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~. OKTOBER 193o KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 9. JAHRGANG. Nr. 4~ ~879 5. Von allen Bestrahlungsmethoden zur Behandlung yon Carcinomen erscheint zur Zeit als wirksamste die direkte 5rtliche Verabreichung einer groBen Strahlendosis zur mgg- lichst weitgehenden Zellzerstgrung. Da die vgllige Abt6tung aller Krebszellen nicht gelingt, ohne gleichzeitig die Haut und das umgebende Gewebe zu sch~digen, so mtissen die Strahlen auf den Tumor yon verschiedenen Richtungen her konzentriert werden. Diese Konzentration wird am besten durch den Felderw~hler yon HOLFGLDER erreicht. Die Ge- samtdosis soll im Laufe weniger Tage verabreicht werden. Um die notwendige Reaktion des umgebenden Gewebes, die ftir die weitere Zerstbrung des Tumorgewebes unerl~tBlich ist, nicht zu stgren, wird eine Wiederholung der Bestrahlung erst nach l~ngerer Zeit vorgenommen. Wieweit diese Methode durch die Aufs~ttigungsmethode verbessert werden kann, mug die Erfahrung zeigen. OFFENTLICHES GESUNDHEITSWESEN. ZUR FESTSTELLUNG UND STATISTIK DER TODESURSACHEN. Geniigt die heute ausgeffihrte Leichenschau ?* Von Stadtbezirksarzt Dr. POETTER, Leipzig. Von der Sterblichkeitsstatistik sagt ein bekannter Fachmann, sie sei der best ausgefibte, in den Unterlagen zuverlgssigste und methodisch am sorgfS~ltigsten durchgefiihrte Tell der Be- vblkerungsstatistik. Dies Urteil ist gewig richtig. Die Sterb- lichkeitsstatistik braucht als Ausgangspunkt ihrer Unter- suchungen die Zahl und Verteilung der Sterbef~tlle, und da ein Sterbefall eine Tatsache ist, die sich mit Sicherheit und ohne Irrtum feststellen l~gt, so ist die erste Voraussetzung ffir eine richtige Stafistik, n~mlich eine zuverl/~ssige Unterlage, ein festes Fundament fiir den AuG und Ausbau weiterer Un- tersuchungen zu besitzen, erfiillt. Ganz anders als bei der Sterblichkeitsstatistilc liegen die Dinge nun bei der Statistik der Todesursachen. Sie ist, wie ~ch sparer noch kurz andeuten werde, von besonderem Inter- esse, setzt aber, wenn sie zuverl~tssig sein soll, richtige Angaben voraus, und diese sind, wenn zwar auch hier nicht ohne groge Fehlerquelien, nur bei ~rztlicher Totenschau zn erwarten (OOT~ST~IN). In Sachsen besteht die Vorschrift, dab bei jedem Todesfall eine Heimbtirgin (Leichenfrau) zuzuziehen ist. Diese hat als amtlich bestellte und verpflichtete Person neben sonstigen Anfgaben die Pflicht, fiir j ede Leiche einen ]3estattungssehein auszustellen, vollstgndig auszuf011en und dem Seandesamt einzureichen. Der Standesbeamte hat die ordnungsmggige und vollstgndige Ausftillung der Scheine zu iiberwachen. Zur Angabe der Todesursache hat die Heimbiirgin den Schein dem behandelnden oder dem sonst zugezogenen Arzt vorzu- legen. Ist abet, so heilgt es in der Dienstanweisung der Leichen- frau vom 7. April ~91I, weder zur Behandlung des Verstor- benen vor dessen Tode noeh znr 13esichtigung der Leiche ein Arzt zugezogen gewesen oder ist die Ausfiillung des Leichen- bestattungsscheins dutch den Arzt nicht rechtzeitig zu erlan- gen, so hat die Leichenfrau nach genauer Erkundigung bei den Angehbrigen des Verstorbenen oder sonstigen glaubwiirdigen Personen selbst die Todesursache ~tuf dem Leichenbestattungs- schein anzugeben. Diese Befugnis der Leichenfran ist aus der Ministerial- verordnung yore 13. Oktober 1871 entnommen worden. Frei- lich ist die Verordnung yore Jahre 187I durch die neue Ver- ordnung yore 12. Juli 1926 aufgehoben worden, in welcher die erwghnte Bdugnis der Leichenfrauen nicht mehr ent- halten ist; in der in Kraft verbliebenen Dienstanweisung ftir Leichenfrauen ist sie abet stehengeblieben und gilt daher noch hente. Ahnlich wie in Sachsen steht es auch in anderen deutsehen Staaten. Zahlreiche Bezirke, besonders grol3e Stgdte und als eine der ersten seit fast ioo Jahren Leipzig, haben den Mangel dieses Verfahrens erkannt und ihn dutch Anstellung von Lei- chensehau~rzten, die in allen Fgllen, wo ein behandelnder Arzt fehlt, zur Leichensehau zugezogen werden mtissen, abgestellt. Dutch diese Magnahme ist, wie nicht welter ansgefiihrt zu werden braucht, eine wichtige Fehlerquelle der Todes- * Nach einem Vortrage in der Medizinisehen Gesellsehaft Leipzig am 6. V. 193o. ursachenstatistik verstopft. Denn es ist wirklich zu viel ver- langt und nicht zu erwarten, dab Leichenfrauen richtige Diagnosen der Todesursachen stellen kbnnen. Immerhin werden in Sachsen noch in etwa 3~ % aller F~ille die Todes- ursachen nur von Leichenfrauen, nicht yon Arzten, angegeben und statistisch verwertetl In Leipzig, wo die iirztliche Lei- chenschau wie gesagt schon seit fast ioo Jahren besteht, kommen Leichenfrauendiagnosen nicht vor. DarI man nun erwarten, dab die Todesursachenstatistik dort, wo die Todesursachen ausschliefilich yon Xrzten fest- gestellt werden, auf richtiger Grundlage ruht und zuverl~ssig ist ? In der eingangs erwiihnten Niinisterialverordnung yore 12. Juli i926 heigt es w6rtlich: Es ist eine t3erufspflicht der Arzte, die erforderlichen Angaben tiber die Todesursaehe auf den ihnen yon der Heimbtirgin vorgelegten Leichenloestattungs scheinen wahrheitsgetreu nach bestem Wissen unter Bei- fiigung ihrer Namensunterschrift zu machen. In der Wahl der wissenschaftllichen ]3ezeichnung der Todesursache, so heil3t es welter, sind die Arzte zwar unbehindert, doch ist es wegen der grgBeren Sicherheit bei weiterer statistischer Ver- wertung der Angabe wtinschenswert, dab die im ,,Ausfiihrli- chen Verzeichnis der Krankheiten and Todesursachen", das im Reichsgesundheitsamt bearbeitet worden ist, angef/ihrten Benennungen, und zwar in deutscher Sprache, verwendet werden. In diesem amtlichen Verzeichnis, das aus dem Jahre 19o5 stammt, sind wohl alle vorkommenden Todesursachen enthalten. Durch die statistischen Amter des Reiches, der L~nder und der Gemeinden werden die Todesursachen in Gruppen zusammengefaBt und nach den verschiedensten Ge- sichtspunkten, yon denen Geschlecht und Alter die wichtigsten sind, bearbeitet. Trotz der Erleichterungen durch das Verzeiehnis und trotz der ministeriellenVorschriften bestehen abet auch bei der ~rzt- lichen Leichenschau mancherlei Zweifel, ob die in den Leichen- bestattungsscheinen angegebenen Todesursachen richtig nnd ordnungsm~gig sind. Seit Jahrzehnten sehe ich die Leichen- bestattungsscheine wgchentlich dutch, das sind in Leipzig jede Woche 13o-- 18o Scheine. Dabei achte ich neben anderem, was ftir meine Amtsftihrung yon Interesse ist, auch darauf, ob die angegebenen Todesursachen vollst~ndig sind nnd den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, so dab sie fiir die amtliche Statistik mit Erfolg verwertet werden kgnnen. Es kann nattirlich nicht meine Aufgabe sein und liegt mir fern, irgendeine Diagnose anzuzweifeln, davon kann keine Rede sein. Aber wohl halte ich reich ffir verpflichtet, daftir zu sorgen, dab die Diagnose ftir die amtliche Statistik wirklich eine brauchbare und m6glichst zuverlXssige Unterlage bietet. Ich weig recht wohl, welche Schwierigkeiten oft einer richtigen Diagnosestellung entgegenstehen, namentlich in dem Falle, wo der Arzt den Verstorbenen tiberhaupt nicht gekannt hat nnd erst nach dem Tode zugezogen wurde. Abet auch in diesem Falle lXf3t sich auger durch die Leichenuntersuchung durch eine genaue Befragung der Angeh6rigen oder sonst geeigneter Personen fiber den Verlauf der Krankheit oder tier letzten Vorg~nge vor dem Tode ein mehr oder weniger sicheres Urteil fiber die Todesursache gewinnen. V0ranssetzung ist selbst- verst~ndlich, dab keine Mtihe gescheut werden darf, um mgg- lichst Klarheit fiber den Fall zu erhalten. Auger dieser Schwie-

Zur Feststellung und Statistik der Todesursachen

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Page 1: Zur Feststellung und Statistik der Todesursachen

~. O K T O B E R 193o K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr. 4 ~ ~879

5. Von allen Bestrahlungsmethoden zur Behandlung yon Carcinomen erscheint zur Zeit als wirksamste die direkte 5rtliche Verabreichung einer groBen Strahlendosis zur mgg- lichst weitgehenden Zellzerstgrung. Da die vgllige Abt6tung aller Krebszellen nicht gelingt, ohne gleichzeitig die Hau t und das umgebende Gewebe zu sch~digen, so mtissen die Strahlen auf den Tumor yon verschiedenen Richtungen her konzentriert werden. Diese Konzentration wird am besten

durch den Felderw~hler yon HOLFGLDER erreicht. Die Ge- samtdosis soll im Laufe weniger Tage verabreicht werden. Um die notwendige Reaktion des umgebenden Gewebes, die ftir die weitere Zerstbrung des Tumorgewebes unerl~tBlich ist, nicht zu stgren, wird eine Wiederholung der Bestrahlung erst nach l~ngerer Zeit vorgenommen. Wieweit diese Methode durch die Aufs~ttigungsmethode verbessert werden kann, mug die Erfahrung zeigen.

OFFENTLICHES GESUNDHEITSWESEN. ZUR FESTSTELLUNG UND STATISTIK DER

TODESURSACHEN. Geniigt die heute ausgeffihrte Leichenschau ?*

Von Stadtbezi rksarz t Dr. POETTER, Leipzig.

Von der Sterblichkeitsstatistik sagt ein bekannter Fachmann, sie sei der best ausgefibte, in den Unterlagen zuverlgssigste und methodisch am sorgfS~ltigsten durchgefiihrte Tell der Be- vblkerungsstatistik. Dies Urteil ist gewig richtig. Die Sterb- lichkeitsstatistik braucht als Ausgangspunkt ihrer Unter- suchungen die Zahl und Verteilung der Sterbef~tlle, und da ein Sterbefall eine Tatsache ist, die sich mit Sicherheit und ohne I r r tum feststellen l~gt, so ist die erste Voraussetzung ffir eine richtige Stafistik, n~mlich eine zuverl/~ssige Unterlage, ein festes Fundament fiir den AuG und Ausbau weiterer Un- tersuchungen zu besitzen, erfiillt.

Ganz anders als bei der Sterblichkeitsstatistilc liegen die Dinge nun bei der Statistik der Todesursachen. Sie ist, wie ~ch sparer noch kurz andeuten werde, von besonderem Inter- esse, setzt aber, wenn sie zuverl~tssig sein soll, richtige Angaben voraus, und diese sind, wenn zwar auch hier nicht ohne groge Fehlerquelien, nur bei ~rztlicher Totenschau zn erwarten (OOT~ST~IN).

In Sachsen besteht die Vorschrift, dab bei jedem Todesfall eine Heimbtirgin (Leichenfrau) zuzuziehen ist. Diese hat als amtlich bestellte und verpflichtete Person neben sonstigen Anfgaben die Pflicht, fiir j ede Leiche einen ]3estattungssehein auszustellen, vollstgndig auszuf011en und dem Seandesamt einzureichen. Der Standesbeamte hat die ordnungsmggige und vollstgndige Ausftillung der Scheine zu iiberwachen. Zur Angabe der Todesursache hat die Heimbiirgin den Schein dem behandelnden oder dem sonst zugezogenen Arzt vorzu- legen. Ist abet, so heilgt es in der Dienstanweisung der Leichen- frau vom 7. April ~91I, weder zur Behandlung des Verstor- benen vor dessen Tode noeh znr 13esichtigung der Leiche ein Arzt zugezogen gewesen oder ist die Ausfiillung des Leichen- bestattungsscheins dutch den Arzt nicht rechtzeitig zu erlan- gen, so hat die Leichenfrau nach genauer Erkundigung bei den Angehbrigen des Verstorbenen oder sonstigen glaubwiirdigen Personen selbst die Todesursache ~tuf dem Leichenbestattungs- schein anzugeben.

Diese Befugnis der Leichenfran ist aus der Ministerial- verordnung yore 13. Oktober 1871 entnommen worden. Frei- lich ist die Verordnung yore Jahre 187I durch die neue Ver-

�9 ordnung yore 12. Juli 1926 aufgehoben worden, in welcher die erwghnte Bdugnis der Leichenfrauen nicht mehr ent- halten ist; in der in Kraft verbliebenen Dienstanweisung ftir Leichenfrauen ist sie abet stehengeblieben und gilt daher noch hente. Ahnlich wie in Sachsen steht es auch in anderen deutsehen Staaten.

Zahlreiche Bezirke, besonders grol3e Stgdte und als eine der ersten seit fast ioo Jahren Leipzig, haben den Mangel dieses Verfahrens erkannt und ihn dutch Anstellung von Lei- chensehau~rzten, die in allen Fgllen, wo ein behandelnder Arzt fehlt, zur Leichensehau zugezogen werden mtissen, abgestellt.

Dutch diese Magnahme ist, wie nicht welter ansgefiihrt zu werden braucht, eine wichtige Fehlerquelle der Todes-

* Nach einem Vortrage in der Medizinisehen Gesellsehaft Leipzig am 6. V. 193o.

ursachenstatistik verstopft. Denn es ist wirklich zu viel ver- langt und nicht zu erwarten, dab Leichenfrauen richtige Diagnosen der Todesursachen stellen kbnnen. Immerhin werden in Sachsen noch in etwa 3 ~ % aller F~ille die Todes- ursachen nur von Leichenfrauen, nicht yon Arzten, angegeben und statistisch verwertetl In Leipzig, wo die iirztliche Lei- chenschau wie gesagt schon seit fast ioo Jahren besteht, kommen Leichenfrauendiagnosen nicht vor.

DarI man nun erwarten, dab die Todesursachenstatistik dort, wo die Todesursachen ausschliefilich yon Xrzten fest- gestellt werden, auf richtiger Grundlage ruht und zuverl~ssig ist ?

In der eingangs erwiihnten Niinisterialverordnung yore 12. Juli i926 heigt es w6rtlich: Es ist eine t3erufspflicht der Arzte, die erforderlichen Angaben tiber die Todesursaehe auf den ihnen yon der Heimbtirgin vorgelegten Leichenloestattungs scheinen wahrheitsgetreu nach bestem Wissen unter Bei- fiigung ihrer Namensunterschrift zu machen. In der Wahl der wissenschaftllichen ]3ezeichnung der Todesursache, so heil3t es welter, sind die Arzte zwar unbehindert, doch ist es wegen der grgBeren Sicherheit bei weiterer statistischer Ver- wertung der Angabe wtinschenswert, dab die im ,,Ausfiihrli- chen Verzeichnis der Krankheiten and Todesursachen", das im Reichsgesundheitsamt bearbeitet worden ist, angef/ihrten Benennungen, und zwar in deutscher Sprache, verwendet werden.

In diesem amtlichen Verzeichnis, das aus dem Jahre 19o 5 stammt, sind wohl alle vorkommenden Todesursachen enthalten. Durch die statistischen Amter des Reiches, der L~nder und der Gemeinden werden die Todesursachen in Gruppen zusammengefaBt und nach den verschiedensten Ge- sichtspunkten, yon denen Geschlecht und Alter die wichtigsten sind, bearbeitet.

Trotz der Erleichterungen durch das Verzeiehnis und trotz der ministeriellen Vorschriften bestehen abet auch bei der ~rzt- lichen Leichenschau mancherlei Zweifel, ob die in den Leichen- bestattungsscheinen angegebenen Todesursachen richtig nnd ordnungsm~gig sind. Seit Jahrzehnten sehe ich die Leichen- bestattungsscheine wgchentlich dutch, das sind in Leipzig jede Woche 13o-- 18o Scheine. Dabei achte ich neben anderem, was ftir meine Amtsftihrung yon Interesse ist, auch darauf, ob die angegebenen Todesursachen vollst~ndig sind nnd den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, so dab sie fiir die amtliche Statistik mit Erfolg verwertet werden kgnnen. Es kann nattirlich nicht meine Aufgabe sein und liegt mir fern, irgendeine Diagnose anzuzweifeln, davon kann keine Rede sein. Aber wohl halte ich reich ffir verpflichtet, daftir zu sorgen, dab die Diagnose ftir die amtliche Statistik wirklich eine brauchbare und m6glichst zuverlXssige Unterlage bietet. Ich weig recht wohl, welche Schwierigkeiten oft einer richtigen Diagnosestellung entgegenstehen, namentlich in dem Falle, wo der Arzt den Verstorbenen tiberhaupt nicht gekannt hat nnd erst nach dem Tode zugezogen wurde. Abet auch in diesem Falle lXf3t sich auger durch die Leichenuntersuchung durch eine genaue Befragung der Angeh6rigen oder sonst geeigneter Personen fiber den Verlauf der Krankheit oder tier letzten Vorg~nge vor dem Tode ein mehr oder weniger sicheres Urteil fiber die Todesursache gewinnen. V0ranssetzung ist selbst- verst~ndlich, dab keine Mtihe gescheut werden darf, um mgg- lichst Klarheit fiber den Fall zu erhalten. Auger dieser Schwie-

Page 2: Zur Feststellung und Statistik der Todesursachen

188o K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr . 4o 4. OKTOBF.I~. 193o

r igkei t glaube ich aber auch, frfiher viel leicht h~ufiger als jetzt , eine gewisse Untersch~ttzung der Bedeu tung r ieht iger Todesursachen bemerken zu k6nnen. Wenn z. B. als Todes- ursache angegeben werden , ,Lungenle iden" , ,,Leberleiden", , ,Da rmerk rankung" , so l~13t sich s tat is t isch dami t nichts an- fangen, da yon ,,Lungenleiden" die Lnngenentzf indung, die Luf t r6hrenentzf indung, der Lungenkrebs, die Lungen tuberku- kulose, yon , ,Leber le iden" die Cirrhose, der Leberkrebs, Gallensteine, yon , ,Darmleiden" die Ruhr , der IKatarrh, der Krebs, die Tuberkulose, der Typhus unter ganz versehiedenen Gruppen gez~hlt werden. Auch nichtssagende Diagnose, wie besonders , ,Herzschw~che", ,,Herzschlag" sind s tat is t isch nieht ve rwer tba r ; bei Rfickfragen werden solche Diagnosen oft genug korr ig ie r t in , ,Herzschw~che bei Lungenentzf in- dung, bei Magenkrebs, bei Tuberku lose" usw. Auch die Angabe einer , ,Geschwuls t" als Todesursache genfigt nicht, da Carcinom, Sa rkom usw. s tat is t isch unterschieden werden.

Da es selbst bei Aufwendung aller Sorgfal t oft schon schwierig genug ist, zu einer r icht igen Diagnose zu kommen, ist es dr ingend notwendig, mindes tens alle n ichtssagenden und mehrere Krankhe i t s fo rmen umfassenden Diagnosen, wie , ,Lun- genleiden", zu unterlassen, daftir aber nach M6glichkeit be- s t immte Diagnosen einzusetzen. Wie die gerfigten ungenauen Diagnosen ist aber auch die Angabe einer groflen Anzahl yon Krankhe i t en als Todesursache auf e inem Schein zu vermeiden; so habe ich n ich t sel ten Scheine gesehen, auf denen Herz- erkrankung, Bronchit is , Lebercirrhose, Magenkrebs zusammen verze ichnet waren; in solchen Fgl len ist mindes tens die haup t - sgchlichste Krankhe i t , die als Todesursache in Be t r ach t kommt , kennt l ich zu machen, sonst ist die stat is t ische Unte r - b r ingung nicht m6glich.

i ch erw~hnte schon, wie schwierig es in vielen Fgl len ist, die Todesursachen r icht ig festzustellen. W~hrend eines Zeit- r aumes yon 57 Wochen (Frf ihjahr 1929 bis Frf ih jahr 193 o) s ta rben in Leipzig 9296 Personen, davon in 6ffentl ichen Krankenans t a l t en 4o25 (43,4%). Von diesen 4o25 in 6tfent- l ichen IKrankenanstal ten Gestorbenen wurden 28oo = 69,6 % seziert, 1225 = 30, 4 % nicht seziert. Es lag nun nahe, die yon den behandelnden Arzten der Krankenans t a l t en auf dem Leichenbes ta t tungsschein bezeichneten Todesursachen mi t den Sektionsergebnissen zu vergleichen. Dabei ergab sich nun, dab yon den 28oo F~llen yon Sekt ionen 2437mal, das sind 8%o%, die klinische Diagnose durch die Sek t ion best~t igt und 363mal, alas sind I3 ,o%, nicht bes tg t ig t wurde.

So gfinstig nun das Ergebnis aueh erscheint, so sind doeh 13 % Fehldiagnosen genug, um die Richt igke i t und Zuverl~ssig-

keit der Todesursachens ta t i s t ik zu gefghrden. W i t mfissen uns doch iragen, ob nicht bei den zahlreichen Fgllen, die ohne die Hi l f smi t te i Ieinster klinischer Methoden diagnost iz ier t werdeu muBten, die Zahl der Fehldiagnosen nicht noch gr6- Ber ist.

Wenn wir bedenken, welche of t wei tgehenden Schlfisse nicht nur wissenschaftticher, sondern auch prakt isch-hygieni- scher, gesundheitspolizeil icher, wir tschaft l icher , ja poli t ischer Ar t aus der Todesursachens ta t i s t ik gezogen werden, so mul3 uns daran liegen, die Unte r lagen dieser S ta t i s t ik nach M6glich- kei t genau und einwandfrei zu machen. Das kann nament l ich durch verstS~ndnisvolle ~Mitwirkung der Arzte geschehen, und es kann gef6rdert werden du tch immer wei tere Verbre i tung des Brauehes, mi t te ls der Obdukt ion die r icht ige Todesnrsache festzustellen. Mein Wunsch wXre es und im Interesse der 6Ifentl ichen Gesundheitspflege l~ge es, dab in allen Fdllen, wo die Todesursache nicht klar zutage liegt oder zwei#lha# ist, die MSglichkeit gegeben, ]a sogar vorgeschrieben wi~rde, die Ob- duktion vornehmen zu lassen. Das se tz t al lerdings voraus, dab f~r die Hin te rb l iebenen keine besonderen Kos ten erwach- sen. E inen Widers tand der Bev61kerung beft irchte ich erst in zweiter Linie, wie ja die grol3e Zahl der Obdukt ionen der in KrankenhS~usern Vers torbenen beweist . Besonders wicht ig scheint mir die Obduktion der SelbstmSrder und t6dlich Ver- ungli~ckten zn sein. Nach dem Feuerbes ta t tnngsgese tz l iegt es im pflichtmgl3igen Ermessen der zur Leichenschau erm~ch- t ig ten Arzte, in unklaren Fgl len die Sekt ion z u verlangen. Leider machen die fi~rzte yon dieser Befugnis meines Erach tens viel zu wenig Gebrauch; sonst k6nnte es n ich t vorkommen, dab selbst bei diesen wicht igen F~llen die nichtssagende Diagnose , ,Herzschw~che" und , ,Herzschlag" eine so grol3e Rolle spielt.

Die Arzte yon der Wieh t igke i t ihrer Mi twi rkung bei der Todesursachens ta t i s t ik zu fiberzeugen und sie zu e rmuntern , dab sie es als ihre Berufspfl icht anerkennen, r icht ige Todes- ursachen testzustellen, war der eine Zweck meiner Aus- ffihrungen. Wei te r aber bin ich der Uberzeugung, dab der S taa t an einer m6glichst r icht igen Fes ts te l lung der Todes- ursaehen Interesse hat , n ich t nur, um eine zuverl~ssige Todes- ursachens ta t i s t ik zu erhalten, sondern auch aus versicherungs- medizinischen und gericht l ichen Griinden. Denn bekannt l ich sind unter den pl6tzl ichen Todesf~tllen aus zungchst unbekann- ter Ursache manche Unglfiekstglle, ftir die unter Umst~nden Versicherungsansprfiche erhoben werden k6nnen, ja sogar kr iminel le F~tlle enthal ten, die ohne Obdukt ion verborgen bleiben.

REFERATENTEIL. EINZELREFERATE UND BUCHBESPRECHUNGEN.

A L L G E M E I N E S .

O Gewebezfichtung. Handbuch der Biologie der Gewebezellen in vitro. Von A. FISCHER. Mit einem Vorwort v. A. CARREL. 3., verm. Ausgabe. 31o Textabb. XVI, 66I S. Mfinchen: Rudolph Mfiller & Steinicke 193 o. geh. RM. 79.--, geb. RM. 82.--.

Das ALExis CARREl. gewidmete Buch FISCHERS hat gegen die vorige Auflage eine erhebliche Erwei terung erfahren. Das Ma- terial dieser jungen Wissenschaft wgchst yon Jahr zu Jahr, so dab schon aus diesem Grunde Neuauflagen der erschienenen Bfieher yon Wichtigkeit sind. Besonders erweitert worden ist der Abschnitt fiber b6sartige Geschwfilste. FISCHER bemerkt, dab dieses zum grogen TeiI daran liegt, dab die frflheren Arbeiten nur mit Hflhnersarkomen angestellt waren, welche wegen der Verflflssigung des I~ulturmediums keine quantitativen Arbeiten erm6glichten. Inzwischen ist es FISCI~ER gelungen, S~ugetiertumorzellen un- begrenzt zu ziichten, welche unter unbeschr~nkter Erhaltung ihrer Malignit~t sich zu quanfitativen Experimenten verwenden lassen. Bei den Untersuchungen wurde eine neue Technik entwickelt, mittels welcher Probleme fiber die iKinetik des Wachstums unter Bedingungen, die deuen im erwachsenen Organismus sehr ~hnlich sind, studiert wurden. Nach einem historischen ~berblick werden ausffihrlich in ausgezeichneter Weise die Knlturmedien dutch die

Technik der Gewebezfichtnng geschildert, insbesondere ist dem I42apitel ,,Darstellung der Reinkulturen" ein breiter Spielraum gelassen. Es folgt die Gewebezfichtung als physiologische Methode, die Morphologie und die Pathologie. Einen grogen Umfang nimmt die Zfichtung der Geschwulstzellen ein. Besonders hervorzuheben ist arts diesem Kapitel die Cancerisierung yon Gewebszellen in vitro nnd der Stoffwechsel b6sartiger Gewebe in Kulturen. Zum SchluB folgt eine sehr interessante ZnsammenIassung und SchluB-. bemerkungen ~lber die Biologie der Krebszelle. DaB dieses Buch, welches heute die Fflhrnng auf dem Gebie~e der Gewebezfichtung tibernommen hat, yon jedem, der auf diesem Gebiete arbeiten will, ]a ffir dieses sich auch.nur interessiert, unentbehrlich ist, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Abbildungen, die fast durchweg aus eigenen PrXparaten hervorgegangen sind, sind aus- gezeichnet, ebenso die sonstige Ausstattung des Buehes. Ein besonders sorgfXltiges Literaturverzeichnis, das 81 Seiten umfaBt, beschliel3t dieses vorzfigliche ~Verk. Zum Schlul3 ist zu erwXhnen die wertvolle Hilfe, welehe der Verf. durch seine Mitarbeiter Dr. HANS LASER nnd Fraulein J. N~OETSCHAU erfahren hat.

F. BLUMENTHAL, Berlin. O Handbuch der biologisehen Arbeitsmethoden. Hrsg. v. E. AB- DERHALDEN. Abt. V. Methoden zum Studlum der Funktionen der einzelnen Organe des tierischen Organismus. Tt. I, H. 5 (SchluB),