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Zur Physiologie der Pigmentzellen, zugleich ein Beitrag zur Funktion des Stellarganglions der Cephalopoden, Yon R. F. Fnchs (Erlangen). (Aus der physiologischen Abteilung der Zoologisehen Station in Neapel.) Mit Tafel XIX und XX. Eingegangen am 8. M~rz 1910. Der Farbenwechsel der Tiere ist eines der interessantesten Pro- bleme der Biologie, es lenkt die Aufmerksamkeit des Anatomen, Physiologen und Zoologen in gleichem Mal]e auf sick Denn die Er- seheinungen der TierfKrbung sind ein reiehes Feld far Untersuehungen auf dem Gebiete der funktionellen Anpassung, da wir uns stets fragen mtissen, welehe causalen Momente haben die so weitffehende Spe- zialisierung und Ausgestaltung des koloratorischen Apparates herbei- geflthrt. Die ganze Lehre D~tI~WmS nimmt die Tatsaehen des Farben- weehsels als einen gegebenen Faktor hin und versueht mit seiner Hilfe eine Reihe yon biologischen Erscheinungen zu erkliiren, ohne aber eine Erklarung fiir das Zustandekommen dieses Farbenweehsels selbst zu bieten. Der Meehanismus des Farbenwechsels ist bereits an zahlreichen Tierklassen eingehend studiert worden, und alle Untersuehungen, yon den altesten bis zu den neuesten, haben als Element dieser Ersehei- nung die weehselnden Zust~nde der Expansion der Pigmentzellen er- geben. Ieh sehe in diesen AusfUhrungen yore Farbenwechsel der Sehmetterlinge, sowie Ver~nderungen des Feder- und Wollkleides der Tiere ab. Wenn wir nun den dureh Chromatophoren bedingten Farben- weehsel studieren, so sin4 zwei g'roBe Typen der Chromatophoren- tatigkeit voneinander zu scheiden. In der einen Gruppe besteht ein eigner, wohldifferenzierter Musk e lapp a r at an der einzelnen Zelle~

Zur Physiologie der Pigmentzellen, zugleich ein Beitrag zur Funktion des Stellarganglions der Cephalopoden

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Page 1: Zur Physiologie der Pigmentzellen, zugleich ein Beitrag zur Funktion des Stellarganglions der Cephalopoden

Zur Physiologie der Pigmentzellen, zugleich ein Beitrag zur Funktion des Stellarganglions

der Cephalopoden, Yon

R. F. Fnchs (Erlangen).

(Aus der physiologischen Abteilung der Zoologisehen Station in Neapel.)

Mit Tafel XIX und XX.

Eingegangen am 8. M~rz 1910.

Der Farbenwechsel der Tiere ist eines der interessantesten Pro- bleme der Biologie, es lenkt die Aufmerksamkeit des Anatomen, Physiologen und Zoologen in gleichem Mal]e auf sick Denn die Er- seheinungen der TierfKrbung sind ein reiehes Feld far Untersuehungen auf dem Gebiete der funktionellen Anpassung, da wir uns stets fragen mtissen, welehe causalen Momente haben die so weitffehende Spe- zialisierung und Ausgestaltung des koloratorischen Apparates herbei- geflthrt. Die ganze Lehre D~tI~WmS nimmt die Tatsaehen des Farben- weehsels als einen gegebenen Faktor hin und versueht mit seiner Hilfe eine Reihe yon biologischen Erscheinungen zu erkliiren, ohne aber eine Erklarung fiir das Zustandekommen dieses Farbenweehsels selbst zu bieten.

Der Meehanismus des Farbenwechsels ist bereits an zahlreichen Tierklassen eingehend studiert worden, und alle Untersuehungen, yon den altesten bis zu den neuesten, haben als Element dieser Ersehei- nung die weehselnden Zust~nde der Expansion der Pigmentzellen er- geben. Ieh sehe in diesen AusfUhrungen yore Farbenwechsel der Sehmetterlinge, sowie Ver~nderungen des Feder- und Wollkleides der Tiere ab. Wenn wir nun den dureh Chromatophoren bedingten Farben- weehsel studieren, so sin4 zwei g'roBe Typen der Chromatophoren- tatigkeit voneinander zu scheiden. In der einen Gruppe besteht ein eigner, wohldifferenzierter Musk e l app a r at an der einzelnen Zelle~

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wie z. B. bei den Chromatophoren der Cephalopoden. Denn nacb den Untersuchungen der versehiedensten Autorenl), ich nenne nur KLEMENCIEWICZ~ PHISALIS~ SAMASSA~ SOLGER~ I-I. RABL~ STEINACH und C~u~, sind die Radi~irfasern zweifellos glatte Muskelfasern. Bei dieser Art yon Chromatophoren ist die aktive Phase die der Expan- sian des Pigments. Ihr gegeniiber steht eine zweite Gattung yon Chromatophoren, die k e i n e n e igens d i f f e r e n z i e r t e n m o t o r i s e h e n Appara t in Form yon Muskeln haben, wie z. B. die Pigmentzellen der Amphibien. Bei ihnen ist die aktive Phase die der Ballung des Pigments. Es liegt nun nahe, danach zu fragen, welche Bedingungen haben zur Differenzierung der beiden Typen yon Chromatophoren ge- fUhrt, es ist das eine Frage, die nur auf dem Wege der yon Roux inaugurierten causal-morphologischen Forscbung gelSst werden kann. Aber diese Frage ist nicht die einzige, die uns entgegentritt, auch die I n n e r v a t i o n der P i g m e n t z e l l e n weist weitgehende Unter- schiede auf, indem nut ein Teil der Chromatophoren mit dem Nerven- system in Beziehang tritt, ein andrer scheinbar ohne alle nervSsen Verbindungen ist. Ferner haben meine Versuche:), in Ubereinstim- mung mit denen vieler andrer Forseher, ergeben, dab beim Frosch nur die Melanophoren den Farbenwechsel bedingen, w~hrend die Xantholeueophoren und Erythrophoren auf die verwendeten mannig- faehen Reize stets reaktionslos blieben. Ftir Xantholeucophoren hat abet BIEDERMANN 3) naehgewiesen, dab sie gleichfalls unter nervSsem EinfiuB stehen mtissen, dab abet bei ihnen dis gleichen nervSsen Ein- fiUsse (ZerstSrung des Thalamus optieus beim Frosch) die entgegen- gesetzte Wirkung austiben (Ballung des Lipochroms) als auf die Me- lanophoren (Expansion des Melanins). Auch hier ist ein interessantes Problem zu 15sen, wie denn tiberhaupt die Innervation der Pigment- zellen und vor allem die Frage nach den koloratorischen nerv(isen Centralorganen, sowie deren Verkntipfung mit den peripheren Erfolgs- organen uns noeh viele Riitsel bietet. Trotz der zahh'eichen Unter- suchungen tiber die koloratorischen nervSsen Centralorgane sind wir

1) Beziiglich der gesamten Literatur sei verwiesen auf die zusammen- fassende Darstellung yon G. vA~ RYh'BERK: Uber den durch Chromatophoren bedingten Farbenwechsel der Tiere (sog. Chrom~tische Hautfunktion). Ergeb- nisse d. Physiologie. Jahrg. V. 1906, ferner auf die Darstellung yon E. GAuPP in Bd. III der Anatomie des Frosches yon ECKER-GAuPr. 2. Aufl. 1904.

2) R. F. Fvcr~s, Zur Physiologie der Pigmentzellen. Festschrift fiir J. RO- SENTtIAL. Leipzig 1906 und Biolog. Centrbl. Bd. 26. 1906.

3) W. BIEDERMAN:N, Uber den Farbenwechsel der FrSsche. Arch. f. d. ge- samte Physiologie (PFLi)~nr:). Bd. 51. 1892.

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heute noch nicht imstande, eine die Entwicklungsmeehaniker gewiB sehr interessierende Frage zu beantworten, n~mlicb, w e 1 e h e M o m e n t e v e r a n l a s s e n Uberhaup t die D i f f e r e n z i e r u n g e i g n e r k o l o - r a t o r i s c h e r Cen t r en im N e r v e n s y s t e m . Es ist allerdings sehr naheliegend, anzunehmen, dab die koloratorisehen Centren sich zu- erst bei jenen Tieren durch funktionelle Anpassung entwiekelt haben dtirften, bei denen die koloratorisehen Funktionen eine lebens- wieh t ige Bedeu tnng , and vor a l l em aueh eine grol]e Mann ig - f a l t i g k e i t i h r e r F o r m erlangt haben. Denn bei diesen Tieren er- gab sich zuerst die lqotwendigkeit eigner koloratoriseher Central- organe, um einesteils diese lebenswiehtigen sich stiindig wiederholen- dan Vorg~nge in feste Bahnen zu lenken, die einen gesetzm~Bigen prompter Ablauf der Erseheinung siehern, sie zum R e f l e x zu maehen. Da alle primitiven nervSsen Centralorgane nur Reflexorgane sind, so liegt es nahe, daran zu denken, dab die standig wieder- kehrenden einfaehen Erregungsvorgange in letzter Linie den Anstof~ zur Differenzierung eines Centralnervensystems Uberbaupt gegeben haben; fur die Ausbildung besonderer koloratoriseher Centren kommt aueh noeh der Umstand in Betraeht, dab mit der Mannigfaltigkeit der Reaktion sieh die N o t w e n d i g k e i t yon K o o r d i n a t i o n s e e n t r e n ergeben mug, wenn auf die versehiedenen Reize versehiedene, von- einander deutlieh unterseheidbare Reaktionen erfolgen sollen.

Die aufgeworfenen Fragen werden aber erst dann eine befrie- digende Antwort finder k~nnen, wenn nns die versehiedenen Funk- tionen der e inze lnen koloratorisehen Centren dureh vergleichend physiologische Untersuehungen bekannt sein werden. Von den skiz- zierten IJberlegungen ausgehend, versuehte ieh gelegentlieh meines Aufenthaltes an der Zoologisehen Station zu l~eapel, im Frtihjahr 1908~ neue Beobachtungen tiber die koloratorischen Centralorgane an Tieren mit sehr lebhaftem und versehiedenartigem Farbenwechsel anzustellen, weil ieh erwartet% eine feinere Differenzierung der chromatisehen Funktionen und ihrer Beziehungen zum Centralnervensystem auffinden zu kSnnen.

Als klassisehe Versuchsobjekte fUr derartige Untersuehungen sind seit den ersten Versuchen yon KLESIE:NSIEWICZ J), FREDERICQ2), 1)HI -

I) RUDOLF KLEMENSIE~,VICZ~ Beitr:~tge zur Kenntnis des Farbenwechsels tier Cephalopoden. Sitz.-Ber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien. Math. natw. K1. Bd. 74. Abt. 3. Jahrg. 1878.

2) LI~ON I~REDERICQ, Recherches sur la physiologie du poulpe commun. Arch. de zoolog. ~xp6rim. et g6n6rale. T. VII. 1878.

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SALIXI), V. UEXKULL2), STEINACH 3) sowie F. B. HOFMAb~57 4) U. a. Ce- phalopoden verwendet worden, deren aueh ich mich bediente. Meine Versuehe wurden an Loligo vulgaris, Sepia officinalis, Octopus vul- garis und Eledone moschata ausgefUhrt. Da sich aber Eledone wegen seiner groBen Widerstandskraft gegenUber operativen Eingriffen vor den iibrigen genannten Cephalopoden auszeiehnet, so habe ieh spi~ter nur noch an Eledone experimentiert; die Ergebnisse der Versuehe an Eledone lege ieh dieser Darstellung zugrunde~ will aber bemerken, dab die andern Cephalopoden ganz analoge Erseheinungen darboten, wie aus der Abbildung eines Versuehes an Octopus vulgaris auf Tafel XIX Fig'. 3 ersichtlieh ist.

Die erste Reihe yon Versuchen bestand darin, dab einer frisch gefangenen Eledone das M a n t ' ~ l c o n n e c t i v (Mantelnerv) mSglichst c e n t r a l w i ~ r t s vo~n S t e l l a r g a n g l i o n d u r e h s c h n i t t e n wurdeS). Anfangs fiihrte ieh die.Operation so aus, dab zuerst das Septum mit der Sehere durehtrennt und der Mantel umgestUlpt wurde, worauf unter Leitang des Auges die Durehtrennung des Manteleonnectivs er- folgte. Da aber die Umsttilpung des Mantels ein grober Eingriff und au•erdem zur Durchschneidung des Connectivs tiberfliissig ist, so babe ieh spi~ter die Durchtrennung ohne vorherige Durchsehneidung des Septums und UmstUlpung des Mantels vorgenommen. Diese seho- nendere Operationsmethode ist leicht auszuftihren. Die Arme nnd der Kopf des Tieres werden so in ein Tuch eingeschlagen, dab nnr der Mantel herausschaut. Dann wartet man eine Inspirationsbewe- guns ab, bei welcher der freie Mantelrand sieh 5ffnet, und ftihrt

i) C. PnISALIX, Recherches physiologiques sur les chromatophores des C@halopodes. Arch. de physiol norm. et pathol. /BRowN S]~QUARD.) S~r. 5. T. IV. Jahrg. 24. 1892.

Nouvelles recherches sur les chromatophores des C6phalopodes. Centres inhibitoires du mouvement des taches pigmentaires. Ibidem S6r. 5. T. VI. Jahrg. 26. 1894.

~) J. YON UEXKi~LL, Physiologische Untersuchungen an ~ledone moschata. IV. Zur Analyse der Funktionen des Centralnervensystems. Zeitschr. f. Biol. Bd. 31. N.F. 13. 1895.

3) E. STEInbOk, Studien fiber die Haut~rbung und fiber den F.~rbenwect~sel der Cephalopoden. Arch. f. d. ges. Physiol. (PFnOGER.) Bd. 87. 1901.

i) F. B. HO~ZANN, l~ber einen peripheren Tonus der Cephalopoden-Chro- matophoren und fiber ihre Beeinflussung dureh Gifte. Arch. f. d. ges. Physiol. (PFLUGER.) Bd. 118. 1907.

5) Eine zusammenfassende l)bersicht fiber die Anatomie und Physiologie der Cephalopoden wurde verSffentlicht yon VICTOR BAUER, Einffihrung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitteilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. 19. 1909.

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einen Finger in die MantelhShle ein, ltings dem man mit der Sehere eingeht und den.~queren Strang (Musculus lateralis), der das Con- neetiv veto Stature zum Mantel leitet, durchsehneidet. Sofort naeh der Operation wird das Tier wieder in das grebe Bassin des Labora- r zurUckgebracht, in dem es lebhaft aufgeregt umherschwimmt. Bei einiger bTbung erfordert die ganze Manipulation, einschlieBlieh des Einschlagens in das Tuch, kaum 5 Minuten Zeit. In allen Versuchen wurde immer der reehte Mantelnerv durchschnitten.

Ist die v o l l s t a n d i g e D u r e h s c h n e i d u n g d e s M a n t e l c o n - n e e t i v s gelungen, dann ist die o p e r i e r t e S e i t e d e s M a n t e l s

g a n z b l a B , v i e l h e l l e r a l s be i e i n e m r u h e n d e n n i c h t o p e - r i e r t e n T i e r . Denn normale Tiere haben beim ruhigen Sitzen stets eiue leicht graubraune Fi~rbung, wi~hrend die operierte Seite des Mantels direkt weiB erseheint nnd sich scharf yon der nach der Ope- ration sehr dunkelbraunen normalen Mantelhi~lfte abhebt. Die Li~h- n~ung der Chromatophoren naeh Mantelnervendurchsehneidung hat zu- erst FREDERICQ beschrieben, der den durchschnittenen Mantelnerv elektrisch reizte nnd wie KLEMENSIEWICZ bei R e i z u n g des M a n t e l - h e r r e n eine i n t e n s i v e V e r d u n k e l u n g der zugehSrigen Mantel- hi~lfte beobaehtet.

FREDERICQ beschreibt den Versuch folgendermal3en: �9 I1 suffit de couper un neff pall~al pour paralyser les muscles de la

respiration de co c6t~ et pour abolir compl4tement le jeu des chromatophores de ee c6t~. La moiti6 du manteau p~lit imm~diament, et i! n'est plus au pouvoir de l'animal de changer la teinte claire et uniforme qui se produit alors et qui tranche vivement avec le ton fonc~ de l'autre c6t(~ du manteau. Si au contraire, roa excite, /~ l'aide de la pince ~lectrique, le bout p~riph4rique du nerf pall~al coup~ ou le ganglion ~toil6, on, ce qui revient au m~me, si on les froisse entre tes mors d'une pince, route la r~gion correspondante du manteau reprend sa teinte forte@, par suite de l'expansion des chromatophores. I1 n'y a pus d'exp6rience physiologique dent les r~sultats soient plus clairs et plus constants.

Auch 1)HISALIX hat die Li~hmung der Chromatophoren naeh Mantelnervendurehsehneidung beobachtet, ferner hat v. UEXKULL eine ,halbseitige Li~hmung der Chromatophoren, welche in diesem Versuehe allerdings dutch eine Durchschneidung tier einen hinteren Commissur hervorgerufen war, photographisch abgebildet. Endlich hat HOF~IA~r die Erscheinungen der Chromatophorenliihmung nach Durchsehneidung des Mantelconnectivs neuerdings beobachtet.

Dieser Zustand der extremsten Pigmentballung ist aber k e i n d a u e r n d e r . Schon am zweiten Tage naeh der Operation beginnt der Farbenunterschied zwischen den beiden Mantelh~tlften beim ruhig

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sitzenden Tier abzublassen, w~thrend jede Erregung des Tieres sofort die gelahmte Seite scharf hervortreten lal~t. Die allmahliche Farben- ~tnderung der gel~ihmten Seite zeigt vor allem eine immer starker hervortretende G e l b f ~ r b u n g gegenUber der ursprtinglichen Bl~sse; diese Gelbfitrbung ist bereits am dritten bis vierten Tage nach der Operation so weit fortgeschritten, dab die operierte Seite des ruben- den Tieres nicht mehr heller erscheint als die normale Seite, ja in den sp i t t e ren Ze i t en nach der O p e r a t i o n ist d ie o p e r i e r t e Mantelhi~lfte sogar d u n k l e r a ls d ie normale . Sobaldaber das Tier irgendwie erregt wird, so dab auf der normalen Seite die Chro- matophoren stark expandieren~ dann tritt natUrlich der Farbenunter- sehied der beiden Mantelhi~lften wieder sehr deutlieh hervor, da eine vom Centralnervensystem des Tieres ausgehende Erregung der Chro- matophoren nur auf der intakten Seite wirksam ist. FUr gewShnlich kann man an der operierten Seite gar kein Chromatophorenspiel sehen. Aber die Untersuchung zeigt, dab die m e c h a n i s e h e Er l"egbar- ke i t der C h r o m a t o p h o r e n en'orm g e s t e i g e r t is t and a l l e Re ize l ange i t b e r d a u e r t . Die allmghliehe Farbenvergnderung der operierten Seite sehreitet gewShnlich yon tier Mitte and dem vorderen Rande des Mantels aus gegen die seitlichen Mantelpartien vor, abet es kommt auch gelegentlich vor~ dab mitten in der gelghmten Partie dunklere Stellen entstehen, yon denen dann die allmi~hliche dunklere Farbung fortschreitet. Alle diese Befunde an Eledone deeken sieh vollstgndig mit den yon HOFMANN an Sepia erhobenen. Auch Wolkenwandern babe ieh vielfach beobachtet. Dagegen muB ich im Gegensatz zu HOF~[AN~, der keine ausgesprochene Lichtreaktion, aller- dings an Sepi(% beobachtet hat, in Ubereinstimmung mit S rE~ACH and HEICTEL 1) konstatieren~ dab das L i c h t e inen s t a r k e x p a n - d i e r e n d e n E inf luB a u f die Chrom*atophoren aus t ib t , oder~ wenn ich reich zun~ehst an die Ergebnisse der Versuche halte, muB ieh sagen, dab im S o n n e n l i c h t eine a l l e r d i n g s be i den v e r s c h i e - denen T i e r e n nieht immer g l e i eh s t a r k e V e r d u n k e l u n g tier no rma l i n n e r v i e r t e n M a n t e l f l g c h e e in t r i t t . Meist handelt es sieh sogar um eine sehr intensive Verdunkelung. M e r k w U r d i g e r - weise r e a g i e r t d ie S e i t e , d e r e n M a n t e l c o n n e e t i v durch- s c h n i t t e n w o r d e n is t , n i e h t au f L i c h t r e i z e , wenu d ie Be- l i e h t u n g s v e r s u e h e in den e r s t e n T a g e n n a c h d e r O p e r a t i o n

~) E. HERTEL, Einiges iiber die Bedeutung des Pigments ftir die physiolo- gische Wirkung der Liehtstrahlen. Zeitschr. f. allgem. Physiolog. Bd. 6. 1907.

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a n g e s t e l l t we rden . In der s p ~ t e r e n Zei t naeh der Opera - t ion t r i t t e ine a l lm~h l i eh i m m e r s t a r k e r w e r d e n d e L i c h t - r e a k t i o n der o p e r i e r t e n Sei te ein, die sehlieBlieh so stark wird, dab beide Seiten des belichteten Tieres gleich dunkel sind, wie die Abbildung des Versuches an Eledone VI, Tar. XIX Fig. 4, zeigt. ~Tur eia Untersehied bteibt noch bestehen zwischen den beiden Seiten: die normal innervierte Seite reagiert r a s c h e r als die operierte Seite. Aus diesen Beobaehtungen geht hervor, dab Lichtreize anter normalen Verhliltnissen zuerst dem C e n t r a l n e r v e n s y s t e m zugeleitet werden and yon dort aus erst die Chromatophoren reflektorisch zur Expan- sion bringen. Die Versuche lehren aber auch, dab die Chromato: phoren, die in keinem Zusammenhang mehr mit dem Centralnerven- system stehen, durch Licht erregt werden, wenngleich die direkte Reizwirkung des Lichtes auf die Chromatophoren eine triigere ist als jene auf dem Umweg dutch das Centralnervensystem. Die Beobaeh- tung yon X:)HISALIX, dab Belichtung eines Cephalopoden sofort Er- b lassen des Tieres herbeifiihrt, babe ich hie best~itigen kiinnen. AuBerdem wird noch yon FREDERICQ angegeben, dab Beliehtung einer umsehriebenen Stelle der Kopfhaut mit dem dureh eine Sammellinse konzentrierten Sonnenlieht ein E r b l a s s e n der beleuchteten Stelle hervorruft. Da ieh zur Zeit der AusfUhrung meiner Versuehe in Neapel diese Beobaehtung FREDERICQS nieht kannte, habe ich eine Wiederholung dieses Versuehes leider unterlassen.

Die Beliehtungsversuehe warden yon mir in nachstehender Weise angestellt. Unmittelbar vor Anstellung des Versuehes wird ein kleines niedriges Glasbassin mit weiBem Milchglasboden, das zum Photogra- phieren der Versuchstiere benutzt wird, auf die naeh SUden gelegene Loggia der Station gestellt and mit frischem Seewasser gefUllt. Dann wird das Tier vorsiehtig aus dem groBen Bassin des Laboratoriums in das kieine Bassin gebracht und das ganze Bassin mit einem sehwarzen Taeh v o l l s t ~ n d i g verdeckt, so dab aueh yon den Seiten her kein Lieht eintreten kann. Naeh einer 15--30 Minuten dauernden Ver- dunkelung wird das Tuch rasch yore Bassin entfernt. W~thrend dieser D u n k e l p e r i o d e ist das Tie r ganz hel l geworden . Dieser Zu- stand wird sofort durch Momentphotographie festgehalten, wie die Abbildung yon Eledone VII (Taf. XX Fig. 9) zeigt. Das Tier ist so blaB, dab es sieh kaum yon der weiBen Milehglasplatte des Bassins abhebt. Aber schon naeh kurzer Zeit beginnt die normal innervierte Seite sieh zu verdunkeln (Taft XX Fig. 8). Bedeckt man das Bassin, in dem das nun einseitig dunkel geFarbte Tier sich befindet, yon

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neuem mit dem schwarzen Tueh, dann wird alas Tier wieder hell usw. Man kann ohne Schwierigkeiten bei empfindlichen Tieren den Ver- such mehrfach wiederholen, was ich oft getan habe. Da in diesen Versuchen nur der L i c h t z u t r i t t verandert wird, so kann wohl die L i c h t r e a k t i o n des T i e r e s ke inem Z w e i f e l u n t e r l i e g e n .

Man kSnnte gegen diese Versuche allerdings zunaehst noeh fol- genden Einwand erheben, der die direkte Wirksamkeit des Liehtes i n Frage stellen warde. Wir wissen aus den Versuehen der fraheren Autoren, insbesondere aus denen yon tIoFMAN~, dab der S a u e r s t o f f s t a rk e x p a n d i e r e n d au f die C b r o m a t o p h o r e n der Cepha lo - p o d e n wi rk t . Wenn nun das Bassin mit dem schwarzen Tueh ver- deekt wird, dann ist der Luftzutritt zum Wasser ersehwert, wabrend bei Abwesenheit des Tuches der Luftsauerstoff leiehter in das See- wasser diffundieren kann. Dieser Einwand erledigt sieh abet aus mehrfaehen GrUnden. Werden die glasernen SeitenwKnde des Bas- sins nieht mit verdeekt, dann tritt eine w e n i g e r v o l l s t a n d i g e A u f h e l l u n g des T i e r e s e in , als wenn das ffanze Bassin verdeekt ist. In diesen Parallelversuchen ist natUrlich tier Luftzutritt der gleiehe. Ferner ist tiber dem Wasser des Bassins noah eine Luft- sehieht, da das Tuch alas Wasser nieht berUhrt, und endlieh ist das Tueh noch immer gentigend por~s, um eine Circulation der Luft zu gestatten, so dab die Diffusionsverh~ltnisse des Luftsauerstoffs in das Seewasser nicht wesentlieh geandert werden. Denn das Tier befindet sich ja ganz unter Wasser. AuBerdem sprieht noeh folgender trif- tige Grund dagegen, dab die Aufbellung" im verdunkelten Bassin und die Expansion tier Chromatophoren im,.Ybeliehteten Bassin auf Wir- kung des Sauerstoffs zu setzen ist.. Auf tier operierten Mantelhalfte ist die meehanische und elektrische Erregbarkeit der Chromatophoren erhSht. Ich babe auBerdem abet auch, in Ubereinstimmung mit HO~'~AN~, beobachtet, dab bei direkter Lufteinwirkung vielfaeh die Br~unung des Mantels auf der operierten Seite frtiher beginnt als auf der normal innervierten~ so dab ich daraus schlieBen mSchte, dab auch die ehemische R e i z b a r k e i t der C h r o m a t o p h o r e n auf der o p e r i e r t e n Se i te erhSht ist. Allerdings babe ich tiber diesen Punkt keine systematisehen Versuehsreihen angestellt, sondern reich mit gele~entliehen Beobaehtunffen begntigt. Ware es tier bessere Zu- tritt des Sauerstoffs beim unbedeekten Bassin 7 der die Dunkelung des Tieres veranlaBt, dann mtiBte die o p e r i e r t e Seite frtiher dunkel werden als die normal innervierte, was fur gewShnlich n icht zu be- obachten ist.

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Aus diesen Versuehen geht nun zweifellos hervor, daft das Lieh t auf die C h r o m a t o p h o r e n sowohl d i r e k t a ls auch r e f l e k t o - risch e r r e g e n d wi rk t , wobei nach den Versuchen yon KLEME~- sI•WICZ anzunehmen ist, dab das Auffe beim Zustandekommen des Reflexes eine Rolle spielt, denn die yon STEIN.~CrI als wesentlieh er- kannten yon den Saugniipfen ausffehenden Reflexe scheiden in me ine r Versuehsanordnung aus, weil die Beschaffenheit der glatten Glasplatte in allen Versuchen die gleiche war~ so dab yon dem mit den Armen berUhrten Boden ke ine v e r s c h i e d e n e n Tastempfindungen ausgelSst werden konnten.

Da sieh die Tiere in meinen Versuchen auf einer ganz weiBen Milehglasplatte befanden, so zeigen die Versuche, dab die vielfaeh, SO aueh YOn KLEIVIEbi'SI:EWICZ, ausgesproehene Meinung, das Tier passe sieh mit seiner Fiirbung der Farbe des Grundes an, einer Einschr i in - kung bedarf. Um diese Ubereinstimmung der Farben bzw. Hellig- keiten herbeizuftihren, sind wahrseheinlich eine Reihe sieh gegen- seitig beeinflussender reflektorischer Erregungen notwendig. Wenn aber ein Reiz in seiner Intensifier die andern s e h r s t a r k t iber - w i e g t , dann wird die Koordination der Reflexe gestSrt, und das Tier reaffiert nur auf den besonders kr~tftigen Reiz. Alle diese Beobach- tungen und UberlGgungen weisen darauf hin, dab die yon frUheren Autoren als w i l l k U r l i e h angesehenen Farbenveriinderungen re in r e f l e k t o r i s c h dureh bestimmte i~uBere Reize hervorgerufen werden.

Die operierten Tiere Uberleben den Eingriff 4--10 Tage. /~nr ausnahmsweise habe ieh sie li~nger am Leben erhalten kSnnen. Den letzten halben oder ganzen Tag vor dem Tode werden die Tiere blaB, sie saugen sich night mehr so fest wie sonst an die W~tnde des Bas- sins an and ringeln die Enden der Arme frei nach oben (gegen den RUcken zu), wodurch die zwischen der Basis der Arme ausgespannte Haut dorsalw~rts sich krUmmt, so dab das Vorderende des Tieres an die Gestalt einer voll entfalteten BlUte mit naeh der Kelchseite um- gebogenen R~udern der Bllitenbli~tter erinnert.

Das Auftreten der b l a s s e n Farbe bei sehlechtem Befinden des Tieres (Schwi~ehe, schlechte Erniihrung und Sauerstoffmangel) hat be- reits FREDERICQ beschrieben. >~La p~leur de la peau indique sou- vent an 6tat maladif de l'animal.,, Warum die Tiere bereits nach So kurzer Zeit starben, vermag ich night anzugeben. Ich habe wieder- holt versucht, die Tiere mit kleinen Carcinus-Arten zu fUttern und konnte aueh konstatieren, dab die Versuchstiere dieses Lieblingsfutter

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in der Gefangenschaft fraBen, abet eine wesentliche Verl~tngerung der Lebensdauer wurde durch die FUtterung nicht herbeigeftihrt.

Wir wenden uns nun zu den B e o b a c h t u n g e n am to ten oder s t e r b e n d e n Tier . Unmittelbar vor oder nach dem Tode ist das Tier seh r bel l . Hatte sich hereits wahrend des Lebens eine dunk- lere Farbung der o p e r i e r t e n Se i te eingestellt, so ist d i e s e d u n k l e r als die n o r m a l i n n e r v i e r t e Se i t e , die v o l l s t a n d i g b l a b ist. Der Unterschied ist so auffallend, daB, als ich ihn zum erstenmal beobaehtete~ ich zun~tehst daran zweifelte, ob denn wirklich die dunkle Seite die operierte sei und nicht eine Verwechslung der Angaben in meinen Versuchsprotokollen vorl~tge, his reich die Sektion yon der Richtigkeit meiner Notizen iiberzeugte.

HOF~AN~ hat zur Entscheidung tier Frage~ ob tier auf der ge- l~hmten Seite sieh einstellende Tonus der Chromatophoren (Dunkel- fi~rbung) yon der normal innervierten Seite ausgehe, einen Versuch angestellt, der zu einer ghnlichen'.Beobachtung ftihrte, wie die zuletzt yon mir besehriehenen. L~hmt m~n bei einem Tier, das naeh einer Mantelnervendurchschneidung bereits auf der operierten Seite einen deutlichen Tonus der Chromatophoren zeigt, die his dahin normal innerrierte Seite dureh Abschneiden des Kopfes oder Mantelnerven~ dana blaB~ die frisch gel~hmte Seite sofort ganz ab~ ,,die tonische Erregung auf der langere Zeit gel~hmten Seite bleibt aber bestehen,,.

Kehren wir wieder zu meinen Beobaehtungen am toten Tier zu- rtick. Die m e e h a n i s c h e R e i z b a r k e i t de r C h r o m a t o p h o r e n hat au f der o p e r i e r t e n S e i t e ganz e n o r m z u g e n o m m e n gegen- tiber der normal innervierten Seite. Wird nun das tote Tier in das Glasbassin auf der Loggia gebraeht und dem grellen Sonnenlieht aus- gesetzt, dann wird die o p e r i e r t e Se i t e in tens iv d u n k e l b r a u n , fas t s c h w a r z , w a h r e n d die n o r m a l e S e i t e u n g e a n d e r t bla[.~ bleibt . Das F~trbungsverh~tltnis tier beiden Seiten zeigt naeh dem Tode gerade das e n t g e g e n g e s e t z t e V e r h a l t e n wie am f r i sch o p e r i e r t e n Tier~ so dab sich die beiden Zustande wie l~ositiv und ~egativ einer photographischen Aufnahme zueinander verhalten. Eine Abbildung dieser ganz auffallenden Erseheinung zeigt die Fig. 1 Tar. XIX, welche den Versueh an einer eben gestorbenen Eledone illu- striert, wKhrend Fig. 3 Tar. XIX das gleiche Experiment an einem Octopus veransehaulicht. In beiden Fallen war tier reehte Mantel- nerv durehtrennt worden. Wird nun der V e r d u n k e l u n g s v e r s u e h in tier frUher beschriebenen Weise ausgeftihrt, dannis t das ganze T ie r g l e i chmaBig hel l geworden. Die operierte Seite ist stark

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abgeblaBt, wiihrend die normale Seite ihre helle Farbung nicht ge- iindert hat. Dieses- Fi~rbungsstadinm ist in Fig. 2 Tar. XIX darge- stellt; es ist dasselbe Tier wie in Fig. 1. Man kann den Versuch leieht mehrmals hintereinander wiederholen. Hi~ufig konstatiert man an dem aufgehellten Tier, dab die operierte Seite etwas dunkler ist als die normale, namentlich dann, wenn das Tier liingere Zeit nach der Operation gelebt hat und schon wi~hrend des Lebens eine wesent- liche Dunkelfi~rbung der operierten Seite eingetreten war. Wurden die Belichtungs- nnd Verdunkelungsversuehe am toten Tier e r s t sp~tter als 16 - -24 Stunden post mortem vorgenommen, dann sind .die Erseheinungen nieht mehr so auffallend. Es beginnt bereits um diese Zeit die Reaktion der Chromatophoren bedeutend abzunehmen, so dab die Farbenveranderungen bei Belichtung und Verdunkelung nicht mehr sehr stark sind, trotzdem die meehanische elektrisehe und chemische Reizbarkeit noch gut erhalten sein kann. Ich habe auf Grund meiner Beobachtung die Anschauung gewonnen, dab die Er- r e g b a r k e i t der C h r o m a t o p h o r e n durch Lich t frUher e r l i s c h t , als gegen t ibe r a n d e r n Reizen. AuBer diesen Beobaehtungen zeigen die Belichtungs- und Verdunkelungsversuche noch folgendes bemerkenswerte Verhalten der Versuehstiere. Wenn die Versuche zu- erst das oben geschilderte Ergebnis haben: so kann man bei sp~tteren Wiederholnngen der Versuche finden, dab der F a r b e n u n t e r s c h i e d z w i s c h e n den b e i d e n M a n t e l h i i l f t e n e t w a s g e r i n g e r w i r d , i ndem auch d ie n o r m a l i n n e r v i e r t e S e i t e be i B e l i e h t u n g anf l ing t d u n k l e r zu werden . Bei mehrere Stunden fortgesetzter intensiver Beliehtung kann namentlich dann: wenn der Tod des Tieres bereits mehrere Stunden vor Beginn des Versuches eingetreten war, a~ch auf der normalen Seite eine so erhebliche Verdunkelung im Lichte eintreten, dab der Unterschied zwisehen den beiden Seiten nur sehr gering ist. Endlieh muB noeh eine Beobaehtung erwiihnt werden, die sowohl fUr den Ausfall als anch die Deutung des ganzen Ver- suches yon grSl~ter Wiehtigkeit ist. Die intensive Lichtreaktion der operierten Seite des toten Tieres ist nur dann mit Sicherheit zu be- obaehten, wenn d ie T i e r e d ie D u r c h s e h n e i d u n g des Man t e l - eonnee t iv s m e h r e r e Tage Uber l eb t haben. Sterben die Tiere aus irgendwelchen GrUnden am e r s t en oder z w e i t e n T a g e nach der Opera t ion , dann kann s ich die o p e r i e r t e Se i t e bei Be- l i ch tung g e n a u so v e r h a l t e n wie d ie normal i n n e r v i e r t e , i n d e m s i e am eben g e s t o r b e n e n T i e r keine L i c h t r e a k t i o n zeigt , ode r hSchs t ens nu r e ine sehr f fer inge E x p a n s i o n der

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C h r o m a t o p h o r e n a u f i n t e n s i v e B e l e u e h t u n g e r k e n n e n l~Bt. Je l~nger die Tiere die Operation Uberleben, um so sehlagender ist der Erfolg des Versuches am sterbenden oder eben gestorbenen Tier.

Wie soll nun das F e h l e n d e r E r r e g b a r k e i t der Chromato- phoren auf der n o r m a l i n n e r v i e r t e n Seite und die g e s t e i g e r t e L i e h t r e a k t i o n auf der o p e r i e r t e n Seite, die nach dem Tode des Tieres eintreten, erkl~rt werden?

Am einfachsten lassen sieh die beobaehteten Erscheinungen er- kl~ren, wenn wit sie als Erfolg bzw. Ausfall h e m m e n d e r W i r - k u n g e n des C e n t r a l n e r v e n s y s t e m s auf die Chromatophoren auf- fassen. Seit den ersten Untersuchungen yon SETSCrlESOW~) tiber die Hemmungsmeehanismen hat die Annahme yon eignen im Central- nervensystem gelegenen Hemmungscentren in der Analyse der Funk- tionen des Centralnervensystems eine bedeutende Rolle gespielt, und so lag es denn auch nahe, solche nervSse Hemmungswirkungen in der T~tigkeit des koloratorischen Apparates aufzusuchen, nachdem die tonisehe Innervation der Pigmentzellen zuerst yon FREDERICQ und sp~ter yon PHISALIX scharf pr~zisiert worden ist. Hor'~tA~S hat yon andern Gesiehtspunkten ausgehend als die franzSsisehen Forscher den Tonus der Chromatophoren neuerdings studiert und kommt auf Grund der angestellten Nervendurehschnqidungsversuche zu dem Ergebnis, ~laB die Chromatophoren einen i 3 e r i p h e r o g e n e n Tonus aufweisen. Bereits PHISALIX hat in Anlehnang an die Ansehauungen, welehe DASTRE und ~IORA'r bezUglich der Gef~Berweiterung als Hemmungs- wirkung des Gef~Btonus dutch periphere Ganglien vertreten haben, nach hemmenden Centren fur die Chromatophorenbewegung gesueht. In seinen Versuehen kam er zu dem Ergebnis, dab Reizung tier Pedun- culi sowie der Ganglia optica mit sehwachen StrSmen E r b l a s s e n der Haut hervorrufen. Diese Angabe steht in schroffem Widerspruch zu den yon allen andern Forsehern best~tigten Beobachtungen yon KLE- MENSIEWICZ~ wonach wirksame Reizungen der genannten Absehnitte des Centralnervensystems V e r d u n k e 1 an g der Hautfarbe herbeifiihren. P~IISALIX glaubt, dab die Cerebralganglien eine wesentliehe Rolle beim aktiven Erblassen des Tieres spielen und erbliekt in ihnen Hemmungs- centren, dagegen hat das S t e l l a r g a n g l i o n k e i n e h e m m e n d e n Wir k u n ge n, weil weder direkte Reizung des Mantelnerven noch des Stellarganglions ein Erblassen der Haut erkennen lieBen. Auch HOF-

~) J. SETSCHE.NOW, Physiologische Studien tiber die Hemmungsmechanismen fiir die Reflext~tigkeit im Gehirn des Frosches. Berlin 1863.

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~ A ~ hat sich die Frage nach der Existenz p e r i p h e r e r h e m m e n - de r N e r v e n f a s e r n vorgelegt, zumal naeh starker Nervenreizung ein l~nger anhaltendes Erblassen der vorher gereizten Hautpartie als Naehwirkung auftritt; es ist dies eine vollkommene Analogie mit der n,~chtri~glichen Erweiterung der BlutgefiiBe naeh Dauerreizungen eines Nerven, der konstriktorische und dilatatorisehe Fasern enthalt. HOF- ~ . t ~ kommt abet doch zu folgendem SehiuB: ~Ein sieherer Beweis der Existenz peripherer Hemmungsnerven ftir die Chromatophoren ist demnach noch nicht erbracht, und wit brauehen daher vorl~iufig noch nieht mit ihrem Vorhandensein zu rechnen. Ubrigens glaube ieh nicht, dab sich eine der im folgenden mitgeteilten Tatsachen (gemeint ist die Steigerung der meehanisehen Reizbarkeit und die Existenz des peripherogenen Tonus) dureh die Annahme yon Hemmungsnerven wesentlieh anders deuten lieBe~ als es ohne diese Hypothese ge- schieht. ,,

Trotz der strikten Angaben yon PmsAlJlX glaube ich nun dan S t e l l a r g a n g l i o n a l s ein ne rvSsen H e m m u n g s c e n t r u m fur die k o l o r a t o r i s c h e n F u n k t i o n e n a n s e h e n zu mtissen. Der Weg, den I:)I-IISALIX in seinen Untersuchungen ging, war vollkommen ungeeignet: die Existenz hemmender Funktionen des Stellarganglions erkennen zu lassen, denn bei einer einfaehen elektrisehen Reizung des Mantelnerven oder des Ganglions wSre ja nur dann ein ausge- sprochener Hemmungseffekt zn erwarten gewesen, wenn diese Ge- bilde nu t hemmende Fasern enthalten hi~tten. Diese Voraussetzung war aber in keiner Weise bereehtigt, da die Verdunkelung der Haut naeh Mantelnervenreizung bereits durch die Arbeiten yon KLEMEI~- SmWlCZ und FREDERICQ erwiesen war.

Welche Beweise lassen sich nun aus meinen Versuchen fUr die yon mir vertretene Ansehauung tiber die Hemmnngswirkung den Stellarganglions erbringen ?

Zuni~ehst sollen d i e E r r e g b a r k e i t n v e r h ~ l t n i s s e des Man te l - n e r v e n , S t e l l a r g a n g l i o n s und de r S t e l l a r n e r v e n erw~thnt wer- den, welehe bei der Sektion der Tiere untersueht wurden. Wenn das Tier die Operation l~tngere Zeit, etwa 5 Tage und mehr, iiberlebt hat, war der M a n t e l n e r v t ier o p e r i e r t e n S e i t e w e d e r e l e k t r i s c h noeh m e c h a n i s e h r e i z b a r , a u e h das S t e l l a r g a n g l i o n z e i g t e e inen v o l l k o m m e n e n V e r l u s t ode r w e n i g s t e n s e ine s t a r k e H e r a b s e t z u n g s e i n e r R e i z b a r k e i t , so dab starke faradische StrSme angewendet werden muBten, bei denen Stromsehleifen auf die Stellarnerven und die Haut selbst nicht mehr mit Sieherheit

Archly f. Entwickl~angsmech~nik. XXX. 2. ~

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auszuschliel~en waren. Ja bei einzelnen Versuehen mit langer Lebens- dauer der Tiere war sogar die sonst sehr groBe me e h a n i s e h e Reiz- b a r k e i t de r S t e l l a r n e r v e n de r o p e r i e r t e n Se i te e r l o s e h e n , indem diese auf Durchschneidung weder motorisehe noeh koloratorisehe Effekte erkennen lieBen. Die elektrisehe Reizbarkeit tier Stellar- herren war in diesen F~illen zum mindesten stark herabgesetzt, wenn nieht g~nzlieh erloschen, denn aueh bier muBten Stromst~irken an- gewendet werden, die eine eventuelle Wirkung yon Stromschleifen nicht ausffesehlossen erscheinen lassen. Ieh babe auf Grund tier an 25 Eledonen angestellten Versuehe den Eindruck gewonnen~ dab die m e e h a n i s e h e R e i z b a r k e i t der ~ e r v e n frUher e r l i s e h t a ls die f a r a d i s c h e . Systematisehe Untersuehungen Uber diesen inter- essanten Punkt konnte ieh leider nicht anstellen, hoffe abet, diese Erseheinungen sowie einige andre Ph~nomene~ die ieh noeh in dieser Arbeit streifen werde, bei einem neuerlichen Aufenthalt in der ~eapler Station studieren zu k~nnen. Die direkte elektrische und mechanisehe Reizbarkeit des Mantelmuskels auf "de~" operierten Seite bot ein zu- n~ehst noch unUbersiehtliches Verhalten dar, indem sowohl Fehlen als Herabsetzung, aber aueh eine Steigerung der Muskelerregbarkeit konstatiert wurde. Auch tiber diesen Punkt sind neue systematische Untersuchungen erforderlieh.

1Jberlebten die Tiere die Operation nut w e n i g e Tage, dann war die R e i z b a r k e i t der genannten nerv~sen Gebilde a u f der ope- r i e r t en S e i t e zwar n i c h t e r lo sehen , a b e r s ie z e i g t e doeh eine v e r s c h i e d e n s t a r k e t t e r a b s e t z u n g g e g e n t i b e r der R e i z - b a r k e i t a u f tier n o r m a l e n Sei te . Bei u n m i t t e l b a r nach der 0 p era tio n zugrunde gegangenen oder nieht operierten Tieren konnten b e m e r k e n s w e r t e D i f f e r e n z e n in der Reaktion der ~erven und des Ganglions auf beiden Seiten n i eh t aufgefunden werden.

Dem geschilderten ver~nderten Verhalten der Reizbarkeit ent- spraehen auch einige bereits m a k r o s k o p i s e h e r k e n n b a r e Ve r - ~ n d e r u n g e n der betreffenden Abschnitte des Nervensystems, die namentlich an den l~nger tiberlebenden Tieren deutlieh hervortraten Der M a n t e l n e r v , alas S t e l l a r g a n g l i o n , m a n e h m a l auch die S t e l l a r n e r v e n w a r e n g r a u g e l b l i e h v e r f ~ r b t und a u f f a l l e n d trUbe. Diese anatomisehen Ver~nderungen waren bei kUrzer Uber- lebenden Tieren weniger deutlich oder fehlten vollkommen. Auch die Muskel der operierten Seite erwiesen sich manchmal trUbe. Ferner habe ich wiederholt, allerdings nicht immer, beobachtet, dab an den Kadavern, die l~nger als 24 Stunden im Seewasser aufbe-

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wahrt wurden, d ie n o r m a l i n n e r v i e r t e M a n t e l h i i l f t e h a r t , s t a r r war , w t t h r e n d die o p e r i e r t e s e h l a f f w a r . Ich schlieBe daraus in Ubereinstimmung mit andern Versuehenl), dab die n o r - mal i n n e r v i e r t e Se i te a u e h b e i E l e d o n e f r i i he r t o t e n s t a r r wi rd a ls die ope r i e r t e .

Die erwi~hnten makroskopisch sichtbaren anatomisehen Veri~nde- rungen lieBen eine histologische Untersuehung des Materials wUn- schenswert erseheinen~ obgleieh naeh den reichen Erfahrungen des Herrn Prof. Dr. PAUL MAYER das Centralnervensystem der Mollusken far feinere Studien degenerativer Veri~nderungen wenig Erfolg ver- spreehend erseheint. Das naeh den Ratsehli~gen des Herrn Prof. Dr. PAUL MAYER konservierte Material konnte leider noeh nieht auf- gearbeitet werden. Herrn Prof. Dr. MAYER bin ich fUr seine Rat- sehli~ge zu groBem Dank verpfliehtet.

Das Ergebnis der Untersuehung der Reizbarkeit sowie der sicht- baren anatomischen Veri~nderungen des Stellarganglions und der Nerven kann dahin zusammengefaBt werden, dab sowohl das Gang- l ion als die ~qerven m e h r o d e r m i n d e r f u n k t i o n s u n f i ~ h i g w a r e n , wenn aueh eine Degeneration der betreffenden Teile histo- logiseh nieht nachgewiesen ist.

Die t t e m m u n g s w i r k u n g des S t e l l a r g a n g l i o n s t r i t t bei L i e h t r e i z e n b e s o n d e r s k l a r zu t age , und das bisher gesehil- derte Verhalten der Chromatophoren am lebenden und toten Tier wird dureh diese Annahme eindeutig erkli~rt. Beginnen wir zuni~ehst mit dem Verhalten der t o t e n Tiere, bei denen die Lichtreaktion der o p e r i e r t e n Seite s t a r k a u s g e p r ~ g t ist, auf der normalen Seite dagegen vollst~tndig fehlt. Da dieser Zustand nur dann erreieht wird, wenn die Tiere genUgend lange die Operation tiberlebt haben, so ist anzunehmen, dab das Stellarganglion vo l l s t i i nd ig f u n k t i o n s - unfi~hig geworden ist~ und nun der Lichtreiz seine Wirkung ohne jegliehe Hemmung auf der operierten Seite entfaltet. Ist aber die Degeneration des Ganglions noch n ich t v o l l s t g n d i g erfolgt~ so dab noeh Reste der Funktion erhalten sind, dann ist die Lichtreaktion geringer, oder kann unmittelbar nach dem Tode vollstgndig fehlen. In der Tat zeigen die frUhzeitig naeh der Operation verstorbenen Tiere eine geringere Lichtreaktion auf der operierten Seite als die

1) :R. •. I~UCHS, Vergleichende Untersuchungen tiber die 5Iuskelstarre. I. Die Totenstarre. Zeitschr. f. ullgemeine Physiologie. Bd. IV. 1904. Daselbst such die Literatur iiber dieses Thema.

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l~ngcr iiberlebenden, sie fehl t ganz bci T ie ren , die u n m i t t e l - bar naeh der O p e r a t i o n z u g r u n d e g e g a n g e n sind.

Eine Schwierigkeit scheint aber die Beantwortung der folgenden Frage zu bieten: Warum fehl t auf der no rmal innervierten Seite un- mittelbar nach dem Tode die Lichtwirkung? Diese paradoxe Erschei- hung wird verstiindlich und geradezu eine Bestiitigung der yon mir vertretenen Anschauung, dab das Ganglion stellatum eine Hemmungs- wirkung austibt, wenn wir die A b s t e r b e pro z e s s e am N ervensystem in ihrem z e i t l i e h e n V e r l a u f studieren. In meiner oben zitierten Arbeit tiber die Totenstarre habe ich den Versuch gemacht, den zeit- lichen Verlauf des Eintritts der Totenstarre an den verschiedenen Mus- kelgruppen aus dem zu verschiedenen Zeiten eintretenden Absterben des Centralnervensystems zu erklliren. Ieh bin auf Grund meiner eignen Beobachtungen sowie der andrer Autoren zu der Anschauung gelangt, dab das C e n t r a l n e r v e n s y s t e m ganz al lm~thl ich vom Geh i rn aus b e g i n n e n d d i s ta l f o r t s c h r e i t e n d abs t i rb t . Diese Auf- fassung bestlitigen auch racine Versuche .an.Eledone. Die elektrische Reizung des Mantelnerven sowie des ~anglion stellatnm und der Stellarnerven hat ergeben, dab am sterbenden oder eben gestorbenen Tier zue r s t der M a n t e l n e r v u n e r r e g b a r w i r d , zu e i n e r Zei t , wo das S t e l l a r g a n g l i o n u n d die S t e l l a r n e r v e n noch vol l - sti~ndig e r r e g b a r sind. Sp~iter biiBt a u c h das S t e l l a r - g a n g l i o n s e i n e E r r e g b a r k e i t e in , und s e h r viel sp i i t e r als bci d iesem e r l i s c h t ers t d ie E r r e g b a r k e i t der S t e l l a r n e r v e n . Wir sehen also auch bei Eledone ein allmi~hliehes Fortschreiten des Absterbeprozesses yon den centralen naeh den peripheren Abschnitten des Nervensystems. Wie ich nachtr~glich aus der Literatnr ersehen habe, hat bereits BAGLIONI1)~ allerdings zu andern Zwecken, genau die gleichen Versuche an EIedone mit genau den gleichen Ergeb- nisscn angestellt wie ich.

Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist also der EinfluB des Central- nervensystems auf die Chromatophoren aufgehoben, mit Ausnahme der vom Stellarganglion ausgehenden Hemmungswirkung. Da aber ganz allgemein dem Absterben ein Stadium gesteigerter Erregbarkeit der Centralorgane vorausgeht, so muB die Hemmungswirkung zu dieser Zeit ganz b e s o n d e r s ausgepr~tgt sein, es wird dann jede Lieht-

i) S. BAGLIO.NI, Physiologische Differenzierung verschiedener Mechanismen des Centralnervensystems. II. Untersuchungen an Eledone moschata und an- dern Wirbellosen. Zeitschr. f. allgemeine Physiologie. Bd. V. 1905.

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wirkung vollkommen fehlen, wie die Versuche tatsi~ehlieh ergeben haben. Sobald aber auf der normal innervierten Seite das Stellar- ganglion abzusterben beginnt, wird die yon ihm ausgehende Hem- mungswirkung immer geringer, bis sie endlich ganz erloschen ist, es muB dann in spi~teren Zeiten nach dem Tode des Versuchstieres auch auf der n o r m a l i n n e r v i e r t g e w e s e n e n S e i t e eine allmi~hlieh starker werdende Lichtreaktion sich einstellen: was wieder vollkommen mit den Beobaehtungcn bei den Beliehtungsversuchen tibereinstimmt.

Auch das Verhalten der Versuehstiere w ~ h r e n d des L e b e n s liigt sich auf Grund der Hemmungshypothese vollkommen befriedigend erklKren. ZunKehst fifllt die s t a r k e Bli~sse der Hau t a u f de r o p e r i e r t e n Se i t e u n m i t t e l b a r nach d e r Opera t ion , sowie das F e h l e n j e g l i e h e r L i c h t r e a k t i o n de r o p e r i e r t e n SeiCe auf. Die Durehtrennung des Manteleonnectivs ist zuni~chst yon einer sehr s t a r k e n R e i z w i r k u n g der Sttimpfe gefolgt, so dab im Gang- lion ein Zustand starker Erregung eintreten mul]; infolge dieser starken Hemmung wird nach der Operation jede Liehtreaktion der Chromatophoren unterdrUckt. Wenn aber das Ganglion naeh der .Operation allmiihlieh funktionsunfiihig wird, dann fallen die hem- menden EinflUsse immer mehr und mehr weg, bis endlieh auch wi~h- rend des Lebens wieder eine ausgesproehene Lichtreaktion eintritt, wie die Abbildung Fig. 4 Tar. XIX zeigt. In diesem Sinne ist wohl aueh die allmi~hlich nach der Operation eintretende Expansion der Chromatophoren zu deuten, die sieh in einer zunehmenden Verdunke- lung der operierten Seite des ruhenden Tieres kundgibt. Es wtirde aber dann die naeh HOr'MAN~S Meinung dureh peripherogenen Tonus bedingte Expansion der Chromatophoren niehts andres sein, als die d i r e k t e R e i z w i r k u n g des L i e h t e s auf die Pigmentzellen.

Die auffallend starke Blitsse der Itaut naeh der Operation, welche durch eine maximale Retraktion des Pigments hervorgerufen wird, li~l]t zun~ehst eine a k t i v e B a l l u n g des P i g m e n t s durch die yon Cr~vs 1) besehriebenen muskulliren Bogenfasern denkbar erseheinen. Ich muB vA~ RYNBERK zustimmen, dab die yon STEmACn gegen die Wirkung der Bogenfasern beigebraehten experimentellen Beweise nicht absolut bindend sind. Aber es wird sieh ebensowenig ein Beweis daftir erbringen lassen, dab ihre Ti~tigkeit die Retraktion des Pig-

~) CA~L CHVN, l~ber die Eatwicklung der Chromatophoren bei den Ce- phalopoden. Verhandlgn. d. deutsch, zoolog. Ges. auf der 12. Jahresvers. zu Giel3en. 1902.

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ments herbeiftihrt, da sich die Bogenfasern ebensowenig isoliert reizen wie ausschalten lassen. Ih re Existe~lz a l le in genUgt noch lanffe n i ch t , um e inen s i e h t b a r e n E r f o l g au f ih re Ti i t ig- ke i t zu rUek fUhren zu kSnnen. So habe ieh 1) dureh umfangreiehe Versuehsreihen ja auch zeigen kiinnen, dab die Li~ngsmuskulatur der GefiiBe eine Erweiterung des GeF~tBlumens dureh VerkUrzung der Ge- fiiBe nieht herbeizuFtihren vermag, trotzdem die theoretische Mi~glieh- keit einer solehen Wirkung zweifellos zugegeben werden muB. Wir mUssen stets bedenken, dab die Differenzierung bestimmter Form- elemente in letzter Linie dureh meehanistische Ursachen bedingt wird~ ohne R i i e k s i c h t d a r a u f , ob diese Gebilde fur eine bestimmte Funktion eine praktisehe Bedeutung haben oder nicht.

Ein n o t w e n d i g e s Postulat zur Erklarung der maximalen Re- traktion des Pigments nach der Durchschneidung des Mantelconnee- tivs ist die T~ttigkeit der Bogenfasern nicht, denn die m a x i m a l e t ~ e m m n n g s w i r k u n g nach der Operation geniigt vollauf, um diese extreme Pigmentballnng verstandlich erscheinen zn lassen.

Bevor ich in der weiteren Beschreibung der anffestellten Ver- suche fortfahre, mSehte ieh auf einen Punkt zu spreehen kommen~ der sich aus meinen Degenerations- und Reizversuchen am Mantel- conneetiv and den Stellarganglien bezUglieh der anatomisehen Auf- fassung dieser Gebilde ergibt.

BAGLIOlqI hat auf Grund seiner Vergiftungsversuehe am Stellar- ganglion gegen v. UEXKiJLLS Meinung, wonaeh das Stellarganglion als ein rein peripheres Ganglion und die Mantelnerven mit den Stellar- herren zusammen als periphere ~erven angesehen seien, sehr ent- sehieden Stellung genommen, lqaeh BAGLIONI stellt das S t e l l a r - g a n g l i o n e in ne rvSses C e n t r a l o r g a n dar, w ~ h r e n d d e r M a n t e l n e r v e ine e e n t r a l e V e r b i n d u n g s b a h n zwisehen zwei Teilen des Centralnervensystems ist. Die S t e l l a r n e r v e n selbst sind e eht e p e r iph ere ~T e r v e n. BAGLIO~I verffleieht das Stellarganglion mit den motorisehen VorderhSrnern des RUekenmarks und den Mantel- nerven mit der Pyramidenbahn. Das frtihere ErlSsehen der Erreg- barkeit des Mantelnerven vor der des Ganglions, wie sie yon BAGLIO~I und mir Ubereinstimmend gefunden worden ist, ]~tBt die Deutung BAGLIONIS~ der Mantelnerv sei ein Teil des Centralnervensystems, ohne weiteres zul~issig erseheinen; dagegen scheint die H o m o l o g i -

~) R. F. Fucks, Zur Physiologie und Wachstumsmechanik des Blutgef~13- systems. II. Mitt. Zeitschr. f. allffemeine Physiolo~ie. Bd. II. 1902.

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s i e r u n g mit d e r P y r a m i d e n b a h n nach meinen Beobachtungen n i e h t z u t r e f f e n d zu sein. Denn ware BAGLIO~IS Ansehauung richtig, dann ware nicht zu verstehen, w a r u m nach e ine r Mante l - n e r v e n d u r c h s e h n e i d u n g d ie R e i z b a r k e i t des S t e l l a r g a n g - l ions e r l S s c h e n so l l t e , a n d n o e h w e n i g e r s t immt mit d i e se r A u f f a s s u n g Ubere in , dab die als re in m o t o r i s c h e n N e r v e n e r k a n n t e n S t e l l a r n e r v e n i h r e E r r e g b a r k e i t ve r l i e r en . Wir mUssen doch auf Grand meiner Versuche annehmen, dab wenigstens ein Teil der im Mantelnerven verlaafenden Fasern d u r c h z i e h e n d e F a s e r n fUr die S t e l l a r n e r v e n se ien ; ferner mtissen Fasern vom S t e l l a r g a n g l i o n a u s g e h e n d d u r c h den M a n t e l n e r v e n za den c e n t r a l e r e n T e i l e n des C e n t r a l n e r v e n s y s t e m s z iehen, so dab die nach Mantelner~endurchsehneidung auftretende Degene- ration mit der sog. retrograden WALLERschen D e g e n e r a t i o n zu vergleichen ware. Welcher Art die Verkniipfangen der Elemente des Stellarganglions mit dem Mantelnerven sind, wage ich nieht zn be- haapten, ich habe die geauBerte Anschauung nur als eine d er v i e l - l e i e h t b e s t e h e n d e n M S g l i c h k e i t e n angeftihrt. Denn es liegt noeh eine prinzipiell andre~ a priori nicht yon der Hand zu weisende Erklarangsmi~glichkeit vor, namlieh die, dab die am Nervensystem der hSher organisierten Tiere gefundenen GesetzmtiBigkeiten der De- generationserscheinnngen fur das i q e r v e n s y s t e m d e r n i e d e r e n T i e r e , i n s b e s o n d e r e der M o l l u s k e n , k e i n e G e l t u n g be - s i t z e n. DarUber kiinnen nur ad hoe angestellte systematische Unter- sachungen entscheiden, die ich bei einem spateren Aufenthalt in der lqeapler Station vorzunehmen hoffe. Jedenfalls zeigen meine Be- obachtungen, dab BAGLIONIS Auffassung nicht al le Beobaehtungen zu erklaren vermag, und dab die Verhaltnisse der nervSsen VerknUp- fangen des Mantelnerven mit dem Stellarganglion und den Stellar- herren w e l t k o m p l i z i e r t e r sein miissen, als sic das BAGLIO~C~sche Schema vorsieht.

Um die vertretene Anschauung tiber die hemmende Wirkung des Stellarganglions zu stUtzen, wurde in einer Versuchsreihe d i r e k t das S t e l l a r g a n g l i o n der e i n e n S e i t e e x s t i r p i e r t ; in e i n e r z w e i t e n V e r s u c h s r e i h e w a r d e n die S t e l l a r n e r v e n d i r e k t d u r e h s c h n i t t e n . Beide Versuche lieferten die gleichen Resultate. Unmittelbar nach der Operation ist d i e o p e r i e r t e S e i t e d n n k e l : oft wesentlich dunkler als die normal innervierte. Diese Verdunkelung der operierten Seite kann manehmal mehrere Stunden, bis zu einem halben Tag bestehen bleiben, um sich dann allmahlich zu verlieren.

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Der Verdunkelung folgt ein starkes Erblassen der operierten Seite, so dab sigh in diesem letzteren Stadium die Tiere mit Stellarganglion- Gxstirpation und Stellarnervendurchschneidung ganz wie Tiere mit Mantelnervendurehsehneidung verhalten. Die unmittelbar nach der Operation auftretende Expansion der Chromatophoren auf der ope- rierten Seite ist zweifellos dureh die d i r e k t e R e i z u n g der S t e l l a r - ne rven i n f o l g e der D u r e h s c h n e i d u n g bedingt. Das folgende Stadium der Bl~isse, in dem zun/iehst die Lichtreaktion fehlt, ist ver- mutlich d u t c h e ine Re i zung der h e m m e n d e n F u s e r n h e r v o r - g e r u f e n , bei denen die infolge der Operation eingetretene Reizung l~nger anhalt als bei den Expansionsfasern. Diese Annahme hat viele Analoga in der Physiologie. Die Gef~finer~en zeigen ein aria- loges Verhalten, worauf bereits hingewiesen wurde. Ferner weiB man, dab im Vagus neben den die Schlagfolge des Herzens verlang- samenden Fasern auch beschleunigende verlaufen; zu Zeiten, wo die hemmenden Fasern bereits unerregbar sind, haben die besehleunigen- den Fasern noeh ihre Reizbarkeit. Ferner haben die Versuehe yon FRX~KEL und GAD 2) bei allmahlieher AbkUhlung des Nervus laryngeus inferior eine grSBere HinF~lligkeit der Abductionsfasern (Posticus- fasern) als der Adductionsfasern ergeben. Es lieBen sigh noeh viele Beispiele daftir anfUhren, dab die versehiedenen Faserarten eines Nervenstammes verschiedene Reizbarkeit besitzen.

Die Figuren 5 and 6 der Tar. XIX zeigen das Verhalten des Tieres in diesem Stadium nach Exstirpation des Stellarganglions und Dureh- sehneidung der Stellarnerven (Fig. 7 and 8 Taf.XX). Sehon am lebenden Tier f~llt es auf, dab die F~rbung auf der operierten Seite sehon in k U r z e r e r Ze i t naeh tier O p e r a t i o n sigh e i n s t e l l t und r a s e h e r zun immt als bei T i e r en mit r e i n e r M a n t e l n e r v e n d u r e h s e h n e i - dung, so dab eventuell am dritten his vierten Tage nach der Operation am lebenden Tier eine ausgesproehene Liehtreaktion auf tier operier- ten Seite zu beobaehten ist. Auch in dem Verhalten der Tiere n a e h dem Tode laBt sieh ein bemerkenswerter Untersehied gegentiber den Tieren mit ~antelnervendurehschneidung konstatieren. Die Lieht- reaktion der operierten Seite tritt bei Tieren mit Stellarganglion- exstirpation aueh dann auf, w e n n d i e s e ku rze Ze i t naeh der O p e r a t i o n z u g r u n d e gehen , in eiuem Zeitpunkt, wo die Stellar-

1) B. ~'RXI~KEL und J. GAD, Versuche fiber die Ausfallserscheinungen der Stimmbandbewegunff bei Abkfihlunff des b/ervus recurrens. Centralblatt f[ir Physiologie. Bd. 3. 1889.

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herren noeh ihre voile Reizbarkeit besitzen. Bei Tieren, welehe kurz nach der Operation starben, war am sterbenden Tier hi~ufig die Lieht- reaktion so stark, dab selbst eine langdauernde Verdunkelung der Tiere die dureh vorhergegangene Liehtwirkung hervorgerufene Ex- pansion der Chromatophoren auf der operierten Seite nicht rUckg~ngig zu machen vermochte. Al le d i c s e B e o b a c h t u n g e n ze igen, dab nach A u s s e h a l t u n g des S t e l l a r g a n g l i o n s die H e m m u n g s - w i r k u n g e n f e h l e n , die naeh D u r c h s c h n e i d u n g des Man t e l : h e r r e n n o c h zu b e o b a e h t e n w a r e n , und sind somit eine weitere Besti~tigung meiner "Annahme.

Ieh glaube dureh diese Untersuehungen einmal einen weiteren Beweis fUr die Existenz h e m m e n d e r C e n t r a l o r g a n e ftir die k o l o r a t o r i s c h e n F u n k t i o n e n erbracht zu haben und zweitens eine w i e h t i g e F u n k t i o n des in se ine r p h y s i o l o g i s e h e n B e d e u - tung noch sehr u n b e k a n n t e n S t e l l a r g a n g l i o n s der C e p h a l o - p o d e n a u f g e d e c k t zu habeu.

Zu meinem groBen Leidwesen ist es mir nieht mehr vergSnnt ge- wesen, in dieser Abhandlung dem allverehrten Herrn G e h e i m r a t Prof. Dr. DOHR~r meinen aufrichtiffsten und er~ebensten Dank aus- spreehen zu kSnnen fiir all das groBe Wohlwollen~ das er mir w~th- rend meines Aufenthaltes an der Station stets zuteil werden liel] und dureh das mein Aufenthalt an der hleapler Station ermt~fflicht wurde.

Dem K. WUrttemberg'isehen Staatsministerium des Kirchen- und Sehulwesens erlaube ieh mir meinen ergebensten Dank zu sagen tar die Uberlassung eines wUrttembergisehen Arbeitsplatzes an der Iqeapler Station.

Endlieh mSchte ich meinem lieben Freunde Dr. R~CHARD BURIAN, Vorsteher der physiologischen Abteilung der Neapler Station, far seine stets hilfsbereite liebenswtirdige UnterstUtzung meinen herzlieh- sten Dank sagen.

Erkl~irung der Abbildungen, Tafel XIX und XX.

Fig. 1. Eledone, 6 Taffe nach Durchschneidung des rechten Mantelnerven. Be- lichtung des eben gestorbenen Tieres.

Fig. 2. Dasselbe Tier wie in Fig'. 1 nach Verdunkelung des Bassins. l~ig. 3. Octopus, 6 Tage nach Durchsehneidung des rechten Mantelnerven. Be-

liehtung des eben gestorbenen Tieres.

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Fig. 4. JEledone, 4 Tage nach Durchsehneidunff des rechten Mantelnerven. Be- lichtung des lebenden Tieres.

Fig. 5. .Eledone, 2112 Taffe nach Exstirpation des rechten Stellarganglions. Be- lichtung des lebenden Tieres.

Fig. 6. Dasselbe Tier wie in Fig. 5 naeh Verdunkelnng des Bassins. Fig. 7. Eledone, am 2. Tage nach Durchschneidung der Stellarnerven auf der

rechten Seite. Der vorderste rechte Stellarnerv war nicht durehsehnitten worden. Belichtung des lebenden Tieres.

Fig. 8. Dasselbe Tier wie in Fig. 7. 3 Taffe nach der Operation. Beliehtang des lebenden Tieres.

Fig. 9. Dasselbe Tier wie in Fig. 8. Verdnnkelung des lebenden Tieres.

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