5
Heft 1] 1979 J 73 j. Orn. 120, 1979: s. 73--77 Zur Nistweise der Cotingiden Iodopleura und Xipholena Von Helmut Sick (3ber das Nisten der Cotingiden, denen so bizarre Gestalten wie die GlockenvSgel (Procnias) angeh~Sren, gibt SNOW (1973) einen Uberblick. Die letzte Neuigkeit auf diesem Gebiet scheint die Mitteilung tiber Nest und Ei des Schirmvogels (Cephalo- pterus ornatus) gewesen zu sein, yon mir 1949 in Zentralbrasilien gefunden (SICK 1954). 1. lodopleura Ein Vertreter, iiber dessen Nisten bis heute nichts bekannt zu sein scheint, ist Iodopleura, obgleich SCH61~WETT~I~ (1969) die Beschreibung der Eier yon Iodopleura fusca (Guiana, Venezuela) gibt; Angaben iiber das Nest konnten wit nicht finden. Ich selbst kenne die beiden brasilianischen Arten, Iodopleura pipra und isabellae, seit tiber 30 Jahren in Freiheit, erhielt jedoch hie einen Hinweis iJber ihren Nestbau. Man sieht die V/Sgel in den h~Schsten Baumkronen, wo sie still auf einem di~nnen Ast sitzen oder nach Fliegenf~ingerart Jagd auf vorbeikommende Insekten machen; sie erinnern dabei an den in denselben Gebieten lebenden Bucconiden Chelidoptera tenebrosa, ebenfalls ein breitfliigliger, kurzschw~inziger Vogel, dessen Flug etwas schwalbenartig erscheinen kann. Die Iodopleura-Arten sind scheinbar schlichte V/Sgel- chen, deren M~innchen einen Biischel seidiger violetter Federn unter dem FliJgel ver- borgen tragen. Beobachtungen w~ihrend des Nestbaues Auf einer Exkursion*) bei Bel6m, Para, nahe dem Ort Mosqueiro, trafen R. S. RmGELY und ich am 26.11. 1977 drei Iodopleura isabellae in der kahlen Krone einer Leguminose. Ich blieb zuriick, da mir auffiel, dat~ einer der V/Sgel auf einem Ast in 18 bis 19 m t-I/She pickte und h~immerte. An dieser Stelle war eine papier- diinne weii~liche Auflage zu erkennen. Genaue Beobachtung (Vergr~5/%rung 8 × und 30 ×) zeigte, daf~ der Vogel nicht mit der Schnabelspitze arbeitete, sondern ein horizontal verlaufendes diJnnes Ast- stllck mit dem Unterschnabel beklopfte. Es handelte sich dabei urn das Anbeften yon Spinnweben, also um die Vorbereitung zum Anbringen eines Nestes. Zwei V~Sgel, offensichtlich das Paar, 15sten rich bei der Arbeit ab. Sie kamen in Abst~nden von *) Reise finanziertyore World Wildlife Fund und der AcademiaBrasileiradie Ci~ncias.

Zur Nistweise der CotingidenIodopleura undXipholena

Embed Size (px)

Citation preview

Heft 1] 1979 J 73

j. Orn. 120, 1979: s. 73--77

Zur Nis twe ise der Cotingiden Iodopleura und Xipholena

Von Helmut Sick

(3ber das Nisten der Cotingiden, denen so bizarre Gestalten wie die GlockenvSgel (Procnias) angeh~Sren, gibt SNOW (1973) einen Uberblick. Die letzte Neuigkeit auf diesem Gebiet scheint die Mitteilung tiber Nest und Ei des Schirmvogels (Cephalo- pterus ornatus) gewesen zu sein, yon mir 1949 in Zentralbrasilien gefunden (SICK 1954).

1. lodopleura Ein Vertreter, iiber dessen Nisten bis heute nichts bekannt zu sein scheint, ist

Iodopleura, obgleich SCH61~WETT~I~ (1969) die Beschreibung der Eier yon Iodopleura fusca (Guiana, Venezuela) gibt; Angaben iiber das Nest konnten wit nicht finden.

Ich selbst kenne die beiden brasilianischen Arten, Iodopleura pipra und isabellae, seit tiber 30 Jahren in Freiheit, erhielt jedoch hie einen Hinweis iJber ihren Nestbau. Man sieht die V/Sgel in den h~Schsten Baumkronen, wo sie still auf einem di~nnen Ast sitzen oder nach Fliegenf~ingerart Jagd auf vorbeikommende Insekten machen; sie erinnern dabei an den in denselben Gebieten lebenden Bucconiden Chelidoptera tenebrosa, ebenfalls ein breitfliigliger, kurzschw~inziger Vogel, dessen Flug etwas schwalbenartig erscheinen kann. Die Iodopleura-Arten sind scheinbar schlichte V/Sgel- chen, deren M~innchen einen Biischel seidiger violetter Federn unter dem FliJgel ver- borgen tragen.

B e o b a c h t u n g e n w ~ i h r e n d des N e s t b a u e s

Auf einer Exkursion*) bei Bel6m, Para, nahe dem Ort Mosqueiro, trafen R. S. RmGELY und ich am 26.11. 1977 drei Iodopleura isabellae in der kahlen Krone einer Leguminose. Ich blieb zuriick, da mir auffiel, dat~ einer der V/Sgel auf einem Ast in 18 bis 19 m t-I/She pickte und h~immerte. An dieser Stelle war eine papier- diinne weii~liche Auflage zu erkennen.

Genaue Beobachtung (Vergr~5/%rung 8 × und 30 ×) zeigte, daf~ der Vogel nicht mit der Schnabelspitze arbeitete, sondern ein horizontal verlaufendes diJnnes Ast- stllck mit dem Unterschnabel beklopfte. Es handelte sich dabei urn das Anbeften yon Spinnweben, also um die Vorbereitung zum Anbringen eines Nestes. Zwei V~Sgel, offensichtlich das Paar, 15sten rich bei der Arbeit ab. Sie kamen in Abst~nden von

*) Reise finanziert yore World Wildlife Fund und der Academia Brasileira die Ci~ncias.

[ j . Orn. 74 H. Sm~ [ 120

Abb. Nest yon Iodopleura isabel- Iae, Bei~m, Pardi. Nestdurchmesser am oberen Rand 3 × 3,4 cm. Die Querrisse im Ast entstanden dutch seine Aufbewahrung in einem Raum mit Klimaanlage, also durch Austro&nung. Nest yon der Seite und yon der Astunterseite aus ge-

se~eD.

10 bis 15 Minuten zusammen. Der eine ging direkt zum Nestplatz, w~ihrend der andere in 2 bis 3 m Entfernung wartete; niemals fugten sie auf dem Ast neben dem Nest (zwischen 12 und 13 Uhr). Manchmal kam der zweite Vogel nut zur Begleitung mit; er arbeitete nicht. Der dritte Vogel zeigte keine Beziehung zum Nest.

Ein Besuch am 29.11. zwischen 11 und 12 Uhr zeigte das Iodopleura-Nest deut- licher. Es erschien nunmehr wie ein Astknorren; seine weiflgraue F~irbung, welche genau der umgebenden Rindenf~irbung entsprach und seine glatte Oberfl~iche liefgen ohne die Anwesenheit eines Vogels gar kein Nest vermuten. Die Bautechnik war immer dieselbe: Beklopfen der Unterlage mit dem geschlossenen Schnabel, gelegentlich

Heft 1] 1979 J Nistweise yon Iodopleura und Xipholena 75

eine Bewegung des Kopfes nach der Seite, offenbar das Ausziehen eines Spinngewebes. Material im Schnabel der VSgel war meist nidat zu sehen. Nur ausnahmsweise er- kannte ida ein dunkles Kliimpdaen an der Sdanabelspitze einer ankommenden Iodopleura. Erst arbeitete der Vogel nach der einen Seite des Astes, dann nada der anderen; in Ridatung der Astl~inge war er viel seltener t~itig. Je Besuch arbeitete jeder Vogel nidat l~inger als 1 Minute am Nest. Manchmal verloren die Iodopleura beim Bauen das Gleidagewicht; durda weites I3ffnen und Sdalagen der grot~en FliJgel hielten sie Balance. Bei dieser Gelegenheit wurde das auf~erordentlidae GrSi~enmit~verh~ltnis Nest : Vogel besonders deutlida (s. u.).

Bei einer sedasstiindigen Kontrolle am 7.12. bekam ida nur eine Iodopleura zu sehen, die sida fliidatig in der N~ihe aufhielt. Das Nest hatte sich kaum ver~indert. Nada dem, was ida yore Nest yon Phibalura, einer Cotingide SO-Brasiliens, wut~te, hatte ida schon bei meinem letzten Besuch den Eindruck, daf~ das IodopIeura-Nest im wesentlidaen fertig sein muf~te. Da jetzt fast jeden Nachmittag gewaltige Regengiisse und Stiirme tobten, die das vollst~indig ungesdaiitzte Nest gef~ihrden muf~ten, madate ida mir Sorgen um die Bergung des unzerstSrten Nestes.

Am 9.12. traf ida wieder alle drei VSgel am Nestbaum. Ein Vogel baute wie fri~her auf dem winzigen Nest thronend; vorn sah man ihn dabei bis zur Brust, hinten seine Unterschwanzdecken. Jetzt arbeitete er auda mit den Fiif~en im Nestgrund, wobei er den Sdawanz herabdriickte.

Unsere Abreise stand bevor und so holten wir das Nest am 14.12. mit Hilfe eines Kletterers der botanischen Abteilung des Museu Goeldi in Beldm herunter, eine ge- f~ihrlidae Sadae, da der Nestbaum abgestorben und unersteigbar war und mit Stricken an einen Nachbarbaum herangeholt werden muf~te.

Die dritte anwesende Iodopleura mag ein Jungvogel aus einer vorangehenden Brut gewesen sein. Auch bei anderen Gelegenheiten fielen mir kleine Gruppen yon 3 bis 4 Individuen auf, mSglidaerweise Familienverb~inde.

Die VSgel verraten sich yon weitem durch ihre Stimme, ein sehr hohes feines ,,Eliht". Diesen Ruf mug man kennen, um sie in den hohen Baumkronen leichter zu finden.

Es sei noda hinzugefiigt, daft die lodopleura zwei Tangaren, niimlida Thraupis episcopus und Tangara rnexicana, vertrieben, wenn diese in die N~ihe ihres Nestes kamen.

In einem anderen Teil derselben Baurnkrone hatte auf gleidaer H~he der Kolibri Calliphlox arnethystina ein Nest mit zwei groi~en Jungen, die baid ausflogen. Das Nest, so weii~ und glatt wie die Rinde des Baumes und das Iodopleura-Nest, war einem aufstrebenden diinnen Ast angeklebt. Ohne die Jungen und den anfliegenden Altvogel w~ire das Kolibrinest ni'dat zu finden gewesen.

[J. Orn. 76 H. Sm~ [ 120

B e s c h r e i b u n g d e s N e s t e s

Das Nest, einem glattrindigen Ast angeheftet, ist ein solider Thron, der einem Kolibri- nest ~ihnelt. Sein ~/ut~erer Durchmesser, am oberen Rand gemessen, betr~gt 3 × 3,4 cm. Da der Ast nur 2 cm dick ist, steht das Nest seitlich etwas tiber. Die H6he des Nest- randes fiber dem Ast betr~igt 1 bls 1,3 cm. Die Nestw~nde sind oben 0,3 bis 0,5 cm dick, nach unten zu werden sie dicker. Die Nesttiefe betr~igt knapp 1 cm. Wiihrend der obere Nestrand fertig zu sein scheint (er ist gegl~ttet und gefestigt), fehlt dem Nest der Boden: im Nestgrund erscheint der blanke Ast. Auch der basale Tell der W~inde ist im Nestgrund noch nicht verputzt. An den Astseiten ist das Nest bis zu 1,5 cm herabgezogen, wodurch es den Ast bis tiber seine FEilfte umgreifL

Das Auf~ere des Nestes ist vNlig yon Spinnweben fiberzogen, welche das eigent- liche Nestmaterial tiberhaupt nicht erkennen lassen. So entstanden homogene glatte W~nde, die vollst~ndig der Rinde gleichen und tiberaus lest sind, wenn sie sich auch bei einem sfiirkeren Fingerdruck als elastisch erweisen. Damit wird eine hohe Stabilit~it erzielt, die noch dutch das am Ast seitliche Herabftihren des Nestes verst~rkt wird. Auch im Nestgrund erfolgt eine ausgedehnte Verkleidung mit Spinnweben. Unterm Ast befinden sich angeklebte Spinnweben bis zu 9 cm Entfernung yore Nest; auf der Oberselte des Astes fehlen sie auflerhalb der Nestbasis.

Die homogene Nestoberfl~che, die fast Papiermachd ~hnelt, erinnert auger an ge- wisse Kolibri- an Seglernester, die ihr Material mit viel Speichel verarbeiten. Speichelverwendung ist beim Felsenhahn (Rupicola), ein naher Verwandter der Cotingiden, bekannt.

Aus dem inneren nlcht verkleideten Nestgrund quellen s~hwarze F~den heraus, offenbar Ro~haarpilze (Marasmius sp.), die yon vielen V6geln in Brasilien beim Nestbau verwendet werden (SICK 1957). Die Bestimmung des Nestmaterials ist noch im Gange.

M6glicherweise hat das beschriebene Iodopleura-Nest noch nicht die definitive GrSge erreicht. Dagegen spricht seine sorgf~ltige Gliittung. Die Kleinheit des Nestes verbltifi~, z. B. im Vergleich mit dem Nest des Kolibris Topaza pella (1 Exemplar im Goeldi-Museum, yon E. SN~THLACE 1911 gesammelt). Das langschn~blige Topaza-~ ist mit 11,5 cm etwa so grof~ wie die kurzschn~blige Iodopleura (Gesamtl~inge 10,7 cm). Das Topaza-Nest, aus einer homogenen Masse hergestellt und mit Spinn- weben verschmiert, ist um ein vielfaehes grSger als das Iodopleura-Nest; man k6nnte es sogar in das Topaza-Nest hineinlegen.

Daft auch die Nester anderer Cotingiden durch ihre Kleinheit auffallen, wurde schon bei Phibalura angedeutet und gilt auch ftir die meisten anderen Cotingiden, wie Lipaugus, Querula, CephaIopterus, Gymnoderus und Procnias. Grot~e Kugelnester bauen Pachyramphus und Platypsaris. Tityra ist H/Shlenbriker.

2. Xipholena

Bei der Sp~irlichkeit der Mitteilungen tiber die Nistweise dieses Cotingiden sei hier wenigstens ein Hinweis tiber den Nistplatz yon Xipholena atropurpurea gegeben.

Heft 1] 1979 ] Nistweise yon lodopleura und Xipholena 77

Im Naturschutzgebiet Sooretama, Espirito Santo, sah ich am 26.9. 1977 ein ~ in einem riesigen Bromelienklumpen verschwinden, der auf etwa 18 m H/She an einem Baum am Waldrand angeheftet war. Zu einer anderen Tageszeit kam der Vogel an derselben Stelle wieder heraus. Zweifellos hatte die Xipholena dort ihr Nest. Weitere Beobachtungen waren nicht m~Sglich.

Das yon PiNxo (1953) beschriebene Ei yon Xipholena lamellipennis war yon der Angabe begleitet: Nest auf einem Gummibaum, 5 m both. Das yon mir beschriebene Ei yon XiphoIena atropurpurea wurde in einem K~ifig gelegt (Slcx 1970).

Es sei no& bemerkt, dag auch das ~ des Glockenvogels (Procnias nudicollis) sein Nest an der Basis epiphytischer Bromelien verstecken kann, wie ich kiirzlich in der Serra da Bocaina, S~o Paulo, feststellte.

Summary Observations on the nest construction of the White-browed Purplemft, IodopIeura isabellae,

in Par~, Brazil; note on the nest site of the Whlte-winged Cotinga, Xipholena atropurpurea, in Espirito Santo.

Literatur

PINTO, O. (1953): Sobre a cole~o Carlos Estev~.o. Pap. avul. S~o Paulo XI, 13: 111--222. • Sct~&qwrxTrR, M. (1969): Handbuch der Oologie, Bd. 2: 130. Akademie Verlag Berlin. • Sm~, H. (1954): Zur Biologie des amazonischen Schirmvogels, Cephalopterus ornatus. J. Orn. 95: 233--244. ° Ders. (1957): Roghaarpilze als Nestbaumaterial brasilianischer V6gel. j . Orn. 98: 421--431. • Ders. (1970): 12Iber Eier und Lebensweise der Weigfliigel-Kotinga, Xipholena atropurpurea. J. Orn. 111: 107--108. • SNow, D.W. (1973): The classification of the Cotingidae. Breviora, Mus. Comp. Zool. Cambridge, No 409, 27 pp.

AnschriPc des Verfassers: Museu Nacional, Quinta da Boa Vista, Rio de Janeiro, R J, Brasilien.