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e6. FEBRUAR x926 KLINISCttE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 9 365 larisiert, und wir werden ihn haben, auch wenn er sich da- bet therapeutisch nicht besser bew~hren wird als bisher. Der Mitteilung yon SABALI~SCI~I~A soll ihr wissenschaft- liches Interesse keineswegs genommen werden, aber wider- sprechen sollte man ihrer wirtschaftlichen Ausnutzung ohne Hinblick aui volksgesundheitliche Interessen. In den Haager internationalen Opiumabkommen yon 1912 ist der indische Hanf bis jetzt noch nicht aufgenommen. Dagegen finden sich indischer Hanf und die daraus gewonnenen Zubereitungen in den Abkommen, das 192 5 in Gent getroffen wurde, aber noch keine Geltungskraft hat. Dis dies geschieht, w~ren Mal3- nahmen wiinschenswert, durch die das wissenschaftliche Arbeiten nit einheimisch wachsendem indischen I-tanf un- angetastet bleibt, aber sein Verkehr und seine Verbreitung sch~rfstens iiberwacht und nach Gesichtspunkten des medi- zinalen Bedar]s geregelt werden. Was fibrigens das oben zifierte englische Welthandels- monopol betrifft, so k6nnte man es leicht dadurch gegen- standslos machen, dab man ~ ohne Sehaden -- bei den Hiih- nerangenmitteln Cannabis indica fortlABt. Dort aber, ,,wo guter Weizen gedeiht", sollte man nichts andres sAen. L i t e r a t u r: x) SABALI~SCHKA, Hell- und Gewfirzpflanzen. Mitt. d. dtsch. Hortusgesellschaft. 8, 73. 1925. -- ~) F~ONMt~LI.ER, Klinische Studien fiber narkotische Arzneimittel. Erlangen 1869. -- ~) I~ICHTER, VOGELSANG, BLOMi~NTHAL, GNAUCK, Dtsch. med. Wochenschr. 1884, S. 834. -- ~) BUCHWALD, Breslauer ~rztliche Zeitschr. 1885, Nr. 24. -- s) STICKER, Dtsch. ned. Wochenschr. I885, Nr. 24. -- ~) SEI~ERT, Mfinch. ned. Wochenschr. 1886, S. 347. -- ~) PraSlNELLI, Dtsch. med. Wochenschr. 1886, S. 815.- s) GRA~'FNER, ]3erl. klin. Wochenschr. 1887, S. 416. -- s) BDRGI, Dtsch. med. "Wochensehr. 1924, S. I529. HISTOLOGISCHER NACHWEIS LOSLICHER CALCIUM- VERBINDUNGEN. Zu den Bemerkungen Freudenbergs in Jg. 5, Nr. 2, S. 64 dieser Wochenschrift. Von Dr. C. R. H. RABL, Heidelberg. In Klin. Wochenschr. 1925, S. 2OlO hat B6HMIG und in Klin. Wochenschr. i923~ S. 1644 habe ich fiber histologische t(nochen- untersnchungen berichtet, bet denen der im Gewebe gel6st enthaltene Kalk nit neutrale~ Ammonoxalat nachgewicsen worden war. FREU- nENBERG bestreitet nun die Berechtigung der Methode. Sein Haupteinwand ist der, dab bet den genannten Verfahren nicht nur der gel6ste, sondern auch der abgelagerte Kalk, dadurch, dab aneh dieser sich nit Oxals~ure verbindet, dargesteltt wird, weshalb man aus den so gewonnenen Pr~paraten keinen Schlul3 fiber den vorher gel6sten Anteil ziehen k6nne. Hierauf ist zun~chst zu sagen, dal3 ja der abgelagerte Kalk, um als Caleiumoxalat ausgef~llt zu werden, erst in L6sung gehen mul3. Da die Knochenerden sich in einem neutralen Milieu immerhin ziemlich langsam auflSsen, werden sie sich nicht in den gleichen MaBe nit A,nmonoxalat umsetzen, wie der vorher gel6ste Kalk. Abet selbst wenn die Oxalatmethode in quantitativer Hinsicht gleichviel gel6sten und ungel6sten Kalk aufzeigen wfirde, so wfirden ihre Ergebnisse doch verwertbar sein. Man braucht nur die Pr~t- parate, die man so gewonnen hat, mit solchen zu vergleichen, in denen nur der abgelagerte IZalk dargestellt ist. Aus dern Unter- schied kSnnen wit dann einen RfickschluB auf den vorher gel6sten Anteil ziehen. Zum ]3eispiel ist in den Knorpelmarkkan~len niemals etwas yon abgelagertem Kalk nachzuweisen. Hier stellt nun B6HMIG nit der Oxalatmethode sowohl bet I~achitikern wie bet Gesunden reichlich Calcium test, nnd zwar auch dann, wenn in der N~he keine Spur yon abgelagertem I~alk vorhanden ist. Da sich die geh~ufte Aus- f~tllung yon Calciumoxalatkrystallen auch nicht auf die geringe Menge yon etwa o,o1% Calcium im ]31ut beziehen li~13t, so bedeutet das also, daB. in den tgnorpelmarkkan~len Calcium aus den ]31ut vom Gewebe gesammelt wird, und zwar zweifellos nicht als phos- phor- oder kohlensaurer Kalk, sondern in gel6ster oder an Gewebs- bestandteile gebundener Form. (Eine etwaige Erkli~rung im Sinne Liesegangscher Zonen kommt bet der Anordnung der Niederschl~ge auch nieht in Frage.) Diese nit Hilfe der Oxalatmethode gewonnene Feststellung dfirfte immerhin ifir die Theorien der IKnochen- verkalkung yon Bedeutung seth. i An Stellen. wo auch abgelagerter tgalk vorhanden ist, wird man freilich auf Grund der Versuche I und ~ yon FREUDENBERG, die schon nach 2 Tagen eine beachtenswerte Umsetzung yon Calcium- carbonat und -phosphat ,nit Ammonoxalat nachweisen, in der Aus- deutung der Bilder vorsichtig sein. In einem dritten Yersuche yon FREUDENBERG wurde ein Femur yon einer 4 ~ g schweren Ratte 2 Tage lang in neutrale Oxatatl6sung gelegt. Danach war bei der Analyse ein hoher Gehalt an Calcium- oxalat nachweisbar. Nun befindet sieh eine Ratte yon 4 ~ g im st~rksten Wachstum, und im wachsenden Knochen findet man nach der Oxalatbehandlung mikroskopisch an bestimmten Stellen massenhaft Calciumoxalatkrystalle, die sich in der chemischen Analyse bemerkbar machen mfissen. Die yon FREUDEI~BERG an- gegebene Umrechnung auf den Kalkgehalt des Serums ist nicht zul~ssig, wenn man annimmt, dab an den Wachstumsstellen Cal- cium gegenfiber Phosphor- und Kohlens~ure geh~uft vorhanden ist, eine Annahme, die sich auch in frfiheren Arbeiten FREUDENBERGS iindet (sog. erste Phase des Verkalkungsprozesses). Der Versuch ist also weder im einen noch im anderen Sinne beweisend. ZUR FRAGE NACH DER URSACHE DER HAFFKRANKHEIT. (Eine Bemerkung zu den Vortrag yon L. Lichtwitz: ,,0ber Differentialdiagnose und Therapie akuter Vergiftungen" in Jg. 4, Nr. 52, 1925 dieser Wochenschrift.) Yon HERMANN WIELAND, Heidelberg. Wenn ich zu LICHTWlTZ' Ausfiihrungen Stellung nehme, so richtet sich -- dies set vorausgeschickt -- mein Widerspruch nut gegen einen Punkt: LICHTWlTZ setzt die Haffkrankheit als wesens- gleich oder -~hnlich nit der Arsenwasserstoffvergiftung. Er hat dazu offenbar alles Recht, denn dies ist die offizielle MeinUng, wie sic ganz allgemein, namentlich auch in der Tagespresse ver- fochten wurde. DaB diese Auffassung falsch ist, war mir yon vorn- herein Mar, aber ich h~te noch l~nger stillgeschwiegen, wenn sic nieht jetzt von einem Mann vorgetragen wfirde, dessen Wort Be- achtung finder und verdient. Den entscheidenden Gegenbeweis gegen die Annahme, dab die Haffkrankheit durch die Einatmung von Arsenwasserstoff (oder Arsinen) entsteht, hat das Chemische Institut der Universitlit K6nigsberg erbracht: in Versuchen, die fiber mehrere Wochen aus- gedehnt wurden, gelang es nicht, in der fiber dem Frischen Haft lagernden Gasschicht Arsen auch nur in Spnren nachzuweisen; ebenso ergebnislos war der Versuch, aus Proben yon Haffschlamm beim Faulen unter verschiedenen Laboratoriumsbedingungen arsen- haltiges Gas zu entbinden. Aber auch vorher schon war die Arsen- hypothese der Haffkrankheit nach den Er/ahrungen des Ga~krieges h6chst unwahrscheinlich; haben wit doch daraus gelernt, wie schwierig es ist, selbst nit viel giftigeren Gasen als Arsenwasserstoff auf ether freien Fli~che Vergiftungen zu erzeugen. Gegen eine Ver- giftung nit Arsenwasserstoff sprechen auBerdem Unterschiede im Krankheitsbild: so ist Gelbsucht, die naeh Einatmung dieses Gases nicht selten beobachtet wird, bet der Haffkrankheit in keinem Fall festgestellt worden. Endlich ist die Haffkrankheit fiberhaupt keine ,,Haff"-Krankheit, denn sic ist -- allerdings selten -- fernab vom Haft, in 2 F~.llen in K6nigsberg selbst, bet Leuten auigetreten, die seit langer Zeit nicht in die Nghe des Frischen Hafts gekommen waren. So leicht es ist, die Arsenhypothese zu widerlegen, so schwierig scheint es mir, eine durchaus befriedigende Erkl~rung Ifir das Ent- stehen der eigenartigen Krankheit zu geben. Epidemlologische Grfinde sprechen einigermaBen daifir, daft der Hafl]~rankheit eine Vergiftung dutch Gegenst~nde des t~glichen I3edarfs, z. B. dnrch Lebensmittel zugrunde tiegt. Manche Beobachtungen, vor allen auch das wichtigste objektive Krankheitszeichen, das Anftreten von H~moglobin im Ham, schienen mir darauf hinzuweisen, dab der GenuB yon AMen, deren Serum -- nach einer Angabe auch bet Aufnal~me durch den Mund -- hi~molytisch wirkt, die Schuld an der Entstehung der Krankheit tri~gt, DaB die Aale, wenigstens aus manchen Gegenden des Frischen Hafts, etwas nit der IKrankheit zu tun haben, dalfir spricht, dab in der Mehrzahl der FMIe Aalgenufi zugegeben wird -- die verneinenden F~lle sind aus besonderen Grfinden racist anfechtbar --, und dab auch die zwei erwi~hnten Krankheitsf~lle in K6nigsberg nach ~'eichlichem AalgenuB auf- getreten sind. Der Fiseh muB offenbar in groger Menge oder w~h- rend l~ngerer Zeit verzehrt werden, nm 14-rankheitserscheinungen hervorzurufen; sonst w~re nicht zu erkl~ren, warum in K6nigsberg nur die ~ F~lle festgestellt worden sind. Der Fischer auf den Haft dagegen mfiBte gef~hrdet seth, denn fi~r ihn stellt w~hrend der Aal- Iangperiode das Fleisch dieses Fisches einen Hauptbestandteil der Nahrung dar. Immerhin gibt der Umstand, dab reichlich Aal gegessen w.orden ist, noch keine ausreichende Erkl~rung ffir die

Zur Frage nach der Ursache der Haffkrankheit

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e6. FEBRUAR x926 K L I N I S C t t E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . N r . 9 365

lar is ier t , u n d wir werden i hn h a b e n , a u c h w e n n er s ich da- be t t h e r a p e u t i s c h n i c h t besse r b e w ~ h r e n wi rd als b i sher .

D e r M i t t e i l u n g y o n SABALI~SCI~I~A soll i h r w i s senscha f t - l iches In t e r e s se ke ineswegs g e n o m m e n werden , abe r wider - sp r echen sol l te m a n ih r e r w i r t s c h a f t l i c h e n A u s n u t z u n g ohne H i n b l i c k au i vo lksgesundhe i t l i che In t e re s sen . I n d e n H a a g e r i n t e r n a t i o n a l e n O p i u m a b k o m m e n y o n 1912 i s t der ind i sche H a n f bis j e t z t noch n i c h t a u f g e n o m m e n . D a g e g e n f inden s ich i nd i s che r H a n f u n d die d a r a u s g e w o n n e n e n Z u b e r e i t u n g e n in d e n A b k o m m e n , da s 192 5 in G e n t ge t ro f fen wurde , abe r n o c h ke ine G e l t u n g s k r a f t ha t . Dis dies geschieht , w~ren Mal3- n a h m e n wi inschenswer t , du rch die das wissenschaf t l i che A r b e i t e n n i t e inhe imi sch w a c h s e n d e m ind i s chen I-tanf un- a n g e t a s t e t b le ib t , abe r sein V e r k e h r u n d seine V e r b r e i t u n g sch~r f s tens i i be rwach t u n d n a c h G e s i c h t s p u n k t e n des medi- z ina len Bedar]s geregel t werden .

W a s f ibr igens das oben z i f ier te engl ische W e l t h a n d e l s - m o n o p o l be t r i f f t , so k 6 n n t e m a n es l e i ch t d a d u r c h gegen- s t ands los machen , d a b m a n ~ ohne S e h a d e n - - bei den Hi ih- n e r a n g e n m i t t e l n C a n n a b i s ind ica fortlABt. D o r t aber , , ,wo gu te r W e i z e n g e d e i h t " , sol l te m a n n i c h t s and res sAen.

L i t e r a t u r : x) SABALI~SCHKA, Hell- und Gewfirzpflanzen. Mitt. d. dtsch. Hortusgesellschaft. 8, 73. 1925. -- ~) F~ONMt~LI.ER, Klinische Studien fiber narkotische Arzneimittel. Erlangen 1869. -- ~) I~ICHTER, VOGELSANG, BLOMi~NTHAL, GNAUCK, Dtsch. med. Wochenschr. 1884, S. 834. -- ~) BUCHWALD, Breslauer ~rztliche Zeitschr. 1885, Nr. 24. - - s) STICKER, Dtsch. ned . Wochenschr. I885, Nr. 24. -- ~) SEI~ERT, Mfinch. ned . Wochenschr. 1886, S. 347. -- ~) PraSlNELLI, Dtsch. med. Wochenschr. 1886, S. 8 1 5 . - s) GRA~'FNER, ]3erl. klin. Wochenschr. 1887, S. 416. -- s) BDRGI, Dtsch. med. "Wochensehr. 1924, S. I529.

HISTOLOGISCHER NACHWEIS LOSLICHER CALCIUM- VERBINDUNGEN.

Z u den B e m e r k u n g e n Freudenbergs in Jg. 5, Nr. 2, S. 64 dieser Wochens ch r i f t .

Von Dr. C. R. H. RABL, He ide lberg .

In Klin. Wochenschr. 1925, S. 2OlO ha t B6HMIG und in Klin. Wochenschr. i923~ S. 1644 habe ich fiber histologische t(nochen- untersnchungen berichtet, bet denen der im Gewebe gel6st enthal tene Kalk n i t neutrale~ Ammonoxala t nachgewicsen worden war. FREU- nENBERG bestrei te t nun die Berechtigung der Methode.

Sein Haupte inwand is t der, dab bet d e n genannten Verfahren nicht nur der gel6ste, sondern auch der abgelagerte Kalk, dadurch, dab aneh dieser sich n i t Oxals~ure verbindet , dargesteltt wird, weshalb man aus den so gewonnenen Pr~paraten keinen Schlul3 fiber den vorher gel6sten Anteil ziehen k6nne.

Hierauf ist zun~chst zu sagen, dal3 ja der abgelagerte Kalk, um als Caleiumoxalat ausgef~llt zu werden, erst in L6sung gehen mul3. Da die Knochenerden sich in einem neutralen Milieu immerhin ziemlich langsam auflSsen, werden sie sich n icht in d e n gleichen MaBe n i t A,nmonoxalat umsetzen, wie der vorher gel6ste Kalk.

Abet selbst wenn die Oxalatmethode in quant i ta t iver Hinsicht gleichviel gel6sten und ungel6sten Kalk aufzeigen wfirde, so wfirden ihre Ergebnisse doch verwertbar sein. Man braucht nur die Pr~t- parate, die man so gewonnen hat , mi t solchen zu vergleichen, in denen nur der abgelagerte IZalk dargestellt ist. Aus dern Unter- schied kSnnen wit dann einen RfickschluB auf den vorher gel6sten Anteil ziehen.

Zum ]3eispiel ist in den Knorpelmarkkan~len niemals etwas yon abgelagertem Kalk nachzuweisen. Hier stellt nun B6HMIG n i t der Oxalatmethode sowohl bet I~achitikern wie bet Gesunden reichlich Calcium test, nnd zwar auch dann, wenn in der N~he keine Spur yon abgelagertem I~alk vorhanden ist. Da sich die geh~ufte Aus- f~tllung yon Calciumoxalatkrystallen auch nicht auf die geringe Menge yon etwa o,o1% Calcium im ]31ut beziehen li~13t, so bedeute t das also, daB. in den tgnorpelmarkkan~len Calcium aus d e n ]31ut vom Gewebe gesammelt wird, und zwar zweifellos nicht als phos- phor- oder kohlensaurer Kalk, sondern in gel6ster oder an Gewebs- bestandteile gebundener Form. (Eine etwaige Erkli~rung im Sinne

�9 Liesegangscher Zonen kommt bet der Anordnung der Niederschl~ge auch nieht in Frage.) Diese n i t Hilfe der Oxalatmethode gewonnene Feststellung dfirfte immerhin ifir die Theorien der IKnochen- verkalkung yon Bedeutung seth. i An Stellen. wo auch abgelagerter tgalk vorhanden ist, wird man freilich auf Grund der Versuche I und ~ yon FREUDENBERG, die

schon nach 2 Tagen eine beachtenswerte Umsetzung yon Calcium- carbonat und -phosphat ,nit Ammonoxala t nachweisen, in der Aus- deutung der Bilder vorsichtig sein.

In einem dr i t ten Yersuche yon FREUDENBERG wurde ein Femur yon einer 4 ~ g schweren Ra t t e 2 Tage lang in neutrale Oxatatl6sung gelegt. Danach war bei der Analyse ein hoher Gehalt an Calcium- oxalat nachweisbar. Nun befindet sieh eine Rat te yon 4 ~ g im st~rksten Wachstum, und im wachsenden Knochen findet man nach der Oxala tbehandlung mikroskopisch an bes t immten Stellen massenhaf t Calciumoxalatkrystalle, die sich in der chemischen Analyse bemerkbar machen mfissen. Die yon FREUDEI~BERG an- gegebene Umrechnung auf den Kalkgehalt des Serums ist n icht zul~ssig, wenn man annimmt, dab an den Wachstumsstel len Cal- cium gegenfiber Phosphor- und Kohlens~ure geh~uft vorhanden ist, eine Annahme, die sich auch in frfiheren Arbeiten FREUDENBERGS i indet (sog. erste Phase des Verkalkungsprozesses). Der Versuch ist also weder im einen noch im anderen Sinne beweisend.

ZUR FRAGE NACH DER URSACHE DER HAFFKRANKHEIT.

(Eine B e m e r k u n g zu d e n Vor t r ag yon L. L ich twi tz : , , 0be r Di f fe ren t i a ld iagnose u n d Therap ie a k u t e r V e r g i f t u n g e n "

in Jg . 4, Nr. 52, 1925 dieser Wochensch r i f t . ) Yon

HERMANN WIELAND, Heide lberg .

Wenn ich zu LICHTWlTZ' Ausfiihrungen Stellung nehme, so r ichte t sich -- dies set vorausgeschickt -- mein Widerspruch nut gegen einen Punk t : LICHTWlTZ setzt die Haffkrankhei t als wesens- gleich oder -~hnlich n i t der Arsenwasserstoffvergiftung. Er ha t dazu offenbar alles Recht, denn dies ist die offizielle MeinUng, wie sic ganz allgemein, nament l ich auch in der Tagespresse ver- fochten wurde. DaB diese Auffassung falsch ist, war mir yon vorn- herein Mar, aber ich h ~ t e noch l~nger stillgeschwiegen, wenn sic nieht je tz t von einem Mann vorgetragen wfirde, dessen Wor t Be- ach tung finder und verdient .

Den entscheidenden Gegenbeweis gegen die Annahme, dab die Haffkrankhei t durch die E ina tmung von Arsenwasserstoff (oder Arsinen) entsteht , ha t das Chemische Ins t i tu t der Universit l i t K6nigsberg erbracht : in Versuchen, die fiber mehrere Wochen aus- gedehnt wurden, gelang es nicht , in der fiber dem Frischen Haf t lagernden Gasschicht Arsen auch nur in Spnren nachzuweisen; ebenso ergebnislos war der Versuch, aus Proben yon Haffschlamm beim Faulen unter verschiedenen Laboratoriumsbedingungen arsen- haltiges Gas zu entbinden. Aber auch vorher schon war die Arsen- hypothese der Haffkrankhei t nach den Er /ahrungen des Ga~krieges h6chst unwahrscheinlich; haben wit doch daraus gelernt, wie schwierig es ist, selbst n i t viel giftigeren Gasen als Arsenwasserstoff auf ether freien Fli~che Vergiftungen zu erzeugen. Gegen eine Ver- giftung n i t Arsenwasserstoff sprechen auBerdem Unterschiede im Krankhei tsbi ld: so ist Gelbsucht, die naeh E ina tmung dieses Gases n icht selten beobachte t wird, bet der Haffkrankhei t in keinem Fall festgestellt worden. Endlich ist die Haffkrankhei t f iberhaupt keine ,,Haff"-Krankheit, denn sic ist -- allerdings selten -- fernab vom Haft, in 2 F~.llen in K6nigsberg selbst, bet Leuten auigetreten, die seit langer Zeit n icht in die Nghe des Frischen Hafts gekommen waren.

So leicht es ist, die Arsenhypothese zu widerlegen, so schwierig scheint es mir, eine durchaus befriedigende Erkl~rung Ifir das Ent- stehen der eigenartigen Krankhei t zu geben. Epidemlologische Grfinde sprechen einigermaBen daifir, daft der Hafl]~rankheit eine Vergiftung dutch Gegenst~nde des t~glichen I3edarfs, z. B. dnrch Lebensmit te l zugrunde tiegt. Manche Beobachtungen, vor a l l en auch das wichtigste objektive Krankheitszeichen, das Anftreten von H~moglobin im Ham, schienen mir darauf hinzuweisen, dab der GenuB yon AMen, deren Serum -- nach einer Angabe auch bet Aufnal~me durch den Mund -- hi~molytisch wirkt, die Schuld an der Ents tehung der Krankhei t tri~gt, DaB die Aale, wenigstens aus manchen Gegenden des Frischen Hafts, etwas n i t der IKrankheit zu tun haben, dalfir spricht, dab in der Mehrzahl der FMIe Aalgenufi zugegeben wird -- die verneinenden F~lle sind aus besonderen Grfinden racist anfechtbar --, und dab auch die zwei erwi~hnten Krankheitsf~lle in K6nigsberg nach ~'eichlichem AalgenuB auf- getreten sind. Der Fiseh muB offenbar in groger Menge oder w~h- rend l~ngerer Zeit verzehrt werden, nm 14-rankheitserscheinungen hervorzurufen; sonst w~re n icht zu erkl~ren, warum in K6nigsberg nur die ~ F~lle festgestellt worden sind. Der Fischer auf d e n Haf t dagegen mfiBte gef~hrdet seth, denn fi~r ihn stellt w~hrend der Aal- Iangperiode das Fleisch dieses Fisches einen Hauptbes tandte i l der Nahrung dar. Immerh in g ibt der Umstand, dab reichlich Aal gegessen w.orden ist, noch keine ausreichende Erkl~rung ffir die

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366 K L I N I S C I I E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H 1 R G A N G . Nr . 9 26. FEBRUAR i926

En t s t ehung der Krankheit, well es dunkel bleibt, warum gerade die Fischer alia Frischen, nicht aber die am Kurischeli t laff erkrankt sind, und warum die Krankheit nut in den Jahren 1924 und 1925 aufgetreten ist.

Unsere Ulitersnchnngen fiber diesen Fragelikomplex am IK6nigs- berger Pharmakologischen Ilistitut, die im Oktober 1924 begonnen wurden, und an delien die beiden Assistenten des Insti tutes Priv.- Doz. Dr. I3~I~RE~S und Dr. PUI,~WKA hervorragend beteiligt sind, habeli zu keinem befriedigenden Ergebliis geffihrt, well es uns in keilier Weise geluligen ist, bei irgendeinem Tier dureh Verfiitterung yon Fleisch oder Serum verdAchtiger Aale Krankheitserscheinungen hervorzurufeli. Auch eine gr6Bere Versuchsreihe, bei Haffkranken verschiedener Stadien eine Immnnit~t gegen das h~molytische Aalgift dureh Serumreaktionen nachzuweisen, verlief vOllig ergeb- nislos. Das einzige positive, was bei den zeitraubenden und mi~he- vollen Untersuchungen herauskam, war die Feststellulig, dab das Serum yon AMen aus d e n Frischen Haff erheblich starker h~mo- lysiert als das yon Aalen aus d e n ~urischen Half oder der Nordsee. Ob mit dieser hOheren hi~moIytischen Wirksamkeit des Serums eine h6here Giftigkeit des Fisches zusammenh~ngt, und in welcher Weise, ob die Haffkrankheit gar dureh dies h~molytische Gift hervor- gerufen wird -- fiber diese Fragen lXl3t sich kein Aufschlul3 geben.

Es sind im wesentIichen Indizienbeweise, die ich als Stfitzen meiner Auffassung beibringen kann; liur eine Feststellung scheint mir im h6chsten MaBe wahrscheinlich, n~mlich die, dal3 der Genul3 grOBerer Mengen yon AMen (und vielleicht aueh anderen Fischen) best immter Beschaffenheit die Zeichen der Haffkrankheit hervor- ruff. ~u gerade die Aale des Frischen Hafts, und hier an- scheinend nur die in best immten Gegenden gefangenen, ihre Giftig- keit erlangen, ist ganz unklar; man k6nnte daran denken, dab yon den Fischen fiir den Menschen sch~dliche Stoffe aus d e n V%rasser oder Schlalnm aufgenommen werden, und h~tte damit eili Seiten- stack zu den bekannten Miesmuschelvergiftungen in Wilhehlishaven, freilich mit dem Unterschied, dab die Erscheinungen bei der Haff- krankheiJ~ ganz andersartige sind.

ZUR FRAGE DER NEURONENLEHRE. Von

Prof. P. SCHR(DDER. Aus der Psychiatriseher~ und Nervenklinik Leipzig.

In Nr. 52 des letzten Jahrganges dieser W0chenschrift berichtet KLARFELD fiber den ,,Heutigen Stand der Neuronenlehre". Was die Kritik der morphologischen und genetischen Begrfindung der Lehre anbetrifft , wird man den klaren und bestimmten Ausfiihrungen vollkommen beistimmen kOnnen. Die S~tze: ,,Die morphologische Selbst~ndigkeit des ausgebildeten Neurons ist erledigt", ,,Der histo- genetische Neuronenbeweis s teht nicht unerschiittert da", und da- n i t ,,erscheint die Neuronenlehre in ihren Grundfesten erschfittert", wird die grof3e Mehrzahl der Forscher als richtig anerkennen.

IKLARFELD glaubt aber trotzdem, und das entspricht der all- gemeinen Stimmung in Fachkreisen, d a b die Neuronenlehre auf- rechtzuerhalten sei, vor allem well die ganze neurologische Diagno- stik auf ihr aufgebaut und zugleich ihre st/~rkste Sttitze sei; werde die Neuronentheorie zli den Toten gelegt, dann blieben klinische Tat- sachen bestehen, ffirl die eine ErklArung fehle; darum lebe die Neuro- nentheorie, auch wenn ihre theoretischen Grundlagen durchaus nieht mehr als gesichert angesehen werden dfirfen.

I~LARFZELD wiederholt damit nut, was wAhrend der ganzen, jetzt bereits zurfickliegenden Kanlpfzeit um die Neurolienlehre immer wieder gesagt worden ist. Auch er sieht offenbar nicht den Fehler, der meines Erachtens in diesen GedankengAngen steckt, und der sie unberechtigt macht. Ich kann dazu im wesentlichen nur wiederholen, was ich bereits an anderer Stelle gesagt habe (Histo- Iogie und I-Iistopathologie des Nervensystems, II. Aufl. 192o).

Die Gesamtheit unserer Minischen ulid faseranatomischen I<enntliisse, welche die Neurologie rasch groB gemacht haben, hat mit dem Kern der Neuronenlehre nichts zu tun. Die Neuronenlehre handelt yon einzelnen anatomisehen Bauelementen, deren jedes nach der Theorie aUS either Zelle, ei~*er daraus entspringenden Nerven- laser und ei~e~r~ EndbAumchen besteht~ I41inik und Faseranatomie dagegen handeln yon grauen Mas~.e~% Fasers~r~b~ge~ und deren Ein t r i t t in andere graue Massen bzw. in Erfolgsorgane (Muskeln, Driiseli).

Keiner der zahlreichen Gegner der Neuronenlehre zweifelt an der Existenz geschlossen verlaufender Faserb4~cld. und an dem funktionellen, nutri t iven und trophischen EinfluB grauer Mc,~se~ auf best immte Fasersys~eme. Diese feststehenden Minischen, physiologischen und anatomischen Tatsachen k6nnen nfemals weder gegen lioch fiir die Neuronenlehre verwertet werden, wetche be- hauptet , dab jedes. Element jedes solchen Komple:yes aus grauer Masse plus Fasersystem ein Neuron sei, d. h. dab jede einzelne

Nervenfaser des Komplexes aus einer bestimmten Nervenzelle der grauen !Jrsprungsmasse hervorgeht, mit einem Endblhlmehen an einer Nervenzelle eines anderen grauen Kernes endigt, und dab es in dem ganzen groBen einheitlichen Komplex nichts anderes als solche ,,Neurone" gibt.

~:Areli wir imstande, experimentell eine einzelne Zelle einer grauen Masse oder eine einzelne Faser eines Biindels isoliert zu zer- st6ren, oder g~be uns die Pathologie daffir Beispiele, dann wfirde es vielleicht m6glich sein, im Pr~parat N~heres aber die Beziehungen zwischen einzelnen Zellen und einzelneli Fasern auszusageli; doch wir k6nnen immer liur erhebliche Teile einer grauen Masse oder eines Faserbfilidels durchtrennen (KrankheitsvorgXnge machen es gerade- so), und wenn wir dann einen solchen Herd im Grau degenerierter Nervenfasern verlassen, oder wenn wit nach Durchschneidung eines Biindels an best immten Nervenzellen des Graus krankhafte Ver- ~nderungen auftreten sehen, danli k6nneli wit aus solchen Befunden niemals den Beweis erbriligen, dab jede der degenerierten Fasern die direkte Fortsetzung einer der erkrankteli Nervenzellen ist, oder dab jede der Fasern an einer der Nervenzellen einer anderen grauen Masse endet~ Ebenso k6nnen wit durch pathologische Feststellun- gen stets nut den Einflul3 einer grauen Masse auf Faserb4incle!, nicht einer eilizelnen Zelle auf eine einzeIne l~aser beweiseli oder be~treiten, und gerade das ware n6tig, wenn wir experimentelle und pathologische Erfahrungen zugunsten oder zuungunsten der Neuronenlehre verwerten wollen.

Das, was die klinische Nenrologie groB gemacht hat nnd sie heute noeh stfitzt, ist .~zich.t die Neuronenlehre, Diese kalin richtig oder falsch sein, ohne dab Klinik und Faseranatomie davon berahr t werden. Es ist meines Erachtens nicht zutreffend, dab ohne die Neuronenlehre Ifir unbestri t tene klinische Tatsachen eine ErklArung und Dentung fehlen w~rde. IKlinik und pathologische Anatomic des Nervensystems haben es zu tun n i t mehr oder weliiger massigen Komplexen voli grauen Urspruligsmassen lind davon ausgehenden Fasersystemen, welche, fiber und nebeneinander gesehaltet, das gauze komplizierte Nervensystem ausmachen. Weleher Art if~ner- hagb j edes solcheli iKomplexes die histologischen und histogen etischen 13eziehungen jeder Faser zu den Zellen, der Zelleli untereinalider, der Elidaufsplitterungeli zu den Zellen anderer grauer Massen sind, und ob es daneben eili selbstAndiges, faseriges nerv6ses Grau (NlSSL) gibt oder nicht, beri~hrt an sich die klinisehen und faseranatomischen Tatsachen nicht im geriligsten. DaB die letzteren i n n e r wieder als Stiitze der umstr i t tenen Neuronentheorie angeffihrt werden, hat zur Grundlage den Irrtum, dab man die groBen Baukomplexe des Nervensystems (graue Massen plus Faser@steme) stillschweigend identifiziert oder einfach verwechselt rnit den problernatischen Gewebselementen: einzelne Nervenzelle plus Nervenfaser, yon welch letzteren alleili die Neuronenlehre handelt. Die feinen histo- logischen Verknt~pfungen nnd Gestaltungen Mler eineli solchen grol3en Baukomplex ausmachenden nerv6sen Gewebselemente m6gen sein welcher Art nur immer~ die klinisehen und grob anatolni- schen Tatsachen werden davon nicht mitbetroffen ; abet ebensowenig sagen Ietztere das geringste aus fiber Verknfipfung und Gestaltung der uns in ihren Einzetheiten noch nicht gent~gelid bekannteli und deshalb durch theoretische Vorstellungen (z. 13. die Neurolienlehre) ergAnzten Bauelemente. L'ber sie kann uns nur eine, noch zu er- wartende, bessere histologische Eilizelkenntnis aufkl~ren. Sie n a g abet ausfallen, wie sie wolle, l~linik ulid grobe Anatomie werden davon unberfihrt bleiben, geradeso wie schon jetzt letztere weder als Stfitze f fir noch als Beweis gegen die Neuronenlehre irgend etwas besagen.

Wollen wit diesen tiberali wiederkehrenden ulid auch von t<LAR- ~EI,D in seinem Bericht nicht geragten I r r tum n i t seinen irr tam- lichen SchluBfolgerungen zugunsten der histologischen Neuronen- Iehre 'vermeiden, so wird es sich empfehleli, ffir den alteli anatomi- schen t3egriff: graue Masse plus Fasersystem, ein neues ~:or t einzu- fahren; ich habe dafiir friiher einmal das \u ,,Neural" vorge- schlageli (es n a g geradeso gut, oder besser, ein anderes gew~thlt werden, liicht jeder ist geschickt in der Sch6pfung neuer durch- schlagelider Namen), dann h~tten wit die zur Zeit nnbestri t tene und vielleicht' iiberhaupt unbestreitbare Nev, ra~leh~'e als Grundlage fiir nnsere grob anatomischen ulid klinischen Vorstellungen vom Bau des gesamten Nervensystems lind daneben die zur Zeit sehr schlecht begrfindete histologische (und histogenetische) Ne~ro~e~- theorle. Beide haben miteinander nich~cs zu tun, undes ist insbeson- dere irrtfimlich, die erstere immer wieder als Stiitze ffir die schlief3- lich nlir noch gef~hlsmitBige iRettung der letztereli ins Feld zu fiihren, indem man die Neuronenlehre als falsch oder h6chst stri t t ig zwar anerkennt, aber t rotzdem zugleich als didaktisch wertvoll empfiehlt. Das angeblich ~u und nicht Erschfitterbare an der Neuronen- lehre ist gar nicht Neuronenlehre, solidern etwas ganz davon Ver- schiedenes. Clber Richtigkeit und Wef t der Neuronenlehre hat nicht die ;Klinik mitzureden, sie bleibt ein Problem der tIistologie ulid der Entwicklungsgeschichte.