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1018 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 17. JAHRGANG, Nr. 29 x6. JULI ~938 KURZE WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. ZUR DIATETISCHEN BEHANDLUNG DER FETTSUCHT. Von R. BOLLER. Die Behandlung der Fettsucht muB zwei Ziele zu erreichen trachten, die Einschrlinkung der Nahrungszufuhr und die Steigerung des Verbrauehes; ersteres wird dutch di~Ltetische, letzteres vorzugsweise durch medikament6se Therapie er- reicht. Die bisherigen diXtetischen ]3ehandlungsmethoden haben in der Regel dutch untercaIorische Ern~hrung Gewichts- abnahmen erzielen lassen, jedoch sind in den meisten F~llen durch diese MaBnahmen nur vorfibergehende Erfolge zu ver- zeichnen, weft die Patienten hungern mfissen und bei ihrer gew6hnlich krankhaft gesteigerten Eglust die vorgeschriebene Kost auf die Dauer nicht einhaIten. Autoren, die sieh mit f.~- lYYd ~. Y, 1~. ;;, ., "~ \\ f" X ~ 9r '\ /\s .,I , - ,, /', I ---r:wei/Y-Fe#-/:os: I x/| x, / \ m~---- '" ' #l'we/#-~okleky d:~</~os/ I I "\ / \\ d91 k Gewichtskurve eines mi~ der Zwein,ihrstoff-Weehseldiat behandelten Adiposen. der Fettsuchttherapie befassen, raten daher yon. einschnei- denden Hungerkuren ab und empfehlen Mal3iiahmen mit ge- ringer Drosselung der Nahrungszufuhr, die sich auf weite Sicht erstreeken sollen. Wit haben in der Ietzten Zeit versucht, Fettsuchtsf~lle durch abwechselndes Weglassen eines Hauptn~hrstoffes zn behandeha. Eine Beschr~nkung in der Quantit~t der jeweils zugebilligten Hauptn~hrstoffe wurde dem Fettsfichtigen nieht Die hier abgebildete Gewichtskurve illustriert dieses Verhalten (s. Kurve). Wir haben bisher 12 Kranke auI die beschriebene Art und Weise behandelt und gesehen, dab wir dutch nnsere di~te- tischen MaBnahmen erhebliche Gewichtsabnahmen erzielen konnten. Aus der Tabelle I gehen die erzielten Ergebnisse hervor. Im Durchschnitt haben unsere F~lle 876,4 g pro Woche abgenommen und diese Gewiehtsabnahme steht hinter Gewichtsabnahmen nach ausgesprocheneii Hungerkuren IIicht zurfick. Der Verzehr liegt an den Eiweig-Fett-Tageii zwischen 2ooo--32oo Calorien und an den EiweiB-Kohlehydrat-Tagen 16oo--24oo Calorien ist also ffir ruheiide Personen durchaus ausreieheiid. AuBerhalb der Klinik essen die Patienten noch mehr, well jeder lVettstichtige darauf aufmerksam gemacht wird, dab es bei uiiserem Vorgehen nicht auf das Hungern ankommt, sondern auf die Vermeidung des jeweils ver- botenen Hauptn~hrstoffes. Es gelingt so, die Kranken auf lange Sicht zur l?;inhaltung der Kost zu verhalten. Wir haben nut bei denjenigen FMleI1 die strikte Einhaltung der Kostvorschriften nicht erreichen k6nnen, die sieh aus sozialen Grfinden das Fleisch in entsprechender Menge nicht leisten konnten. In einzelnen F~llen gelingt es nicht, durch die Verordnung der Diiit Gewichtsabnahmen zu erzielen. Es handelt sich in diesen F~llen meist um /~ltere Iet• Personen. Wird in diesen F~llen die Behandlung mit einer Entw~ssernngs- therapie kombiniert, so sind die Ergebnisse der Behaiidlung ~thnlich den F~llen, die ohne Diuretica an Gewicht verlieren. W~hrend der EiweiB-Fett-Tage tritt viel Aceton auf undes kommt vor, dab die Patienten zu Beginn der Nut fiber Kopf- schmerzen klagen; bei Fortsetzung der Behandlung verlieren sich jedoch die Beschwerden vollkommen. In unserem Ma- terial befinden sich mehrere F~lle, die vor Begiiin der ]3e- handlung fiber Schlaisucht, leichte Ermfidbarkeit, IKopf- schmerzen, Sehwindelani~lle, Arbeitsunlust und andere Sym- ptome klagten. Im Verlaufe einer l~ngeren Behandlung sind diese Beschwerden aber immer verschwunden. W~hrend der di~tetischen ]3ehandlung sind die Patienten roll arbeitsf~hig. Sie gew6hnen sich in wenigen Wochen an die Di~t, ein beson- Fall Geschlecht lind Name I ~F.E. 2 G.H. 3 ~K.A. 4 ?H.M, 5 9K.~ 6 ~S.M. 7 9D. Ct 8 ~O.E. 9 9H.M lO d'W P II ~ K.A. 12 ~ B.M. Alter 20 38 46 51 26 36 I4 50 40 3I 29 62 Kgrperl~inge 1,57 1,61 1,57 1,68 1,67 1,59 1,51 1,59 1,57 Durchschnitt Beobachtungszeit in Tagen msgesamt davon Klinik 77 20 65 20 27 14 25 25 16o 27 28 18 17o 52 65 23 28 270 48 o 90 24 58 13 9o,2 Gewicht zu Beginn der Kur 113,5o 91,3o Io5,5o 102,OO 116,5o 114,0o 79,5o lOl,6O 96,2o 97,20 91,2o 114,4o Gewicht jetzt lO4,5o 86,50 lOO,6O 98,00 lO5,5o 11o,7o 67,oo 97,8o 74,1o 88,5o 79,oo lO7,5o Gewichtsabnahme total in g 9000 48oo 49o0 40o0 II000 33oo 12500 3800 22IOO 8700 122oo 690o 863~ pro Woehe durch- schnittlich 817,6 516,6 1269,8 1120,0 48o,o 824,6 514,5 408,8 567,o 1268,4 948,5 832,3 667,1 pro Tag durch- sehnittlich 116,8 73,8 181,4 160,0 68,7 117,8 73,5 58,4 81,o 181,2 135,5 118,9 95,3 Bemerkungen Setzt Setzt Setzt Di~t wird fortgesetzt Di~t wird fortgesetzt Sparer I5 kg abgenommen Setzt Di~t fort Setzt DiXt ~ort Setzt Di~t fort Di~t fort Dfiit fort Diat fort auferlegt, so dab die DiSten meistens eingehalten wurden, weil die Patienten keinen Hunger hatten. Wir sind dabei so vorgegangen, dab wir durch 5 Tage hindurch die Kohle- hydrate weglieBen und anschlieBend 3 Tage lang das Fett ausschalteten, den Kohlehydratverzehr abet wieder gestatte- ten. Es wurde also in 8t~gigen Perioden 5 Tage lang eine Eiweig-Fett-Kost und 3 Tage Iang eine EiweiB-Kohlehydrat- Kost gegeben. Wit sahen, dab wAhrend tier 5t~gigen EiweiB- Fett-Kost das K6rpergewicht in der Regel rasch abnahm, um w~ihrend der 3 Tage EiweiB-Kohlehydrat-Di~t wieder all- m~hlich anzusteigen. Der Gewichtsanstieg w~hrend der EiweiB-Kohlehydrat-Tage blieb abet gew6hnlich hinter der Gewichtsabnahme w~hrend der EiweiB-Fett-Tage zurfick. derer Kohlehydrathnnger tritt nicht auf. In vielen F~llen haben wit nach l~ngerer Di~teinhaltung eine Normalkost- periode ohne Zucker und SfiBspeisen eingeschaltet; in den meisten F~illen stieg das K6rpergewicht dann nur unwesentlich an. Bei einiger Selbstdisziplin kann die beschriebene di~te- tische Behandlung ohne St6rung der Berufsf~higkeit durch lange Zeit hindurch eingehalten werden; sch~dliche Folgen haben wit hie gesehen. Wir (IR. BOLLER, W. PILGERSTORFE~ und M. EXNm~) werden in der Z. !din. Med. ausftihrlich fiber unsere F~tlle und die bei ihnen angestellten Stoffwechselversuche berichten und die di~tetischen MaBnahmen beschreiben. (Aus der I. Medizinisehen KNn~k in Wier~ [Voretand: Pro/. Dr. H. Eppinger].)

Zur Diätetischen Behandlung der Fettsucht

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1018 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 17. J A H R G A N G , Nr. 29 x6. JULI ~938

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

ZUR DIATETISCHEN BEHANDLUNG DER FETTSUCHT.

Von

R . BOLLER.

Die Behandlung der Fet tsucht muB zwei Ziele zu erreichen trachten, die Einschrlinkung der Nahrungszufuhr und die Steigerung des Verbrauehes; ersteres wird dutch di~Ltetische, letzteres vorzugsweise durch medikament6se Therapie er- reicht. Die bisherigen diXtetischen ]3ehandlungsmethoden haben in der Regel dutch untercaIorische Ern~hrung Gewichts- abnahmen erzielen lassen, jedoch sind in den meisten F~llen durch diese MaBnahmen nur vorfibergehende Erfolge zu ver- zeichnen, weft die Pat ienten hungern mfissen und bei ihrer gew6hnlich krankhaft gesteigerten Eglust die vorgeschriebene Kost auf die Dauer nicht einhaIten. Autoren, die sieh mit

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Gewichtskurve eines mi~ der Zwein,ihrstoff-Weehseldiat behandelten Adiposen.

der Fettsuchttherapie befassen, raten daher yon. einschnei- denden Hungerkuren ab und empfehlen Mal3iiahmen mit ge- ringer Drosselung der Nahrungszufuhr, die sich auf weite Sicht erstreeken sollen.

Wit haben in der Ietzten Zeit versucht, Fettsuchtsf~lle durch abwechselndes Weglassen eines Hauptn~hrstoffes zn behandeha. Eine Beschr~nkung in der Quanti t~t der jeweils zugebilligten Hauptn~hrstoffe wurde dem Fettsfichtigen nieht

Die hier abgebildete Gewichtskurve illustriert dieses Verhalten (s. Kurve).

Wir haben bisher 12 Kranke auI die beschriebene Art und Weise behandelt und gesehen, dab wir dutch nnsere di~te- tischen MaBnahmen erhebliche Gewichtsabnahmen erzielen konnten. Aus der Tabelle I gehen die erzielten Ergebnisse hervor. Im Durchschnitt haben unsere F~lle 876, 4 g pro Woche abgenommen und diese Gewiehtsabnahme steht hinter Gewichtsabnahmen nach ausgesprocheneii Hungerkuren IIicht zurfick. Der Verzehr liegt an den Eiweig-Fett-Tageii zwischen 2ooo--32oo Calorien und an den EiweiB-Kohlehydrat-Tagen 16oo--24oo Calorien ist also ffir ruheiide Personen durchaus ausreieheiid. AuBerhalb der Klinik essen die Patienten noch mehr, well jeder lVettstichtige darauf aufmerksam gemacht wird, dab es bei uiiserem Vorgehen nicht auf das Hungern ankommt, sondern auf die Vermeidung des jeweils ver- botenen Hauptn~hrstoffes. Es gelingt so, die Kranken auf lange Sicht zur l?;inhaltung der Kost zu verhalten. Wir haben nu t bei denjenigen FMleI1 die strikte Einhal tung der Kostvorschriften nicht erreichen k6nnen, die sieh aus sozialen Grfinden das Fleisch in entsprechender Menge nicht leisten konnten.

In einzelnen F~llen gelingt es nicht, durch die Verordnung der Diiit Gewichtsabnahmen zu erzielen. Es handelt sich in diesen F~llen meist um /~ltere Iet• Personen. Wird in diesen F~llen die Behandlung mit einer Entw~ssernngs- therapie kombiniert, so sind die Ergebnisse der Behaiidlung ~thnlich den F~llen, die ohne Diuretica an Gewicht verlieren. W~hrend der EiweiB-Fett-Tage t r i t t viel Aceton auf u n d e s kommt vor, dab die Patienten zu Beginn der Nut fiber Kopf- schmerzen klagen; bei Fortsetzung der Behandlung verlieren sich jedoch die Beschwerden vollkommen. In unserem Ma- terial befinden sich mehrere F~lle, die vor Begiiin der ]3e- handlung fiber Schlaisucht, leichte Ermfidbarkeit, IKopf- schmerzen, Sehwindelani~lle, Arbeitsunlust und andere Sym- ptome klagten. Im Verlaufe einer l~ngeren Behandlung sind diese Beschwerden aber immer verschwunden. W~hrend der di~tetischen ]3ehandlung sind die Pat ienten roll arbeitsf~hig. Sie gew6hnen sich in wenigen Wochen an die Di~t, ein beson-

Fall Geschlecht lind Name

I ~ F . E . 2 G.H. 3 ~K.A. 4 ? H . M , 5 9 K . ~ 6 ~S .M. 7 9 D . Ct 8 ~ O . E . 9 9H.M

lO d 'W P I I ~ K.A. 12 ~ B.M.

Alter

20 38 46 51 26

36 I4 50 40 3I 29 62

Kgrperl~inge

1,57

1,61

1,57 1,68 1,67 1,59 1,51 1,59

1,57

Durchschnitt

Beobachtungszeit in Tagen

msgesamt davon Klinik

77 20 65 20 27 14 25 25

16o 27 28 18

17o 52 65 23

28 270 48 o 90 24 58 13 9o,2

Gewicht zu Beginn der Kur

113,5o 91,3o

Io5,5o 102,OO 116,5o 114,0o 79,5 o

lOl,6O 96,2o 97,20 91,2o

114,4o

Gewicht jetzt

lO4,5o 86,50

lOO,6O 98,00

lO5,5o 11o,7o 67,oo 97,8o 74,1o 88,5o 79,oo

lO7,5o

Gewichtsabnahme

total in g

9000 48oo 49o0 40o0

II000 33oo

12500 3800

22IOO 8700

122oo 690o

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pro Woehe durch-

schnittlich

817,6 516,6

1269,8 1120,0 48o,o 824,6 514,5 408,8 567,o

1268,4 948,5 832,3 667,1

pro Tag durch-

sehnittlich

116,8 73,8

181, 4 160,0 68,7

117,8 73,5 58,4 81,o

181,2

135,5 118,9

95,3

Bemerkungen

Setzt Setzt Setzt

Di~t wird fortgesetzt Di~t wird fortgesetzt

Sparer I5 kg abgenommen Setzt Di~t fort Setzt DiXt ~ort Setzt Di~t fort

Di~t fort Dfiit fort Diat fort

auferlegt, so dab die DiSten meistens eingehalten wurden, weil die Pat ienten keinen Hunger hatten. Wir sind dabei so vorgegangen, dab wir durch 5 Tage hindurch die Kohle- hydrate weglieBen und anschlieBend 3 Tage lang das Fet t ausschalteten, den Kohlehydratverzehr abet wieder gestatte- ten. Es wurde also in 8t~gigen Perioden 5 Tage lang eine Eiweig-Fett-Kost und 3 Tage Iang eine EiweiB-Kohlehydrat- Kost gegeben. Wit sahen, dab wAhrend tier 5t~gigen EiweiB- Fet t -Kost das K6rpergewicht in der Regel rasch abnahm, um w~ihrend der 3 Tage EiweiB-Kohlehydrat-Di~t wieder all- m~hlich anzusteigen. Der Gewichtsanstieg w~hrend der EiweiB-Kohlehydrat-Tage blieb abet gew6hnlich hinter der Gewichtsabnahme w~hrend der EiweiB-Fett-Tage zurfick.

derer Kohlehydrathnnger t r i t t nicht auf. In vielen F~llen haben wit nach l~ngerer Di~teinhaltung eine Normalkost- periode ohne Zucker und SfiBspeisen eingeschaltet; in den meisten F~illen stieg das K6rpergewicht dann nur unwesentlich an. Bei einiger Selbstdisziplin kann die beschriebene di~te- tische Behandlung ohne St6rung der Berufsf~higkeit durch lange Zeit hindurch eingehalten werden; sch~dliche Folgen haben wit hie gesehen. Wir (IR. BOLLER, W. PILGERSTORFE~ und M. EXNm~) werden in der Z. !din. Med. ausftihrlich fiber unsere F~tlle und die bei ihnen angestellten Stoffwechselversuche berichten und die di~tetischen MaBnahmen beschreiben. (Aus der I. Medizinisehen KNn~k in Wier~ [Voretand: Pro/. Dr. H. Eppinger].)