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289 Fachthemen © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 28 (2006), Heft 5 Die Schalldämmung zweischaliger Membrankonstruktionen kann rechnerisch gut vorhergesagt werden, wenn der Hohlraum zwi- schen den Membranen mit Absorptionsmaterial bedämpft ist. Dies wird an einer Konstruktion mit 20 cm Membranabstand und eingestellter, 10 cm dicker offenporöser Schaumstoffplatte ver- anschaulicht. Die Berechnungen erfolgen mit dem Programm LAYERS. Eine bisher zur Abschätzung benutzte Formel führt nicht zum Ziel, weil sie die Einfallswinkelabhängigkeit des Schalldurch- gangs nicht korrekt berücksichtigt. Bei „leerem“, nur gering be- dämpftem Hohlraum ist eine Prognose mit LAYERS im Prinzip eben- falls möglich. Da jedoch über die Absorption in der Luft- oder Gas- füllung und an den seitlichen Hohlraumrändern kaum etwas bekannt ist, sind die Ergebnisse mit größeren Unsicherheiten be- haftet. Unklarheiten bestehen außerdem bezüglich der im Prüf- stand herrschenden Einfallswinkelverteilungen und deren Einfluß auf die Schalldämmung. Transmission-loss prediction for double-leaf membrane con- structions. The sound transmission loss of double-leaf membrane constructions can be predicted quite well, if the cavity between the membranes contains absorptive material. This is exemplified by a construction with a membrane distance of 20 cm and a 10 cm thick, open-porous foam plate inside the cavity. The pro- gram LAYERS is used for the calculations. A previously applied approximate formula is inappropriate, because it does not cor- rectly account for the incidence-angle dependency of the sound transmission. In principle, a LAYERS prediction is also possible with an „empty“, only lightly damped cavity. However, the results are less accurate, since information about the absorption within the air or gas space and at the boundaries is scarce. Further un- certainties pertain to the distributions of incidence angles in testing facilities and their influence on the sound transmission loss. 1 Einleitung Die zunehmende Attraktivität von Membran- und Folien- konstruktionen im Bauwesen ist Anlaß, sich auch mit ihrer Schalldämmung ausführlicher zu beschäftigen. Diese für Dächer, Wände und Fassaden verwendeten Membranen oder Folien – im folgenden zusammenfassend Membra- nen genannt – bestehen aus homogenen oder mit einem Gewebe verstärkten Kunststoffen und sind im Vergleich zu anderen Bauteilen dünn und leicht. Daraus schließt man – dem Massegesetz zufolge – auf eher geringere Schall- dämmwerte, was sich bei einschaligen Konstruktionen auch bestätigt. Mit zwei- und mehrschaligen Aufbauten lassen sich jedoch ähnlich wie sonst im Leichtbau auch höhere Werte erzielen. Im Fall aufblasbarer Schallschirme für temporären Lärmschutz [1, 2] wurde bereits gezeigt, daß ein ausreichend hohes bewertetes Schalldämm-Maß von 20 dB und mehr erreicht werden kann. Membranbau- teile mit Schallschutzfunktion rücken so in den Bereich des Möglichen. Wie eine Konstruktion akustisch günstig ge- staltet und eventuell durch besondere Maßnahmen weiter verbessert werden kann, ist Gegenstand aktueller Forschung. Die rechnerische Prognose spielt dabei eine Schlüssel- rolle. Die Schalldämmung von einschaligen Membranbau- teilen sollte sich – könnte man annehmen – mit Hilfe des Massegesetzes einfach vorhersagen lassen. Dies ist nur eingeschränkt der Fall, wenn man Vorhersagegenauigkei- ten von ungefähr 1 dB anstrebt. Weber und Mehra [3] stel- len bei höheren Frequenzen, bei denen die komplizieren- den Einflüsse der Prüfräume vernachlässigbar sind, eine Zunahme des gemessenen Schalldämm-Maßes mit nur etwa 5 dB/Oktave fest, während das Massegesetz 6 dB/Oktave erwarten ließe. Man kommt den Meßwerten näher, wenn man in der Rechnung zusätzlich zur Masse der Membran auch ihre Biegesteife berücksichtigt [4]. Al- lerdings liefert eine Anpassung im Vergleich zur gemesse- nen Biegesteife zu hohe Werte. Ob diese Diskrepanz mit der Frequenzabhängigkeit der Biegesteife erklärt werden kann, muß noch untersucht werden. Auch andere Autoren [5] berichten über Abweichungen zwischen gemessenen und berechneten Schalldämmkurven. Im Gegensatz zu [3] steigen die Meßwerte bei höheren Frequenzen jedoch stärker an als die berechneten Werte. Ein Versuch, die Un- terschiede zu erklären, wurde nicht unternommen. Selbst beim scheinbar einfachen einschaligen Fall sind also noch manche Fragen offen, verbesserte Prognosen wünschens- wert. Weit größere Diskrepanzen zwischen Rechnung und Messung sind im zweischaligen Fall aufgefallen [3]. Bei höheren Frequenzen oberhalb der Doppelwandresonanz schien die gemessene Schalldämmkurve eher auf ein ein- schaliges Verhalten mit der Gesamtmasse beider Membra- nen hinzudeuten. Offenbar sind nicht alle Näherungen, auf denen das verwendete, einfache Rechenmodell fußt, gerecht- fertigt. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft (DFG) geförderten Projekts [6] konnte dies inzwischen geklärt werden. Mithilfe eines genaueren Re- Zur Prognose der Schalldämmung zweischaliger Membrankonstruktionen Waldemar Maysenhölder DOI: 10.1002/bapi.200610030

Zur Prognose der Schalldämmung zweischaliger Membrankonstruktionen

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Fachthemen

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 28 (2006), Heft 5

Die Schalldämmung zweischaliger Membrankonstruktionen kannrechnerisch gut vorhergesagt werden, wenn der Hohlraum zwi-schen den Membranen mit Absorptionsmaterial bedämpft ist.Dies wird an einer Konstruktion mit 20 cm Membranabstand undeingestellter, 10 cm dicker offenporöser Schaumstoffplatte ver-anschaulicht. Die Berechnungen erfolgen mit dem ProgrammLAYERS. Eine bisher zur Abschätzung benutzte Formel führt nichtzum Ziel, weil sie die Einfallswinkelabhängigkeit des Schalldurch-gangs nicht korrekt berücksichtigt. Bei „leerem“, nur gering be-dämpftem Hohlraum ist eine Prognose mit LAYERS im Prinzip eben-falls möglich. Da jedoch über die Absorption in der Luft- oder Gas-füllung und an den seitlichen Hohlraumrändern kaum etwasbekannt ist, sind die Ergebnisse mit größeren Unsicherheiten be-haftet. Unklarheiten bestehen außerdem bezüglich der im Prüf-stand herrschenden Einfallswinkelverteilungen und deren Einflußauf die Schalldämmung.

Transmission-loss prediction for double-leaf membrane con-structions. The sound transmission loss of double-leaf membraneconstructions can be predicted quite well, if the cavity betweenthe membranes contains absorptive material. This is exemplifiedby a construction with a membrane distance of 20 cm and a10 cm thick, open-porous foam plate inside the cavity. The pro-gram LAYERS is used for the calculations. A previously appliedapproximate formula is inappropriate, because it does not cor-rectly account for the incidence-angle dependency of the soundtransmission. In principle, a LAYERS prediction is also possiblewith an „empty“, only lightly damped cavity. However, the resultsare less accurate, since information about the absorption withinthe air or gas space and at the boundaries is scarce. Further un-certainties pertain to the distributions of incidence angles intesting facilities and their influence on the sound transmissionloss.

1 Einleitung

Die zunehmende Attraktivität von Membran- und Folien-konstruktionen im Bauwesen ist Anlaß, sich auch mit ihrerSchalldämmung ausführlicher zu beschäftigen. Diese fürDächer, Wände und Fassaden verwendeten Membranenoder Folien – im folgenden zusammenfassend Membra-nen genannt – bestehen aus homogenen oder mit einemGewebe verstärkten Kunststoffen und sind im Vergleichzu anderen Bauteilen dünn und leicht. Daraus schließtman – dem Massegesetz zufolge – auf eher geringere Schall-dämmwerte, was sich bei einschaligen Konstruktionen

auch bestätigt. Mit zwei- und mehrschaligen Aufbautenlassen sich jedoch ähnlich wie sonst im Leichtbau auchhöhere Werte erzielen. Im Fall aufblasbarer Schallschirmefür temporären Lärmschutz [1, 2] wurde bereits gezeigt,daß ein ausreichend hohes bewertetes Schalldämm-Maßvon 20 dB und mehr erreicht werden kann. Membranbau-teile mit Schallschutzfunktion rücken so in den Bereich desMöglichen. Wie eine Konstruktion akustisch günstig ge-staltet und eventuell durch besondere Maßnahmen weiterverbessert werden kann, ist Gegenstand aktueller Forschung.Die rechnerische Prognose spielt dabei eine Schlüssel-rolle.

Die Schalldämmung von einschaligen Membranbau-teilen sollte sich – könnte man annehmen – mit Hilfe desMassegesetzes einfach vorhersagen lassen. Dies ist nureingeschränkt der Fall, wenn man Vorhersagegenauigkei-ten von ungefähr 1 dB anstrebt. Weber und Mehra [3] stel-len bei höheren Frequenzen, bei denen die komplizieren-den Einflüsse der Prüfräume vernachlässigbar sind, eineZunahme des gemessenen Schalldämm-Maßes mit nuretwa 5 dB/Oktave fest, während das Massegesetz6 dB/Oktave erwarten ließe. Man kommt den Meßwertennäher, wenn man in der Rechnung zusätzlich zur Masseder Membran auch ihre Biegesteife berücksichtigt [4]. Al-lerdings liefert eine Anpassung im Vergleich zur gemesse-nen Biegesteife zu hohe Werte. Ob diese Diskrepanz mitder Frequenzabhängigkeit der Biegesteife erklärt werdenkann, muß noch untersucht werden. Auch andere Autoren[5] berichten über Abweichungen zwischen gemessenenund berechneten Schalldämmkurven. Im Gegensatz zu[3] steigen die Meßwerte bei höheren Frequenzen jedochstärker an als die berechneten Werte. Ein Versuch, die Un-terschiede zu erklären, wurde nicht unternommen. Selbstbeim scheinbar einfachen einschaligen Fall sind also nochmanche Fragen offen, verbesserte Prognosen wünschens-wert.

Weit größere Diskrepanzen zwischen Rechnung undMessung sind im zweischaligen Fall aufgefallen [3]. Beihöheren Frequenzen oberhalb der Doppelwandresonanzschien die gemessene Schalldämmkurve eher auf ein ein-schaliges Verhalten mit der Gesamtmasse beider Membra-nen hinzudeuten. Offenbar sind nicht alle Näherungen, aufdenen das verwendete, einfache Rechenmodell fußt, gerecht-fertigt. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) geförderten Projekts [6] konnte diesinzwischen geklärt werden. Mithilfe eines genaueren Re-

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Waldemar Maysenhölder DOI: 10.1002/bapi.200610030

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chenmodells [7] ist die Schalldämmung bestimmter zwei-schaliger Konstruktionen in der Tat ziemlich gut vorher-sagbar. Dies wird in Abschnitt 3 im einzelnen dargestellt.Weil dabei einige Aspekte des einschichtigen Falls aufge-griffen werden, seien diese in Abschnitt 2 vorab erläutert.

2 Bemerkungen zum einschaligen Fall

Aufgrund der normalerweise geringen Biegesteife erwartetman von einer Membran im bauakustischen Frequenzbe-reich im wesentlichen ein Schalldämmverhalten nachdem Massegesetz. Demgegenüber spielt die Membranvor-spannung beim Einsatz im Bauwesen – im Gegensatzetwa zum „Paukenfell“ einer Kesselpauke – eine praktischvernachlässigbare Rolle [4, 6]. Da die Masse pro Flächeklein ist, gilt bei tieferen Frequenzen das Massegesetznicht in der üblichen, vereinfachten Form. Vielmehr ist dieallgemeinere Version anzuwenden. Sie lautet für eine un-ter dem Winkel Q einfallende ebene Schallwelle [8, S. 258]

(1)

mitR Schalldämm-Maß [dB]f Frequenz [Hz]m Membranmasse pro Fläche [kg/m2]r0 Dichte des umgebenden Fluids (z. B. Luft) [kg/m3]c0 Schallgeschwindigkeit im umgebenden Fluid [m/s].

Für diffusen Schalleinfall muß über den Winkel Q gemit-telt werden. Spart man dabei die Richtungen mit Q-Wer-ten oberhalb 78° (in der Nähe des streifenden EinfallsQ = 90°) aus, erhält man das bekannte Ergebnis [8, S. 258]

(2)

das oft recht gut mit Meßwerten aus bauakustischen Prüf-ständen übereinstimmt. Beide Gleichungen sind in Bild 1für den Fall m = 1 kg/m2, r0 = 1,2 kg/m3 und c0 =345 m/s veranschaulicht. Während Gl. (1) für beliebigtiefe Frequenzen ein positives Schalldämm-Maß liefert,wird R nach Gl. (2) unterhalb 250 Hz negativ, was eineSchallverstärkung bedeuten würde. Bei leichten Bauteilenwie Membranen darf also die 1 in der Summe von Gl. (1)bei tieferen Frequenzen nicht vernachlässigt werden.

In [9] steht auf S. 522, daß man für diffusen Einfallnäherungsweise Gl. (1) mit Q = 45° benutzen kann. DieseNäherung ist jedoch im geraden Teil der Kurve mit der ty-pischen 6-dB/Oktave-Steigung um 2 dB zu hoch. Ein bes-serer „Stellvertreter“ wäre eine einfallende Welle mitQ = 56°.

Für die in [3] experimentell gefundene Steigung vonungefähr 5 dB/Oktave wurden im DFG-Vorhaben [6] ver-schiedene Erklärungsmöglichkeiten diskutiert. Die Berück-sichtigung der Biegesteife wurde einleitend bereits er-wähnt. Sie kann die Steigung der Schalldämmkurve auchdann noch merklich reduzieren, wenn der Koinzidenzein-bruch oberhalb des bauakustischen Frequenzbereichsliegt. Ein Vorspannungseinfluß konnte ausgeschlossen wer-den. Um sich deutlich auf die Schalldämmung auszuwir-

Rf mc

ªÊËÁ

ˆ¯̃

-20 50 0

lg ,pr

Rf m

c= +

ÊËÁ

ˆ¯̃

Ê

ËÁÁ

ˆ

¯˜̃10 1

0 0

2

lgcosp

rQ ken, müßten Vorspannungen jenseits der Reißfestigkeit der

untersuchten Membranen angebracht werden. Undichtig-keiten der Membran, charakterisiert durch einen geeignetgewählten Strömungswiderstand, könnten die berechneteSchalldämmkurve ebenfalls in der beobachteten Richtungverändern. Die gemeinhin vorhandene Luftdichtheit vonMembranen, die Vermeidung von Beschädigungen und diesorgfältige Abdichtung an den Rändern im Prüfstand soll-ten diese Erklärung jedoch ausschließen.

Ein weiterer Grund für Differenzen zwischen Rech-nung und Messung kann darin liegen, daß der Prüfling imPrüfstand eine endliche, rechteckige Fläche besitzt,währendbeim Massegesetz und in anderen Rechenmodellen eine un-endliche Ausdehnung angenommen wird. Im analytischenRechenmodell von [5] (ohne Biegesteife) wird versucht, miteiner Art Filterung („spatial windowing“) die endlicheFläche der Prüflinge (5 ¥ 2,8 m2) näherungsweise zu berück-sichtigen. Wie groß die Auswirkung dieser Korrektur ist,kann derArbeit [5] leider nicht entnommen werden.

Eine Abflachung der Schalldämmkurve käme auchdann zustande, wenn der Grenzwinkel Qmax nicht konstant78° wäre, sondern mit steigender Frequenz zunehmenwürde. Als Verallgemeinerung dieses Gedankens kann mansich vorstellen, daß bei geringer Dämmung das Schallfeldim Senderaum der „Diffusitätsannahme“ der Rechnung nurunvollkommen entspricht. Dieser Spekulation sollte quan-titativ mit theoretischen und experimentellen Untersuchun-gen der Einfallswinkelverteilung im Prüfstand nachgegan-gen werden, damit die näheren Umstände und die damitzusammenhängende Genauigkeit des Meßverfahrens fest-gestellt werden kann. Erste Hinweise auf eine ungleich-mäßige Einfallswinkelverteilung im Prüfstand liegen be-reits vor [10].

(Die Wahl Qmax = 78° hat sich im Laufe der Zeit ein-gebürgert, weil sie zu guter Übereinstimmung mit Meßer-gebnissen führte. Die Vorstellung, daß Wellen mit größe-ren Einfallswinkeln im Prüfstand seltener oder nicht vor-kommen, schien plausibel, wurde aber nicht genauerüberprüft. Dieses Thema soll hier nicht weiter vertieft wer-den. Es sei lediglich auf die Arbeit [11] hingewiesen, dieaufgrund numerischer Ergebnisse zur Schalldämmungendlicher Platten eine Erklärung für Qmax = 78° anbietet.)

Bild 1. Nach den Gln. (1) und (2) berechnete Schalldäm-mung einer Membran mit 1 kg/m2

Fig. 1. Sound reduction index of a membrane with 1 kg/m2

calculated according to equations (1) und (2)

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Schließlich ist wohl bekannt, daß bei tiefen Frequen-zen die Geometrien von Sende- und Empfangsraum dieMeßwerte wesentlich beeinflussen. Nur ausnahmsweisewurde versucht, dies rechnerisch zu modellieren. In derRegel beschränkt man sich bei der quantitativen Analysevon gemessenen Schalldämmungen auf höhere Frequen-zen, bei denen diese Einflüsse vernachlässigt werden kön-nen. Messungen in zwei verschiedenen Prüfständen [6] er-gaben ab 400 Hz eine Übereinstimmung der Schalldämm-Maße besser als 1 dB (Bild 2). Geprüft wurde eine 0,8 mmdicke Membran mit 0,95 kg/m2, im Türenprüfstand mit ei-ner Fläche von 1,7 m2, im Wandprüfstand mit einer Flächevon 10,7 m2. Zum Vergleich ist Gl. (1) für Q = 45° und dasErgebnis für die exakte Mittelung über Q,

(3)

für Qmax = 78° eingezeichnet. Zum Vergleich mit Meßwertenist Gl. (3) der Gl. (1) vorzuziehen. (Die Unterschiede zwi-schen Gl. (3) mit Qmax = 78° und Gl. (1) mit Q = 56° betragenmaximal ungefähr 0,5 dB.) Es sei noch darauf hingewiesen,daß in den Bildern 1und 2 für das Zeichnen der Kurven nachden Gln. (1) bis (3) die Schalldämm-Maße bei den Terz-mittenfrequenzen berechnet wurden, während die Meßwerteselbstverständlich Frequenzmittelwerte über Terzbänderdarstellen. Dieser Vergleich ist hier gerechtfertigt. Die mitHilfe von Gl. (3) berechneten Terzmittelwerte weichen umweniger als 0,1 dB von den Ergebnissen der Gl. (3) für dieTerzmittenfrequenzen ab.

Beschränkt man sich beim Vergleich von Messungund Rechnung in Bild 2 konsequenterweise auf Frequen-zen ab 400 Hz, stellt man maximale Differenzen von un-gefähr 2,5 dB fest. Obwohl dies für bauakustische Verhält-nisse nicht schlecht ist, bleibt die systematische Abwei-chung in einem Frequenzbereich, in dem die Prüfräume unddie endliche Prüflingsfläche das Schalldämm-Maß nichtmehr beeinflussen sollten, unbefriedigend. Abgesehen vonUntersuchungen zur Einfallswinkelverteilung, die generell

R mitf mc

=- ( )( )

++

ÊËÁ

ˆ¯̃

=ÊËÁ

ˆ¯̃

101 2

21

1 20 0

2

lgcos

lncos

,max

max

b

bb

b pr

Q

Q

von Interesse sind, sollten in einem nächsten Schritt die ela-stischen Eigenschaften von Membranen, und zwar im gesam-ten bauakustischen Frequenzbereich und auch richtungsab-hängig, experimentell ermittelt werden. Verläßliche Eingabe-daten sind Voraussetzung für eine schlüssige Interpretationder berechneten Ergebnisse und deren Korrelation mit denMeßwerten. Wie man die Schalldämmung einer unbegrenz-ten ebenen Membran zu berechnen hat, selbst wenn eine an-isotrope Biegesteife oder eine anisotrope Vorspannungberücksichtigt werden sollen, ist analytisch bekannt [12] undauch in der Software LAYERS des Fraunhofer-Instituts fürBauphysik (IBP) [7] implementiert. Die Eingabedaten zu be-schaffen ist zweifellos der größere Aufwand.

Falls das bewertete Schalldämm-Maß Rw einer Mem-bran benötigt wird, kann näherungsweise die empirischeRelation aus [3]

(4)

benutzt werden (m: Membranmasse pro Fläche in kg/m2).Die zugrunde liegende Datenbasis umfaßt ca. 20 Rw-Wertezwischen 2 dB und 19 dB, gemessen an Membranen mitflächenbezogenen Massen von 0,1 kg/m2 bis knapp 2 kg/m2.Die Abweichungen zwischen Gl. (4) und den Meßwertenbetragen maximal etwa 2 dB.

3 Zweischaliger Aufbau

Mit zweischaligen Membranaufbauten lassen sich ober-halb der Doppelwandresonanz wesentlich höhere Schall-dämmungen erzielen als mit einer einschaligen Konstruk-tion gleicher Masse. Wie hoch dieser Gewinn ausfällt, hängtwesentlich von der Bedämpfung des Raums zwischen denbeiden Membranen ab. Zunächst sei der luftgefüllte Hohl-raum betrachtet, anschließend der mit einem porösen Ab-sorber bedämpfte Zwischenraum.

3.1 Luft- oder heliumgefüllter Hohlraum

In [3] wurde anhand von Messungen festgestellt, daß ver-schiedene zweischalige, luftgefüllte Membranaufbautennicht den für eine Doppelwand typischen starken Anstiegder Schalldämmung aufweisen, sondern sich eher wie ein-schalige Bauteile verhalten. Bild 3zeigt Meßwerte für 1,0 mmdicke und 1,36 kg/m2 schwere Membranen im Abstandvon 10 cm zusammen mit der in [3] zum Vergleich herange-zogenen berechneten Kurve nach der (korrigierten) Glei-chung aus dem Lehrbuch [9, S. 524]

(5)

mit den flächenbezogenen Massen m1 und m2 der ersten undzweiten Membran und der Doppelwandresonanzfrequenz fR.(Bei [9, S. 524] steht fälschlicherweise m1 statt m1 + m2.) DieDoppelwandresonanz ergibt sich aus der reduzierten Masseund der dynamischen Steife s’ der Luftschicht:

(6)

Im Grenzfall tiefer Frequenzen liefert Gl. (5) das Massege-setz mit m = m1 + m2, während sich bei hohen Frequen-

fm m s

m mR =+( ) ¢1

21 2

1 2p

Rf m m

cffR

= ++( )

-ÏÌÓ

¸˝˛

È

ÎÍÍ

˘

˚˙˙

Ê

ËÁÁ

ˆ

¯˜˜

10 1 11 2

0 0

2

2

2

lgcosp

rQ

R mw = +14 147lg ,

Bild 2. Schalldämmung einer Membran (0,8 mm dick,0,95 kg/m2), gemessen in zwei verschiedenen Prüfständenund berechnet nach den Gln. (1) und (3)Fig. 2. Sound reduction index of a membrane (0.8 mm thick,0.95 kg/m2) measured in a wall testing facilty („Wandprüf-stand“), measured in a door testing facilty („Türprüfstand“),and calculated according to equations (1) und (3)

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rung dar, in der der Lufthohlraum als Feder behandelt,eine Wellenausbreitung dort also ausgeschlossen wird. DieGüte dieser Näherung wurde mit dem Programm LAYERS,das die Wellenausbreitung berücksichtigt, überprüft, undzwar für senkrechten Schalleinfall. Unterhalb 800 Hz findetman eine ziemlich gute Übereinstimmung mit Gl. (5) für denFall geringer Bedämpfung des Hohlraums (Dämpfungs-faktor hLuft = 0,0005). Oberhalb treten bei den LAYERS-Resultaten die Hohlraumresonanzen auf, die durch Gl. (5)voraussetzungsgemäß nicht beschrieben werden. Eine zweiteLAYERS-Rechnung veranschaulicht die mit einer starkenHohlraumbedämpfung (hLuft = 0,1) mögliche Verringerungder Doppelwand- und Hohlraumresonanzeinbrüche. DerDämpfungsfaktor hLuft geht über die komplexe Schallge-schwindigkeit

(7)

in die Rechnung ein (Zeitkonvention exp[–i w t]).Aus Bild 3 ist klar ersichtlich, daß die wesentlichen

Diskrepanzen zwischen Messung und Gl. (5) im Bereichvon 300 Hz bis 1 kHz nicht durch die Vernachlässigungder Hohlraumresonanzen entstehen. Die entscheidendeUrsache liegt in der Winkelabhängigkeit der Resonanzfre-quenzen, insbesondere der DoppelwandresonanzfrequenzfR. Es gilt [13, p. 177 f.]:

(8)

Die Hohlraumresonanzfrequenzen fH besitzen die gleicheWinkelabhängigkeit:

(9)

(n = 1, 2, …; d: Hohlraumdicke). Bild 4 verdeutlicht mit-hilfe von LAYERS-Ergebnissen für einige Schalleinfalls-winkel Q, daß es oberhalb der Resonanzen bei Q = 0° fürjede Frequenz einen Winkel Q gibt, bei dem nach Gl. (8)bzw. (9) Resonanz auftritt. Daraus folgt zunächst, daßGl. (5) – obwohl der Winkel Q vorkommt – für schrägenSchalleinfall untauglich ist. Darüber hinaus leuchtet ein,daß der Fall diffuser Anregung nicht durch eine „stellver-tretende“ Welle mit einem geeignet gewählten Einfalls-winkel angenähert werden kann; es muß über Q gemitteltwerden. Daß sich dabei eine geringere Steigung als18 dB/Oktave ergibt, ist nun verständlich. (Eine ausführ-liche Diskussion der Schalldämmung von Doppelwändeneinschließlich verschiedener Näherungsformeln fürschrägen Schalleinfall findet sich bei [13, sections4.6–4.9].)

Beim Versuch, die Meßwerte mit LAYERS rechnerischnachzubilden, stellt sich vor allem die Frage, wie hoch dieBedämpfung der Luft im Hohlraum angesetzt werden soll.In Bild 5 sind den Meßwerten mehrere Ergebnisse mit un-terschiedlichen Dämpfungsfaktoren hLuft gegenüberge-stellt. Mit hLuft = 5 · 10–4 erzielt man oberhalb der tiefstenHohlraumresonanz (ª 1,7 kHz) eine ziemlich gute Über-einstimmung mit den Meßwerten, während unterhalbgrößere Dämpfungen, zum Teil mehr als 1 %, erforderlichwären. Ist eine derartige frequenzabhängige Hohlraum-dämpfung realistisch?

fn c

dH = 0

2 cos Q

fm m s

m mR =+( ) ¢1

21 2

1 2p cos.

Q

c̃ i cLuft Luft Luft= -( )1 h

Bild 3. Schalldämmung eines doppelschaligen Aufbaus auszwei 1,0 mm dicken und 1,36 kg/m2 schweren Membranenmit 10 cm Abstand, gemessen sowie berechnet nach Gl. (5)für zwei Einfallswinkel Q und berechnet mit LAYERS fürsenkrechten Schalleinfall mit zwei Hohlraumdämpfungsfak-toren hLuftFig. 3. Sound reduction index of a double-leaf membraneconstruction (1.36 kg/m2 each, cavity thickness 10 cm)measured and calculated according to equation (5) for twoangles of incidence and by LAYERS for normal incidenceand two cavity damping factors hLuft

zen die doppelwandtypische Steigung mit 18 dB/Oktaveergibt. Da keine Dämpfung berücksichtigt wird, ist dieSchalldämmung bei der Resonanz gleich null. Zum Ver-gleich mit den Meßwerten wird in [3] entsprechend der inAbschnitt 2 erwähnten Empfehlung eine unter Q = 45°einfallende Welle als „Stellvertreter“ für ein diffuses Schall-feld benutzt. Die in Bild 3 zusätzlich eingezeichneteKurve für senkrechten Einfall (Q = 0°) verläuft in der Tatganz ähnlich und könnte als Rechtfertigung dieser Nähe-rung angesehen werden.

Die berechnete Doppelwandresonanz (nach Gl. (6)bei 231 Hz) ist in der Messung zwar deutlich erkennbar,oberhalb ist der Kurvenverlauf jedoch sehr viel flacher alsnach Gl. (5) zu erwarten. Diese Gleichung stellt eine Nähe-

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Die Dämpfung im Hohlraum setzt sich aus drei An-teilen zusammen: Dissipation im Volumen, an den Mem-branoberflächen und an den seitlichen Rändern. Währendüber die letzten beiden Anteile keine Informationen vor-liegen, kann die Dissipation im Volumen als untere Grenzefür den Dämpfungsfaktor abgeschätzt werden. Aus der Ta-belle 1 der Norm ISO 9613-1 [14] erhält man für Luft bei20 °C und 50 % relativer Feuchte für 2 kHz einen Ab-sorptionskoeffizienten a ª 0,00986 dB/m und für 5 kHza ª 0,0444 dB/m. Mit der Umrechnung

(10)

ergibt sich bei 2 kHz hLuft ª 3 · 10–5 und bei 5 kHzhLuft ª 6 · 10–5, jeweils unterhalb des für die höheren Fre-quenzen „passenden“ Dämpfungsfaktors von 5 · 10–4. Auchwenn Hohlraumtemperatur und relative Feuchte bei derMessung etwas anders gewesen sein sollten, scheint dieser

ha

pa

pLuftLuft Luftc m s Neper m

f Hz

c m s dB m

f Hz e=

[ ] [ ][ ] =

[ ] [ ][ ]

/ / / /

lg2 2 20

Wert nicht unvernünftig zu sein. Die bei tieferen Frequen-zen wahrscheinlich vorliegenden höheren Dämpfungsfak-toren um 1 % wird man der Randdämpfung zuschreiben.Diese Größenordnung ist nicht ungewöhnlich, ein Belegdafür liegt allerdings nicht vor.

Diese Interpretation bedeutet für die rechnerische Mo-dellierung der Schalldämmung, daß die wichtigsten Ele-mente des Schalldurchgangs erfaßt werden und eine grobeAbschätzung möglich ist. Eine quantitative Vorhersage aberscheitert an der Unkenntnis der Hohlraumdämpfung, weildie Schalldämmung zum Teil empfindlich davon abhängt.

Im Gegensatz zu den vorigen Bildern handelt es sichbei den errechneten Daten zu Bild 5 um Terzmittelwerte.Um auch bei den sehr geringen Dämpfungen auf ungefähr0,1 dB genaue Terzmittelwerte zu erhalten, wurde jedesTerzband mit 47 Frequenzschritten durchlaufen. Die Mem-branen wurden ohne Biegesteife, ohne innere Dämpfungund praktisch ohne Vorspannung angesetzt. Als obereGrenze für die Einfallswinkel wurde wie üblich Qmax = 78°verwendet.

Nach den Ausführungen zum einschaligen Fall ist zuerwarten, daß auch beim doppelschaligen Aufbau die Ein-fallswinkelverteilung eine wesentliche Rolle spielen kann.Dies wird in Bild 6 – bei konstantem hLuft = 5 · 10–4 – mitHilfe verschiedener Werte für Qmax zwischen 70° und 89°verdeutlicht. Oberhalb 400 Hz zeigen sich teilweise drasti-sche Unterschiede, wobei geringere Qmax-Werte höhereSchalldämm-Maße erzeugen. Dies ist, wie man mit Bild 4nachvollziehen kann, plausibel. Wenn man also den „mo-dellüblichen“ gleichmäßigen Schalleinfall bis Qmax = 78°

Bild 4. Schalldämmung des Aufbaus von Bild 3. Messungund LAYERS-Rechnungen für verschiedene Schalleinfalls-winkel Q (Hohlraumdämpfungsfaktor hLuft = 0,0005)Fig. 4. Sound reduction index of the double-leaf membraneconstruction of Fig. 3. Measurement and LAYERS calculati-ons for various incidence angles Q (cavity damping factorhLuft = 0.0005)

Bild 5. Schalldämmung des Aufbaus von Bild 3. Messungund LAYERS-Rechnungen für verschiedene Hohlraum-dämpfungsfaktoren hLuft (über den Schalleinfallswinkel Qgemittelt bis Qmax = 78°)Fig. 5. Sound reduction index of the double-leaf membraneconstruction of Fig. 3. Measurement and LAYERS calcula-tions for various cavity damping factors hLuft (averaged overincidence angles up to Qmax = 78°)

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mit einer maximalen Biegesteife von 8 Nm fast die glei-chen Werte wie mit verschwindender Biegesteife.)

Als weiterer Testfall für die rechnerische Prognose seieine Messung mit Helium im Hohlraum herausgegriffen(Bild 7). Im Gegensatz zum obigen luftgefüllten Fall han-delte es sich hier um eine zweikammerige, aufgeblaseneKonstruktion mit einem Heliumüberdruck von 50 mbarund einem maximalen Schalenabstand von 22 cm. Die seit-lichen Abmessungen der Kammern betrugen 0,8 · 0,9 m2.Der Einfluß der Unterteilung in zwei Kammern und derAusbeulung der Membranen aufgrund des Überdrucks ließsich an Messungen mit luftgefüllten Hohlräumen ablesen:Er ist teils positiv, teils negativ, in Relation zum Unterschiedzwischen Luft- und Heliumfüllung eherweniger bedeutend.Die berechnete Kurve in Bild 7 wurde mit einer Schallge-schwindigkeit von 1005 m/s, einer Dichte von 0,17 kg/m3

und hHelium = 10–4 für den Hohlraum und einem ge-schätzten mittleren Schalenabstand von 21 cm gewonnen.Als tiefste Doppelwand- bzw. Hohlraumresonanz errech-net man damit 209 Hz bzw. 2,4 kHz, was sich auch in derKurve andeutet. Berechneter und gemessener Verlauf sindunterhalb 1,6 kHz recht ähnlich. Ab 1,6 kHz müßte viel-leicht eine geringere Hohlraumdämpfung angesetzt wer-den. Die beim luftgefüllten Fall gezogenen Schlüsse zurPrognosequalität gelten auch für Hohlräume mit Helium-füllung.

3.2 Mit Schaumstoff bedämpfter Hohlraum

Wenn die Dämpfung im Hohlraum durch eingestellte poröseAbsorber drastisch erhöht wird, ist die rechnerische Vorher-sage der Schalldämmung zuverlässiger möglich als bei leeremHohlraum, bei dem die Dämpfung – jedenfalls bei hohenFrequenzen – sehr gering und offenbar starken Schwankun-gen unterworfen ist. Bild 8 greift einige weitere Messungenaus [6] auf. Der Schalenabstand betrug 20 cm. Für die einge-stellte 10 cm dicke Schaumstoffplatte wurde eine Dichte von10 kg/m3, eine Porosität von 95 % und ein längenspezifischerStrömungswiderstand von 14 kPas/m2 angenommen. DieSchallausbreitung in der Schaumstoffplatte erfolgte rechne-risch nach der Theorie von Biot, die die Skelettbewegungberücksichtigt, und nach dem Äquivalenten-Fluid-Modellvon Wilson [6]. Dies führt zu einer befriedigenden Modellie-rung der Schalldämmung der Schaumstoffplatte alleine. Beider zweischaligen Konstruktion ohne Füllung treten ähnlichwie beim zuerst diskutierten 10 cm dicken Aufbau deutlicheAbweichungen auf (Annahme: hLuft = 0,001). Mit Füllungdagegen ergibt sich – von einer systematischen Verschiebungund einem „Ausreißer“ abgesehen – eine insgesamt rechtgute Übereinstimmung zwischen Messung und Rechnung,die möglicherweise durch eine genauere Charakterisierungdes porösen Absorbers weiter verbessert werden könnte. ImGegensatz zum leeren Hohlraum ist die Größenordnung derBedämpfung beim Hohlraum mit Absorber genau bekannt.Die größte Unsicherheit bei den Eingabedaten des Rechen-modells ist damit beseitigt. Die Schalldämmung bedämpfterzweischaliger Membranaufbauten sollte daher mit LAYERSzuverlässig vorhersagbar sein. Diese Einschätzung wirddurch die ebenfalls guten Ergebnisse für derartige Aufbautenin [5] bestätigt.

Durch die Bedämpfung des Hohlraums wird dieSchalldämmung oberhalb der niedrigsten Doppelwandre-

Bild 6. Schalldämmung des Aufbaus von Bild 3. Messung undLAYERS-Rechnungen für verschiedene maximale Schallein-fallswinkel Qmax (Hohlraumdämpfungsfaktor hLuft = 0,0005)Fig. 6. Sound reduction index of the double-leaf membraneconstruction of Fig. 3. Measurement and LAYERS calcula-tions for various maximal incidence angles Qmax (cavitydamping factor hLuft = 0.0005)

Bild 7. Schalldämmung heliumgefüllter Aufbauten aus0,8 mm dicken und 0,95 kg/m2 schweren Membranen. Mes-sung an einer aufgeblasenen Konstruktion mit zwei Kam-mern (maximale Dicke 22 cm) und LAYERS-Rechnung für21 cm MembranabstandFig. 7. Sound reduction index of double-leaf membrane con-structions (2 ¥ 0.95 kg/m2) filled with Helium. Measurementof an inflated construction (22 cm maximum thickness) andLAYERS calculation for a cavity thickness of 21 cm

in Zweifel zieht, kommt zur ungenügend bekannten Hohl-raumdämpfung eine weitere Modellunsicherheit hinzu.(Die geringe Biegesteife der Membranen wirkt sich imzweischaligen Fall kaum aus. Unterhalb 3 kHz ergeben sich

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sonanz (hier bei 163 Hz) und besonders oberhalb derniedrigsten Hohlraumresonanz (hier bei 863 Hz) wesent-lich erhöht. Ein Blick auf die Kurve mit hLuft = 0,1 inBild 3 macht dies verständlich. Das bewertete Schall-dämm-Maß Rw steigt durch die 50 %ige Füllung des Hohl-raums mit Schaumstoff bei der Rechnung von 14 dB auf22 dB und bei der Messung von 17 dB auf 24 dB. DieRechnung liegt jeweils auf der „sicheren“ Seite, auch beimleeren Hohlraum. In [6] wurden aus Meßwerten bei dreiSchalenabständen und verschiedenen Füllgraden desHohlraums Regressionsgleichungen gewonnen, die eineRw-Abschätzung erlauben:Rw, 10 cm = –0,0005 x2 + 0,1106 x + 15,012

Rw, 20 cm = –0,0012 x2 + 0,1961 x + 17,764 (11)

Rw, 30 cm = –0,0015 x2 + 0,2351 x + 20,233

mit dem Füllgrad x des Hohlraums mit Schaumstoff in %.Die nach diesen Formeln berechneten Werte weichen ma-ximal 1 dB von den gemessenen ab.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Schalldämmung von zweischaligen Membranaufbautenbei diffusem Schalleinfall kann nur zuverlässig vorherge-sagt werden, wenn die Verhältnisse bei schrägem Schall-einfall korrekt berücksichtigt werden. Auf die Einfallswin-kelabhängigkeit der Doppelwand- und Hohlraumresonan-zen und entsprechende Mängel in [9] wurde hingewiesen.Abgesehen von den Schwierigkeiten bei tiefen Frequen-zen, die mit Rechenmodellen für seitlich unendlich ausge-dehnte Konstruktionen bekanntlich nicht ausgeräumt wer-den können, ist eine Prognose, beispielsweise mit demIBP-Programm LAYERS [7], zuverlässig möglich, wennder Raum zwischen den Membranen mit einem absorbie-renden Material bedämpft ist. Ohne derartige Hohlraum-bedämpfung ist das Rechenergebnis stark von der verblei-benden Absorption an den seitlichen Rändern und in derLuft des Hohlraums abhängig. Mangelnde Kenntnis diesergeringen Absorption verhindert daher eine belastbare Vor-hersage. Eine andere mögliche Ursache von Diskrepanzenzwischen Messung und Rechnung liegt bei den Einfalls-winkelverteilungen, wenn die Annahmen im Rechenmo-dell zu sehr von der Realität in den Prüfständen abwei-chen. Zur Klärung dieser Frage sind weitere Untersuchun-gen erforderlich.

Wenn der Hohlraum bedämpft werden soll, ohne dieLichtdurchlässigkeit der Konstruktion aufzugeben, könnenmikroperforierte Folien als Absorber eingesetzt werden. Esist geplant, die Prognosemöglichkeiten von LAYERS ent-sprechend zu erweitern. Anschließend soll für gekrümmte undaufgeblasene Konstruktionen [15] der Einfluß von Krüm-mung und Kammerung rechnerisch behandelt werden.

Danksagung

Die wesentlichen hier dargestellten Arbeiten sind im Vor-haben [6] entstanden, das von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) gefördert wurde.

Literatur

[1] Mehra, S. R.: Aufblasbare Schallschirme, IBP-Mitteilung 28(2001), Nr. 386.

[2] Mehra, S. R.: Aufblasbarer Schallschutz mit Bauteilen ausFolien und Membranen. Bautechnik 79 (2002) H. 11, S. 794–797.

[3] Weber, L., Mehra, S. R.: Luftschalldämmung und akusti-sche Eigenschaften von Folien und Membranen. ZeitschriftLärmbekämpfung 49 (2002), H. 4, S. 129–136.

[4] Haberkern, R., Teller, P.: Zur Berechnung der Schalldäm-mung von Folien und Membranen, IBP-Mitteilung 29 (2002),Nr. 417.

[5] Guigou-Carter, C., Villot, M.: Study of acoustically efficientmembrane based multilayered systems. Proc. Internoise2004, CD-Rom, paper 423.

[6] Mehra, S. R., Maysenhölder, W., Leistner, P., Teller, P.: Aku-stisches Verhalten von Hüllenkonstruktionen aus Folien undMembranen (AHAFUM). Abschlussbericht zum DFG-Pro-jekt Ge 368/24-1, Lehrstuhl für Bauphysik, Universität Stutt-gart, 2004.

[7] Maysenhölder, W.: LAYERS – ein Werkzeug zur Untersu-chung der Schalldämmung von Platten aus homogenen ani-sotropen Schichten. IBP-Mitteilung 26 (1999), Nr. 347.

Bild 8. Gemessene und mit LAYERS berechnete Schalldämm-Maße: Zweischaliger Aufbau aus 0,8 mm dicken und0,95 kg/m2 schweren Membranen im Abstand von 20 cm mitund ohne Absorber im Hohlraum sowie Absorber alleineFig. 8. Measured and calculated sound reduction index:Double-leaf membrane construction (0.95 kg/m2 membranes0.8 mm thick and 20 cm apart) with and without absorberin the cavity, and absorber by itself (measurements: withsymbols; LAYERS calculations: without symbols)

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[8] Fasold, W., Veres, E.: Schallschutz und Raumakustik in derPraxis. Berlin: Verlag für Bauwesen 1998.

[9] Cremer, L., Heckl, M.: Körperschall. Berlin: Springer-Verlag1996.

[10] Roland, J., Brutel-Vuilmet, C., Villot, M., Guigou, C.: Effectof the spatial repartition of the incident field on laboratoryairborne sound insulation measurement of buildings ele-ments. Proc. Internoise 2005.

[11] Trevathan, J. W., Pearse, J. R.: The significance of the inci-dent sound field on the sound transmission loss of a finite pa-nel. Building Acoustics 12 (2005) No. 4, 225–235.

[12] Maysenhölder, W.: Bending-Wave Energy Propagation inInhomogeneous Thin Plates and Membranes. Proc. Inter-noise 2004, CD-Rom, paper 787.

[13] Fahy, F.: Sound and Structural Vibration. London: Acade-mic Press 1985.

[14] ISO 9613-1:1993(E): Acoustics – Attenuation of sound du-ring propagation outdoors – Part 1: Calculation of the ab-sorption of sound by the atmosphere.

[15] Mehra, S. R., Weber, L.: Schalldämmung und Einfügungs-dämpfung aufblasbarer Lärmschutzwände. Z. Lärmbekämp-fung 52 (2005) Nr. 1, S. 6–13.

Autor dieses Beitrages:apl. Prof. Dr. rer. nat. habil. Waldemar Maysenhölder, Fraunhofer-Institutfür Bauphysik (IBP), Abteilung Akustik, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart,und Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Bauphysik.