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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit/~t Leipzig. (Direktor: O. Gros.) Zur Pharmakologie und Chemie des Curins. Von cand. med. Fritz Hausehild~ Verbandschemiker. (Eingegaugen am 10. XII. 1933.) In seinen bekannten Arbeiten tiber die Curarealkaloide besehreibt B oehm 1 ausftihrlich die Darstellung der reinen hoehwirksamen Curarine aus den betreffenden Rohmaterialien, n/imlich dem Tubo-, Calebassen- und Topfcurare. Bei der Darstellung all dieser drei reinen Curarine isolierte B o e h m auch noch in mehr oder minder groBen Mengen die ent- spreehenden terti/~ren Curine, welehe zu den Curarinen in irgendwelehem genetischen Zusammenhange zu stehen seheinen, worauf nicht nur die ~hnlichen Bruttoformeln und das gemeinsame Vorkommen in den be- treffenden Stryehnosarten, sondern noch manch anderes Verhalten hin- weisen. W/~hrend das Calebassen- und Topfeurare nur einen sehr geringen Gehalt an Curinen aufweisen, ist davon im Tuboeurare ein gr56erer Prozentsatz enthalten, so dab es daraus in fiir die folgenden Unter- suchungen gentigenden I~Iengen gewonnen werden kann. Boehml besehreibt die Darstellung des Tuborueins ebenso wie einige chemisehe und pharmakologisehe Untersuehungen tiber diese terti/~re Base, welehe aueh yon einigen seiner Sehiiler ausgeftihrt wurden. Jedoeh fehlte bis ]etzt noeh eine zusammenh/~ngende Darstellung und Untersuehung der pharmakologisehen Eigensehaften dieser Base, deren Durehffihrung im folgenden besehrieben werden soll. AuBerdem be- durfte es nieht nur dieser pharmakologisehen Analyse, sondern ein Ver- gleieh dieser und schon bekannter Resultate mit dem in der Literatur zu ermittelndem Verhalten des l-Bebeerins war durehzuftihren, denn es gelang im Jahre 1928 Sp/~th und Mitarbeitern 2 der I~achweis, dab das Tuboeurin -- schleehthin Curin genannt -- identiseh ist mit einem Alka- loid der Pareirawurzel, n/~mlieh dem 1-Bebeerin. Wurde dureh ]ene Forseher dureh Vergleich ihres chemisehen und physikalisehen Verhaltens die Identit/~t beider Stoffe naehgewiesen, so war noeh zu prfifen, ob sie aueh in Bezug auf ihr physiologisehes Verhalten als identisch ange- sproehen werden kSnnen. 1 Arch. Pharmac. 2]5, 9(1897). -- e Bet. dtsch, chem. Ges. 61, II, S. 1698.

Zur Pharmakologie und Chemie des Curins

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Page 1: Zur Pharmakologie und Chemie des Curins

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit/~t Leipzig. (Direktor: O. Gros.)

Zur Pharmakologie und Chemie des Curins.

Von

cand. med. Fritz Hausehild~ Verbandschemiker.

(Eingegaugen am 10. XII. 1933.)

In seinen bekannten Arbeiten tiber die Curarealkaloide besehreibt B oehm 1 ausftihrlich die Darstellung der reinen hoehwirksamen Curarine aus den betreffenden Rohmaterialien, n/imlich dem Tubo-, Calebassen- und Topfcurare. Bei der Darstellung all dieser drei reinen Curarine isolierte B o e h m auch noch in mehr o der minder groBen Mengen die ent- spreehenden terti/~ren Curine, welehe zu den Curarinen in irgendwelehem genetischen Zusammenhange zu stehen seheinen, worauf nicht nur die ~hnlichen Bruttoformeln und das gemeinsame Vorkommen in den be- treffenden Stryehnosarten, sondern noch manch anderes Verhalten hin- weisen. W/~hrend das Calebassen- und Topfeurare nur einen sehr geringen Gehalt an Curinen aufweisen, ist davon im Tuboeurare ein gr56erer Prozentsatz enthalten, so dab es daraus in fiir die folgenden Unter- suchungen gentigenden I~Iengen gewonnen werden kann.

Boehml besehreibt die Darstellung des Tuborueins ebenso wie einige chemisehe und pharmakologisehe Untersuehungen tiber diese terti/~re Base, welehe aueh yon einigen seiner Sehiiler ausgeftihrt wurden. Jedoeh fehlte bis ]etzt noeh eine zusammenh/~ngende Darstellung und Untersuehung der pharmakologisehen Eigensehaften dieser Base, deren Durehffihrung im folgenden besehrieben werden soll. AuBerdem be- durfte es nieht nur dieser pharmakologisehen Analyse, sondern ein Ver- gleieh dieser und schon bekannter Resultate mit dem in der Literatur zu ermittelndem Verhalten des l-Bebeerins war durehzuftihren, denn es gelang im Jahre 1928 Sp/~th und Mitarbeitern 2 der I~achweis, dab das Tuboeurin - - schleehthin Curin genannt - - identiseh ist mit einem Alka- loid der Pareirawurzel, n/~mlieh dem 1-Bebeerin. Wurde dureh ]ene Forseher dureh Vergleich ihres chemisehen und physikalisehen Verhaltens die Identit/~t beider Stoffe naehgewiesen, so war noeh zu prfifen, ob sie aueh in Bezug auf ihr physiologisehes Verhalten als identisch ange- sproehen werden kSnnen.

1 Arch. Pharmac. 2]5, 9(1897). - - e Bet. dtsch, chem. Ges. 61, II, S. 1698.

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I . DarstelIung des reinen Curins. Zun~chst wurde aus dem rohen Originaltubos entnommenen Material

nach der Vorschrift yon B o e h m adas Curin rein dargestellt. Es wurde ein Tell des gepulverten Tubocurare in zehn Teilen Wasser aufgeschwemmt und so mehrere Tage auf dem Wasserbade bei etwa 700 digeriert. Alsdann wurde durch Filtration vom ungeliisten abgetrennt. Diese Extraktion wurde noch mehrmals ersch6pfend vorgenommen und die vereinigten Filtrate so lange mit Ammoniak versetzt, bis das Curin gerade als gelatinSse Masse ausfiel. Es wurde durch Zentrifugieren getrennt und der Niederschlag erschSpfend mit ~ther extrahiert. Nach dessert Verdunsten hinterblieb das rohe Curin als gelbbraune Masse, welches dann durch wiederholtes Umstkriallisieren aus Benzol und dann ans Methanol schliel31ich in rein wei~en Nadeln yore F.P. 2120 (Vakuum- schmelzpunkt 218o) erhalten wurde. Aus den gesammelten Mutterlaugen liel~ sich dann noch amorphes Curin und ein unreines gelbes Produkt isolieren.

])a nun die reine Base in Wasser unlSslich ist, mul3te sie in ihr gut lOsliches Chlorhydrat fibergeftihrt werden, was am besten dadurch ge- lang, da~ eine abgewogene Menge der Base in etwa 50 Teilen 1--2 %iger Salzs~ure suspendiert wurde. Nach kurzem Erw/irmen 16st sich die Sub- stanz vtillig auf und die LSsung wurde dann fiber Atzkali getrocknet, wodurch alle tiberschfissige Salzs/~ure gebundcn wird. Das Chlorhydrat scheidet sich i~l schwach gelblichen Kristallen aus und wird in der be- rechnetcn 5Ienge Ringer oder Kochsalzl6sung zu einer 2 %igen Ausgangs- stammlSsung aufgelSst. Diese LSsung, bezogen auf die freie Base, wurde nun fiir die folgenden Vcrsuehe benutzt. Zuerst wurde das Verhalten des

Curins am Kaltblfiter untcrsucht.

II. Versuche am Kaltbl i i ter (Ganztier). Einem Grasfrosch von 33 g Gewicht wurden zun~ehst 1 ecru der 2%igen

L6sung in den Bauchlymphsack gegeben (-- 20 rag). Das Tier zeigtc bald naeh der Injektion schwerfNlige Bewegungen, auffallend war ein besonders helles und glattes Aussehen der Haut des Tieres. Das Tier blieb bald in jeder Lage liegen und naeh etwa 20 Minuten war der Kehldeckelreflex nut noch unsicher auszul6sen. Ein geringes Muskelzittern trat ein und die Beine wurden auf Reiz hin nur noch schwach ~ngezogen. Nach 20 Minuten weiteren W~rtens war das Tier vSllig bewegungslos geworden. Der Kornealreflex war nicht mehr auszulSsen und bald trat durch tterzstillstand der Tod ein. 10 mg Curin einem gleich grol~en Tier injiziert, zeigten keine besonderen Erseheinungen bis auf eine gewisse Steifheit und Schwerfhlligkeit in den Bewegungen.

Um nun die Angriifspunkte des Curins besser ~ibersehen zu kSnncn, wurde dem mit Urethan (1 ccm 20%) bet~ubten, ,,gefensterten" Frosch eine Dosis yon 20 mg in die beiden Beinlymphs~cke gegeben. Bereits naeh 15 Minuten wurde der tterzschlag unregelm~Ng, nach 1 Stunde war die Arythmie eine vellkommene, die Farbe des Herzens wurde dunkelbl~ulieh, die Kontraktionen waren ausgesprochen peristalfischer Natur. Es trat eine Halbierung der Schlag-

3 Arch. Pharmac. 235, 663 (1897).

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zahl auf, so dab auf 15 Ventrikelsystolen 32 Vorhofkontraktionen in der Minute fielen. SchlieBlich wurden nur noch sechs Ventrikel- und 14 Vorhofssystolen gez~hlt. Nach einigen Stunden erholte sich dann das Herz spontan und nahm auch wieder eine hellere Farbung an. Die gleiehzeitige Prtifung yon Nerv und Muskel zeigte, dab an den Injektionsstellen an den beiden Oberschenkeln 6rt- liehe Wirkungen des Curins stattgefunden hatten. Die Reizung des Nervus isehiadieus an seiner Austrittsstelle am Lumbalmark blieb negativ, erst unter- halb des Kniees war er wieder reizbar. Bauch und Zungenmuskel waren intakt und spraehen auf elektrischen Reiz hin gut an, wahrend die Muskulatur der Oberschenkel vSllig gel~hmt war.

Es ergibt sich hieraus, ebenso wie aus der Schwerfalligkeit der Be- wegungen des vergifteten Tieres, da$ neben der Kreislaufwirkung des Giftes noch irgendeine 51erv- oder Muskelwirkung stat thaben muB, was auch schon J a k a b h a z y in seinen ,,Beitragen zur Pharmakologie der Curarealkaloide" erwahnte 4.

Diese Vorversuehe am Frosche zeigen also in 1Jbereinstimmung mit den Befunden yon J a k a b h a z y u. T i l l i e 5, dal3 das Curin ahnliche StSrungen am Froschherzen verursaeht, wie die Herzgifte der Veratrin- und Digitalisgruppe und dag ihm, ahnlieh wie diesen Giften ja auch - - aIlerdings in geringerem Mal3e - - eine Wirkung auf den quergestreiften Muskel zukommt.

I I I . Versuehe an den isol ierten Organen usw. A. Versuehe am Nerv-Muskelpr~parat.

Es wurde am Grasfroseh der ~-. isehiadieus mit dem M. gastrocnemius zusammen pr~'.pariert und in eine CurinlSsung von 1:5000 einmal nur der Nerv, dann nur der Muskel und endlich 7Nerv und Muskel zusammen ge- geben. Es wurde aus diesen Versuchen ersichtlich - - was auch durch zahlreiehe Vorversuehe noeh best~tlg~ wurde - - dab dem Curin doch eine gewisse eurarinahnliehe Wirkung auf die Nervenendplatten zukommen mug, was zwar yon B o e h m u n d seinen Sehiilern in dieser Konzentration n icht best/itigt werden konnte.

Neben diesen kombinierten Untersuchungen wurde noah am M. sar- torius des Frosches allein die muskelsehi~digende Wirkung in Konzentra- tionen von 1:1000 naehgewiesen. Eine LSsung yon 1:7500 gab keine L~thmungserscheinungen mehr. Bei diesen, wie auch den vorhergehenden Versuchen am Nerv-Muskelpriiparat erholten sich die Pr@arate in RingerlSsung nicht wieder.

Mikroskopisch wurde am Zupfprhparat festgestellt, dab dem Curin eine dem Coffein ~hnliche Wirkung auf die quergestreifte Muskulatur zukommt. Es konnten - - allerdings erst bei Konzentrationen von 1 : 1000 - - die eharakteristi- sehen Eigenbewegungen der Fasern, wie Zusammenrollen, Winden und sehlieB-

4 Arch. f. exper. Path. 35, 16 (1894). - - a Ebenda 27, 32ff. (1890).

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liche Plasmagerinnung beobachtet werden, welche als fiir das Coffein typische - - ia spezifische Reaktion beschrieben wurden6.

B. V e r s u c h e a m T r e n d e l e n b u r g s e h e n D u r e h s t r i i m u n g s p r ~ p a r a t .

Dieses Praparat diente zunachst zur genaueren Kontrolle einer even- tuellen Gefi~l~wirkung des Giftes. Die Durchftihrung eines Versuches, der ungef~hr die Durchschnittsresultate der anderen aul]erdem gemachten Pri~parate wiedergibt, sei bier zitiert.

Versuch am 16. III. 1933 am dekap i t i e r t en Wasserfrosch. (Es wurde die Zeit gestoppt, in welcher zehn Tropfen das Priiparat durch-

strSmt haben.) ~qach 2 Stunden war die Durchflul3geschwindigkeit ungef~hr konstant ge~Torden, entsprechend zehn Tropfen in 19 Sekunden.

14h 45' wurden 0,2 ccln Curin 1:500 injiziert. 57ach 2 Minuten ist der H~)hepunkt der Kontraktion der Gefi~i~e mit zehn Tropfen in 38 Sekunden er- reieht. 14 h 50' Durchflu6geschwindigkeit wieder normal. 10/18. 15 tl 02' In- jektion yon 0,1 ecru Curin 1:500, u der Tropfenzahl auf 10/38 und Erholung auf 10/18 naeh etwa 23 Minuten. 15 h 25' Wie bei 15 h 02'. Wieder Verlangsamung auf 10/35. Erholung nach 15 Minuten. 15 h 50' Noehmals die gleiche Dosis. Verlangsamung auf 10/32. Erholung nach bereits ]0 Minuten. 10 h 12' Kontrollinjektion mit RingerlSsung. Kein Befund. 16 h 18' 0,07 ccm Curin 1:500. Verlangsamung auf 10/28. 16 h 30' 0,5 ecnl Curin 1:50. Sofort fast v611iger Verschlul~ der Gefii6e, zehn Tropfen nur mehr in 300 Sekunden!

Das Ergebnis dieser Versuche ist, da6 dem Curin eine deutliche gef/~ft- verengernde Wirkung zukommt und zwar eine Verengerung, die erst ein- schneidend bei Konzentrationen auftritt, die welt tiber denen liegen, welche schon eine einwandfreie Herzschi~digung und Stillstand hervor- rufen. Auch deuten manehe Daten darauf bin, daft eine gewisse Ge- wShmmg eintritt. Als Dosis, welche die Tropfenzahl uI~l 30--50(~.~ ver- minderte, wurde 0,1 ccm Curin 1:500, d. h. 0,2 mg Curin ftir ein mittel- groites Tier ermittelt. Die gerade noch eine Gefitftwirkung zeigende Dosis lag bei 0,07 ccm Curin 1: 500, d. h. 0,14 nag Curin. Die Zusammenziehung der Gefi~ge liel3 nach einiger Zeit, wenn auch langsam, stets wieder nach und war also reversibel.

Des weiteren wurde hieran anschlieftend das T r e n d e l e n b u r g s c h e DurchstrSmungspri~parat zur Erhhrtung der schon oben beim Nerv- Nuskelpr/iparat nachgewiesenen Nervenendplattenwirkung zu benutzen versucht. Es wurde der dekapitierte durchstrSmte Frosch einmal am frei- gelegten N. gastrocnemius elektrisch gereizt, einmal am ja freiliegenden N. ischiadicus. Es wurde so gehofft, auch bier die Nervenendplatten- wirkung sicher beweisen zu kiinnen, was aber leider nicht befriedigend gelang, da dutch die dazu benStigten relativ hohen Konzentrationen an CurinlSsung die Durchstrtimungsgeschwindigkeiten auf Grund der oben

6 Arch. f. exper. Path. 77, 83 (1914).

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nachgewiesenen GefiiSwirkung des Curins i~ul]erst langsam wurden. Es war deshalb die Frage, ob tiberhaupt noch der ganze Kapillarkreislauf infolge der starken Kontraktionen erfal~t war yon der DurchstrSmungs- fltissigkeit. Immerhin scheinen einige Versuehe ftir eine Nervenendwir- kung zu sprechen.

Es war so in den obigen Versuchen eine l~hmende Wirkung des Curins auf den quergestreiften Muskel und ebenso eine 5Tervenendplatten- wirkung desselben einwandfrei festgestellt. Es wurde nun zu Unter- suchungen am isolierten Froschherzen tibergegangen.

C. Versuche am , ,Straubherzen".

Es wurden am isolierten Herzen des Wasserfrosches eine Menge Ver- suche mit den verschiedensten Konzentrationen usw. gemacht und ieh teile tiler zun~ichst einige Versuchsdaten mit.

1. Sehr krhftiges Herz eines Wasserfrosehes (15. III. 1933). !Normale An- fangsschlagfolge: zehn Schl~ge in 12 Sekunden (10/12). a) Ftinfmaliges Aus- wechseln einer CurintOsung 1:20000 zeigt nut eine schwache Wirkung auf das kr~ftige tterz. Ein geringes Steigen der Ful~punkte und eine gewisse Vet- kleinerung tier Amplitude sind die einzige Wirkung. b) ~qun wurde, nachdem die Frequenz nach 30 Minutes wieder 10/14 geworden war, nxit einer Curin- 15sung you 1:10000 gearbeitet. Bereits nach dem ersten Ausweehseln wurde die Frequenz bedeutend geringer, etwa 10/25, die Amplituden iinderten sich weniger. Naeh einem zweiten L0sungswechsel sank die Frequenz auf 10/40, die Aktion wurde unregelmi~l~ig, der Vorhof zeigte ,,Wtihlen und Wogen" und ist aneurysmeniihnlich vorgewulstet. Auf drei Ventrikelsystolen kommen 4--5 Vorhofsystolen und nach noeh ~fterem Weehseln der LSsung werden die Ampli- tuden noch geringer. Frequenz 10/40, auf vier Ventrikelsystolen fallen 9--10 Vorhofsystolen. 5Tach dem fiinften L5sungsmittelwechsel steht das tterz still. Sofortiges Zugeben yon zwei Tropfen Atropin (1:20000) hat keine Wirkung, das Herz erholt sich jedoch nach einiger Zeit spontan, unterstiitzt dutch hiiufige Ringerspiilungen, ohne indessen eine sehnellere Frequenz zu zeigen. Lediglieh die Amplituden erreiehen einen fast normalen Stand, der prall gefiillte Vorhof schlug jedoch doppelt bis dreimal so oft als der Ventrikel, was aueh dutch schnellere Umlaufgesehwindigkeit der Kymmographiontrommel deutlich sieht- bar gemaeht werden konnte.

2. Kleines Herz eines Wasserfrosehes (17. III. 1933). Dieses Herz zeigte~ wie alle anderen kleineren Herzen auch, eine gr0Bere Empfindliehkeit und stand sChon naeh zweimaligem Auswechseln einer Liisung'von 1:25000 unter den- selben Symptomen wie beim obigen Versuche still. Nach Ringersptilungen er- holte es sich wieder und dutch Curin 1:20000 wurde es wiederum zum Still- stand gebracht und zeigte sieh auf Atropin (2 gt. i:20000) negativ. Dieses stillstehende Herz wurde nun elektrisch gereizt, mit dem Ergebnis, da$ bei Reizung des ~ Vorhofs eine deutliche Vorhofs- und Ventrikelkontraktion und bei Ventriketreizung eine krMtige Ventrike]kontraktion sich zeigte. Bei allen diesen Versuchen erfolgte der Herzstillstand meist in Diastole oder einer gewissen Mittelstellung, w~hrend der Vorhof noch lange weiterpulsierte.

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Eine Kritik dieser Ergebnisse wird weiter unten, im Anschlu6 an die Kreislaufversuche am Warmbliiter, durchgefiihrt werden. Jedenfalls kann schon j etzt die Vermutung von T illi e 5 _ n/~mlieh dab eine muskarinartige Wirkung dem Curin nieht zuzukommen scheint - - best/~tigt werden.

Nachdem nun so die wichtigsten Versuehe am Kaltbliiter und dessert isolierten Organe durchgefiihrt waren, wurde zu Versuehen am Warm- bliiter iibergegangen und es zeigte sieh, dal3 sieh die letale Dosis des C~ins am besten an der weigen Maus ermitteln liel].

IV. Versuche am Warmbliiter. A. V e r s u e h e an der w e i g e n !~Iaus.

Der weigen Maus wurde alas Gift intraperitoneal injiziert und die folgende l~bersieht der Ergebnisse zeigt, dab unabh/ingig yon der Jahres- zeit die letale Dosis des kristallisierten Curins far die weige Maus von etwa 20 g Gewieht bei 21--23 mg pro 100 g Maus liegt, was einer Dosis yon etwa 4 mg pro Tier entsprieht.

15 m g p r o 100 g 20 ,, ,, 1 0 0 , ,, 22 ,, 100 24 ,, ;: 1 0 0 . 25 . . . . 100 ,,

M~=rz [ Oktober

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Diese Versuehe demonstrieren die relativ geringe Giftigkeit des Curins gegentiber den Curarinen, wirkt doeh das Tuboeurarin sehon in einer Dosis yon 1 mg/kg Ratte und bei der weil]en Maus noeh weniger. Der Tod der M~use erfolgte meist unter Kr~tmpfen, besonders der hinteren Extremit~ten. Teilweise zeigten die Tiere in einem bestimmten Stadium die als ,,Morphinsehwanz" als eharakteristiseh besehriebene Stelkmg des Sehwanzes. Die sofortige Sektion der Tiere zeigte, dal~ das Herz noeh in T~tigkeit war. Wohl aber war festzustellen, da6 eine Sch~digung dieses Organes stattgefunden hatte. Es bestand ein partieller Herzbloek and die seltenen Ventrikelkontraktionen waren deutlieh abgeschw~eht. Die Nerven und 5Iuskulatur waren naeh Eintritt des Todes durehweg noeh erregbar, nur an der Injektionsstelle der 2 %igen LSsung waren ahn- lieh wie beim Froseh 5rtliehe L~hmungen des Nerv- und Nuskelapparates festzustellen. Es whre vielleieht noeh zu ermitteln, ob der Tod, der doeh sieher dureh Ateml~hmung erfolgte, dureh eine zentrale oder mehr eurarin~hnliehe periphere Wirkung bedingt ist.

Peroral seheint das Curin relativ unwirksam zu sein. In zwei FNlen wurde den Tieren dureh die Behrends-t(anii le das Curin beigebraeht und es zeigte sieh niehts Bemerkenswertes, wenn Dosen bis zu 50 rag/100 g Maus zur Anwendung kamen.

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B. B l u t d r u e k v e r s u c h e an tier K a t z e .

In Vorbereitung des Versuches wurde die Katze mit Avertin narko- tisiert (0,18 g pro Kilogramm per o s i n 2,5%iger LSsung). Es wurde ktinstlich bea t m e t und die Narkose mit ~ ther in Gang gehalten.

Es war nun zu ermitteln, durch welche intraventisen Dosen der Blut- druck merklich geiindert wird und wie sich der Vagus dabei verhi~lt. Zu diesem Zwecke wurde der Schwellenwert des Acetylcholins ermittelt, welcher den Blutdruck um einen konstanten minimalen Betrag erniedrigt. Nach der Injektion yon 10 oder 20 mg Curin wirkte das Acetylcholin noch in der gleichen Weise, so dab eine Vagusl~hmung nicht in Frage kommt. Ebenso wurde ein erhShter Vagustonus durch Kontrollinjektionen von Atropin als nicht vorhanden gefunden.

In einem zweiten Versuch wurde das Tier nach vSlliger Vagotomie und Injektion yon 10 mg Curin noch vSllig empfindlich gegeniiber der elektrischen Reizung des N. vagus gefunden und ebenso war der Acetyl- cholinschwellenwert nicht ge/~ndert. Der Blut druck wurde, wie auch bei allen vorherigen Versuchen, wiederum durch 10 mg Curin um 20 mm gesenkt.

Urn nun die zerebralen Einfltisse vSllig auszuschalten, wurde noch ein Versuch an dem dekapitierten Tiere unternommen. Es zeigte sich ganz analog den vorherigen Versuchen eine Senkung des Blutdruckes und vSlliges Vorhandensein aller Vaguswirkungen. Das folgende Schema, zeigt, dab 10 mg Curin den niedrigen Blutdruck noch um 4 mm, 20 mg Curin denselben noch um 8 m m erniedrigten. Durch Adrenalindauer- infusion wurde der Blutdruck wieder auf die Norm gebracht und nun senkten 20 mg Curin in die Vena femoralis injiziert den Blutdruck analog den vorherigen Versuchen wiederum um 20 ram, so dab also zentrale Wirkungen des Curins nicht in Frage kommen.

B l u t d r u c k v e r s u c h am d e k a p i t i e r t e n Tier (2. III . 1933) 2770 g. I. Am n iedr igen 11 h 43' 10 mg Curin, Frequenz 7/20, Blutdruck 40 mm

B l u t d r u e k . 11h46 ' 10 . . . . . . 9/20, ,, 37 ,, Temp. 38,6 o 11h58 ' 20 . . . . . . 8/20, ,, 39 ,, Temp. 36,8 o 11 h 59' 20 . . . . . . 10/20, ,, 32 ,,

12 h 02' 20 . . . . . . 7/20, ,, 33 ,, Temp. 38,7 o 12 h 15' (Herz wird schlecht)

12 h 24' Beginn der Adrenalindauerinfusion (0,06 mg/kg). II. Am e rh6h t en 12 h 25' Frequenz 7/20, Blutdruck 60 mm

B l u t d r u c k 12 h 30' ,, 6/20, ,, 65 ,, 12 h 37' ,, 6/20, ,, 65 ,, 12 ~ 38' ,, 6/20, ,, 65 ,, 12 h 39' ,, 6/20, ,, 41 ,, 12 h 50' ,, 7/20, ,, 70 ,, 12 h 52' ,, 7/20, ,, 70 ,, 12 h 53' ,, 7/20, ,, 50 ,,

10 mg Curin, 10 . . . . 10 . . . . 20 . . . . 20 . . . .

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Diese Versuehe stimmen tiberein mit den sehon zum Teil von Ti l l ie gemaehten Beobaehtungen am Kaninehen. Till ie land noeh, zur Ver- vollsti~ndigung sei das hier zitiert, dag die subkutane Injektion von 0,2 mg Curin am Kaninehen keine merkliehen Erseheinungen hervorrief, wi~hrend die gleiehe Menge intravenSs gegeben, zum sofortigen Tod ftihrte, und zwar zu definitivem Herzsti!lstand. Ebenso tSteten 0,08 g das Tier aueh, wi~hrend die Herzbewegungen noch ~/4 Stunde lang unregelm~tNg an- hielten. 0,06 g Curin wirkten dagegen bereits nieht mehr sieher, was aueh im folgenden Versuch besthtigt werden konnte.

C. Untersuchung der Atemgr~iite. Um eine cventuelle Einwirkung der Curinbase auf die Atemfrequenz und

Atemtiefe zu kontrollieren, wurde einem 2,5 kg sehwerem Kaninehen 3 ecru der 2%igen CurinlSsung intravenSs gegeben und mit der Atemmaske und Gasuhr die AtemgrSge dutch Bestimmung des Minutenvolumens und der f'requenz kontrolliert. Es konnte bci dieser Dosis eine Wirkung mit Sieherheit nieht naehgewiesen werden.

Ein orientierender Versueh am Warmblaterherzen naeh der Nethode yon l,angen dorff wurde noeh durehgefiihrt. Es wurden hier die sehon am Straub- herzcn gemaehten Erfahrungen best~ttigt. Eine LOsung von 1:10000 15brute das Herz des Meersehweinehens analog dem Straubherzen naeh 5--6 Minuten v611ig, w~hrend der Vorhof noch weiterarbeitete. Nach einiger Zeit erholte sieh das Herz spontan, zeigte aber weiterhin ausgesproehen peristaltisehe Kon- traktionen und aueh die beim Straubherzen beobaehtete Verdoppelung der Za.hl der Vorhofkontraktionen gegeniiber der beim Ventrikel. Eine zweite gleiehgrol3e Curingabe braehte einen endgiiltigen systolischen Stillstand der Ventrikel, w~ihrend die VorhSfe noeh einige Zeit unregelmhNg weitersehlugen.

Zusammenfa.ssend ist fiber die Wirkungen des Curins auf das Herz wohl folgendes zu sagen: Im Vordergrunde des Bildes steht eine negativ inotrope und ehronotrope Wirkung, welehe nieht dureh Vagusreiz bedingt sein kann, da sic dureh Atropin nieht aufgehoben wird. Diese Wirkung ist nur noeh zu erklaren dureh eine Lhhmung des Reizbildungssystems oder der l~berleitungselemente oder dureh eine l~Iuskelwirkung. Wahr- seheinlieh wird beides in gewissem Nage ineinandergreifen und so das etwas unklare Gesamtbild verursaehen. Gegen eine alleinige Muskel- wirkung sprieht nhmlieh, dab die elektrisehe Reizbarkeit des tlerzmuskels erhalten war.

DaB abet aueh noeh eine negativ dromotrope Wirkung das Bild be- herrseht, dafiir sprieht ja der regelm~tgig naeh l~tngerer Vergiftung ein- tretende Herzbloek. DaB eine Muskelwirkung mit im Spiele sein mug, dafiir sprieht nieht nur die OrSgenordnung der Konzentration - - 1:5000 l~thmt den quergestreiften Nuskel - - sondern aueh die nieht besonders gute t/eversibilitat naeh Ringerspiilungen.

Archiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. 13d. 174. 49

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D. V e r s u e h e am i s o l i e r t e n K a t z e n d a r m .

Um auch die Wirkung des Curins am glatten Muskel zu ermitteln, wurde der isolierte Katzendarm verwendet. Es zeigte sich, da6 eine Kon- zentration yon 1:6500 die spontane T~tigkeit des Darmes noch nicht vSllig zu l~hmen vermochte, hingegen eine LSsung yon 1:5000 eine voll- kommene L~hmung hervorrief. Dem L~hmungsstadium ging immer eine Welle versti~rkter Peristaltik vorat~s. Wi~hrend der L/ihmung sprach der Darm auf Acetylcholin nicht an, jedoch war dasselbe nach griindlichem Auswaschen des Darmes mit Ringerl6sung stark positiv. Wahrend der L~hmungsperiode waren dutch Zusatz yon Bariumchlorid myogene Er- regungen einwandfrei ill starken Zacken auszulSsen. Es ka~n also hier eine ~uskelwirkung des Curins keinesfalls im Vordergrunde des Bildes stehen. Es ist, ~hnlich wie auch beim Herzen, eine spezielle Wirkung des Curins auf das Ganglienzellensystem anzunehmen.

Z u s a m m e n f a s e n d l~13t sich aus den hier durchgeftihrten Versuchen im Verein mit den schon friiher gemachten Beobachtungen sagen, dal] dem Curin primi~r eine Herzwirkung zukommt, welcher sich bei hSheren Konzentrationen oder l~ngerer Einwirkung eine 5Tervenendplatten-und schliel31ich auch eine Muskelwirkung zugesellen. Es ist bekannt, da~ bei manchen schlechteren Curaresorten kreislaufschadigende Einfliisse irgend- welcher 5Tebenbestandteile das reine Curarinbild triiben sollen. Das ist in der Tat der Fall. Vulp ian 7 berichtet ebenso wie einige andere Autoren fiber solche Beobachtungen. Auch Til l ie weil3t auf diese Tatsache hin 5. ~an kann jedoch sagen, da$ eine Curinwirkung - - wenn sie allein das stSrende Agens sein sollte - - nur bei Versuchen mit Tubocurare in Frage kommt, welches ja, wie schon oben erwahnt, relativ grol3e Curinmengen enthalt, wi~hrend beim Calebassencurare eine Curinwirkung hSchst un- wahrscheinlich erscheint.

Eine kleine Rechnung soll fiber die quantitativen Verhi~ltnisse beim Tubo- curare und Curin zur Klhrung durchgeffihrt werden: Yqach Boehml und anderen Autoren enth~.lt das Tubocurare maximal" neben 12% Curin noch etwa 15% Curin bestenfalls. Die mittlere tSdliche Dosis ftir i kg Kaninchen ist bestenfalls 10 mg des Tubocurare. Das entspri~che einem Gehalt yon maxi- mal 1,5 mg Curin, welches das Tier ]nit injiziert bekommt. Wir sahen aber, dal3 nach Tillies und ebenso meinen Versuchen eine Dosis yon unter 24--25 mg Curin pro Kilo Kaninehen intraven6s gegeben keine besonderen Vergiftungs- erscheinungen hervorruft. So senkten ja bei der Katze 10 mg erst den Blut- druck um 10 mm.

Also scheint nach diesen Uberlegungen eine stSrende Wirkung des Curins allein kaum in Frage zu kommen, vielmehr ist es sehr vie1 wahr- scheinlicher, dal] noch andere im Tubocurare enthaltene Stoffe, wie z. B.

7 Lemons sur 1. substances toxiques. Paris 1882.

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Zur Pharmakologic und Chemic des Curins. 751

bis zu 5 % Kalisalze s und noch an@re sicher nicht indifferente undefinier- bare Substanzen zu diesen Nebenerscheinungen Anlag geben. Vielleicht dureh ihre Anwesenheit allein oder aueh in kombinierter Wirkung mit den Curinen und anderen Begleitstoffen.

Es w~re schlielglieh aueh noch die NSglichkeit gegeben, daft das Curin GMehgewiehtsreaktionen des sicher assoziierten Curarins in irgend- welcher Weise beeinflul~t. Ganz aufschluftreieh kSnnte deshalb die Auf- gabs sein, die kombinierte Wirkung beider reinen Stoffe zu untersuchen

Interessant ist ferner die Tatsache, dag in den versehiedenen Curare- sorten verschieden grofte Mengen an Curinen sieh linden und zwar ent- halten die wirksamsten Curarine im betreffenden Rohextrakt die ge- ringsten Mengen an Curinen, wghrend das an1 schwgchsten wirksame Tubocurarin am mesiten Curin enthglt, und da6 aufterdenl die Curine eine um so geringere toxisehe Wirkung zeigen, je geringer die Wirksamkeit des dazugehOrigen Curarins ist. Nach Boehms Angahen sind au~erdem die dem Calebassen und Topfcurare entsprechenden Curine in ihren Wirkungen viel hhnlicher dem Curarin Ms dem Tubocurin. Ordnct man die Curarine und Curine nach ihrer WirkungsintensitSt in Bezug auf ausgesprochene Curarinwirkung oder gr56eres Hervortreten anderer und weniger inten- siver Wirkungen, so kann man ungef/~hr das folgende Schema aufstellen:

(?uraresorten Curinsorten

Tubocur in -t- Cal-curin + Topfcurin + Tubocurar in -F Cal-curarin -f-

Wirksamkeiten mehr 5hnlich dem I. Curarin II . Curin

+ + 4 - + + + t + + +

+ + + + + + + + § §

Topfcurar in -t- + + -4- + -~- - - Zahl der -t- bedeu t en Sti~rke der be t re f fenden Wirkung .

Es ergeben sich aus meinen Beobachtungen - - ohne sie gewiehtig beweisen zu k@enn - - ebenso wie es Boehm u. Mayer auch sehon er- w~hntenl viele Gesichtspunkte, welche daffir sprechen, dab die Curine die Muttersubstanzen der betreffenden Curarine sind. Dafiir spricht nicht nur die Tatsache, dab naeh Schomburgks Erz~hlungen 9 die indiani- sehen GiftkSehe zu einer bestimmten Vegetationsperiode den Pflanzen im Stadium des st~rksten Safttriebes den als Ausgangsmaterial dienenden Kork heraussch~len, und so ein curinarmes wirksames Calebassencurarin gewonnen wird, w~hrend die anderen Curaresorten zu anderen, weniger gtinstigen Jahreszeiten gewonnen werden und so die Muttersubstanz

Curin vielleicht noch nieht in dem MaBe in die wirksamen quartern~ren Basen iibergegangen ist.

s Arch. Pharmac. 27, 662. - - 9 Reisen in Brit.-Guiana. Leipzig 1849, S. 410ff.

49*

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7 5 2 F. HAUSCItlLD :

V. Die Chemie des Curins.

Die Chemic des Tubocurins hat - - basierend auf den ausfiihrlichen Arbeiten yon Scholz und Koch tiber das BebeerinlO, durch die Ent- deckung yon Sp/ith, L a d e c k u. Le i the 2, dab das 1-Bebeerin mit dem Curin identisch ist - - grol]e Fortschritte gemacht. Spi~th und Mitarbeiter stellten im Jahre 1928 mit Material aus dem hiesigen Institut Iest, dab das yon S ch o ltz beschriebene d-Bebeerin aus der Pareirawurzel mit dem Curin zu gleichen Teilen vermischt, die gleiche Erh6hung des Schmelz- punktes ergab, welche S ch o It z bei der Vermischung der beiden optischen Komponenten des Bebeerins erhalten hatte. Durch weitere Vergleiche der Kristallformen, des optischen und chemischen Verhaltens z. B. bei Zinkstaubdestillation, Methylierung, Emdeschen Abbau usw. erhi~rteten sic diese Annahme, so da6 yon der chemischen und physikalischen Seite her keine Bedenken mehr bestanden, das Curin als mit dem 1-Bebeerin identisch anzusprechen.

Es wurde so sichergestellt, dal] das Curin eine Isochinolinbase ist, deren Pyridinring tetrahydriert ist und an dessen Stickstoffatom eine Methylgruppe sitzt. Zwei Sauerstoffatome scheinen als Methoxylgruppen gebunden zu sein und an dem Isochinolinring ist noch ein p-Oxybenzylring i~therartig gebunden, wobei bis jetzt nut noch nicht sichergestellt ist, an welchen Stellen die drei Sauerstoffe am Benzolkern des halbhydrierten Isochinolinringes sitzen. Folgende Formel wird als wahrscheinlich ange- n o m m o . :

\ o / \ e l l

F a l t i s schliigt vor, yon nun an das Curin sowie auch das 1-Bebeerin als 1-alpha-Chondodendrin zu bezeichnen 11. l~achdem nun so durch chemische und physikochemische lV[ethoden die Identit/~t sichergestellt ist, war noch zu prtifen, ob die beiden identischen Stoffe auch einer ver- gleichenden pharmakologischen Analyse standhalten. In Bezug auf die pharmakologischen Eigenschaften des 1-Bebeerins war ich nut auf die spi~rlichen Angaben in der Literatur angewiesen, denn es zeigte sich, da6 wie auch Schol tz angibt, die Gewinnung der 1-Base aus der Pareira- wurzel mit dem zur Zeit auf dem Markte befindlichen Material h(ichst un- sicher, ja sogar unmSglich ist. Man erh/ilt jetzt aus der Wurzel immer nur das d-Bebeerin, Iso-Bebeerin und Chondodendrin. Es wurde deshalb auf dieses zeitraubende Risiko verzichtet und ich glaube, die folgenden

lo Arch. Pharmac. 250--253ff. - - 11 Bet. dtsch, chem. Ges. 62, I, 635.

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Zur Pharmakologie und Chemie des Ctlrins. 753

Vergleichsdaten genfigen, um auch vonder pharmakologischen Seite aus die Identiti~t der beiden Basen als sichergestellt anzunehmen.

VI. Verg le iche yon Curin und 1-Bebeerin.

Die einzigen pharmakologischen Untersuchungen wurden im Jahre 1907 yon H i l d e b r a n d t fiber die verschiedenen Bebeerine lu und 1914 von K o c h m a n n u. Gabbe fiber das Isobebeerin gemacht 13. Es sei hier kurz au~geffihrt, was H i l d e b r a n d t fiber die Wirkungen des 1-Bebeerin am Tiere feststellte. H i l d e b r a n d t injizierte dem Frosche 15rag 1- Bebeerin (krist.!), welches nut voriibergehende Erscheinungen - - be- sonders Schwerfi~lligkeit der Bewegungen - - hervorrief. Ein zweites Mal fief die Injektion der doppelten Dosis, also 30 rag, den Tod hervor, wobei H i l d e b r a n d t die bekannte Herzwirkung, die ja dem Curin zukommt, aueh bier konstatiert. Auch beschreibt H i l d e b r a n d t die curarei~hnliehe Wirkung auf die Nervenendplatten, welche ich bei meinen Nerv-Muskel- versuchen welter oben ja auch feststellte. Seltsamerweise, dies sei hier hinzugeffigt, wird eine solehe Wirkung des Curins von B o ehm und Mit- arbeitern nicht festgestellt. Das methylierte Bebeerin wirkte bei Hi lde- b r a n d t auch wie das reine Curarin. Bei der weil~en Maus war nach H i l d e b r a n d t die thdliehe Dosis gerade noch 15 mg des Bebeerins (leider keine Angaben fiber das Gewicht des Tieres, wahrscheinlich abet bezogen auf 100 g Maus). Beim Kaninchen wirkten 0,6 g ffir ein 1500 g schweres Tier nicht thdlich. Dieses sind alle auffindbaren Daten und man kann wohl sagen, da~ sic sich durchaus den Ergebnissen und Daten, welche oben yore Curin beschrieben wurden, anreihen. Zu beachten ist noch, da~/ alle diese Daten fiir das kristalline Curin zu gelten haben, denn t t i l d e b r a n d t will eine unterschiedliche Wirkungsintensitht zwischen den amorphen und kristallinen Bebeerinen festgestellt haben. Au~erdem zeigt sich aus den Hi ldebrand tschen Versuehen, da6 alas d-Bebeerin viel starker wirksam ist als das dem Curin entsprechende 1-Bebeerin.

interessant vom theoretischen Standpunkte aus ist diese Tatsache, dal~ die amorphe und kristalline Modifikation ein und derselben Ver- bindung Bin verschiedenes biologisehes Verhalten zeigen sollen. Denn gerade jetzt linden die molekularkinetischen und ri~umlich strukturellen Vorstellungen der Molekiile durch die Arbeiten von Ha l le r , Meyer u. a. wieder besondere Bedeutung. Man khnnte sich die obige Tatsache viel- leicht so erklaren, dal~ die Molektile der kristallinen Verbindungen auch in Lhsung besonderen elektrostatischen Anziehungskri~ften unterliegen nnd aaeh im gelhsten Zustande nicht planlos dnrcheinander sehwirren,

1~ Arch. f. exper. Path. 57, 279 (1907). -- la Arch. Pharmac. 1914, 535.

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754 F. ttAUSCHILD.

sondern irgendwelche geformte Molekiilhaufen bilden, bei denen eine grol~e Zahl der sonst biologisch wirksamen Gruppen kaschiert sind. Damit wiirde auch iibereinstimmen, da~ die amorphen Verbindungen starker wirken als die kristallinen.

In einigen Versuchen wurden noch nachtrgglich diese Beobachtungen auch beim Curin gepr~ft und es konnten vorlgufig die diesbezilglichen Ergebnisse nicht mit Sicherheit bestatigt werden. 'Die folgende Auf- stellung zeigt, da~ die letale Dosis bei der Maus auch beim amorphen Curin um 20 mg pro 100 g Maus liegt (s. oben).

Dosis des amorphen Curins Ausgang

15 mg pro 100 g 20 , , 100 ,, 18 100

+, § - , +, -~-

Des weiteren, wurde auch am Straubherzen, wo Resorption und Elimination nun ausgeschlossen waren, eine Unterschiedlichkeit in der Starke der Wirkung der beiden Curin festzustellen versucht. Dies gelang jedoch auch hier nicht. Die das Herz zum Stillstand bringenden Dosen der beiden Curine waren auch hier nicht fiber die Fehlergrenze hinaus- gehend verschieden.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Eine zusammenhangende pharmakologische Analyse des mit dem l-Bebeerin identischen, nach F a l t i s als l-alpha-Chondodendrin zu be- zeichnenden tertiaren Curins, welches als Begleitstoff des Tubocurare vorkommt, war noch durchzuf~hren.

Sie bestatigte die schon friiher fetsgestellte Herzwirkung, die als An- griffspunkte die Reizbildungs- und Reizleitungselemente zu haben scheint. Nicht aber konnten damit die Kreislaufwirkungen sehlechter Curare- soften erklart werden, die noch auf andere Beimengungen, vielleicht auch auf Kaliumsalze, zur~ckzuf~hren sin& Aul]erdem zeigt das Curin in st~rkeren Konzentrationen eine l~hmende Wirkung auf den querge- streiften Muskel selbst, welche einen coffein~hnlichen Charakter hat, Eine Lahmung der Nervenendplatten wird im Einklang mit den Ergeb- nissen yon H i I d e b r a n d t festgestellt. Es ist wahrscheinlich, da~ die Curine die Muttersubstanzen der Curarine darstellen. Die Identit~t des Curins mit dem l-Bebeerin wurde durch das gleiche biologische Verhalten auch von dieser Seite aus sichergestellt. Nicht abet konnte ein ver- schiedenes biologisehes Verhalten des amorphen und kristallinen Curins in quantitativer Hinsicht nachgewiesen werden.