebenden Organismus in einer nicht n~her gckannten Zeit zu Grunde. Mit dem Tode abet, d. h. mit dem Stillstande tier Circulation wachsen die kurz vorher dorthin gelangten Bacillen welter und bilden schlicsslieh grosse~ gleiehsam Reinculturen darstellende Haufen yon Typhusbacillen.

MSglieh, dass es mir nach vieler Mtlhe gelangen w~re, je naeh dem Zeitpunkte, in dem den Bacillcn eine Vermchrung unm~glich gemacht wird (d. h. dutch Einlegen in Alkohol), entweder vereinzelte Bacillen oder s e h r k l e i n e Haufen you Bacillen in den Schnitten jener 5 F~lle nachzuweisen. Doch wird wohl ein leiehter mikro- skopischer Nachweis immer nut bei sp~ten Seetionen, allcrdings bevor F~ulniss eingetreten ist, m~glich sein. Diese meine Ver- muthung wird unterst|itzt durch das Resultat der Impfang. Es stellte sich n~mlich heraus,, dass, abgesehen veto versehiedenen Stadium der Krankheit, in denjenigen Ftillen, we unmittelbar nach dem Tode geimpft wurde, augenscheinlieh weir wenlger Culturen in der N~hr- gelatine auftraten, als bei den F~llen sp~iterer Impfung.

Dass auch G a f f k y ~hnliche Verhaltnisse anzunehmen scheint, daftir sprieht seine Vermuthung, dass mittelst der Culturmethode unter Umstanden noch Bacillen nachgewiesen werden k~nnten, we die mikroskopisehe Untersuehung der Organe in Schnitten wegen der geringen Zahl der Organismen im Stiche lasse.

Die teehnische Schwierigkeit, auch kleine Haufen yon Typhus- bacillen in Gewebsschnitten nachzuweisen, habe ich nach dcr G a ffk y- schcn F~rbemethode gr~sser gcfunden~ als nach der yon Gram an- gegebenen Methode, bei der sich die ajlein blauviolett gefiirbten Bacillenhaufen deutlieher veto sehwach geib gefarbten Gewebsgrunde abheben. Zur Beurtheilung der Frage, inwieweit eine postmortaIe Vermehrung der Bacillen in den Geweben stattfindet, dtirfte es zweck- m~ssig sein eine doppelte~ zeitlieh getrennte Untersuchung vorzu- nehmen: 1. U n t e r s u e h u n g : Kurz nach dem Tode sind der Leiche miiglichst antiseptisch etwa Theile der Milz und dcr Leber zu ent- nehmcn; yon denselben wird sofort auf Ntihrgelatine geimpft~ ein Theil sofort mikroskopisch untersucht~ respective in hlkohol gelegt. 2. U n t e r s u c h u n g : Etwa 1 - - 2 Tage sp~tter; die in der Leiche zurtickgeiassenen Theile der MiIz und Leber sind wie bcider 1. Unter- Suchung zu behandeln. - -

Mehrfache Versuche, aus den Typhusdejeetioncn die Typhus- bacillen zu ztichten~ blieben ohne Erfolg. . . . . . .

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Zur Aetio~,ogie des Abdominaltyphus. 425

II.

Auf welehem Wege nun gelangen die Typhusbaeillen in den menschliehen Organismus ?

Dass der Typhus nieht eontagiSs im Sinne wie die Blattern, Seharlach u. s. w. ist, und dass in der Weiterverbre!tung desselben die Dejeetionen Typhuskranker die Hauptrolle spielen, ist durch arzt- lithe Erfahrungen als sichergestellt anzusehen. Abgesehen davon~ ob diese Dejeetionen direct oder eingetroeknet und in Staubform einge- athmet und versehluekt, oder abet anderen Nahrunffsmitteln (Wasser, Milch u. s. w.) beigemengt in den K~rper gelanffen, tritt an uus aueh die Frage heran: Bis zu w e l chem Z e i t p u n k t e der Kr~nk- heir s ind die T y p h u s d e j e e t i o n e n noeh infeeti~is? In Betreff dieser Frage herrsehen noeh grosse Meinungsuntersehiede, zumal es bis jetzt nieht gelungen ist, die Typhusbaeillen tiberhaupt aus den Dejeetionen Typhuskrauker dutch Reinztiehtung zu isoliren.

Zwei auf der medieinisehen Klinik zu Kiel selbst erfolgte Erkran- kungen an Typhus dtirften in dieser Hinsieht einiges Interesse bieten:

Der 1. Fall betraf ein 26jahriges Meiereimadchen Sell~ die infolge einer Aortenklappenaffeetion am 19. Juni 1884 eine Hirnembolie bekom- men hatte und am 1. Juli mit einer vollstiindigen reehtsseitigen Hemiple- gie, Spraehlosigkeit und Ineontinenz des Urins und Stuhles ins Kranken- haus gesehafft wurde.

Nach einer anfangs gltieklieh tiberstandenen Sehluekpneumonie trat am 1. September die erste Temperatursteigerung des beginnenden Typhus auf. Der Typhus verlief ohne Complieationen~ so das s naeh 4 Wochea die Entfieberung statthatte.

Selbstverstiindlieh blieben Naehforsehungen naeh der Iufeetionsquelle nicht aus. - - Auf der Kieler medieinisehen Klinik werden die Typhus- kranken stets in 1 oder 2 Baraeken behandelt. Die Zahl betrug damals etwa 12--20. Um nun far neu aufgenommene F~tlle Platz in dieseu Baracken zu sehaffen, wurden aus denselben Reeonvalescenten verlegt, und zwar die weibliehen in 2 mit anderweitig Kranken belegte Zimmer des Hauptgebiiudes. In diesen beiden Zimmern, wo aueh die genannte Sell erkrankte~ befanden sieh um die Zeit der Erkrankung derselben 5 Typhusreconvaleseenten. Von diesea waren 1. Frau B, 30. Juli verlegt, am 14. fieberfreien und 27. Krankheitstage.

(Patientin wurde 19. August 1884 entiassen). 2. Madehen Lassen~ 9. August verlegt~ am 6. fieberfreien und 22. Krank-

heitstage. 3. Mitdehen Classen~ 9. August verlegt: am 6. fieberfreien und 26. Krank-

heitstage. 4. Madehen Lorent~zen7 2O. August verlegt, am 14. fieberfreien und

29. Krankheitstage. 5. Mitdehen NageI~ 31. August verlegt~ am 12. fieberfreien und 37.Krank"

heitstage.

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426 XXIII. R~EE~

Demnach wurde keine Patien~in Vor dem 6. fieberfreien Tage ins Hauptgebiiude verlegt. Zwischen Typhusbaracken und Haupthaus be- :steht nun weder dureh das Wartepersonal, noch dutch das Inventar oder dergleiehen irgend ein Zusammenhang. Andererseits aber liisst sich ein Zu- sammenhang zwischen den ins Haupthaus verlegten Typhusreconvaleseen- ten und den llbrigen deft liegenden Kranken nachweisen. �9 Es war nlim- lich aus Unkenntniss der Wi~rterin verabsi~umt, dass bei den Typhus- reconvaleseenten separate Becken und Thermometer (es werden hier fast ausschliess/ich Aftermessungen gemacht) in Gebrauch gezogen wurden. Da die Typhusreconvalescenten das Bett noeh nieht verlassen durften, so musste ihnen das Becken noch gereicht werden . Unter den tibrigen Kra~ken wiederum war vor Allem die Sell, welche wegen ungentigenden Sphinkterverschlusses zu wiederholten Malen am Tage das Becken in Anspruch nahm. So erhielt denn die Sell h~tufig ein Beeken, welches yon einer Typhusreconvalescentin benutzt war, ohne dass es v0rher desinficirt worden war. l~un aber kommt noch hinzu, dass Patientin nicht nut hi~ufig unfreiwillige Urin- und Stuhlabgi~nge hatte, Sondern auch hiiufig den Inhalt des Beckens ins Bett sehiittete und dass sic dann wieder mit der linken gesunden Hand das beschmutzte Beeken anfasste, um dem- selben bei der wegen fehlender Bauchpresse racist lange dauernden De- fi~cation eine ftir ihren Kiirper bequeme Lage zu geben. Durch ~ alle diese Manipulationen war Patientin nicht blos am Rumpf and den Klei- dern, sondern racist auch an den H~tnden und Fingera mit Koth be- schmutzt, so dass es dem WartepersonaI trotz der gr(issten Sorgfalt nicht mSglich war~ ffir jede Mahlzeit die beschmutzten Finger von den Speisen~ die Patientin genoss, fernzuhalten. So mag es immerhin denkbar sein, dass die in den Sttihlen der Reeonvaleseenten noch vorhandenen Typhus- bacillen dureh Vermittelung vorztlglieh der Becken, vielleicht aber auch der Thermometer, die makroskopiseh zwar rein, in Wirklichkeit aber wohl nicht genfigend desinficirt waren, in den Digestionstractus der Sell gelangt sind. Eine andere Miigliehkeit der Infection war nicht aufzufinden. Die Reconvalescenten waren vor ihrer Verlegung gebadet und hatten vollst~n- ~lig reine Wasche erhalten; ihr Zeug war im Desiufeetionsofen desinficirt.

Welter kommen wit zu tier Betraehtung der Frage: Warm and durch Wen erfolgte in diesem Falle die Infection?

In Anbetraeht de r wenig sicher fixirten und wohl aueh sehwan- kcnden Incubationszeit des Typhus tiberhaupt ist t in bestimmter Nachweis unm(iglich. Die Uebertragung yon der 5. Reconvalescentin ist wohl auszuschliessen, da sonst die Incubationszeit 1 Tag hiitte betragen mtissen. Gesetzt nun, es machte die Ineubationszeit 14 Tage ausl), dann wiire die Uebertragung des Typhusgiftes auf die Sell am 18. August erfolgt, an einem Tage, we die 3 ersten Rcconvaleseenten sieh je am 15. fieberfreien and 31. Krankheitstage

15. ~ ~ 35. 33. ~ ~ 46.

1) Ygl. Quincke, Corresp.-Blatt fiir Schweizer Aerzte. /875. hTr. 8.

Page 8: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. 427

befanden, w~ihrcad die 4. Reconvaleseentin erst 2 Tage sp~ter ver- legt warde. Unter obiger Voraussetzung musste demnach die In- fection der Sell durch eine Typhusreconvalescentin erfolgt sein, die sieh frtihestens am 15. fieberfreien, resp. 31. Krankheitstage befand.

In einem 2. Falle handelt es sich um ein 20jahriges Dienst- m~idehen P a u k s t a d t .

Dieselbe war am 8. September 1884 wegen Syphilis ins Kranken- haus gekommen und musste sich einer Schmiereur unterwerfen. Doch erkrankte sie am Ende derselben unter allgemeinen Fiebererseheinungen, die sich bald auf einen Typhus zurilekfiihren liessen. Die 1. Tempe- ratursteigerung f~tlt auf den 30. October 1884. Der Verlauf des Typhus war ein schwerer 7 doch trat Ende tier 5. Woche Entfieberung ein, so dass Patientin am 23. December 1884 geheilt entlassen werden konnte.

Vor ihrer Erkrankung hatte die Paukstadt ebenfalls wie die Sell in einem der 10 Betten fassenden Zimmer des Haupthauses gleich- zeitig mit mehrcren Typhusreeonvalescenten gelegen. Von letzteren kommen in Betracht:

1. Mi~dchen K a h i e r , verlegt 22. Octbr., am 8. fieberfreien nnd 32. Krank-. heitstage.

2. ~Iiidchen Sc h liiter~ verlegt 13. October~ am 6. fieberfreien und 38. Krankheitstage.

3. Miidchen Brtiggen~ verlegt 14. October, am 10. fieberfreien und 28. Krankbeitstage.

4. Knabe Busch (7 Jahre), verlegt 9. October, am 7. fieberfreien und 30. Krankheitstage.

'5. Madchen Z a r n e d s k y (5 Jahre), verlegt 9. October, am 6. fieberfreien und 38. Krankheitstage.

Es war also ebenfalls keia Reeonvalescent vor dem 6. fieber- freien Tage ins Haupthaus verlegt. Keiner dieser Patienten fiber- stand ein Reeidiv.

Auch hier liisst sich zwischen den Typhusreconvaleseenten und tier frisehen Typhuserkrankung ein Zusammenhang finden. Denn die Pankstiidt hatte vor ihrer Erkrankung an Typhus als kr~tftiges M~d- r oft dort hfilfreiche Hand angelegt, wo die Wiirterin nieht sofort zur Stelle war. So hatte sie den Typhusreconvalescenten, besonders haufig aber den beiden zuletzt aufgefiihrten Kindern das Beeken gereicht und dieses dana gereinigt. Auch gibt sie zu, sich nicht jedes Mal nach einer solehen Verrichtung die Hande gewasehen zu

hubert. Rechnen wir auch hier als Incubationszeit 14 Tage an, so fiele

die Infection auf den 16. October, zu einer Zeit, wo die Kahler noeh nicht ins Haupthaus verlegt war, wahrend

Page 9: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

428 XXIH. Rz~za

die SehlUter am 9. fieberfreien und 21. Kraukheitstage die Brtiggen ~ 12. ~ ~ 30.

Knabe Busch ~ 14. , - 37. Madchen Zarnedsky ~ /3. ~ ~ 45. sich befanden. Die Ucbertragung des Typhusgiftes auf die Paukstiidt mtisste dcmnach, wenn unsere Vermuthung richtig ist, yon einer Recon- valescentin erfolgt sein, die sich wenigstens am 9. fieberfreien Krank- heitstage befand. Wenn aueh eine directe Uebertragung des Typhus- giftcs yon Person zu Person (d. h. mittelst Dejectionen) sieher nicht die Regel bildet, so ist hicr doch mit grosser Wahrseheinlichkeit an- zunehmen, dass die mit Typhusdejcctionen beschmutzten Hiinde das Mittel zur Uebertragung der Typhusbacillen in den Digestionsapparat der Inficirten gewescn sind. Eine andere Mi)glichkeit der Ueber- tragung war auch bier durchaus nicht aufzufinden. Denn Paticntin h a t t e wahrend ihres Hospitalaufenthaltes vor ihrer Infection das tiaupthaus nicht vcrlassen und war mit keinem anderen Typhus- kranken als '.den oben aufgeftihrten Reconvalcscenten in Bcrtlhrung gekommen. Seit Jahren hatte im I:Iaupthause kein Typhuskranker gelegen. Erkrankungen an Typhus im Hospitale selbst watch ausser den oben erwahnten F$illen in den letztcn 3 Jahrcn nur 3 erfolgtl dies waren 2 Pflegesehwestern und 1 Wartcrin, s~immtlich zu einer Zeit, wo sic ausschliesslich die Pflege in den Typhusb/~raeken zu besorgen batten. Im Haupthause selbst ist weder vorher noch nach- her ein Typhusfall vorgekommen.

"Aehnliche Beobachtungen finden sich in der Literatur kaum, vielleicht wohl deshalb, weil in den betreffcnden Fallen die haufigste Art dcr Uebertragung durch Trinkwasser nicht so vollstRndig aus- gcschlossen werden konnte, wie in unseren Fallen. I~ur B o c k e n - d a h l sehreibt im Gcncralbericht tiber das (iffentliche Gesundheits- wesen der Provinz Schleswig-Holstein ftir das Jahr 1876. Seite 40: ,,Ganz unerklarlich ist folgende Mittheilung des Kreisphysicus Dr. H a s s c l m a n n in Haderslebcn, weil die Reinigung der Kleider des Kranken nicht verabsaumt war: Ein Kaufmannslehrling erkrankt bei seinem Lehrherrn an Typhus und macht densclben im Kranken- hause durch, wird 'dann "viillig genesen zu seinen Eltcrn entiassen. Bald naehher erkrankt, bis auf den Vater, die gauze Familie, ein Bruder stirbt."

M u r e h i s o n 1) ftihrt zwar an, dass nach einigcn Autoren die Uebertragung des Abdominaltyphus in einem ,vorgertickten" Stadium

1) A treatise on the continued fevers of Great Britain. second: edition, p. 469.

Page 10: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

Zur Aetiologle des Abdominaltyphus. 429

der Krankheit am gr~ssten sei, vermisst aber zwingende Beweise ftir diese Behauptung. Von der Reeonvaleseenz ist niehts erw~thnt.

Li eb erm e i s t e r 1) sehreibt: ,,Die Spitalinfeetianen berahen nieht aaf direeter Uebertragung, sondern sie zeigen an, dass Infections- herde innerhalb des Spitals bestehen". Doch gibt er Seite 61 die haufige Verbreitung des Typhus dureh die mit den Dejectionen Kranker verunreinigten Betten und Leibwasehe zu (Wascher innen- Erkrankunff der naehsten Angeh~rigen eriblgt meist zuerst - - fast allemal weibliehe Personen).

Wenn nun jene zwei oben erwahnten Falle es sehr w a h r s e h e i n - l ieh maehen~ dass die D e j e e t i o n e n yon T y p h u s r e e o n v a l e s - e en t en , w e l e h e sehon 1 - - 2 Woehen f i ebe r f r e i s ind, noeh infee t iSs w i r k e n kt innen, so liegt die Annahme sehr nahe, dass aueh der Darm w a h r e n d de r G e s e h w U r s h e i l u n g i m Reeon- v a l e s e e n z s t a d i u m noeh T y p h u s b a e i l l e n b e h e r b e r g e n mass. Ob dieselben nut veto heilenden Gesehwtlre geliefert werden, oder ob sie yon einem frUheren Stadium des Typhus stammen and nur bis in die Reeonvaleseenz hinein bestandige Fortpflanzung im Darminhalte stattgefunden hat, dartiber ist wohl vorlaufig keine Entseheidung zu treffen. Immerhin bleibt letztere Annahme nieht unwahrseheinlieh.

Aueh zur E r k l a r n n g der immer noeh d u n k l e n P a t h o - g e n e s e des T y p h u s r e e i d i v s and der Typhusnaehsehtibe w~ire diese Annahme zu verwerthen. Da die Reeidive in allen wesentliehen Beziehungen eine vollst~tndige Uebereinstimmung mit dem gewtihn- lichen Typhus zeigen und da namentlieh die eharakteristisehen Ver- ~,inderangen in den einzelnen Organen in gleieher Weise auftreten, so ist es nieht zweifelhaft~ dass bei den Reeidiven das gleiehe Gift wirkt, wie bei der ersten Erkrankung. Aber woher dieses Gift 7 d. h. die Typhusbaeillen, stammt, darUber sind die Ansiehten noeh getheilt.

Die Einen nehmen bei allen Reeidiven eine neue Infeetion an; doeh lasst sieh diese Ansieht nieht in allen Fallen halten, wenn man nieht die Infection mit eigenen Dejeetionen per as als neue Infection betraehten will. Andere (v. Z i e m s s e n , L i e b e r m e i s t e r ) bestreiten bei den Reeidiven flir gewi~hnlieh eine erneute Infection, sondem maehen dieselben noeh yon der ersten Infection abhangig. Man denkt sieh da, dass irgendwo im K~rper ein Theil des Giftes latent verweilt haben mtisse, welches erst im Reeidiv zur Entwieklung ge- lange. Als Grand hat man die yon G e r h a r d t and v. Z i e m s s e n gemaehte Beobaehtung angefUhrt, dass in einer Reihe yon Fallen

~) v. Z i e m s s e n , Handb. d. spec, Pathol. u, Therapie. 2. Aufl. II. Bd. S. 50.

Page 11: Zur Aetiologie des Abdominaltyphus

430 XXIII. REFER

die Milzanschwellung in der Zeit yon der Entfieberung bis zum Riiek- falle tbrtdauere oder jedenfalls doeh nicht ganz sehwinde. In wie weir Recidive auf Di~itfehler folgen, dartiber ist man ebenfalls noeh versehiedener Ansieht. v. Z i e m s s e n kann sich yon dem Entstehen der Recidive durch einen Dii~tfehler nieht iiberzeugen. Sicherlieh treten haufig Fiille auf, in denen derselbe sorgtliltig vermieden ist; dennoch abet stud die Beobachtungen, wo sieh im Anschluss an cinch Di~tfehler~ namentlich nach reiehlicher oder unpassender ~ahrung, ein Recidiv einstellte, so h~ufig und so in die Augen fallend, dass man diesen Zusammenhang nieht letlgnen darf. Naeh Beobachtung an hiesiffer Klinik sind die Recidive yon einem Di~tfehler weit hitufiffer abh~ingiff, als durch das directe Krankenexamen zu eruiren ist, da die Patienten aus Furcht vor Bestrafung meist den Genuss unerlaubter Speisen verheimlichen. Dass diese Sch~tdlichkeiten nut als Gelegenheitsursaehen gelten kiinnen, ist selbstverstKndlich. Neh- men wir jedoeh im Darme eines Reconvalescenten noeh ein Vor- handensein, resp. Vermehrung der Typhusbacillen an, so ist der Gedanke nicht weir hergeholt, dass e i n e ' u n p a s s e n d e N a h r u n g in dem so v u l n e r a b l e n D a r m e e ines T y p h u s r e c o n v a l e s e e n - t en entweder verheilende Geschwtire wieder wund maeht und hier oder an dem noch nicht yore Typhusprocesse befallenen Theile des

Follikelapparates den Bac i l l en neue E i n g a n g s p f o r t e n schaf f t , zu ether Zeit, wo der Organismus noeh weniger widerstandsfiihig gegen eine zweite Infection ist. Ohne diesen Di~ttfehler wiirden die GeschwUre verheilt und die Bacillen allmiihlich dm'ch den Stuhl aus dem Darme entfernt worden seth. So mag es auch kommen, dass die Recidive racist innerhalb der ersten 14 Tage naeh dem ErlSschen des Prim~rfiebers beginnen, weil wohl zu ether spitteren Zeit die Baeillen nieht mehr ira Darme vorhanden slnd.

Aehnlich mag sieh das Verhaltniss bet den Nachsehiiben ge- stalten. Wenn naeh leiehten und mittelsehweren TyphusFallen relativ hi~ufiger Recidive als naeh sehweren Typhen folgen, so mag ein Grund der seth, dass Typhuskranke bet leiehter Erkrankung auch leichter zur Begehung eines Dilitfehlers neigen.

Wenn wir uns nun aueh die Art der Ini~etion bei den Reeidiven erklliren ktinnten, so bleiben doeh noeh einige, wenn aueh seltene, Falle unklar, wo abermals eine Typhuserkrankung auftritt, nieht erst Monate und Jahre naeh der primi~ren Affection, sondern nur mehrere Woehen. Als Beleg folgender Fall:

Ein 22jahriger l~Ieehaniker G. kam am 7. Krankheitstage des Typhus, am 23. August 1884 ins Krankenhaus. Am 20. September hat Patient

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Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. 431

den 1. fieberfreien Tag~ seine Entlassung erfolgt am 7. October~ am 18. fieberfreien und 59. Krankheitstage. Am 20. October 1884 erfolgt

wegen abermaliger Erkrankung an Typhus seine 2. Aufnahme ins Hospital. Patient befand sich am 4. Krankheitstage~ trat am 17. Krankheitstage in die Reconvalescenz and konnte am 18. December 1884 geheilt ent- lassen werden.

Der Zeitraum zwischen 1. und 2. Erkrankung betriigt demnach 27 Tage. Soll man diesen Fall als Recidiv betrachten oder als eine neue Infection (Patient kehrte nach der ersten Entlassung in seine alte Wohnung zurUck)? Beide Annahmen haben etwas gleich Auffallendes. Nach der ersten Annahme miissten noch mehrere Wochen naeh der Entfieberung Typhusbacillen irgendwo im Orga- nismus vorhanden gewesen sein. Eine zweite Infection zu Haase ist deshalb nicht leicht anzunehmen, weil sonst derartige 2. Erkran- kungen haufiger zur Beobachtung kommen mtissten.

III.

Ein specielles Interesse verdient noeh der als ~qr. 3 in obiger Tabelle aufgeftihrte Fall.

Die 29jahrige Frau Br. kam am 5. October 1884~ im 6. Schwanger- schaftsmonat und am 5. Krankheitstage eines Typhus ins ttospital~ Am 19. Krankheitstage (19. October) abortirte Patientin. Darnach 2t~giger Temperaturabfall~ des Morgens sogar unter die Norm. Am 3. Tage noch- reals eine Temperatursteigerung bis 38~5 o 'seitdem jedoeh gleichmiissig normale Temperatur~ bis am 4. November 1884 sich ein 11 tagiges Recidiv einstellte. - - Heilung.

Der Fiitus seheinbar erst kurz vor oder wahrend der Geburt abge- storben. Seine Liinge betragt 30 cm. Kopf und Brust nicht geSffnet.

In der BauchhShle etwas blutige Fltissigkeit. Die Leber ausserordentlieh dunkelroth~ blutreich~ mit ausgebreiteten

Sngillationen. Die Milz anscheinend nicht vergrfssert~ ziemlieh derb. Im Darme keine Geschwtir% Follikelapparat anscheinend nicht ver-

indert. Vielleicht die Mesenterialdrtisen etwas geschwollen. Vom Leber- und Milzsafte dieses FStus nun wurd% wie schon oben

erwiihnt~ 5 Stunden nach der Geburt auf Ni~hrgelatine geimpft. Es wur- den 3 Reagirgl~tser roll :N~thrgelatine mit je 1 Tropfen des sehr blut- reichen Lebersaftes vermischt und auf 3 grosse Glasplatten ausgegossen. Es entwickelten sich auf diescn Platten je 2~ 4 und 4 cinzelne Culturen, die sich sicher als Typhuseulturen darstellten. Von 3 weiteren Gliiscrn mit Nahrgelatine~ welche durch eine geringc Spur yon Gewebssaft (2 dureh Leber-, 1 dureh Milzsaft) mittelst Platinnadelstich inficirt waren~ wurden die 2 dureh Lebersaft infieirten leider durch Schimmelpilze vollst~indig verunreinigt~ bevor andere Culturen zur Entwicklung kamen. (Am Tage

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der Impfung sehr stilrmisehes Wetter); das mlt Milzsaft versehene blieb vollst~ndig steril.

In Deckglasehenpr~tparaten mit Miiz- und Lebersaft und in Gewebs- sehnitten yon Milz und Leber liessen sieh keine Baeillen naehweisen.

Es geht aus Vorstehendem hervor, dass d ie s p e e i f i s e h e n K r a n k h e i t s e r r e g e r des T y p h u s yon der Mut t e r a u f den F ~ t u s i i b e r g e g a n g e n stud. Wenn die flit den Typhus charakte- ristisehen grob anatomischen Ver~tnderungen bet dem FStus sich nieht vorgefunden haben, so k~nnte dies entweder darauf beruhen, dass wegen der ver~nderten Eingangspforte der pathogenen Baeillen, wegen des direeten Eindringens derselben in den Kreislauf aueh ihre Verthei- lung und Herdbildung eine andere ist, als wenn sic extrauterin dutch Athmungs- oder Verdauungsapparat eindringen - - oder (weniger wahr- seheinlich) darauf, dass die versehiedenen Organe des FStus dieser Invasion gegentlber anders reagiren, als die des fertigen Organismus. Jedenfalls ist der positive Erfolg der Cultureu der siehere, abet bis jetzt auch einzigste Beweis, dass der F~tus an der typh~sen Infection der Mutter theilnehmen kann. Erst weitere Beobaehtungen werden zeigen mtissen, ob diese Theilnahme die Regel, wie z. B. bet Variola, oder die Ausnahme, wie z. B. bet Tuberculose, bildet.

Es ist Thatsaehe, dass bet Kindern, deren Mtitter w~thrend der Seh~angerschaft eine Variola tiberstanden, selbst dann die Sehutz- impfung nieht gelingt, wenn diese Kinder kein eharakteristisehes Variolaexanthem zeigten. '" Wetter beobachtete B u r e k h a r d t z), dass Kinder yon Mtittern, die w~thrend der Sehwangersehaft cutan oder subcutan vaceinirt oder revaecinirt worden waren, ebenfalls erfolglos mit Vaccine geimpft wurden. Beide Beobaehtungen maehen die An- nahme wahrscheinlieh, dass aueh bet diesen Affectionen der F~tus intrauterin an der Infection dureh Variola-, resp. Vaeeinegift theil- genommen hat. Ob auch ein Kind, dessen Mutter w~ihrend der Sehwangerschaft Typhus iiberstand, extrauterin fur eine Zeit lung eine gewisse Immunit~tt gegen Typhusinfection besitzt~ wtirde sich erst aus sehr viclen, besonders gtinstigen Beobaehtungen entseheiden lassen. - -

Zum Sehlusse spreche ieh Herrn Prof. Q u i n e k e meinen besten Dank aus flit die gtitigen Rathsehl~ige, die er mir bet Anfertigung dieser Arbeit in reiehem Maasse zu Theil wcrden liess.

1) Zur intrauterinen Vaccination. Deutsches Archiv far klinische Medicin. XXVIII. Bd. 3.